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ein früherer Oberfeuerwerker und späterer Polizei benmter, der hier in der Sophien st raße wohnte.- Aus dem Ilmstande, daß der Attentatsversucher Ober- feucriverker war. erklärtes sich, daß die Maschine, welche das .eben des Polizei- Obersten Krause gefährden sollte, mit c"iein von Sachkemrtniß zeugenden Raffinement hergestellt war..ie Ursache des Rache-Akts konnten wir nicht erfahren; mur das eine steht fest, daß der gewesene Beamte sich mit der Anfertigung derHöllenmaschine" begnügte und das weitere von seiner Tochter besorgen ließ. Diese verfügte sich in M ä n n e r k l e i d u n g mit dem Packet nach Fürstenwalde und gab dort die Sendung unter den bereits von der Presse berichteten Umständen aus die Post. Der Verlauf der Affäre ist bekannt. Es sei noch hinzugefügt, daß der muthmaßliche Attentäter, nachdem er am Montag in der Presse die Nachricht von der Vereitelung des Attentats ge- lesen, sich schlennigst aus Berlin entfernt hat und bis heute trotz der gewaltigen Anstrengungen der Behörden nicht hat aufgefunden werden können. Das Verschwinden des Mannes lenkte aber naturgemäß den Verdacht seiner Behörde auf ihn und seine anscheinend mit ihm verschwundene Tochter. Diese konnte am Donnerstag ergriffen werden. wogegen von dem Vater, wie gesagt, noch jede Spur fehlt. Irgend ein Geständniß war aus der Tochter nicht herauszubringen; viel- mehr bestreitet sie ganz entschieden, an der Affäre betheiligt zu sein. Die Verhastete ist am Sonnlag ins Moabiter Untersuchuugs- gefängniß gebracht worden. Nothleidcnder Witz offenbart sich in dem Organ der noth- leidenden Landwirthe. Im Zoologischen Garten werden zur Zeit vis außerordentliche Seltenheit einige Orang-Utangs gezeigt. Hierüber schreibt dieDeutsche Tageszeitung": Im Zoologischen Garten sind heute Mittag die Orang- Utans einer geladenen Gesellschaft von Wiffenschastlern und Ver- tretern der Presse vorgestellt worden. Wie uns ein Augenzeuge mitthcilt, begrüßte Professor Virchoiv die Angekommenen mit einer längeren Rede über die Entwickelung des Mensche», die Un- Übertrefflichkeit der Berliner Kommunalverivaltung und die Prin- zipien derunentwegten" freisinnigen Volkspartei. Der älteste Affcnvater dankte in lebhaften Lauten in der Affensprache. Er schien zu sagen, daß er überrascht sei von der großen Aufmerl- famkeit, die man ihm und den Seinen entgegenbringe. Daß die freisinnige Volkspartei außer dem Begründer derFreisinnigen Zeitung" noch einen Vertreter stellen konnte, überraschte ihn offenbar. Er zeigte ein affenmäßiges Vergnügen darüber. Die Freude des Publikums über das nette Benehmen diesesalten Herrn" war allgemein. Mit solcher Geschmacklosigkeit sollte einmal ein sozial- demokratisches Blatt einen Gegner bekämpfen. Was würde das für eine Entrüstung geben unter denen, die mit Raubrittermuth für Ordnung, Religion und Sitte und teutsches Wesen kämpfen! Auf der Bühne wahnsinnig''geworden. Von einem tragischen Schicksal ist seit einigen Tagen der erste jugendliche Liebhaber und Held des hiesigen Nationaltheaters betroffen worden. Uns werden über die Angelegenheit folgende Einzel- heiten berichtet: Am Freitag Abend wurde im Nationaltheater das Sensations- DramaIm Jrrenhause" gegeben und in diesem Stück war Herr Karl Wesselski hervorragend beschäftigt; der genannte Herr gab einen jener Unglücklichen, die im Jrrenhause gewaltsam festgehalten wurden. Eben sollte das vorletzte Bild gegeben werden und bei heruntergelassenem Vorhang machte der Inspizient die Runde, um sich zu überzeugen, ob auch alles am Platze sei. Da bemerkte er mitten auf der Bühne eine Person lang hingestreckt auf dem Fußboden liegend und von krampfhaften Zuckungen gepeinigt. Herantretend erkannte der Inspizient Herrn Wesselski, welcher nun, von hilfreichen Händen aufgerichtet, stieren Blickes um sich schaute und mit abwehrenden Gebehrden fortwährend die Worte seiner Rolle replizirte:Ich bin nicht irrsinnig, gebt mir mein Geld wieder." Anfänglich glaubte man, daß der Schau- spieler sich einen schlechten Scherz geleistet, da aber W. immer mehr tobte und nicht zu beruhigen war, so wurde ein Arzt der nahen Unfallstation herbeigeholt, der den Patienten vlsbald nach dem städtischen Krankenhause Friedrichshain über- führen ließ. Hier verfiel W. in Tobsucht und es ist leider wenig Aussicht vorhanden, daß der Schauspieler, der übrigens vor drei Monaten bereits einen ähnlichen, jedoch bedeutend leichteren Anfall von delirium tremens hatte, wieder genesen wird. Allem Anschein nach wird W. nach Dalldorf übersührt werden müssen. Der so plötzlich erkrankte Künstler ist ein Wiener von Geburt und jetzt SS Jahre alt. Er wurde von Laube entdeckt und ans Burgtheater engagirt; späterhin wurde W., der bereits mit der Tochter eines reichen Grundbesitzers vcrheirathet war, vom Direktor Pollini ans Thaliatheater berufen, woselbst er mit Matkowski in den ersten jugendlichen Helden- rollen alternirte. In Hamburg lockerte sich das Band der Ehe und beide Gatten gingen auseinander; diese Trennung von seiner Frau nahm sich der Künstler derartig zu Herzen, daß der bis dahin solide Mann zur Flasche griff und zum Schnapstrinker wurde. Eine Zeitlang trieb sich W., dem jedermann eine glän- zende Laufbahn prophezeit hatte, an kleine Wanderschmieren umher. Vor einem Jahre wurde er in einem Chausseegraben bei Steglitz total betrunken vorgesunden; da nahm' sich Direktor Samst des Herabgekommencn an und sicherte ihm eine einträg- liche Stellung an seiner Bühne. Das Bibliographische Institut in Leipzig ersucht uns, zu konstatiren, daß es nicht mit dem hier verkrachten Bibliographi- scheu Bureau identisch sei. Wir kommen dieser Aufforderung um so eher nach, als die verkrachte Gesellschaft kürzlich irrthüm- lich von uns als Bibliographisches Institut bezeichnet worden ist. Als älteste Krankeukaffe war in der Presse vor kurzem die Neben'sche genannt worden, die dieser Tage ihr hundert- jähriges Jubiläum gefeiert hat. Diese Mitlheilung ist, wie uns mitgetheilr wird, dahin richtig zu stellen, daß die Neben'sche Kasse nicht den Anspruch hat, sich die älteste in Berlin zu nennen. Aelter ist die Ehlert'sche Kranken- und Sterbekasse Nr. 27, die am ö. November 175i aus der bis dahin bestehenden Woll- und Zeugmacher-Kranken- und Sterbekasse gebildet worden ist. In dem am Sonntag von uns gebrachten Artikel über die mögliche Ursache der B a l l o u- E x p l o s i o n in der Militär- Lustschiffer-Abtheilung befinden sich zwei Druckfehler, die wie folgt zu berichtigen sind: Auf Zeile 9 von unten in der be- treffenden Spalte muß es heißen:wenn dieser durch das Gas (nicht Loch) schlägt", und in der 7. Zeile von unten:Die von vielen behaupteteSelbstentzündung des Gases(nicht Geier) halte ich:c." Aufsehe« ruft in der Königstadt das Verschwinden des so- genanntenBankiers" Albert Richter, Metzerstr. 19, hervor, eines Mannes, der das Zeug hatte, ein hervorragender Kautions- schwindlet zu werden. Richter betrieb bisher in setner in der Metzerstraße belegenen Wohnung«ine Hcmdenfabrik, bei welcher er Reichthümer nicht erwerben konnte. Er beschloß daher eine Bank " zu gründen und mielhete zu diesem Zwecke Alexander- straße S4 in der ersten Etage größere Räumlichkeiten, in welchen er unter dem hochklingenden TitelNorske Kreditbank" ein Bank- institut eröffnete. Der Name sollte Kunden anlocken, die der An- ficht waren, daß es sich hier um eine Filiale oder Kommandite des gleichnamigen bekannten Geldinstituts in Christiania handelte. Die Bureaus wurde» glänzend ausgestattet, natürlich aus Pump. R. engagirte zum 1. Juli 12 Damen zum Adrcssenschreiben, zwei Buchhalter und einen Kaffenboten, zum 15. Juli 14 Buch­halter, und zum 1. August noch weiteres Personal. Am 1. Juli 8 Uhr früh wurde dann auch die Norske Kreditbank eröffnet und die Damen wurden sofort mit dem Schreiben von Briefen zur Gewinnung von Kunden beschäftigt, während die Buchhalter mit der Einrichtung und Liniirung von Geschäfts- büchern zu thun hatten. Bereits am 1. Juli abends trat der Chef" eine Geschäftsreise an, von welcher er bis zum heutigen Tage noch nicht zurückgekehrt ist. DerChef" hatte die ge- sammten eingezahlien Kautionen seines Personals, soweit bis jetzt festgestellt ist, mindestens 3000 M., mit sich genommen. Die Angelegenheit wurde der Polizei gemeldet, welche die Räume der Bank bereits geschlossen hat. Bei einer Revision wurden zirka 2999 gedruckte kiautionssormulare, sowie 89 nach Abreise des Chefs eingelaufene Offerten von Stellungsuchenden vorgefunden, in denen etwa 8990 M. Kautionen angeboten waren. Eine abenteuerliche Dampferfahrt hatte eine Gesellschaft von gut 59 Personen zu bestehen, die sich am Sonntag Abend 19 Uhr mit dem DampferGermania ",(Eigenlhümer Herr Schütze, Köpenick ) von Schmöckwitz nach Grünau befördern ließ. Es war mit dem Schiffssührer ein Fahrpreis von 12 M. ver­einbart worden. Nachdem die Gesellschaft ohne Zwischenfall bis Karolinenhof befördert worden war, verbot der Schiffsführer plötzlich ohne Angabe von Gründen das Singen; zu gleicher Zeit ließ er den Dampfer stoppen. Nach;dem Grunde dieser Maßregel befragt, erklärte der Führer, für den Preis von 12 M. nicht weiter fahren zu können. Um nur ans Land zu kommen, wurde ihm schließlich der Betrag von 14 Mark, den er verlangte, zugesichert. Darauf hin versprach der Führer, die Fahrt fortzusetzen, doch blieb es bei der Erklärung, denn nach einer Viertelstunde lag der Dampfer immer noch auf demselben Fleck. Selbstverständlich stieg nun die Aufregung aufs höchste, und auf die Hilferufe hin, welche von einzelnen Frauen und liindern ausgestoßen wurden, machte schon der Führer des vorbeifahrenden DampfersFriedrich Wilhelm" Anstalten, den Fahrgästen derGermania " beizuspringen. End- lich bequemte sich der Führer dieses Schiffes zur Weiterfahrt; jedoch kam es bei der Landungsstelle in Grünau zu neuen Miß- Helligkeiten. Der Schiffsführer entfernte sich nämlich mit der Drohung, Polizei zu holen und ließ den Steuermann mit der Weifung zurück, niemanden, weder Frauen noch Kinder, landen zu lassen. Wohl oder übel mußten die Passagiere sich fügen, trotz- dem einzelne sich erboten hatten, für Feststellung sämmtlicher Fahrgäste einzustehen. Wie wenig Bedeutung die schließlich am Platze erschienene Polizei dem Verhalten der Fahrgäste beilegte, ergiebt sich daraus, daß von ihr nur zwei Namen notirt wurden. Dann endlich waren die Ausflügler, die an diese�Fahrt ihr Leben lang denken werden, der Freiheil wiedergegeben. Eine zoologische AnSstellung und Vorführung wilder Thiere, die Herr Karl Hagenbcck aus Hamburg im früheren Zirkus Schuhmann am Friedrich Karl-Ufer veranstalten wollte, ist vom Polizeipräsidenten aus Sicherheitsgründen verboten worden. Ein Eiseilbahnunfall ist am Montag Vormittag auf dem Bahnhof Eberswalde erfolgt. Als der stark besetzte Sonderzng Berlin -Swinemünde Montag Vormittag um 19 Uhr 53 Min. in den Eberswalder Bahnhof einlief, versagte die Carpenterbremse, und der Zug fuhr auf eine außerhalb des Bahnhofes stehende Lokomotive auf. die bestimmt war, die Lokomotive des Sonder- zuges abzulösen. Ter Zusammenstoß erfolgte mit großer Gewalt. Der erste Wagen und die Lokomotive schoben sich ineinander. Der Zuführer Heilers und der Schaffner Schönen mußten aus den Holz- und Eisentheilen, in denen sie gefangen saßen, heraus- gehoben werden. Ersterer hatte einen komplizirten Armbruch und eine Kopfkontusion, letzterer einen Bruch des Schlüsselbeines erlitten. Drei weibliche Passagiere erlitten Quetschungen an den Füßen, viele Passagiere leichte Kontusionen bei dem Zusammen- stoß. Alle aber setzten die Fahrt fort; die Verletzungen sind an- scheinend durchweg unerheblich. Der verletzte Zugführer und der Schaffner kamen um 2Vs Uhr aus dem Stettiner Bahnhof, mit Nothverbänden versehen, an und begaben sich sofort in ärztliche Behandlung. Im Eiseiibahliznge ist gestern Vormittag die 49jährige Händlerin Frau B. aus Potsdam verstorben. Die sehr korpu- lente Frau war, um de» um 19 Uhr hier eintreffenden Zug benutzen zu können, mit ihrer Tochter»ach dem Bahnhos ge- laufen und sank athemlos, als der Train sich eben in Bewegung setzte, auf der Bank des Koupees nieder. Frau B.' vermochte sich von der gehabten Anstrengung jedoch nicht zu erholen, sie verstarb, kurz nachdem der Zug Potsdam verlassen. am Herz- schlage, der infolge der gehabten körperlichen Anstrengung hervor- gerufen war. Die Leiche wurde nach dem hiesigen Schauhause gebracht. Ein aktiver ungarischer Ossizier, der 27jährige Lieutenant Gerhard von Deschau hat sich dieser Tage in der Nähe von Nieder-Schönweide einen-Schuß in die Herzgegend beigebracht. Er wurde in ein Krankenhaus befördert, wo er nach einigen Tagen starb. Als Grund des Selbstmordes werden Schulden und Rennvcrluste angegeben. Ein ruhmvolles Ende! EleudSstatistik. Im Monat Juni nächtigten im Männer- Asyl des Berliner Asylvereins für Obdachlose 9225 Personen, im Frauenasyl 761 Personen. Arbeitsnachweis erbittet der Verein für Männer Büschingstr. 4, für Frauen Füsilierstr. 5. Polizeibericht. Am 3. d. M., vormittags, wurde vor dem Hanse Wilhelmstr. 131 ein sechsjähriger Knabe durch eine» Arbeitswagen überfahren und an den Oberschenkeln erheblich verletzt. In der Rosenthalcrstraße gcrieth nachmittags ein Mann unter die Räder eines Rollwagens und erlitt anscheinend bedeutende Verletzungen am Kopfe. Abends versuchte im Friedrichshain ein junger Mann sich durch einen Pistolenschuß in die Brust zu töten. Er wurde noch lebend nach einem Krankenhause gebracht. In einer Schankwirthschaft in der Urbanstraße entstand unter den Gästen eine Schlägerei, bei der der Wirth durch Messerstiche am Kopfe verletzt wurde. Vor­mittags entstand im Hause Landsbergerstr. 72 in einer Fabrik durch überkochenden Thee Feuer, welches beträchtlichen Schaden anrichtete. Außerdem fanden im Lause des Tages vier kleine Feuer statt. Witterungsübersicht vom 9. Juli l8Sl». Wetter-Prognose für Mittwoch, 10. Juli 1895. Ziemlich heiteres, sehr warmes Wetter mit schwachen westlichen Winden; keine oder unerhebliche Niederschlüge. Berliner W e tt e r b u r e a u. GevirftlSrBetUmg. Die Schiebung des Koufektionärs Kohn. Wer ist der Arbeitgeber? Diese Frage, welche bisher nur in Prozessen von Angehörigen des Baugewerbes eine hervorragende Rolle spielte, stand in einem Rechtsstreit des Schneiders Schmidt gegen den Konfektionär Llohn zur Entscheidung. Wegen unrecht- mäßiger Entlassung beklagt, mit dem Antrage, 36 M. Ent- schädigung zu zahlen, erhob der letztere den Einwand, er sei garnicht der Arbeitgeber des Klägers gewesen. Dieser dagegen, der in einer vom Schneider_ Seifert geleiteten Werkstube beschäftigt war, blieb bei seiner Behauptung, Kohn seider Macher von's Ganze" Der erwähnte Herr Seifert wurde als Zeuge vernommen. Eigenthümlicherweise schien dem Mann an der Meisterwürde, die ihm Kohn zu- geschrieben, absolut nichts zu liegen; rund und nett wurde sie von ihm bestritten. Er überreichte dem Gericht einen Vertrag, den er mit dem Beklagten seinerzeit geschlossen, und erzählte, der- selbe habe ihm die Werkstatt eingerichtet, den fraglichen Raum gcmiethet und sogar die Kohlen geliefert. Wenn Leute gebraucht wurden, habe Kohn sogar nach solchen annoncirt, sie angenommen und ihmoben geschickt". In dieser Weise sei auch das Engagement des Klägers erfolgt. Auf die Frage des Vor- sitzenden Hellwig, weshalb er denn den vorgelegten(nicht �ver- lesencn) Vertrag unterschrieben, meinte der Zeuge, er verstände nicht deutsch zu lesen. Mit anderen Worten, der Inhalt des Vertrages, welcher die Einrichtung der Werkstatt und die formelle Regelung der gegenseitigen Beziehungen beider Kontrahenten betrifft, sei ihm nicht plausibel oder überhaupt nicht be- kannt. Der Zeuge gab jedoch auf Vorhalten zu, daß er stets die Beitragszahlung zur Krankenkassen- und In- validen-Versicherung der inseiner" Werkstatt thätige» Leute regelte. Der Beklagte stellte Seifert als selbständigen Arbeit- geber hin, der für ihn gegen vereinbarte Preife Sachen fertige und seinerseits mit der Fertigung derselben Gehilfen beschäftige. Ein Schneider Slomke, der ebenfalls als Zeuge gehört wurde, sagte aus: Seifert sei eines Tages vergnügt zu ihm gekommen und habe ihm einen Geldbeutel mit 99 M. gezeigt, wobei er ge­äußert habe, Kohn hätte ihm eine Stube eingerichtet, jetzt gehe er nach Hause, um seine Gesellen auszuzahlen. Es gehe ihm ganz gut, an jedem Jacket verdiene er fünf- zehn Groschen, letzteres könnte seine Frau bestätigen. Die äugen« scheinlicheSchiebung", welcher Seifert unverkennbar die von ihm selbst zurückgewiesene Meisterwürde verdankt, scheint der Gerichtshof nicht richtig gewürdigt zu habe», denn er erkannte auf Abweisung der Klage, weil nicht Kohn, sondern Seifert der Arbeitgeber des Klägers gewesen sei. Schade, daß der Vertrag nicht öffentlich zur Verlesung gelangte. TaS bekannte staatöanwaltliche Verfahre» gegen das AnarchistenblattDer S o z i a l i st" erlebte eine neue Auflage in einer gestern vor der neunten Strafkammer am Landgericht I stattgehabten Verhandlung. Es dürste noch das aufsehenerregende Vorgehen sowohl gegen den verantwortlichen Redakteur Georg Warsönke, als wie auch gegen den gleichfalls für veraut- wortlich erachteten Expedienten Karl L ö h r erinnerlich sein, von denen Warsönke zu vier, Löhr dagegen zu neun Monaten Gefängniß verurtheilt wurde. Dieses Urthcil erschien selbst dem Reichsgericht zu stark und in der Revisionsinstanz wurde die Sache daher in die Vorinstanz zurückgewiesen. Der Angelegenheit lag folgender Thatbestand zu gründe: Wie fast alle Nummern des anarchistischen OrgansTer Sozialist", so hat auch dessen Nummer vom 15. Dezember vorigen Jahres der Staatsanwaltschaft Veranlassung zum Einschreiten gegeben. In dieser Nummer sind zwei Artikel für staatsgesährlich erachtet worden. Der erste trug die Ueberschrift:Ein u n- erhörter Gewaltakt". Es wurde darin die bekannte Affäre mitgetheilt, daß wenige Tage zuvor ein Kriminalkommissar in Begleitung mehrerer Schutzleute in den Geschäftsräumen des Sozialist" erschienen sei und alles beschlagnahmt habe, was nicht niet- und nagelfest war. Der Redakteur Petersdorff fei ver- haftet worden. Ter Kommissar habe erklärt, daß er im Auftrage des Staatsanwalts Dr. Benedix handle. An die Mittheilung dieser Thatsachen knüpften sich redaktionelle Bemerkungen, in denen eine Beleidigung des Benedix gefunden wurde. Die Ueberschrift des zweiten Artikels lauteteGerechtigkeit". Es wird darin eine Gerichtsverhandlung gegen eine» Manu geschildert, der des Mordes bezichtigt ist. Die Anklage behauptet, daß die ganze Tendenz des Artikels dahin gerichtet ist, de» Mord zu verherrlichen und zur Nachahmung anzuspornen, die Besitzlosen gegen die Besitzenden aufzureizen und staatliche Einrichtungen verächtlich zu machen. Für diese Nummer hat der Arbeiter Georg Warsönke als verantwortlicher Redakteur gezeichnet, außer ihm ist aber noch der Expedient desSozialist". Karl Löhr, zur Verantwortung gezogen worden, da einfach angenommen wnrde, daß Warsönkebei seinem geringen Bildungsgrade" nicht geeignet sei, irgend welche Redaklionsgeschäste auszuführen, und deshalb nur von dem eigentlichen Redakteur, dem Angeklagten Löhr, vorgeschoben wurde. Diese Annahme wurde von beiden Angeklagten als unzutreffend bezeichnet, Warsönke wollte die alleinige Verantwortung für den Inhalt beider Artikel, die er allerdings nicht für strafbar hielt, übernehmen, während Löhr behauptete, daß er mit den Redaktions- geschäfle» nichts zu thun gehabt habe. Die Beweisausnahme er« sireckte sich nur auf diesen Punkt. Staatsanwalt K a n z o w räumte den Angeklagten ohne weiteres ein, daß sie in betreff des ersten Artikels in Wahr- nehmung berechtigter Interessen gehandelt hätten. Dagegen sei die Form beleidigend und ebenso die Absicht, den Staatsanwalt Dr. Benedix zu kränken(!) unverkennbar. In betreff des zweiten Artikels hielt der Staatsanwalt die Anklage wiederum vollauf aufrecht und auch für erwiesen, daß Löhr als der geistige Leiter desSozialist" thätig gewesen sei. Er beantrag- gegen Warsönke vier, gegen Löhr sieben Monate Gefängniß. Die Vertheidiger. Rechtsanwalt« Bieber und Dr. Freudenthal, plädirten für Freisprechung. Der Gerichtehof hielt Beleidigung, Ausreiznng zum Klassenhaß und Verächtlichmachung von staatlichen Einrichtungen für vorliegend, erachtete dagegen eine Mitlhäterschaft des Angeklagten Löhr nicht für erwiesen und sprach diesen deshalb frei. Warsönke wurde zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt, wovon 6 Wochen durch die erlittene Untcrfuchungshast für ver­büßt erachtet wurden. Die Frage, ob eine Cigarettenfabrik unter den Begriff einer Cigarrenfabrik zu bringen sei, d. h. ob auch bei ihr die im gesundheitlichen Interesse der Arbeiter gegebenen Anlage- Vorschriften für eine Cigarrenfabrik zu befolgen seien, hatte die IX. Strafkammer am Landgericht I zu entscheiden. Die Cigaretten» fabrik von Gottlieb N e l k e in der Friedrichstraße war in einem Kellerraum belegen und zwar so, daß der Fußboden 3,9 Nieter unter dem Straßenniveau lag. Nach dem ministeriellen Erlaß vom 29. September 1883 und der polizeilichen Bekanntmachung vom 8. Juni 1893 darf aber eine Cigarrenfabrik nicht in einem so tiefen Raum angelegt sein, und der Fabrikinspektor erstattete deshalb Anzeige gegen den Fabrikinhaber. Das Amtsgericht er- kannte jedoch auf Freisprechung. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein, und in zweiter Instanz führte der Fabrikinspcktor aus, daß der Betrieb in betreff der Gesund- heitsschädlichkeit bei Zigarren- und Zigarettenfabriken ein so ähnlicher sei. daß zweisellos die Bestimmungen für die Zigarren- fabriken auch aus die Zigarettenfabriken auszudehnen seien. Der Gerichtshof verwarf aber merkwürdigerweise die Berufung und erkannte gleichfalls auf Freisprechung, da die Zigarettenfabriken nicht unter den Begriff der Zigarrenfabriken zu bringen feien. Dies Erkenntniß dürste das Kopjschütteln eines jeden Fachmanns erregen. Unschuldig verurtheilt. Ueber eine Verhandlung, die vor einigen Tagen vor der Strafkammer zu Bonn stattfand, berichtet dieKöln . Ztg.": Vor Jahressrist waren drei hiesige Studirende bei einer Schlägerei in der Poppelsdorf «! Allee schwer, einer