Nr. 8943. Jahrg. Ausgabe A nr. 45
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Dienstag, den 23. Februar 1926
Das Programm der Ratstagung.
Nur laufende Angelegenheiten
Genf , 22. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Die Tagesordnung für die am 8. März beginnende Tagung des Völkerbunds rates enthält, soweit sie am Montag bekannt geworden ist, noch feine der Fragen, die mit der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund in Verbindung stehen.
Auffallend ist, daß an der Spitze der Tagesordnung die Neu wahl der Regierungsfommission des Saargebiets und deren Präsidenten steht. Daraus scheint hervorzugehen, daß man diese Neuwahl noch, ohne die Mitwirkung des deutschen Ratsvertreters erledigen will.
Die Mossulfrage findet in dieser Ratssigung ihren for mellen Abschluß, indem der Rat von dem auf 25 Jahre verlängerten Mandatsvertrag zwischen Großbritannien und dem Irak Kenntnis nimmt.
Zum Sicherheits- und Schiedsgerichtsproblem liegen zwei zu sammenfassende Berichte des Generalsekretariats vor, von denen der Rat Kenntnis nehmen und sie an die Herbstversammlung des Bölferbundes weiterleiten wird.
Das erstemal wird sich der Rat nicht mehr mit Danzig zu befassen haben. Dagegen liegen über Oberschlesien zwei Be= schwerden vor, eine aus Polen , die andere von der Vereinigung der Polen in Deutschland . Die periodischen Berichte der ständigen Rommiffionen erwecken höchstens insofern Interesse, als in die Berichterstattung über die Lage in Ungarn die Frankfälscher
Affäre einbezogen werden könnte. Bom Berwaltungsrat des Inter
nationalen Arbeitsamts ist an den Völkerbundsrat ein Begehren eingegangen um ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofes darüber, ob die Internationale Arbeitskonferenz mit dem Abfluß des Abkommens über das Verbot der Nachtarbeit in den Bäckereien ihre Befugnis überschritten habe.
Die Angst vor Zugeständnissen an Deutschland . Paris , 22. Februar.( Eigener Drahibericht.) Die Kölner Rede des deutschen Außenministers findet in einem großen Teil der französischen Preffe eine sonderbare Interpretation. Man will in ihr Anhaltspunkte dafür gefunden haben, daß das diplomatische Spiel Deutschlands darauf hinausläuft, die deutsche
Graf Aldrovandi- Marescotti. Bosdaris Nachfolger in Berlin .
Die bevorstehende Abberufung des italienischen Botschafters in Berlin , Bosdari, bestätigt sich), ebenso die Nachricht, daß der bis herige Botschafter Italiens in Buenos Aires , Graf Aldrovandi Marescotti, zu seinem Nachfolger bestimmt worden ist. Dieser befindet sich bereits auf dem Wege nach Europa . Der römische Be richterstatter des„ Berliner Tagesblatts" teilt mit, daß Aldrovandi , der früher in Sofia war, als ein Balkanspezialist gilt. Man fann es dahingestellt sein lassen, ob das der Grund ist, der ihn in den Augen Mussolinis als für den Berliner Posten besonders geeignet erscheinen läßt. Vor allem dürfte er wohl seine Ernennung der Tatsache verdanken, daß er Mitglied der faschistischen Partei ist, während Bosdari es beharrlich vermieden hatte, den Beitritt zur herrschenden Partei zu vollziehen.
Der in Paris erscheinende„ Corriere degli Italiani" versieht die Nachricht der Ernennung Aldrovandis mit folgendem intereffanten Kommentar:
„ Graf Aldrovandi war viele Jahre hindurch der Kabinetts chef des Außenministers Sonnino. In der Zeit der italienischen Neutralität nahm er an den Verhandlungen zwischen Italien auf der einen, Desterreich- Ungarn und Deutschland auf der anderen Seite teil, die mit dem Bruch des Dreibundes, wenige Tage nach der Unterzeichnung des Londoner Geheimvertrages, endeten. Jener Londoner Vertrag zählte bekanntlich zwar nicht Fiume zu den italienischen Städten, schenkte dafür Italien die Lase von Giarabub, die Grabmäler der Genussis sowie die endlose Wüſte der Ober- Giuba, und zwar ohne die Brunnen, die sie fruchtbar machen sollen
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Ostoberschlesien.
Eine Staatsrettungsaktion und ihre Hintergründe. Aus Oberschlesien wird uns geschrieben:
Ueber die Haussuchungen und Verhaftungen, die am 12. Februar in Ostoberschlesien einsetzten, sind die Leser des Zustimmung zum Eintritt Bolens in den Völkerbundsrat von ,, Borwärts" schon telegraphisch unterrichtet worden. Es bleibt neuen französischen 3ugeständnissen auf anderen übrig, die politischen und sozialen Hinter= Gebieten, und vor allem ven einer Abkürzung der Besatzungsgründe dieser Attion etwas genauer aufzuzeigen. fristen für das Rheinland, abhängig zu machen.
So läßt sich der Petit Parisien" aus Berlin melden, daß man in der Wilhelmstraße sehr wenig erbaut sei von den Berichten, die die diplomatischen Vertreter Deutschlands über ihre letzten Schritte in den alliierten Hauptstädten erstattet hätten und man sich davon Rechenschaft gebe, daß die deutschen Argumente gegen den Eintritt Bolens auf außerordentlich schwachen Füßen ständen. Deshalb habe man von Berlin aus die Jeee eines Kompro misses lanciert, das eine vorzeitige Räumung der zweiten und dritten Zone zur Grundlage haben soll. Der Intransigeant" spricht von einem deutschen Versuchsballon und von der Absicht der deutschen Regierung, durch die Befreiung des Rheinlandes dem Ver trage von Versailles den Todesstrß zu geben. Auch der" Temps " vertritt die Auffassung, daß das gegen die Erweiterung des Völker: bundsrats gerichtete deutsche Manöver in erster Linie darauf abziele, den Alliierten das Versprechen einer vorzeitigen Räumung des Rheinlandes abzuzwingen. Deutschland versuche auf diese Weise seinen Eintritt in den Völkerbund zum Gegenstand eines neuen Ruh handels zu machen und den Geist von Locarno einseitig im Dienste der deutschen Interessen auszubeuten.
Gegen Bündnisse- Für Zusammenarbeit.
Philadelphia , 22. Februar. ( WTB.) In einer Rede anläßlich der heutigen Erinnerungsfeier für George Washington erklärte Staatssekretär Kellogg , der Grundsay Washingtons, mit ausländischen Mächten feine dauernden Bündnisse abzuschließen, sei der Eckstein der auswärtigen Politik der Vereinigten Staaten geworden. Dieser Grundsatz bedeute nicht Isolierung oder mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit in nicht politischen Fragen, er bedeute vielmehr, daß die Bereinigten Staaten zu der Ueberzeugung gelangt sind, daß politische und militärische Offensiv oder Defenfiobündnisse mit dem Grundgedanken der ameritanischen Staatsordnung und mit den Interessen des Volkes un vereinbar find.
Tauschgeschäft zu machen, das ebensowenig mit dem Selbst. bestimmungsrecht der Völker wie mit strategischer Notwendigkeit etwas gemein hatte, nunmehr im Auftrage Mussolinis mit Luchsaugen nach allen Aeußerungen der deutschen öffentlichen Meinung spähen wird, die geeignet wären, die Heiligkeit" der Brennergrenze anzuzweifeln.
Der Ueberfall von Alt- Landsberg .
Wo bleiben die Behörden? Ulf- Landsberg, 22. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Bei dem Ueberfall der Hakenkreuzler handelt es sich um einen geplanten und verbereiteten Streich. Die Angreifer, 60-80 Mann, stammen zum größten Teil aus Neuenhagen . Einwohner versichern, daß sie sich am Tage vorher verabredet hätten, man müsse wieder jemand ausheben und den jungen Leuten Bewegung machen. Obgleich der Tatbestand ziemlich klarliegt und eine Reihe der Haupttäter bekannt ist, scheinen die Behörden die Untersuchung sehr lässig zu betreiben. Bisher ist noch keiner der Haupttäter verhaftet worden. Die Lässigkeit der Behörden gegenüber den Burschen, die diesen Ueberfall geplant und vorbereitet Wären haben, erregt Verwunderung und Entrüstung. es Reichsbannerleute gewesen, so wären fie längst unter der Be schuldigung des Landfriedensbruchs verhaftet worden. Es muß hier bei den Behörden nach dem Rechten gesehen werden.
Nach Zengen Tänzler.
Rücktritt des Geschäftsführers der Arbeitgeberverbände, Der bisherige Geschäftsführer des Deutschen Arbeitgeberverbandes, Dr. Tänzler, der im Zusammenhang mit den an den Christlichen Landarbeiterverband zur Unterstützung des Femes mörders Schulz ausgezahlten 5000 m. eine Rolle gespielt hat, wird am 1. Juli ebenfalls aus seiner bisherigen Stellung aus.
Im Jahre 1919 war Graf Aldrovandi der Berater Gonninos während der Versailler Friedens verhandlungen, immer auf der Grundlage des Londoner Geheimabkommens. In einem bestimmten Zeitpunkt dieser Verhandlungen, und zwar im Mai 1919, schien Aldrovandi einem Vorschlag feineswegs abgeneigt zu sein, der dahin ging, Südtirol Defterreich zu belassen, um dafür Italien den Besik von Dalmatien zu fichern. Mit diesem Vorschlag hoffte man Wilson zu bescheiden. ruhigen, der gegen die Zuteilung Fiumes an Italien energisch opponierte.
Nach dem Rücktritt Sonninos bekleidete Aldrovandi verschiedene diplomatische Posten zweiten Ranges. Bielleicht entfendet die italienische Regierung den Grafen Aldrovandi nach Berlin mit Rücksicht auf jene Reminifzenzen aus dem Jahre 1919." Diese Worte des Pariser Antifaschistenblattes sind natürlich ironisch gemeint. Immerhin wird es nicht ohne Interejie fein, Bu beobachten, mie derselbe Diplomat, der im entscheidenden Augenblid ber Friedensverhandlungen bereit war, mit Südtirol ein
Die polnischen Behörden gehen von der Auffassung aus, daß es in Polnisch - Oberschlesien eine von Berlin aus finan zierte staatsfeindliche Organisation gibt, die für eine gewaltsame Rückkehr des Landes zu Deutschland die Stimmung vorbereiten soll. Die am letzten Freitag abge= schlossenen Haussuchungen und Verhaftungen haben nichts ergeben, was jene Vermutung rechtfertigen könnte. Die Behörden sind aber so nervös geworden, daß jede Kritik an ihrem Vorgehen in den Zeitungen zu sofortiger Beschlagnahme führt. So wurde der sozialistische Volkswille", den man in deutsch - bürgerlichen Kreisen verdächtigt, in polnischem Fahrwasser zu segeln, nicht weniger als dreimal beschlagnahmt. Vollkommen frei ist dagegen die polnische Presse in ihrer Heze gegen die Deutschen und in ihrer Aufforderung zu allen möglichen Gewaltmaßnahmen gegen sie. Tief zu bedauern iſt es, daß sich auch der alte Führer der polnischen Sozialisten in Oberschlesien , Binistiewicz, von dem allgemeinen Fieber anstecken ließ und daß sein Organ die Auflösung des Deat chen Bolksbundes, der Kulturorganisation des Deathchtums, fordert.
herrscht, hat ihren Grund zwar nicht in irgendwelchen staats
Die Nervosität, die in polnischen Kreisen Ostoberschlesiens gefährlichen Unternehmungen der Deutschen , wohl aber in einem unverkennbaren Stimmungsumschwung zu gunsten des Deutschtums, der im ganzen Lande eingesetzt hat. In Orten, wo man sonst deutsch nicht sprechen durfte, hat die Bevölkerung zahlreiche Anträge auf Errichtung von Minderheitsschulen gestellt. Deutsche Theatervorstellungen finden stärksten Zulauf, während selbst das gute polnische Theater in Kattowig vor leerem Hause spielt. Zugleich zeigt sich auch eine Stärkung der deutschen freien Gewerkschaften und der deutschen Sozialisten gegenüber den polnischen.
Die in Ostoberschlesien geschaffenen polnischen Organisa tionen haben sich niemals aus eigenen Mitteln erhalten können, sondern waren stets auf die finanzielle Unterstützung des Staates angewiesen. Nun, da infolge der schweren Finanzkrise die alten Quellen versiegen, droht ihnen der 3ufammenbruch. Die von den polnischen Sozialisten und der Nationalen Arbeiterpartei aufgezogenen Genossenschaften machten damit den Anfang, indem sie mit mehr als 32 Filialen und einer Schuldenlast von 1 Million Zloty zusammenbrachen, in dem Augenblick, in dem ihnen die staatlichen Kredite entzogen wurden.
Solche Eindrücke mögen auch für die Haltung Biniskie wicz entscheidend gewesen sein, der jetzt zum Eintritt in die polnische Einheitsfront auffordert, da die polnische Organisation zerstört, die polnische Presse ohne Leser sei. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß die Warschauer Zentrale der PPS. feineswegs mit der Haltung der polnischen Sozialisten in Oftoberschlesien einverstanden ist. Wiederholt haben Vermittlungsversuche zwischen deutschen und polnischen Sozia= listen geschwebt, die jedoch bisher zu feinem Resultat führten. Der Stimmungsumschwung in Ostoberschlesien ist zweifellos auf wirtschaftliche und soziale Berhält niffe zurückzuführen. Infolge der Wirtschaftsfrise gibt es im Lande 80 000 Arbeitslose. Dabei verschärft sich die Krise von Tag zu Tag, und immer neue Betriebe werden stillgelegt. Mittlerweile haben zahlreiche polnische Staatsbürger Arbeit und Existenz im deutschen Oberschlesien gefunden, und sie haben sich davon überzeugt, daß dort die Wirtschaftslage immer noch verhältnismäßig besser ist, und daß die Löhne dort immer noch erheblich höher sind als im polnischen Teil Oberschlesiens . Mit den Versprechungen, die während des Abstimmungskampfes gemacht wurden, läßt sich eine solche Lage schwer vereinbaren. Dazu kam der deutsch - polnische Wirtschaftsfrieg, der sich besonders in Polnisch- Oberfchlesien verheerend auswirkte und die Bevölkerung zu der Ueberzeugung brachte, daß ohne Zusammenwirten mit Deutschland ein Wiederaufbau der polnischen Wirtschaft nicht gut möglich ist. Die Hoffnungen auf andere Absatzmärkte sind bis heute nicht verwirklicht worden. Nimmt man dazu, daß verschiedene Fälle behördlicher Korruption aufgedeckt worden sind, daß das polnische Schulwesen viel zu wünschen übrig läßt usw., so begreift man die Mißstimmung in der Bevölkerung, man begreift aber auch, daß eine gewaltsame ihr zu begegnen. Es ist vorauszusehen, daß infolge der Verfolgungen die Sympathien für das Deutschtum nur noch wachsen werden.
Als Nachfolger wird der frühere Regierungspräsident in Marien- Aktion gegen das Deutschtum das allerschlechteste Mittel ist, werder, Dr. Brauweiler, genannt. Brauweiler wurde erst fürzlich von der preußischen Staatsregierung wegen seiner Einstellung zur Republik von seinem Amtenthoben,
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