sollte meinen, daß im Beamten- und Kleinrentnerstande jeder er- sparte Groschen willkommen sein müßte, aber viele hält wohl die Furcht, als.rot"' zu gellen, von der Benutzung des Konsum- verein? ab. Der Sommer verwandelt Neu-Ruppin in ein Feldlager von Sommerfrischlern und Touristen, die mit Dampser, Auto oder zu Fuß die schöne Umgebung, namentlich die sogenannte Ruppiner Schweiz, aussuchen. Mit der Gründung des Reichsbanners wird es auch mehr als bisher möglich sein, durch Massenbesuch die Position der einheimischen Republikaner zu stärken. Selbst in den Hoch- bürgen der Reaktion wird es den Machthabenden auf die Dauer nicht möglich fein, die Tatsache, daß die Anhänger der Republik in der Mehrheit sind, aus der Welt zu schaffen. Und der Neu- Ruppiner Geschäftsmann wird sich letzten Endes sagen, daß auch »republikanisches Geld" nicht stinkt.
Ankauf See Hochbahn ! Die»Dossische Zeitung" berichtet über die gestrigen VerHand. »ungea der gemischten Deputation zur Finanzierung der SIEG.- Dahn. Die Deputation hat sich in Zusammenhang damit gestern mit den seit langem schwebenden Verhandlungen zwischen der Stadl und der Hochbahn beschäftigt. Sie hat den Magistrat ermächtigt, der Hochbahn ein bestlmmtesAngebot zu machen. Zu heute vormittag ist eine Sitzung de« Magistrats einberufen, die endgültig zu dem Angebot Stellung nehmen soll. Die Beratungen sind für vertraulich erklärt worden, wir hallen es deswegen nicht für zweckmäßig, in diesem Stadium aus sie einzugehen, trotz. dem durch die Publikation der„Bossischen Zeitung" bestimmte Zahlenangaben der Oesfeullichkeit übermittelt werden, wahr- scheinlich wird Im taufe des Heuligen Tage» eine offizielle pubti- kallon des Magistrats erscheinen. Zm Anschluß daran werden wir un» über den ganzen Fragenkomplex äußern, jedenfalls ist es sehr zu bedauern, daß durch die Indiskretion ein Teil der presse in die tage versetzt worden ist, vorzeitig über diese Verhandlungen zu berichten.
Die Unterschleife öer Steuerbeamten. hat e» an der Kontrolle gefehlt? Die Haupt st euerverwaltung der Stadt Berlin teill zu den Betrügereien der Stadtinspektoren Gerhard und Schulz eine Reih« von Einzelheiten mit, die wir in früheren Be- richten bereits veröffentlicht haben. Interessant sind dagegen die Eröffnungen der Hauptsteuerverwaltung zu den Fragen: hat es an der«rforderlickien Kontrolle gefehlt? Können künftig ähnliche Fälle durch geeignete Maßnahmen unterbunden werden? Gerhard und Schulz waren in der Steuerverwoltunq der Bezirksämter Mitte und Kreuzberg mit der Bearbeitung der Grunderwerbs- und Wertzuwachssteuer betraut. Wird ein Grundstück verkauft, so ist von den Parteien oder dem Notar, der den Kaufvertrag aufgenommen hat. der Vertrag an das Steueramt einzureichen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen darf nämlich das Grundbuchamt die Eintragung des Eigentumswechsels erst vor- nehmen, wenn eine Bescheinigung über die Sicherstellung der Grund- erwerbsstouer vorgelegt wird. Die Tätigkeit des Steueramtes be- ginnt also mit einer provisorischen Prüfung des Bertrages, auf Grund deren die Höhe der Sicherheitsleistung für die Grunderwerbs- steuer sestgestellt wird. Diese„vorläufige Veranlagung" wird von dem zuständigen Steuerbeamten vorbereitet. Di« Festsetzung der Höhe selb st erfolgt durch den Steuerdezernenten, der Stabtrat des betreffenden Be- zirksamtes oder ein Magistratsrat ist. Der Steuerpflichtige zahlt den festgesetzten Betrag als Sicherheit bei der Steuertasse und reicht sodann die Bescheinigung über die Sicherheitsleistung an das Grund- buchamt ein. Beim Steueramt erfolgt nach diesem provisorischen Verfahren die gründliche Prüfung des Steuerstilles und die end- gültige Veranlagung und zwar für die Wertzuwachssteuer sofort, well sie an den Bertragsabschluß anknüpft, für die Grunderwerbs- steuer nach Eingang der Bestätigung von der Eintragung des neuen Eigentümers durch da» Grundbuchamt. Auch hier ist Aufgabe des zuständigen Steuerbeamten lediglich die Borbereitung d«r Beranlagung, die vielfach auch persönliche Verhandlungen mit dem Steuerpflichtigen notwendig macht. Die Veranlagung selbst erfolgt auch hier nur durch den Dezernenten, der in jedem Falle die Grundlagen eingehend nachzuprüfen hat. Für eine ausnahmsweise Ermäßigung der veranlagten Steuer aus ganz besonderen Grünben erfolgt die Entscheidung auch nicht durch den Dezernenten allein. sondern durch Beschluß des Bezirksamtes, Austimmung des Bürgermeisters u. a. in. Diese Regelung ist in den Verwaltungsbezirken nicht einheitlich. Im Bezirk Mitte erfolgten derartige Er- Mäßigungen durch Beschluß eines Ausschusses der Dezirkssteuerdeputation. Der Steuerbeamte selbst also halle weder die Steuer endgültig sestzusetzen, noch konnte er irgend welche Ermäßigungen durchsetzen, sosern der zuständige De - zernent die ihm vorgelegten Sachen richtig prüfte, was zunächst einmal unterstellt werden muß. Wie find nun die Ber» fehlunaen in» Wert gesetzt worden? In einigen Fällen haben die beiden Betrüger von dem Steuerpflichti- gen den Geldbetrag für die Zahlung ber Steuer persönlich in Empfang genommen und dafür ae- fälscht» Steuerquittungen ausgestellt. Di« Akten über den Steuerfall wurden vermchtet. Daß die Vernichtung von Akten durch die ungetreuen Beamten zunächst unbemertbar bleiben konnte, wird dadurch oerstänbkich, daß die Akten von den bearbeiten- den Beamten selbst»«-waltet werden, da In den städtischen Ber - waltunoen kein« Registraturen mehr bestehen. Gleicdwobl war eine Kontroll« dadurch gewährleistet, daß jeder GrundstÜckskausoertrag, noch ehe«e»berhaupt zur Bearbettung lommt, tn die vorgoschriebene Grunderwerdssteuerlist««nzueragen ist, au» der der Fortgang der Bearbeitung erstchllich ist. Wie es möglich war, die für dieie Kon- trolle zuständigen Beomtvn der beiden Steuerämter zu täuschen, wird durch die Untersuchung geklärt werden. Ein« weitere Kontrolle soll nunmehr noch dadurch eingeführt werden, daß vom Katasteramt in bestimmten Zeitabschnitten listemnäßige Nachweisungen über den Eigcfsttnmswechsel erbeten werden, um durch den vergleich mit dem Material des Steueramts die ordnungs- mäßige Erledigung aller Fälle nachzuprüfen. Als notwendige Er- «änzung aller Kontrollen ober ist die Mitwirkung des Publikum» selbst von größter Wichtigkeit. Auch im vorliegen- den Falle wäre die Einleitung des Strafverfahrens um Monate früher möglich gewesen, wenn ein Steuerpflichtiger, dem ein schmutziges Angebot gemacht worden war, dies sofort der Ausstchts- stelle mitgeteilt hätte, und wenn in den Betrugsfällen selbst nicht Zahlungen an einen Beamten erfolgt wären, der zur Empfangnahme nicht berechtigt war._
Der Prozcst Bartels. Ein endloser Prozeß. Holzmann soll unter allen Umständen als Zeuge vernommen werden. Holzmann muß aber erst von den Brüsseler Behörden ausgeliefert werden. Etwa» Langwieriges gibt es nicht. Erst muß da» belgische Gericht prüfen, ob dem Au»- lieferungsantrage der deutschen Regierung nach dem belgischen Ge- fetz stattgegeben«erden kann. Formalitäten auf Formalitäten sind zu erledigen. Da können noch vierzehn Tage vergehen. Es mag ja was Gute» daran sein, daß das Asylrecht der Ausländer in den verschiedenen Staaten so sorglich geschützt ist-, aber etwas muß an den Ausliefeqzngövtrträgetz doch nicht ig Ordnung sein, wenn iu
Das Rundfunkprogramm. Sonnabend, den 20. Februar. ÄnCer dem üblichen Tagesprogramm: 3.45 Uhr nachm.: Onkel Doktor als Märchenerzähler..Das geflügelte Mäusohen".(Erzählt von Dr. med. E. Mosbacher). 430—6 Uhr nachm.: Naohmittagskonzert der Berliner Pnnk- kapelle. Konzertmeister Ferdy Kaufiman. 6.85 Uhr abends: Uans- Bredow-Scbnle(Bildnngskurse). Abteilung Sprachnnterricht. Esperanto(Direktor Julius Glück). 7 Uhr abends: Dr. Franz Leppmann:.Johann Heinrich Voü.(Zum 175. Geburtstage des Dichters)". 7.25 Uhr abends: Hans-Bredow-Schule(Hochschul- kurse). Abteilung Photochemie. Geh. Beg.-Rat Dr. A. Miethe: .Ziele und Wege der Naturfarbenphotographie".»Der Dreifarbendruck". 8 Uhr abends: Sendospiele. Abteilung Oper. Spielzeit 1925/28. Leitung; Oornelis Bronsgeest. 27. Veranstaltung.»Lucia von Lammermoor ', Oper in drei Teilen von G. Donizetti . Dir.: Kapellmeister Georg Sz£ll von der Berliner Staatsoper. Lord Henry Aston: Artur Fleischer; Lucia, seine Schwester: Sahine Mayen; Edgar von Ravenswood: Engen Transky; Lord Artur Bncklaw: Gerrit Visser; Raimund Bidibent. Erzieher und Vertrauter Lucias; Dirk Magrä; Elisa, Lucias Kammerfrau; Emma Vümar Hansen; Normann, Befehlshaber dei Reisigen von Ravenswood: Edmund Hippler. Ort der Handlung: Schottland . Zeit: 1700. Anschließend: Dritte Bekanntgabe der neuesten Tagesnachrichten. Zeitansage. Wetterdienst. Sportnaobriobten. Theater- und Filmdienst 10.30— 12 Uhr abends: Tanzmusik(Funk tanz- kapelle. Leitung: Konzertmeister Franz V. Szpanowski). Königswusterhausen, Sonnabend, den 20. Februar. 3— 3 30 Uhr nachm.: Professor Dr. Amsel: Einheitskurzschrift 3.30— 4 Uhr nachm.: Professor Dr. Amsel: Einbeitskurzscbrift. 4—4.30 Uhr nachm.: C. Mario Alfieri, Frl. G. van Eyseren: Spanisch für Anfänger. 4 30—5 Uhr nachm.: FrL Rechtsanwalt Dr. Margarete Ber�nt: Die Frau als Bürgerin:»Was koche ich zum Sonntag?" Erläuterungen zur rechtlichen Stellung der Ehefrau.
Fällen, die so klar aus der Hand liegen, wie der eines Holzmann, so viel Zeit vergehen muß, ehe dem Auslieferungsantraae stallge- geben werden kann. Und wenn Ihm erst stattgegeben ist— wer weiß, ob Holzmann nicht plötzlich erklärt, daß sein Gesundheit?» zustand ihm nicht erlaube die weite Reise zu machen. Dann werden alle die Vertagungen des Gerichtes unnütz gewesen sein. Vorläufig ist aber das Gericht auf Grund der Strasprozeßordnung gezwungen, jeden dritten Tag zusammenzutreten: sonst müßte die ganze Be> wcisaufnahme von neuem beginnen. Der Bartels-Prozeß wird schon sein Ende finden. Und dann wird der Holzmann-Prozeß seinen Anfang nehmen. Wieviel Geld muß der internationale Abenteurer Holzmann dem preußischen Staate kosten? Der ostpreußische polizektransport. Die Zuschrlfl eines veleillgten. Zu unserem im Morgenblatt vom Freitag gebrachten Artikel über Mißstände beim Transport der ostpreußijchen Schutzpolizei - focmationen erhallen wir die Zuschrift eines Beamten, die die gerügten Mißstände vollauf bestätigt. Der Beamte beklagt sich bitter über die ungenügenden Platzoerhältnisie aus dem IKÜO-Tonnen-Schifs und stellt fest, daß die hygienischen Vorrichtungen völlig ungenügend waren. Insbesondere hat die verfehlte Unterbringung des Pferde- Materials die Beamtenschaft aus der Reise unerträglich belästigt. Für über Süd Beamte stand, wie wir schon feststellten, kein Polizei- arzt zur Verfügung. Die wenigen Sanitäter, die den Transport begleiteten, sollen nach den Angaben, die uns gemacht werden, völlig ohne medizinische Ausrüstung gewesen sein. Die Empörung der ostpreußischen Polizisten war eine allgemeine. Di« Zuschrist betont den überaus g u t e n E m p f a n g. der den Beamten in Stettin und auch in Berlin zutell wurde. Es ist zu hassen, daß die zu- ständigen Stellen die Affäre des so mangelhaft organisierten Trans- partes als auch die den Allensteiner»Stahlhelm-Abzug in gründ- ticher Untersuchung baldigst klären werden.
Die fehlenden Lehrstellen. Bet allen Bezirksberufsämtern sind zahlreiche Knaben und Mädchen vorgemerkt, die nach chrer Schulentlassung zu Ostern einen Beruf erlernen wollen. Auch 15- und Itzjährige junge Leute sind in größerer Zahl als Lehrstellenhewcrber eingetragen, die zu sofortigem Eintritt bereit wären. Freie Lehrstellen da- gegen sind nicht in ausreichender Zahl vorhanden. Es ergeht daher an alle Lehrherren die dringende Bitte, ihre freien Lehrstellen, und zwar für sofort wie Insbesondere für den Oster. termin schon jetzt ihrem Berufsamt schriftlich oder telephonisch be- kanntzugeben. Di« Ueberwelsung geeigneter Bewerber zur eigenen engeren Zluswahl erfolgt dann durch die Berussämter, deren An- schrist und Telephonanschluß aus nachstehendem erstchttich ist: 1. Be- rufsamt Mitte(für Mitte, Prenzlauer Berg und Weißensee ), C. LS Alexanderstr. 41. Tel. Aleronder 141)6: L. Berussamt Ost (für Friedrichshain , Lichtenberg , Treptow und Köpenick ), 0. 17. Stralauer Platz M/ZI, Tel. Königstadt 5090; 3. Berufsami Süd (für Kreuzberg , Neukölln und Tempelhos), Neukölln , Thomasstraße- Holzhaus, Tel. Neukölln 1SS0: 4. Berussamt Südwest(für Schöne berg , Wilmersdorf , Steglitz und Zehlendorf ), Schöneberg , Feurig- straße 7, Tel. Stephan 2680; 5. Berufsomt West(für Tiergarten, Charlottenburg und Spandau ), Eharloitenburg, Spreestr. ZI, Tel. Wilhelm 73l)(): 6. Berufsamt Nord(für Wedding , Pankow , Rei- nickendcrf), N. 20. Pantstraße 47, Tel. Hansa 2580.
Mehr Miete oder Tteuerzuschsagsumlage? Man schreibt uns: Im„Grundeigentum", dem Organ des Bundes der Berliner Hausbesitzer, lesen wir, daß den Eigentümern empfohlen wird, den durch Beschluß der städtischen Körperschaften für Februar und Mörz zur Erhebung kommenden Mehrzuschlag zur Grundvermögenssteuer mif die Mieter in der Form umzulegen. daß einfach für Februar 4 Proz. und für März 2 Proz. zur Frieden»- miete zugeschlagen werden. Dies« Derechnungsart vereinfacht zwar da» Umrechnungsgeschäft, ist aber kein« Umlage tm gesetzlichen Sinne de» Wort?» und deshalb unzulässig. Umlag» bedeutet auch vorliegend immer mir die Verteilung des Gesamtbetrages, den zu- nächst der Hauptzahlungspstichtige selbst zu decken hat. Der Haus- besttzer soll also, wie auch von maßgebender SteuerftelU bestätigt wirb, au» der Zahlung des erhöhten Geeneindezuschlage» nicht einen Profit herauswirtschaften. Er muß sogar auf Verlangen den Mietern die Höhe de» Steuerbetrages und der monat- lichen Gofamtfriedensmiete de, Hauses angeben, damit jeder Mieter. der es wünscht, sich nachrechnen kann, wie seine Februar- und März- miete berechnet ist. Nur zum Vergleich war in der ersten Meldung herangezogen worden, daß die neue Regelung für zwei Monate ein Mehr von etwa 4 plus 2 Proz. bedeutet. Bei richtiger Berechnung wird der Umlagebetrag des einzelnen Mieter» In den meisten Fällen geringer sein.— Erwerbslos«, denen die Hauszinssteuer ge. stundet ist, müssen den Umlagezuschlag ebenfalls zahlen. Wenigstens erklären mehrere angesraate Steuerkassen, daß sie bis jetzt keine Anweisung haben, Erwerbslos« auf Antrag auszuschalten. Fast eine halbe Million Rundfunkteilnehmer in Berlin . Im Laule de« Januar ist die gabt der Rundsunkteilnehmer in DeulscklandumbS 546 auf 1 108 84ö gestiegen. Berlin weist wieder die störlfte Zunahmeiabl auf. renn die. Teil- nebmerzabl in Berlin bat sich von 443 607 auf 481013 erhöbt. :'iudi in den anderen Sendebezirken ist ein starker Zuwad,» der Teilnehmer zu verzeickmen, s» bat Hamburg jetzt>36 603, Leipzig 117 673, München 96 238 Hörer der Eendebezirk Münster— Dortmund— Elberfeld 94 779, Frankfurt a. M. 73 710 Rundkunkteilnehmer; in den östlichen Sendebezirken Breslau— Gleiwitz ist die Hörerzahl um 6 000 ans 64 903 und in Königsberg auf 16441 gestiegen; Stuttgarts Teilnehmerzahl ist von 27 888 auf 28 482 gestiegen. Die Juristische Sprechstunde süllt heut«(Sonnabend) aus.
vke Prügelstrafe. Zum Prozeh des Freiherrn v. Lühow. Wie bereits gemeldet, nimmt der Prozeß gegen Herrn v. Lützow am 22. Februar feinen Anfang. Sein Ende ist nicht oorouszusogen. Selbst wenn das Gericht aus den 363 von der Staatsanwattschaft benannten und den etwa 160 von der Verteidigung, den Rechts- anwätten Dr. Frey und Dr. Ballen tin, beantragten Zeugen eine Auslese treffen sollte, so dürfte der Prozeß doch mehrer« Monate beanspruchen. Um so mehr, als es sich hier um subtilst* Fragen handelt, deren Beantwortung von der Glaubwürdigkeit der jugend- lichen Zeugen, der Zöglinge des Freiherrn von Lützow, von den Landeserziehungsheimen in Buckow und Zosien, abhängen wird. Hier wird die eigenartige Psychologie der Pubertäts- und Bor- Pubertätszeit nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. 75 Fälle werden dem Angeklagten zur Last gelegt. In fast ollen soll er die Knaben, die im Atter von 10—16 Jahren stehen, gezüchtigt haben, manche von ihnen bis zu zwanzigmal, viele von ihnen äußerst bort. Und immer wieder soll er sie dabei vor der Züchtigung, während der Züchtigungspausen und nach der Exekution g« lieb kost, ge- tröstet und geküßt haben. Auch sonst soll er sehr zärtlich gewesen sein. Die Kinder halten ihn gern. Er war um sie besorgt. Die medizinischen Sachverständigen, Dr. Albert Moll , Dr. Magnus H i r s ch s e l d. Dr. Plaszek und Dr. S t ö r m e r. werden vor eine schwierige Frage gestellt sein. Sie werden aus der psycho- sexuellen Persönlichkeit des Angeklagten, aus besten Allgemeinver- halten den Zöglingen gegenüber und ans seinem besonderen Der- halten während der Züchtigungen zu entscheiden haben, ob er sich besten bewußt gewesen war, unzüchtige Handlungen vorzunehmen, und serner, ob diese Handlungen überhaupt als sexuell auszufasten waren, dem Geschlechtstriebe dienten und somit als kriminell zu bezeichnen sind. Allerdings ist stets in Fällen, wie dem eines Lützow , der Perdacht des sexuellen Charakters der Züchtigung nicht von der Hand zu weilen. Im Gegenteil, es ist das Gegebene. Die Geschichte der Kriminalistik kennt nicht wenig Fälle reinen Sadismus und des sadistischen„Eros paidagogikos", man könnte sagen, einer abstrusen Verknüpfung des Sadismns mit fürsorglich-erzieherischer Lieb«. Letzter« fehlte ganz in dem Falle des Miltschiner Prügelpastors oder des Hausvaters Colander aus der Schleswig-Holsteinischen Fürsorge- anstatt in der Bloemschen Wildnis, oder im Falle des Bayreuther Hauslehrers Dippold, der einen seiner Zögling« zu Tode geprügelt hatte. Deshalb lagen dort die sexuellen Beziehungen klarer. Ob krankhaste sexuelle Veranlagung oder sonst was im Falle Lützow im Spiele ist, mögen die Sackverständigen und das Gericht entscheiden. Bom pädagogischen Standpunkte aus ist der Freiherr gerichtet. Daß er aber leinen Züchtigunasunfug Jahre hindurch treiben konnte, daran tragen die Ellern der geprügelten Jungen die Mitschuld. Sie waren ia mit den„Erziehlings">Methoden" ein- verstanden. Sie hatten sich selbst dann beruhigen lassen, als der Großschlächter M., durch die Züchtigung seines Sohnes veranloßt, im Schöneberger Rathaus die Elternverfammlung einberufen hatte. Und selbst die Studienassessoren und Lehrerinnen des.Landes- erziehungsheims" hatten ja im Prinzip nichts gegen dies« Methoden. Nur die Maßlosigkeit ihrer Anwendung veranlaßt« st« schließ- lich zum Protest. Und hier beginnt das Interesse der Oeffentkichkeit am Prozeß Lützow : Prügelnde Erzieher und Lehrer. ob sadistisch oder nicht, ob tnebgereizt durch die rührende Hilflostgkett des Kindes oder nicht, sind nur möglich, weil die Eltern selbst von der unbedingten Notwendigkeit der körperlichen Züchtigung durch- drungen sind. Sie übertragen ihr„Prügelrecht" dem Erzieher. Für ihre Ideologen liegt der Sinn der Züchtigung allein in deren Schmerzhaftigkeit. Di« Grenze für die Ueberschrettung de» Züchtt- gungsrechte? ist somit schwer zu ziehen. Jede Züchtigung Ist aber eine Ueberschreittmg der Normen der modernen Pädagogik. Jede Züchttgung legt den Verdacht der sadistischen Lust des Züchtigenden nahe und birgt in sich für den Geprügelten die Gefahr sexueller Erregung. V. L Ü tz o w hat aber auch der Idee der Lanbeserziehunqsheim« durch seine Erziehungspraktiken einen argen Stoß versetzt. Dr. Litzs Haubinda, die Odenwaldschule Geheeb», Wynneken-Wickersdorf— man mag zu ihnen stehen wie man wolle, bedeuten als Versuchs- und Lebensschulen mit das Beste, was Deutschland auf dem Ge- biete der Erziehung zur Gemeinschaft und zum Kulturmenschen auf- zuweisen hat. Die Prügelstrafe ist mit ihren Grundideen un- vereinbar. Der Gedanke, daß in Landeserziehimgshelmen geprügell wird, ist unerträglich. Was die pädagogischen Sachverständigen, der vom Kullusministerium und die anderen, über das Erziehungssystem der Landeserziehungsheime, über die besonderen innigen Beziehungen zwischen Zögling und Erzieher innerhalb der Kameradschait auch aussagen mögen, über den Freiherrn v. Lützow als Erzieher ist der Spruch gefältt. Desgleichen auch über all« Ideologen und Anhänger der Prügelstraf«. Dies ist der tiefer« Sinn des Lützowfchen Prügel- Prozesses. Er heißt: Fort mit der Prügelstrafe!
Vke öie Frauen wählen. Lehrreiche Feststellungen in Spanbav. Bei den Stadtverordneten- und Bezirks»«?- ordnetenwahlen vom 25. Oktober 1925 bat man im Ber- waltungsbezirk Spandau wieder, wie schon bei den Stodtverord- neten- und Bezirksverordnetenwahlen von 1921, in den meisten Abstimmunasbezirken die Stimmzettel der Männer und Frauen in gesonderte Wahlurnen getan. Di« Feststellungen, die danach über den Anteil der Männer und der Frauen an dem Spandouer Wahlergebnis der verschiedenen Parteien gemacht werden konnten und jetzt bekanntgegeben werden, sind wieder sehr lehrreich. Schon die Wohlbeteiligung zeiyt bei den beiden Ge- schlechter» beachtenswerte Unterschiede, die in 1925 ebenso wie In 1921 ausfallen. Die Wohlbeteiligung ging zurück von 1921 zu 1922 für die Einheitsgemeinde Berlin von 66.0 Proz. aus 63,7 Proz., für Spandau allein von 63,2 Proz. auf 58,7 Proz.. in Spandau für die Männer von 69,4 Proz. auf 64,7 Proz.. für die Frauen von 57,2 Proz. auf 53,7 Proz. Bei voller Wahlbeteiligung hätten in Spandau die Frauen die Mehrheit gehabt, da sie in der Gesamtheit der Wahlberechtigten die Meyrhett hatten. Von 70 389 Wahlberechtigten. die 1Ö25 in den Wählerlisten Spandaus standen, waren nur 33 282(= 47,3 Proz.) Männer und 3710?(- 52,7 Proz.) Frauen. Aber von den 41 473 abgegebenen Stimmen kamen 21 541(= 51L Proz.) von Männern und nur 19 932(— 48,1 Proz.) von Frauen. Wie die Stimmen der beiden Geschlechter sich auf die Par» t e i e n oerteilen, darüber konnte aus 33 von allen 42 Adstimmuna». bezirken Spandau » eine Feststellung gemacht werden: nur in. diesen 33 Abstimmunasbezirken wurde eine Gejchlechtertrennung durch- geführt. Eine Pergleichung zwischen 1921 und 1925 kann nicht gut oerfucht werden, da Inzwischen die Austeilung dex USPD . zwischen SPD. und KPD. erfolgt ist und andererseits der Spandauer Rechts- block sich wieder in Deutsche Dolkspartci und Deutschnationale Volks- Partei aufgelöst hat. Bei den Wahlen von 1925 waren in den 33 Bezirken die Anteile der Parteien an je 100 der dort abgegebenen güttigen Stimmen: Sozialdemokratische Partei 41,8, Kommunistische Partei 12,0, Demokratische Partei 4,9, Zentrumsparlei 3,8, Wirt- schaftspartei 5,7, Deutsche Bolkspartei 6,7, Deutschnationale Volt?« parte! 21.1: der Nest kam aus Splitterparteien. Im besonderen waren aber die Anteile der Partelen an je 100 Stimmen der Männer: Sozialdemokratische Partei 41,9, Kommunistische Partei 15,0, Demokratische Partei 5,4, Zentrumspartei 3,1, Wirt- schaftspartei 6.0, Deutsche Volkspartei 5,5, Deutschnationale Volts- partei 18,1(Rest Splitterparteien), dagegen an je 100 Stimmen der Frauen: Eozialdemokrotische Partei 40,9, Kommunistisch« Partei 9,7, Demokratisch« Partei 4,4. Zentrumsportei 5,0, Wirt- schastspartei 6,4, Deutsch « Volkspartei 5,8, Deutschnationale Volkspartei 23,6(Rest Splitterparteien). Di« Stimmenvertei- lung zeigt hier sehr lehrreiche Unterschiede. Bei der Sozial- demokratischen Partei sind jetzt die Prozentzahlen(41,9 Proz. der Männer, 40,9 Proz. der Frauen) nahezu gleich, Lei den Komma-