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Freitag

3. März 1926

Unterhaltung und Wissen

Aus der guten alten Zeit.

Unsere alten Schullefebücher mußten mandh schönes Stücklein zu berichten von der Leutseligkeit und Gerechtigkeit der fürstlichen Landesväter gegenüber ihren Untertanen. Alle miteinander waren fie bekanntlich ausgeglichene, vornehme Charattere, die jederzeit nur das Wohl ihrer mit väterlicher Liebe umsorgten Landesfinder im Auge hatten. Bis in die heutige Zeit und gerade in der heutigen Zeit füllen diefe rührenden Geschichtchen die Unterhaltungsbeilagen der Rechtspresse, und vaterländische" Filme lassen den Glanz dieser Zeiten im Flimmerbild unter martigen Orchesterklängen vor den Augen eines hingerissenen Publikums abrollen. Es sei darum auch uns die Mitteilung einiger besonders schöner und menschlicher Züge von fürstlichen Landesvätern vergönnt.

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Es ist bekannt, daß eine ganze Anzahl deutscher Fürsten ihre Untertanen für Geld auf fremde Schlachtfelder verfauft haben zu 30 Kronen Werbegeld und 37% Kronen Jahreszuschuß pro Stüd. Weniger bekannt ist vielleicht eine reizende fleine Anekdote, die man sich während des englisch - nordamerikanischen Krieges erzählte. Das Geschichtchen muß für die damaligen Berhältnisse recht bezeichnend gewesen sein, denn es wurde selbst von Leuten wie Franflin für ernst genommen und geglaubt und von namhaften Geschichts. schreibern, wie Schloffer, nacherzählt. Als nämlich die Transporte hessischer Soldaten auf dem Wege zur Verschiffung bei Minden die preußische Grenze passierten, soll der preußische König Friedrich II. von dem Landgrafen von Heffen für diese Truppen den Bieh 3011 verlangt haben, weil die Soldaten doch wie Bieh verkauft und abtransportiert worden seien.

Das ehemalige Fürstentum Hanau wurde vom Jahre 1764 an von Wilhelm I. , Erbprinzen von Kassel und regierenden Grafen von Hanau, regiert. Dieser Fürst war nach dem, was die Geschichte über ihn meldet, ber Vater von vierundsiebenzig( 74) unehelichen Kindern. Eine einzige seiner Mätreffen, ein Fräulein von Schlotheim , schenkte ihm im Laufe der Jahre allein zweiund­zwanzig Kinder. Rührend ist die Art, wie dieser vortreffliche Bater für seine Nachkommen sorgte. Sobald ihm nämlich wieder ein Kind geboren war, verteuerte er den Preis des von seinen Untertanen aus den Salinen seines Landes zu beziehenden Salzes um einen Kreuzer für den Sad und belehnte das Neugeborene mit dieser Rente. Wie werden sich die treuen Untertanen gefreut haben, wenn wieder die Geburt eines Fürstensprößlings gemeldet wurde!

Der vorletzte Martgraf von Brandenburg Ans. pach, Karl Friedrich Wilhelm( 1723 bis 1757) erging sich einſt mit Jeiner Mätreffe in erbaulichem Gespräch im Garten seines Schlosses, als die Dame eines Schornsteinfegers gewahr wurde, der seiner Ar­beit auf dem Dache des fürstlichen Schloffes oblag. In humorvoller Beife äußerte sie den Gedanken, wie es wohl aussehen würde, wenn der Schornsteinfeger plötzlich vom Dache herunterpurzelte. Karl Friedrich Wilhelm, der mußie, was sich für einen Ravalier schickt, nahm fein Pistol und schoß den Schornsteinfeger der Dame zum Spaß vom Dach herunter. Der Bitme des Ermordeten gab der biedere Fürft fünf Gulben.)

Hierbei soll nicht unerwähnt bleiben, wie zu dieser Zeit im Anspachischen das Wild geschützt wurde. Es mar den Bauern bei Zuchthausstrafe verboten, etwa mit einem Gewehr oder Knüppel dem Wild zuleibe zu gehen. Selbst einen Hund durften sie nicht bei fich führen. Sie mußten das zahlreiche Hochwild, das nachts in ihre Felder und Saaten einbrang und alles zu zerstören drohte, ausschließlich mit Lärmen und Schreien vertreiben. Was tat es, daß stets einer vom Hofe fich darum die Nacht um die Ohren fchlagen mußte?

Dem obengenannten Markgrafen Karl Friedrich Wilhelm von Anspach, der als Musterbeispiel eines souveränen Fürsten der da­maligen Zeit genannt wird, war einst mitgeteilt worden, daß der Mann, der die Hunde des Marfgrafen in Pflege hatte, diese vernach lässigt haben sollte. Sofort rift der Fürst vor das Haus dieses Mannes, rief ihn heraus und schoß ihn ohne irgendwelche Umstände auf seiner eigenen Türschwelle nieder. Ein andermal traf er auf feinem Wege einen Schäfer mit seiner Herde, und als die Herde bem fürstlichen Pferde den Weg nicht schnell genug frei machte, ver­langte der Markgraf zornentbrannt das Gewehr, um den schuldigen Schäfer über den Haufen zu schießen. Dem 3ögern des ihn be­gleitenden Oberstallmeisters war es zu verdanken, daß der Schäfer

fich noch retten fonnte.

Glücklich ein Bolt, das weise und gerecht von solchen Landes­vätern regiert wird. Es muß doch etwas Herrliches um die gute alte Zeit gewesen sein! E. R.

Der böse Geist.

Bon Henri Barbusse Banitors war plößlich erwacht und troch bis zur Hüttentür. Schort lag ein von Blattreflegen durchwobener Sonnenstreif auf dem Dorfplatz. Banitoro hatte frante, schielende Augen, turze Beine, einen flobigen Kopf, ben ein Haarwust und Bart tohlschwarz um wucherten. An feinem Halsband aus Glasperlen hing der Hauer eines Ebers und ein Armband europäischen Fabritats, das er einst als Abschlagszahlung für ein delikates Wildbret erhielt.

Er nahm Assagai und Bogen und griff, fanft zufaffend, nach zwei Pfeilen, die im Leibe seines Vaters ftafen; dieser hatte sich seit drei Monaten von dem Blätterbett nicht gerührt, auf dem er tot dalag und noch immer seinen Sohn beschüßte, indem er deffen Pfeile ver giftete. Dann deponierte Baniforo nach Väterfitte feine Pfeile im unförmig ausgedehnten Ohrläppchen.

Draußen recte sich der Zwerg auf den Beinen, wo irgendeine frühere Krankheit ganze Rosenkränze von Budein hinterlassen hatte. Er blähte den Rumpf auf und feine blinzelnden Triefaugen blidten zum strahlenden Licht empor. Nachdem er aus dem geheiligten Bein haus feiner Hütte, aus dem vertrauten Geftant heraus war, jog er tief die Luft Oceaniens ein, biefen äzenden Wildgeruch, der unaus­Löschlich an Körper und Seele haftet.

Der Eingeborene verlor sich im Walde und fam zur Hütte Sagus. ,, Verkaufe mir dein Haus ant Strande, fagte er schon zum zehnten Male. Es ist schön, erwiderte Sagu, aus Stämmen, Astwert und Bandanusblättern gemacht. Ein Häuptlingshaus, da es eine Ede hat mit einem Tabu. Es beherrscht eine an Schiffbrüchen reiche, fehr reiche Durchfahrtsstelle. 3st niedrig, nicht zu entwurzeln. Kein Dach in der Welt bildet einen solchen Schild gegen den Sturm. Es ist schön, zwei und einen halben Stlaven wert, und zehn Arme Kupfer draht dazu.

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Siehe Friebrich Kapp: Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerita", Berlin 1864.

Rechnet ab!

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So fingen sie einst an, als Mordbanditen, Die edlen Gottesgnadenparasiten; Und statt des Rechts entschied die rohe Faust..

Ich will das Haus, aber nur für zwei Sflaven; denn es wird von den bösen Geistern heimgesucht."

Rein, es gibt feine Geister in dem Haus; es hat teine Män gel!" rief Sagu, indem er seinen Affagai fest umframpfte, der in drei jolchen getöteter Feinde starrte. [ pigen von toten Feinden stammenden Knochen endigte und von

Banitoro wich grollend zähnefnirschend zurück und schielte auf eine ganz unglaubliche Weise.

Ich habe die Geister gehört", sagte er ,,, und andere auch". Nein! Nein!" brüllte Sagu, ganz bestürzt darüber, daß man den Wert feines Besizes auf fo schredliche Art herabjekte. Es ist das schönste aller Häuser."

Die lauten Ausbrüche dieser Unterhaltung riefen den König her bei, per in seiner um zwanzig Schritte entfernten Hütte sich am Rauche grünen Holzes berauschte. In der Umrahmung der Tür, wo Schmaden in die Augen beißenden Qualmes schwebten, zeigte der König fein Gesicht, das auf der Stirn schwarz, auf den Baden blau, rot auf der Nase bemalt war.

großer König. Seine Worte waren Dolche, feine Ueberlegung Hinter Gefolgt vom ersten Würdenträger fam er näher. Er war ein halt. Er besaß ein riesiges Herz, das sich von den Nieren bis zur Gurgel ausdehnte. Zehn Nasenringe aus Schildpatt trug er und in Fächerform leuchteten Knöchel seiner Vorfahren um die Nasenflügel. Sein Haar war in fleine 3öpfchen zusammengeflochten, von denen jedes aus acht Haaren bestand.

Ein Stück harten Holzes diente dem Hauptwürdenträger als Be fleidung und an seinem Handgelent trug er eine Muschel. Er hatte sie heilen wollte, wieder öffnete; denn es war eben eine Fetischwunde. am Bein eine Wunde, die ein Fetisch war und die er jedesmal, menn Der Souverän ließ sich über den Gegenstand des Streites unter=

richten.

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,, Biele haben das Geheul der bösen Geister in dem Hause am Strande gehört", sagte Banitoro. Troß der Grimassen und Bewegungen Sagus, dessen Mund sich auf seinem dunklen Geficht von einem Dhr zum anderen. wie ein bestätigt, der, ein Dickbein tragend, vorüberkam und von Niobung, Kollier aus weißen Perlen spannte, wurde diese Tatsache von Mitoi die, von Milch überquellend, ein Fertel tränkte. Während der Nächte, wo der Mond in Gestalt eines Dumerangs leuchtet, hört man pom Haus des noch nicht massatrierten Missionars in der leeren Hütte Sagus Geschrei: das ist bewiesen."

C

Der König schüttelte den Kopf, fehrte in fein Haus zurüd, be rauschte sich an Kava und schlummerte ein. Gegend Abend ver­sammelte er die Bevölkerung, indem er auf die mit einem Menschen. topf verzierte Trommel, die sich auf dem Plazze befindet, schlug. Dem Ruf des Monarchen folgend, begaben sich die Eingeborenen nach dem unheimlichen Ort. In respekvoller Entfernung von dem Haufe fcharte fich das Volk zusammen.

Hört!" rief Baniforo, der voller Entsetzen in das Dunkel zurüdwich. Man lauschte angespannt. Zuerst nichts; dann unterschied man aus der Richtung des Hauses unterdrückte Stimmen. Biele Eingeborene flapperten mit den Zähnen und ergriffen die Flucht. Plötzlich hörte der Lärm auf.

" Wir müssen jezt in das Haus gehen," sagte der König, indem er feine funftvoll gearbeitete Streitart schwang. Borsichtig traten mehrere Mutige, von dem wiedererschienenen Banitoro geführt, in das Haus. Es war leer.

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Dreimal erneuerte fich die unglaubliche Feststellung. Das Haus sprach in unterdrückten Tönen; wenn diese schwiegen und man ein­brang war nichts: die Geister bewiesen ihre Gegenwart durch ihre Unsichtbarkeit. Baniforo wohnte dem Beginn der Beobachtungen bei. Aber er hatte solche Furcht, daß er ehe die Geister noch einen Laut ließen verschwand. Er war niemals in dem Augenblick an­wefend, wo die übernatürliche Stimme hörbar wurde. Was nun? Sollte man wirklich, wie das angezeigt erschien, den Besitzer eines solchen Hauses niedermegeln? Die Meinungen der Weisen waren geteilt. Man wandte sich mit Anfragen an die anderen Insein des Archipels: nach Tahori, welches an manchen Tagen bebt und raucht wie der Rand eines Topfes, in dem es tocht; nach Banua, wo die Köpfe der Häuptlinge in den Rörpern getrockneter Haifische aufbewahrt werden, nach Atoli, dessen Bewohner als allzustarte Raucher taum genießbar find. Keine be­friedigende Antwort traf ein. Da beschloß Sagu, sich feines Hauses selbst um den Preis eines Opfers zu entledigen. Er schenkte eine Frau und verzichtete auf den ihm vielleicht zufallenden Teil des Missionars und bestimmte Vanitoro, der Besizer des Hauses zu werden.

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Und seit diesem Tage enthielten sich die Geister jeglicher Mani feftation!

Beilage des Vorwärts

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Jetzt kommt Gelegenheit, den Raubgesellen Die richt'ge Quittung drüber auszustellen, Was sie in sechs Jahrhunderten gemaust.

Da begann Sagu seltsam nachdenklich zu merden. Gewisse, Banis foro entschlüpfte Worte überraschten ihn. Er dachte angestrengt nach. Manchmal hielt er mitten im Gehen inne und suchte irgendwas zu begreifen. Er murmelte befremdende Drohungen. Eines Tages kniff er fein Auge zusammen; er suchte den König auf.

Ich hörte die Geister wieder üblen Lärm in Baniforos Hause verursachen," ertlärte er. Banitoro muß entschieden getötet werden, damit sie schweigen."

Im Prinzip war der König einperstanden; aber man mußte sich völlige Klarheit verschaffen. Sagu rottete die Einwohner zusammen und veranlaßte fie, in der Nacht zu dem Hause am Strande zu gehen. Sie warteten im Halbkreis. In der ersten Reihe stand Baniforo, laut lachend im Gefühl ftolzer Sicherheit.

Aber das Haus sprach.

Was tat das Baniforo? Er lochte, so wild er fonnte, schmang feine Ebenholzfeule, sprang aus der vor Entfegen gelähmten Gruppe und stürzte, während das Haus redete, hinein.

Das Haus stieß einen Schrei aus; dann schmieg es. Baniforo Hand. tam sofort wieder heraus und hielt den Kopf Sagus in erhobener

glauben machte," rief er. ,, Er war es, der die Geister beleidigte, indem er an ihr Dasein

Er wird gegessen," sagte der König, dessen Justiz ebenso summarisch wie logisch war.

Und er hatte recht. Im sozialen Leben tommt es nicht so sehr, darauf an, gute Ideen zu haben, als sie im günstigsten Moment zu verwirklichen. Er hatte recht. Er war ein großer König. ( Berechtigte Uebertragung von Joh. Runde.) Welche Gemüse aßen die ältesten Menschen? Ueber dieses Thema hielt Dr. Karl Boshaupt in der Bayerischen Gartenwissens schaft- Gesellschaft in München einen Vortrag. Die Kulturgeschichte unserer Gemüsepflanzen reicht sehr weit, vielleicht bis an die Wiege der Menschheit zurück. Die älteste angepflanzte Gemüseart ist die Erbie, die in Funden aus der jüngeren Steinzeit nachgewiesen ist. 4000 Jahre v. Chr. in Oberitalien als Volksnahrungsmittel fest. Es handelt sich hierbei um die sogenannte Pufferbse, die man auch gestellt hat. Heute ist an ihre Stelle die südamerikanische Stangen­erble getreten. Die Erbse ist auch in ägyptischen Gräbern im dritten Jahrtausend v. Chr. gefunden worden. Die alten Griechen und Römer hatten die Rübenkultur auf bedeutende Höhe gebracht. Ihre Stlaven mußten sie als Futtermittel anpflanzen. In Deutsch Der Kohl war in der hellenistischen Zeit bereits bekannt. land taucht die Rübe aber sonderbarerweise erst im Mittelalter auf. Die Römer pflanzten ihn in Oberitalien an, da er dort am besten gedich. Daß die Perferkönige Salat liebten und schäßten, und daß Kam­byses gern Gurten, wissen wir aus der uns überlieferten Literatur der damaligen Zeit. Die Gurte war übrigens schon 3000 Jahre v. Chr. in Indien bekannt, von wo sie nach Bersien und Aegypten gelangte.

" Wunde Punkte" am menschlichen Körper. Welches ist die verwundbarste Stelle des Körpers, jozusagen unsere Achillesferse? Die Wissenschaft hat diese gefährliche Stelle natürlich längst festge ftellt, aber es ift darüber verhältnismäßig wenig in der Deffentlich­teit bekannt. Das Jiu- Jitsu, die bekannte japanische Methode der Körperstählung und Kampffertigkeit im Angriff und in der Ver. teidigung, hat sich diese Kenntnis längst zunuze und zur Grundlage des Systems gemacht. Danach ist eine der empfindlichsten Stellen des menschlichen Körpers der Adamsapfel: ein Druck mit beiden Daumen an diese Stelle verursacht unerträgliche Schmerzen, und ein Schlag tann hier so verhängnisvoll sein, daß er dauernd die Sprechfähigkeit behindert und die Atmung und das Rauen erschwert. Ein Druck auf die schmalen Höhlen hinter den Ohren und den hin teren Badentnochen ist ebenfalls außerordentlich schmerzhaft, da dieser Druck auf bestimmte Nervenstränge mirtt. Ein Schlag mit dem Handrücken gegen die Schläfe rder gegen die Ohren fann sogar einen Schädelbruch oder eine Gehirnerschütterung herbeiführen. auch Schläge auf den Nadenwirbel oder die Kinnipige vermögen den Tod herbeizuführen durch die Bertrümmerung der oberen Rückenwirbel. Auch die Basis der Nase und insbesondere das Sep­tum", der Verbindungsteil zwischen den Nasenlöchern, gehört zu den wunden Punkten" des Körpers. Ein fester Drud auf das Bein, etwa eine Handbreit über dem Knie, oder an dem Unterarm in gleicher Entfernung vom Ellbogen, ist sehr schmerzhaft, well dadurch ein Nervenftrang gegen die Knochen gedrückt wird. Das gleiche gilt von einem Schlag auf den Ellbogen, den sogenannten Musi­fantenknochen. Auch hier wird ein Nerv in Mitleidenschaft ge­zogen, der den Unterarm tontrolliert, und dessen Druck neben großen Schmerzen völlige Hilflefigkeit herbeiführt.