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Dienstag 2. März 1926

Unterhaltung und Wissen

Der Fremde.

Bon P. Frante.

Die Gollerin wohnte ganz allein in dem Häust am Seee. Strich kein Bind über das Wasser, so stachen die am jenseitigen Ufer aufsteigenden Berge mit ihren spizen Gipfeln bis auf den Grund, und fam ein Mensch vorbei, einer von der gewissenhaften Sorte, se blieb er einen Augenblick stehen und verglich das Spiegel­bild der Berge mit der Wirklichkeit. Fand er, daß im Wasser fein Backen fehlte, so ging er befriedigt weiter. Stand man drüben am Bergufer, so sah man zuerst das Häusl, und war es gerade Montag, so sah man die Gollerin auf dem Waschplatz bei eifrigster Arbeit. Der Waschplatz war ein fleines viereckiges Holzpodium, das vom Ufer ins Baffer hineinragte.

In mondhellen Nächten fonnte einer, dem die weise Frau am Sonntag zum Eintritt in die Welt verholfen hatte, ein anderes Bild jehen. Da saß die Seenige auf dem Podium und seufzte und schmach­tete nach dem anderen Ufer hinüber. Dort saß der Nig und seufzte und schmachtete herüber, stürzte sich dann ins Wasser und schoß wie ein Hecht, der nach dem Köder schnappt, nach der Nige. Die ließ sich rasch ins Wasser zurückfallen, und wenn der Nig einen Augen­blid auftauchte, um zu sehen, ob er das Ziel seiner Sehnsucht auch auf dem türzesten Wege erreichte, sah er den leeren Platz. Aber noch ehe Enttäuschung sich seiner bemächtigen tennte, war Hero an der Seite ihres Leanders, und ein glückliches Baar mehr bevölkerte den See. Kniete dann die Gollerin am anderen Morgen auf der Stelle, jo mochte es wohl sein, daß sich auch ihrer Brust ein Seufzer entrang. Ein Seufzer, der aus dem gleichen Quell floß, wie die Seufzer der Nige. Ja, solch ein Wassergeschöpf hatte es leichter als die Menschen! Denn soviel die Gollerin ihrer Lebtage auch aus­geschaut hatte nach einem, der fie ins Brautgemach führen sollte, es hatte sich feiner gefunden. Im Dorfe nicht, auf den Nachbarfied­lungen nicht und draußen in der Welt schon gar nicht. Schön war fie ja gewiß nicht, ab o Liebesgott, es gibt doch so viele Abstufungen zwischen schön und dem Gegenteil, und die Gollerin war eben eine Abstufung.

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Eines Tages, im Mai, als Nige und Nig wieder nächtlich ihr unterhaltsames Spiel getrieben hatten und die Gellerin seufzend cuf dem Waschplate fniete, fam auf der Seestraße ein fremder Herr daher. Herr? Nun ja, wer Sinn für Romantit hatte, fonnte den Fremden wohl so nennen. Wer ihn vom Gesellschaftsstandpunkt ous betrachtete, reihte ihn ohne Gewissensbisse in die Klasse der Landstreicher ein. Kleine Kinder und furchtsame Leute machten einen weiten Bogen um ihn. Aber dieser Umweg hätte unter­bleiben fönnen. Der Hut es war doch einer? saß ihm mehr fed als mild auf dem Haar, und wenn dieses auch nicht aussah, als ob ihm sein Besizer regelmäßig jeden Morgen mit Ramm und Bürste zu Leibe ging, so machte es in seiner, urwäldlichen Fülle doch einen anziehenderen Eindruck als die dürftige Mähne manches Salonlömen. Der Herr Der Herr mir sind der Romantit zugeneigt blieb vor dem Häust der Gollerin stehen, maß es wie ein König seinen Hofnarren, hatte dabei die Borstellung ven der allerkleinsten Scheidemünze, ging aber doch hinein. Es tam ihm etwas wunder­lich vor, daß er nicht so empfangen wurde wie gewöhnlich auf dem Fechtgange. Die Gollerin fragte ihn nach Heimat und woher er heut schon fame. Auch nach dem Beruf er habe doch einen? Jawoll, Madame, i betreib ab und zu das honette fragte fie. Schusterhandwerk." Das ab und zu betonte er, nicht das Handwerk. Das letzte ab und zu" läge wohl schon weit zurüd, fragte die Gollerin weiter, indem sie die Stiefel des Wanderers eingehend be trachtete. Der verstand den Blid und erfundigte sich sogleich, ob wohl hier im Derf zurzeit ein Schemel für ihn frei sei. Die Gollerin öffnete eine Tür. Der Fremde erschraf, denn man sah hinter der Tür alles, was ein Schusterherz in Bewegung feßen tann. Brach läge der ganze Kram, seit der Vorige" immer mehr die Büchse mit der Ahle verwechselt habe, aber das Gericht lasse nun einmal

nicht mit sich spaßen, wenn man auch noch so treuherzig versichere, die Rehkeule sei auf dem gesetzlich zulässigen Wege erworben.

Der Fremde sah sehnsüchtig einem dahinziehenden Bogel nach, Drehte sich um und betrachtete das letzte Stück Wegs, das er ge= fommen war. Ein Gefühl, das nichts mit vier Wänden zu tun hatte, stieg in ihm hoch, schon wollte er den Urwaldkopf in den Nacken werfen, da gab im entscheidenden Moment der Magen einen Laut von sich, und dieser Laut wurde zum Triumphgeschrei, zum Triumph. geschrei der bürgerlichen Wohlanständigkeit über das Ruhelose und Ungebundene.

Und so saß nun der Geselle am anderen Morgen auf dem Schemel und hämmerte, was das Zeug halten wollte. Tagtäglich ven früh bis spät. Er sah nicht auf bei der Arbeit, um feine ziehen. den Wolken zu sehen und fein Stück der blauen Ferne. Diese Ge­mütsverfassung fam den zerrissenen Stiefeln des Dorfes zugute; je mehr aber die Wunden der Schuhe geflickt wurden, um so zerriffener wurde des Flickers Seele.

Se war der Fremde nun schon lange Wochen seßhaft geworden. Er war auch äußerlich ein neuer Mensch, und es tam nicht mehr vor wie in den ersten Tagen, daß er im Krug" allein am Tische faß. Die Gäste hörten ihm aufmerksam zu, wenn er von seinen Wander­fahrten erzählte, und mancher rückte ganz nahe zu ihm hin, um fein Wort zu verlieren. So war der Winter gekommen. Und wenn die Gollerin Scheit auf Scheit in den Ofen steckte und das Feuer luftig emporschlug, so dachte der Gefelle wohl, daß eine regelmäßig miederkehrende Mahlzeit doch auch etwas sei, das man nicht un­bedingt zu verachten brauchte. Aber dergleichen schwache Augen blicke hatte er doch nur selten.

Ja, wenn ihm die Gollerin nur mit den Scheiten warm gemacht hätte, so hätte er wohl ruhig auf seinem Schemel sitzen bleiben fönnen. Aber da saß der Bogel in der Pechpfanne. Die Gollerin hatte außer den Scheiten noch eine Leimrute ausgeftedt. Wenn a Mann im Haus is, schlaft sich's doch ruhiger!" das war ihr ständiger Morgen­gruß geworden. Der Geselle dachte: ruhiger? Ist das Ruhe, wenn ich nachts vom Krug heimkomme, und aus ihrer Kammer schwirren Seufzer durch das Schlüsselloch? Und warum wurde sein Frühstück von Tag zu Tag reichlicher? Barum erzählte sie ihm immer wieder, daß da droben am Berge eine alte Base von ihr wohne, steinalt und eine schöne Sach" habe sie, und es sei weiter niemand da als die Gollerin, die dereinst den nächsten Anspruch darauf habe. Warum erzählte sie ihm das, ihm, dem Hias Grund­bolzner aus dem Dolomitengebiet? Da wurde ihm auf einmal angst. lich zumute. Er sah einen Käfig aus Eisenstangen, und darin saß der Matthias aus der Nähe der Drei Zinnen ", und die drei Berg gipfel grinsten ihn an, und jeder schien zu sagen: Bist aljo glüdlich pian bliebn?!" Und es machte die gedachte Lage

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nicht beffer, daß die Gollerin vor dem Käfig stand und ein großes Stüd Zuder durch die Lüde schob. Bon da ab seufzten nachts regelmäßig zwei in dem Häusl. Einer auf der Ostseite und einer auf der Westseite. Die Eisenstäbe des Käfigs schienen immer dicker zu werden. Er hatte fürchterliche Gesichte, der arme Hias. Eine

Das auch noch

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nein!

ganz schreckliche Laufbahn sah er vor sich: Obmann des Berschöne rungsvereins, Beigeordneter und schließlich gar noch Ortsvorsteher. Und dann hatte er mit der Behörde zu tun. Gewiß, Behörden mußten fein, aber er, der Hias, ging von jeher der Behörde gern aus dem Weg. Das charakteristischste Gesicht aber war sein Leichen stein: Hier ruht der ehrengeachtete Matthias Grundbolzner aus Hintertug, gestorben im 88. Jahre seines Lebens. Auf Wiedersehn!" Eines Nachts, im März der Schnee war schon ziemlich ge­schmolzen schlich eine dunkle Gestalt durch die Tür des Goller­Häusls. Er bleibt doch net picn!" schallte es von der fleinen An­höhe vor dem Dorfe zurüd. Dann lief der Fremde, was die Beine nur hergeben wollten, denn er hatte die schreckliche Borstellung, daß das ganze Dorf hinter ihm her sei, ihn einhole und der Gollerin zu Füßen lege.....

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231 MILLIONEN

FÜR

OFFIZIERS

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Beilage des Vorwärts

diesem findet er in seinem Kasten die Bilder für Finger, Daumen, Nagel usw, oder" Gold", das ihm alle anderen Metalle birgt! Will er die Bilder für Fluß, Regen, See usw. suchen, dann hat er in dem Kasten mit der Aufschrift ,, Wasser" nachzusehen.

Darum hat auch ein chinesischer Segersaal mit seinen Typen­fächern an den Wänden eine schier unheimliche Ausdehnung und er wirkt auf den abendländischen Jünger der schwarzen Kunst, wenn in dem sich fein weißer Kollege zurechtfinden kann. man sich einmal so ausdrücken darf, entwaffnend. Ein Labyrinth,

Begriff fehlt, gehört natürlich unter diesen Umständen zu den All­Daß in der chinesischen Setzerei einmal das Bild für einen täglichkeiten. Für diesen Fall verfügt man über meiche Blei flümpchen, in die das Bild dann in aller Eile und mit erstaunlicher Geschicklichkeit mit Hilfe eines Messers gerigt wird.

Dr. Ed. St.

Laffen Pflanzen sich täuschen?

ordentlich fennen, weiß jeder Bilzsammler und jede Mutter, deren Daß wir uns durch Pflanzen täuschen lassen, wenn wir sie nicht Rind einmal Tollkirschen oder andere giftige Beeren gegessen hat. Aber tönnen wir auch Pflanzen täuschen? Wer ein wenig Biologie studiert hat, wird di Frage bejahen müssen, wenn er etwas nach­denkt. Er wird vor allem an unsere hübsche insektenfressende Moor. pflanze, den Sonnentau, denken. Die runden oder länglichen, rojettenförmig angeordneten Blätter find dicht mit gestielten Drüsen

Offizierspensionen. bejeßt, die einen flebrigen Tropfen ausicheiden, der in der Sonne

VERSORGONG

7000 000 ORDENS­ZULAGEN

So danken fie der Republit, die sie erhält!

Chinesische Zeitungen.

Seit einiger Zeit erscheint eine chinesische Zeitung in Berlin . Gelbe Studenten, die in der Reichshauptstadt Borlesungen hören, haben sich zu diesem Unternehmen entschlossen, weil es nach den Worten des Tactius am Hoangho und Jangtfefiang infolge der poli­tischen Birren unmöglich geworden ist, zu denken, was man will, und zu sagen, was man dentt!" Dieses in der Bilderschrift des Konfutse abgefaßte Berliner Journal lenkt die Aufmerksamkeit der Deffentlichkeit auf die chinesische Presse überhaupt. Erst seit zwei Jahrhunderten, das ist bei der Vergangenheit der Gelben eine lächer lich furze Spanne Zeit, existiert eine einzige Beitung in China : Rinn- Bao", wenn man den Namen übersehen soll, dann bedeutet das ungefähr: Blatt der Hauptstadt. Dieses ist für unendliche Zeiten die einzige periodische Schrift des Reiches der Mitte gewesen und noch heute marschiert das Bierhundertmil'ionenvolt auf journali stischem Gebiete durchaus im Hintertreffen. Sechs Tageszeitungen und eine illustrierte Wochenschrift, das ist alles. Peting beschränkt fich auch heute noch auf seinen Kinn- Bao". Ein offizielles Publi. tationsorgan, das die kaiserlichen Edikte verbreitet und auch heute noch auf handgefertigtem Papier mit in Holz geschnittenen Buch­staben hergestellt wird.

Der niemals zu unterschähende Einfluß Englands im fernen Orient ist aber nicht zum mindesten auf den Umstand zurückzuführen, daß sich die englische Kolonie in Schanghai vor 50 Jahren zuerst der Presse angenommen hat. Eie gründete damals die North China Daily News", die zunächst zwar nur englischen Tert aufzu meisen hatte, gar bald aber summarisch die wichtigsten Ereignisse auch in chinesischer Uebersetzung gab. 3mei Jahre später begann der Cheunn Bao"( Schanghaier Journal) zu erscheinen, das erste Blatt, das ausschließlich in chinesischer Sprache geschrieben war. Ihm sind der Chin Wann Bao"( Chinesische Notizen) und der Tschung Bain Bao"( Tägliche Allgemeine Zeitung ) und schließlich die weiteren auf dem Fuße gefolgt.

Alle chinesischen Zeitungen sind Morgenblätter, und ereignet sich im Laufe des Tages etwas Außergewöhnliches, dann kommt ein Extrablatt heraus. Gewöhnlich bedient sich der chinesische Zeitungs­perleger eines sehr feinen Seidenpapiers, das wegen seiner Durch fichtigkeit nur auf einer Seite bedruckt werden kann. Aber schon gibt es auch in China widerstandsfähigeres Papier, das den Druc auf beiden Seiten, wie in Europa und Amerita, zuläßt. Format und Anordnung des Stoffes find aber bei allen Blättern die gleiche. Beschreibt man also eine einzige chinesische Zeitung, dann hat man von allen das Bild. Diese Einförmigkeit liegt nicht nur in dem Charakter des chinesischen Volkes begründet, sie ergibt sich vielmehr folgerichtig aus den Eigentümlichkeiten der chinesischen Sprache felbst. Chinesisch schreibt man bekanntlich von oben nach unten und von rechts nach links. Darum wird oben auf dem Blatte möglichst mit dem Raum gespart und die vertikalen Zeilen find von beschränkter Ausdehnung. Infolgedessen ist die Breite der chinesischen Beitungen bei weitem größer als deren Länge und das unterscheidet Sie schon äußerlich von jedem europäischen Blatt. Sie bestehen famt und fonders nur aus einem einzigen Blatt, das in der Mitte horizontal zufammengefaltet ist. Jede dieser beiden großen Seiten numeriert sind. Der Zeitungstopf wird horizontal geschrieben über wird in acht fleine Spalten eingeteilt, die von rechts anfangend, der ersten Seite. Das chinesische Alphabet fennt bekanntlich keine Buchstaben. Jedes einzelne Zeichen bedeutet ein ganzes Wort. Da­her die ungeheure Schwierigkeit, Lesen und Schreiben in dieser kom­plizierten Sprache zu lernen, daher die Masse der Analphabeten in dem ungeheuren Land! Kein Wunder, wirkt doch eine chinesische Druderei geradezu verwirrend auf den Außenstehenden. Bie findet nun der unglückliche chinesische Sezer, der die Zeitung herzustellen hat, die Bilder für die hunderte von Worte heraus, während doch unser Buchdrucker nur unter 25 Typen zu wählen hat? Die Sache ift so einfach nicht. Die einzelnen Worte werden in der Druckerei in Ideengruppen klassifiziert, für die ein Mutterwort" maßgebend ist. Auf diese Art und Weise hat sich der chinesische Setzer nicht meniger als 214 Wortklassen geschaffen, aus denen er seine Bilder herauszusuchen hat. Ein Beispiel: Das Mutterwort Hand! Unter

wie ein Tautropfen glänzt. Seht sich nun ein kleines Insekt auf das Blatt, so ist es um sein Leben geschehen. Wegen des flebrigen Saftes fann das Insekt nicht davonfliegen und die Drüsen legen sich dicht um das Tier herum. Es verhungrt aber nicht zwecklos, sondern das Sonentaublatt saugt alles Verdauliche an thm aus und verwendet den verdauten Saft als Nahrung. Dann öffnet sich das Blatt wieder, die Drüsen nehmen ihre alte Stellung wieder ein und zurück bleibt nur die unverdauliche Haut des Insekts. Der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen," um mit Wilhelm Busch zu sprechen.

Bringt nun der boshafte Mensch anstatt eines Injekts oder eines verdaulichen Stückes Eiweiß eine unverdauliche Substanz auf das Sonnentaublatt, so arbeitet das Blatt ganz so, wie wenn ein Insekt verzehrt werden soll. Aber die Täuschung dauert nicht lange, denn sehr bald sehen wir sich die Drüsenstiele wieder erheben, aber immer­hin, wir haben die Pflanze getäuscht. Eine Täuschung der Pflanze ist es auch, wenn wir eine Ranke, z. B. die einer Erbse ,,, fißeln". Bir sehen dann, wie sich die Ranfe frümmt und einrollt, genau wie menn fie die gesuchte Stüze berührt hätte. Wir wollen nicht weiter nach bekannten Beispielen dieser Art suchen, sondern einen ganz neuartigen Täuschungsversuch mitteilen, den die Berliner Botanikerin Gerda Raydt kürzlich veröffentlicht hat. Dieser Versuch wirkt außer­ordentlich humoristisch, und sollte jemand einmal ein Buch über den Humor im Pflanzenreich schreiben, so wird er sich dieses Versuchs mit Vergnügen erinnern. Natürlich wollte die Verfasserin keine Humoreste schreiben, das hat sie auch nicht getan, aber eine Be merfung in ihrer Arbeit läßt doch den Schluß zu, daß sie die Komik der Situation erfaßt hat. Es ist ein Schlemihlproblem, ein Schattenproblem, das uns hier entgegentritt. Peter Schlemihl lief ohne seinen eigenen Schatten in der Welt herum und wich der Sonne aus. Die Verfuchspflanzen unserer Forscherin laufen hingegen mit einem fremden Schatten herum und suchen die Sonne, in der Hoff­nung, den lästigen Schatten loszuwerden.

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Schon der berühmte Pflanzenphysiologe Dutrochet hatte beob achtet, daß die Blätter der Bohne, wenn auf sie ein Schatten fällt, fich diesem durch seitliche Bewegungen entziehen können. Diese Be obachtung wurde später auch von einem anderen Forscher an der bekannten Zimmrlinde gemacht. Frl. Randt bestätigt zunächst

die Beobachtungen ihrer Vorgänger, aber da sie die Blattbewe­gungen genauer untersuchen wollte, mußte fie auf ein Mittel finnen, das bequemer und zuverlässiger war als die Anwendung eines wirklichen Schattens. Sie verfiel darauf, die Blattflächen mit schwarzem Papier zu bedecken. Auf diese Weise war es möglich, den Schatten" beliebig groß zu machen und sie war unabhängig von dem direkten Sonnenlicht. Es fragte sich nur, ob die Pflanze nichts von der Täuschung merkte. Nun, das tat fie nicht, sie verhielt sich ganz so, wie wenn sie einem wirklichen Schatten aus dem Wege gehen wollte. Eine an sich also zweckmäßige Bewegung wird hier zur Bosse und das empfinden wir als komisch.

Man darf der Pflanze es nicht verargen, daß sie sich in dieser Weise täuschen läßt; machen es doch selbst hochstehende Tiere nicht viel besser. Jeder kennt die Geschichte von dem Efel, dem man da durch seine Störrigkeit abgewöhnte, daß man in einiger Entfernung von seinem Kopfe ein Büschel Heu so anbrachte, daß er es nicht er­reichen fonnte. Das merkte der Esel aber nicht; er glaubte durch schnelles Laufen das Heu doch zu erwischen, und weiter wollte der Dr. W. Wächter. Rutscher des Eselgespanns nichts.

Die Jahresringe der Bäume. Jedermann weiß, daß ein Baum Jahresringe ansett. Aber einige Einzelheiten darüber, die Dr. E. Förster im Kosmos" hervorhebt, dürften weniger bekannt fein Je schneller der Baum wächst, je fleiner fein Stammdurchmesser: iſt, um so stärker müssen die Jahresringe sein. Dies ist also in den ersten Jahren und in günstigen Jahren bei schnellem Wachstum der Fall, und die Betrachtung des Querschnittes eines Nadelbaumes zeigt dies deutlich. Daraus erklärt es sich auch, warum ein Baum in geschlossenem Bestand des Flachlandes anders wächst, als die Einzelbäume im Gebirge an der Grenze des Baumwuchses in Höhen

von etwa 900 bis 1100 Metern. Im geschlossenen Bestand schüßt ein Baum den andern, sie fönnen schneller wachsen, sie werden schlanker. Der Durchmesser wird nach oben für jeden Meter Länge rund um 1 3entimeter fleiner. Wird aber ein Teil des Waldes niedergeschlagen, so daß der gegenseitige Schuh wegfällt, und tritt dann ein starfer Sturm auf, so ergibt sich, daß die Bäume zu schlank" gewachsen sind; der Sturm bricht sie in der Mitte ab. Anders wachsen die Bäume im Gebirge an der Baumgrenze, wo sie einzeln stehen. Da ergeben sich die gedrungenen Formen, die Betterfichten. Sie können nicht so schlank wachsen, weil die viel größeren Biegungsmomente eine viel schnellere Zunahme des Durch­messers bedingen. Sie werden auch viel mehr Aussicht auf Er­haltung haben, wenn sie gruppenweiſe wachsen. Besonders gut fann man dies be zusammengedrängt obachten, wo der Gebirgskamm ungefähr mit der Baumgrenze zu­fammenfällt. z. B. im fergebirge und in den anderen schlesischen Randgebirgen.

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- etwa 4 bis 5 Stüd dicht

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Der Rüdgang der Schmetterlinge. In den entomologischen Fachblättern wird öfters festgestellt, daß die Zahl der Schmetter­linge in den letzten Jahren sehr zurückgegangen ist. Solche Beob achtungen werden u. a. aus der näheren und weiteren Umgebung Berlins , aus Pommern , Schlesien usw. berichtet. Es gibt z. B. Arten, von denen man früher mit Leichtigkeit 1000 Raupen sammeln fonnte, die aber jetzt kaum noch anzutreffen sind. Die Ursache des Rückgangs wird nun im allgemeinen nicht auf die Schmetterlingssammler zurückgeführt, wenn auch einzelne Selten­heiten start durch fie beeinträchtigt sein mögen. In der Haupt­fache schreibt man die Ursache natürlichen Erscheinungen zu, so der leberhandnahme von Schlupfwespen, und auch Witterungseinflüssen. Außerdem dürfte der Rückgang gewisser wildwachsender Pflanzen, die bestimmten Raupen zur ausschließlichen Nahrung dienen, mit zu der Abnahme der Falter beigetragen haben.