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Abendausgabe

Nr. 80 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 40

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Sel- Moreffe: Sozialbemotrat Berlin

10 Pfennig

17. Februar 1926

Vorwärts=

Berliner Dolksblatt

Berlag unb Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Beclag Gmbh. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Danhof 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

Sozialdemokratie und Volksentscheid.

Eine unmißverständliche Erklärung.

durchführen. Ich hoffe, daß diese flare Ertlärung über die Stellung der Sozialdemokratischen Partel von dem Abg. Neubauer an die ihm nahestehende Breffe weitergegeben wird und daß nun­mehr alle Mißdeutungen und Unterstellungen unter bleiben, durch die nur Argwohn gegen die Sozialdemokratische Partei hervorgerufen werden soll. Ein Grund hierzu liegt nicht im ge ringsten vor. Der Bolfsentscheid geht seinen Gang.

Im Rechtsausschus des Reichstags wurde heute die General| fratische Partei hat ihn beantragt und sie wird ihn selbstverständlich bebatte über die Fürstenforderungen fortgefeßt. Es fprachen n. a. bie Abgg. Dr. Bell( 3.), Pfleger( Bayr. Bp.), Frid ( völl.) und Neubauer( Romm.) Auf eine Anzapfung des legteren gab Genosse Dr. Rosenfeld folgende unzweideutige Erklärung ab: Die Frage des Abg. Neubauer, wie die Sozialdemokratische Bartet zum Bolfsentscheid, zur entschädigungslosen Enteignung und zum Kompromißantrag der bürgerlichen Parteien steht, gibt mir millkommenen Anlaß, den Standpunkt der Sozialdemokratischen Bartei barzulegen. Wir haben felbft im Rechtsausschuß einen An trag eingebracht, der die entschädigungslose Enteignung der Fürsten trag eingebracht, der die entschädigungslose Enteignung der Fürsten fordert und wir werber alles tun, biefem Antrage zur Annahme zu verhelfen. Den kompromisantrag der bürgerlichen Bar teten werden mir, wie bisher, 3 unà ch ft zu verbessern suchen, mie mir ja auch sonst bei allen Gesezentwürfen uns bemühen, ihre Gestaltung nach Möglichkeit zu beeinfluffen. Ob mir in der Lage sein werden, für den veränderten Stompromißantrag zu stimmen, wird davon abhängen, inwieweit es uns gelingen mird, unfere Abänderungswünsche durchzufeßen. Wir werden zu dem Kompromißantrag erst Stellung nehmen, wenn seine endgültige Formulierung feststeht. Der Bolfsentscheid hat mit den Beratungen im Rechtsausschuß nicht das geringste zu tun. Die Sozialdemo­

Neue Luppe- Verfolgung.

Der Staatsanwalt will sein Opfer. Nürnberg , 17. Februar. ( WTB.) Nach einer Meldung der Fränkischen Tagespoft hat der Staatsanwalt Be­iwerde eingelegt gegen den Beschluß der Nürnberger Straflammer, dem Antrag des Staatsanwalts belt. Einleitung eines meineid. verfahrens gegen Oberbürgermeister Dr. Cuppe nicht flatt­zugeben. Der Fall wird nunmehr das Oberste Landesgericht in München beschäftigen.

An die Nachricht über die Außerverfolgungsfegung Luppes fnüpfte die Tägliche Rundschau" dieser Tage einige meiner liche Bemerkungen über die zunehmende Politisierung der Behandlung richterlicher Urteilssprüche. Die Tägliche", 70 Broz. deutschnational und 30 Broz. volksparteilich, hat thre eigenen Borstellungen von Politisierung der Justiz. Sie ficht die Politisierung nicht darin, daß in einer unerhört chamlofen Beile deutsche Richter sich zur Verfolgung lintsgerichteter Politiker hergeben, fie sieht sie nicht darin, daß immer wieder einseitige Urteile gegen links gefällt wer den, fie fieht die Politisierung nur darin, daß man auf der Linken sich gegen diesen Zustand, der eine Kulturschande ohnegleichen ist, energisch wehrt. Die Tägliche Rundschau", in diesem Falle einmal chriftlich- pazififtisch angehaucht, glaubt der Linken empfehlen zu können, daß fie gut tut, bie Linke und die rechte Bade hinzuhalten. Diese Berschiebung der Streitfrage wird aber menig nützen. Das Gefühl der Scham über unsere Justizzustände macht sich all mählich selbst in Kreifen bemerkbar, die der Täglichen Rund schau" naheftehen. Der fanatische Eifer, mit dem ein Mann wie Luppe verfolgt wird, muß meiter dazu beitragen, den Kampf gegen die beutsche Justiaschmach zu verstärken. Deutsche Richter haben nicht das Recht, sich in den Dienst einer einseitigen politischen Rampagne zu stellen, fie brauchen nicht zu denken, daß sie unangreifbar wie die Götter auf ihren Thronen figen. Sie haben dem Recht und dem Wolfe zu dienen. Sie werden gut tum, ihre Bragis zu ändern, ehe die Saat aufgeht, bie gefät wird.

Drummonds Berliner Verhandlungen.

Das Zeremoniell und die Stellenbesetzung. Der Generalfekretär des Böllerbundes wird heute abend feine Rückkehr nach Genf antreten. Seine Berliner Be Sprechungen galten in erster Linie den Formalitäten bei dem Eintrittsaft Deutschlands in den Bölkerbund und der Be fetzung gewiffer Aemter durch Reichsdeutsche. Die endgültige Entscheidung über die Hauptstellen bleibt im Einvernehmen mit der Reichsregierung natürlich dem Bölkerbundsrat vor. behalten, der nach Borschlag des Generalfefretärs entscheidet. Es ist zu erwarten, daß nach dem Eintritt Deutschlands zunächst nur eine Reihe der politisch weniger wichtigen Stellen be fezt wird, die Hauptämter, insbesondere das des zweiten Generaljefretärs und der von Deutschland zu stellenden Di reftoren dagegen erst im Laufe des Jahres.

Die am 8. März beginnende Böllerbundstagung dürfte pier bis fünf Tage dauern, während der Rat acht Tage später beraten wird.

Rechtsparteiler bei Trummond.

Einem Mitarbeiter der B. 3." sagte Drummond, er glaube be. merft zu haben, baß jeßt auch die gemäßigten Rechtskreise in Deutsch lamb objeftiner über ben Bölferbund zu benten beginnen. Denn es haben auch bereits bentle Rechtsmänner mit den füb. renden Böllerbundstreifen Fühlung aufgenommen.( Diese Fühlungnahme wird doch nicht etwa der Stellenbejegung gegolten haben? Red.)

Der Bertreter des Zentrums, Dr. Bett, sprach fich für eine 20jung auf der mittleren Linte aus. Er bezeichnete es als einen Erfolg der Ausschußberatung, daß allmählich ein gewisser Ausgleich gefunden sei zwischen der starren Ablehnung jedes Eingriffs in das formale Recht und der Forderung entschädigungsloser Enteignung.

Die Beimarer Berfaffung hat pofitive Borschriften über die Fürstenenteignung nicht gegeben. Damals glaubte man, daß bei wechselseitigem Verständnis leicht eine Einigung möglich wäre. An diesem Berständnis hat es leider bei manchen Fürstenhäusern durchaus gefehlt. Man gewinnt den Einbrud, daß an ihnen die Kriegsmirkung mit dem furchtbaren Verlust an Rational vermögen fast fpurios vorübergegangen ist. Das hat auch in weit rechts stehenden Kreisen Befremden erregt.

Briand und die Verfassung.

Das Posen von heute.

Reiseeindrücke.

Bon Josef Kliche.

Mehr als jechs Jahre find vergangen, seit die deutsche Oftmart nach fast hundertfünfzigjähriger Zugehörigkeit au Breußen aus deffen Staatsverband ausschied, um mit dem neu erftandenen Bolen vereinigt zu werden. Dieser neue Bolenstaat wurde bekanntlich schon während des Krieges durch Wilhelm II. und dessen damalige Regierung proklamiert; er follte ein schlauer Schachzug gegen die Entente sein, war aber in Wirklichkeit nichts anderes als eine sehr naive Spekulation auf den längst friegsmüde gewordenen polnischen Volks charakter innerhalb der eroberten Gebiete Ruffifch- Bolens. Was lag näher, als daß der Frieden von Bersailles aud ben wesentlichsten Teil des preußischen Bolen dem nun ein Etwa zwei mal angeregten neuen Bolenstaat auteilte! Millionen Menschen wurden dadurch vom bisherigen Mutter­lande losgelöft und innerhalb des neuen Staates zur Wojwod­fchaft( Regierungsbezirt) Bofen vereinigt. Behördlicher und wirtschaftlicher Mittelpunkt diefes Bezirks blieb wie bisher die Stadt Bosen.

Bosen! Der Name läßt die Zeiten der jahrzehntelangen preußischen Germanisierungspolitik wieder lebendig werden. Eine Politif, die es in anderthalb Jahrhunderten nicht zuwege brachte, daß der größte Teil der ehemals polnischen Be wohner fich deutsch fühlte, die aber andererseits ein nicht zu unterschäßendes Quantum Kulturarbeit in diefen Be zirfen leiftete. Denn es wurden nicht nur selbst längst wieder niedergelegte Festungswälle, Kasernen und prunfvolle Regie­rungsgebäude errichtet; es wurde ja auch eine sehr umfassende Kolonisationstätigkeit in den weiten müften fändlichen Be zirken vorgenommen, es wurden Kulturstätten von hohem Rang geschaffen; an finanziellen Aufwendungen für die Ost­mart hat es wahrhaftig nicht gefehlt. Wir wollen es uns hier und heute versagen, auf den Nationalitätenstreit von einftmals einzugehen, auf die wenig geschickten Kaiserreden, auf die Schachzüge der unentwegten Bolen gegenüber den hatatistischen Güterauffäufern ufm.; viel interessanter scheint die Beantwortung der fehr zeitgemäßen Frage: Wie sieht es heute in der einstigen deutschen Ostmart, wie sieht es ins­besondere in der Stadt Bofen aus? Was ist aus all dem geworden, das feinerzeit den neuen Herren wie eine reife Frucht vom Baume mühelos in den Schoß fiel? Wie ver­waltet man in Warschau oder Posen das preußische Erbe?

Er will die Senatsrechte verfassungswidrig erweitern. Paris , 17. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Die Absicht Briands, den Genat die von der Kammer abgelehnten finanziellen Maß nahmen wiederaufnehmen zu lassen, und dann geftigt auf diefes Botum in der Kammer die Kabinettsfrage zu stellen, ftößt auf ver faffungsrechtliche Schwierigkeiten. Der Artikel 8 der Berfaffung bestimmt ausdrücklich, daß der Senat ebenso wie die Deputiertenfammer die Initiative auf gefeßgeberischem Gebiete habe, jedoch mit Ausnahme der Finanzgefeße, die zuerst in der Rammer einzubringen und von dieser zu votieren find. In dem Augenblic", schreibt dazu der Quotidien", wo das ganze Land eine Beschräntung der Rechte des aus einem beschränkten Wahl. Nun, die Wandlung, die sich hier vollzog, ist instem hervorgegangenen Senats verlangt, versucht Briand , diese auf Roften des allgemeinen und gleichen Wahlrechts noch erheblich zu er. ganz außerordentlich groß. Betrug der deutsche Teil der Be­weitern. Der Senat wird zweifellos diesen Vorschlag aufnehmen völkerung in der ehemaligen Provinz Bofen zu Beginn des und die von der Kammer abgelehnten Steuern wiederherstellen. Krieges etwa 42 Prog. der Gesamteinwohnerschaft, so dürfte Die große Frage ist jedoch die, ob die Kammer sich unter. er gegenwärtig nur noch tnapp 15 Broz. ausmachen. Bon werfen und diesen Staatsstreich eines vertappten rund 850 000 Deutschen verließen freiwillig oder gezwungen Faschismus ratifizieren wird. Tut fie dies, bann würde sie über 550 000 die ungaftlich gewordene Stätte ihres zum ihre eigene Abdantung unterzeichnen und im Lande einen Teil jahrzehntelangen Wirkens. Der Grund zu dieser Aus­Sturm der Entrüstung auslösen, der sie selbst hinwegfegen wanderung lag in dem besonders 1919 und 1920 häufig an­würde. Soziale Unruhen und innerpolitische Erschütterungen gewendeten direkten oder indirekten Terror eines wüft­von unabsehbarer Iragmeite würden die unausbleib nationalistischen Teiles der polnischen Bevölkerung, dann in liche Folge sein, denn die Arbeiterschaft, die Angestellten, Beamten einem Furchtgefühl vor etwaigen fommenden Dingen, und und fleinen Raufleute würden wie ein Mann sich erheben gegen den fchließlich machte der polnische Staat selbst in sehr umfassen­Bersuch, sich dem Gesetz eines Barlaments unterwerfen zu sollen, in der Weise von jenem Ausweisungsrecht Gebrauch, das ihm dem fie feinerlei Einfluß besitzen und das ausschließlich eine Ber der Bersailler Bertrag gegenüber weiten Schichten des deut­tretung der Intereffen einer privilegierten Schicht darstellt." fchen Elements gab. Daß mit dem Umschwung die bei den Das Gericht von der Absicht Briands, im Falle eines Konflitts Bolen wenig beliebten oberen und mittleren Beamten­zwischen beiden Häusern des Parlaments die Rammer aufaufreife ohne weiteres die Oftmart verließen bzw. durch öfen, hält das Blatt für unbegründet, denn Briand würde ben preußischen Staat umgepflanzt wurden, bedarf feiner be­sich zweifellos fehr reiflich überlegen, Neuwahlen zu provozieren, in fonderen Erwähnung. Mit der Abwanderung des deutschen denen der Linken mit dem an das Land gerichteten Aufruf, fich Elements schwand auch der deutsche Einfluß in den kom­zwischen den beiden Barlamenten zu entscheiden, der Sieg ficher fei. munalen Körperschaften des Bofener Bezirts fast Dollständig. Und es ist recht bezeichnend, daß bei den letzten Bofener Gemeindewahlen die Deutschen Bosens von der Auf­ftellung einer Sonderliste abfahen und dafür ihre Stimmen beschlußgemäß der sozialdemokratischen Liste zuführten, als der Bartel, zu der sie das meiste Vertrauen haben.

Rücktritt der Linksminister?

Paris , 17. Februar.( Eigener Drahtbericht.) In der Kammer tauchte das Gerücht auf von einer Demission ber beiden radikale sozialen Minister Daladier und Chautemps. Dieses Gerücht hat bis jetzt noch teine Bestätigung gefunden. In den parla mentarischen Streifen hält man es jedoch für feineswegs ausge fchloffen, daß der im Kabinett schon seit langem bestehende Gegen­faz zwifchen Briand bzw. Doumer und den zu dem linken Flügel des Kartells zählenden Ministern schon in den nächsten Tagen zum offenen Ausbruch tommen tann.

Kattowitzer Staatsrettung. Fortschung der Polizeiaktion.

Hand in Hand mit der durch die Abwanderung der Deutschen herbeigeführten Bolonisierung geht die syfte durchgeführte der obersten matisch angestrebte und auch Staatsbehörde. Alle Städte und Ortschaften des Bezirks, also der Woiwodschaft Posen, erhielten wieder ihren einstigen früheren, zum Teil schon hundert Jahre vergessenen polnischen Namen; statt des Deutschen wurde polnisch die Amtssprache, bie blauen Brieftäften murben rot gestrichen, der schwarze Adler zog das weiße Gewand des einftiaen polnischen Bappen nagels an usw., usw. Bezüglich der Sprache ist es so, daß heute jeder Erwachsene zwar noch die deutsche beherrscht, daß aber das heranwachsende Geschlecht, ab­gesehen von einer Reihe noch bestehender deutscher Privat­schulen, dem ftaatlichen polnisch- sprachigen Unterricht unter­worfen ift. Moraus fich ergibt, daß in vielleicht zwanzig Jahren das Deutsche nur noch etwas Bereinzeltes dar­stellen wird.

Breslau , 17. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Die Deutschen verfolgungen in Dstoberschlesien sind noch nicht beendet. Das deutsche sozialistische Organ in Kattomi, der Bolfswille", murde bereits zum zweiten Male innerhalb einer Woche beschlagnahmt. Bon den verhafteten Deutschen ist einer im Gefängnis gestorben, angeb. fich infolge Selbstmords. Da die Haussuchungen und die Ber haftungen feinerlei Material zutage gefördert haben, mit dem die polnischen Behauptungen über angebliche Losreißungspläne und landesverräterische Absichten bewiesen werden können, fo find jest die Behörden dazu fibergegangen, die Korrespondenz der deutschen Gewerkschaften zu durchsuchen. Benigstens ist das den pollendsfied fingen. Das wirtschaftlich recht schmache, aber nischen Blättern zu entnehmen, die behaupten, daß landesverräte rische( 1) Berbindungen der deutschen Gewerkschaften von Ober fchleflen mit einigen Zentralen in Berlin aufgebedi" worden felen. Da durch den Genfer Bertrag die freie Betätigung ber deutschen Gewerkschaften in Ostoberschtesten garantiert ist, dürfte sich auch diese Beschuldigung als unhaltbar erweisen.

Sehr im argen liegen die sozialen Dinge im Bofener Bezirk. Ist es auf diesem Gebiet infolac des langen Krieges allenthalben in der Welt nicht gerade beiser geworden. fo fann Bolen davon ein ganz befonders schaurig flingendes dennoch militärtolle Land tennt von Bosen bis Warschau einen einzigen großen Finanzdalles, Darniederliegen von Ge­werbe nud andmer?, Arbelistofigfeit auf weiter Linie. Was bedeutet, daß es, mie überall in folchen Zeiten, am schlechtesten dem Broletarier geht. Günstig für Staat und Bolt war es, daß ein großer Teil der arbeitslosen Bevölke