17.9
Dienstag 9. März 1926
Unterhaltung und Wissen
Beppi.
Bou Justus Franz Wittkop.
Hinter dem. Bahnhof liegt ein Viertel der Großstadt, wo die Straßen geradlinig und obgleich nicht eng, stets düster und grämlich find. Das ununterbrochene Getöse der Lastkraftwagen hat die Häuser verärgert und alt gemacht, und der sauere Rauch, der immer von gestern her noch unter dem Himmel hängt, läßt sie nur unfreudig mit den vielen einförmigen Fenstern blinzeln. Die Menschen hasten dort über den feuchten Staub des Pflasters ständig in Flucht vor Dingen, die sie manchmal nicht wissen. In einem Edhaus mit niedrigen, breiten Schaufenstern befindet sich eine große Eisenwarenhandlung. Vor dem einen Fenster, in dem Messer verschiedener Größen in hartem Glanze gereiht liegen, lehnt ein schmächtiger Snabe und träumt über dem stählernen Märchen schweifende, hastige Träume.
Beppi Kanzer ist ein seltsames Kind. Von seinen Eltern, der Bater Eisenbahner, die Mutter Näherin, fast ständig sich selbst überlaffen, meidet er gerne den Umgang fremder Gespielen und seine Spiele find altflug oder zurückgeblieben. Mit Lumpenpuppen und abgegriffenen Gliedermännern hantiert er oft lange Nachmittage in einer einsamen Küchenede und seine Bewegungen sind dann herrisch und nicht die eines Zwölfjährigen. Zärtlich hängt er an seinen Kaninchen, die auf dem schmalen Balkon über dem Hof in einem Ristenstalle auf den Schlachttag warten, und doch freut er sich unter tieftraurigem Beinen, wenn wieder eines als Festtagsschmaus geopfert wird, denn der Erlös des Fells fließt nach eingewöhntem Recht in seine Tasche.
Mit den so gesammelten Groschen weiß er sparsam, ja fast geizig umzugehen, bis er dann eines Tages in irgendeinem raschen Einfalle die lange gehütete Summe verschwendet, für ein grelles. Bild, für ein Lodendes Buch, für ein abenteuerliches Irgendwas, das plöglich seine Begierde entfacht hat. Vor dem prahlenden Stahl der vielen glatten Messer sticht ihn wieder ein sinnloser Wunsch, und er erwirbt sich ein solch fremdes, tühles und an Möglichkeiten reiches Gerät, das er mit Sorgfalt und eilig in seinem Inappen Rode unterbringt. Dann schlendert er mit steilen Schritten durch das raftlos alltägliche Gewühl die Straße hinab.
Bo der Gürtel der Schienenstränge die Straße schneidet, bückt Sie sich und verschwindet in einem dunklen Tunnel, der auch tagsüber Don bleichen Gaslampen beleuchtet, doch nur zu bestimmten Stunden vom Berkehr gebraucht wird, denn jenseits liegen Arbeiterquartiere und nur deren Einwohner sind auf dem Wege zur Fabrit und rüdPehrend die Passanten. An Nachmittagen aber verödet der dumpfige Steinschlauch, nur ab und zu durch das lange Hallen eines eiligen Schrittes oder vom brüllenden Rollen der darüberhinwegsausenden Züge aus seiner feuchten und lautlosen Trägheit geweckt.
Beppi Kanzer setzt sich auf einen der grünen Sockel, die die fantigen Stüßpfeiler tragen, und seine Phantasie malt in die gähnende Höhle hinein laute und graufige Abenteuer. Er ergreift Besitz von dem herrenlos lauernden Raume, macht sich zum König der fauligen Schatten und die Steinquader werden ihm zu drohenden, müsten doch ihm untertänigen Getieren; und von Zeit zu Zeit gellende Rufe fchlendernd, spielt er mit fiebernden Gesten einfame und heiße Spiele von Rittern und Detektiven, von D- 3ügen und Giganten. Geschieht es aber, daß irgendein Fremder den matterhellten Tunnel hastig burchquert, so birgt sich der fleine gefpenftige Afteur scheu im Dunkel. einer Nische.
So verläuft der Nachmittag. Da fällt ihm bei einem eifrigen Sprunge das im Taumel der Abenteuer längst vergessene Messer aus dem Rocke mit hellem, gebietendem Klange. Fast erschrickt er davor. Dann greift er es auf und alle die stummen und wilden Bilder seiner Knabenseele gruppieren sich um den blanken, Gefahren bergenden Gegenstand. Er schwingt ihn triumphierend als Waffe. Mit dem grellen Dolch wird er ein Räuberfürst, eine Schlucht in Felsenbergen der hohle steinerne Raum. Er wartet auf Taten, träumt unerhörte Kämpfe, Beute von farbigen Dingen, heldenhafte Befreiungen und laute Siege. So lauert er und ist ganz voll von wilden trunkenen Bildern.
Da hallt von dort her, wo der Tag bleich vor der Deffnung liegt, ein zaghafter fleiner Schritt. Beppi duckt sich zurück und blinzelt dem Schall entgegen. Die Bilder lärmen in ihm, daß er zittert. Doch langsam, unendlich langsam, tappt sich das Kommen heran. In dem Birrmarr von grünen Schatten und fahlen Lichtern ist die Gestalt verloren und schickt nur das zage, leichte Schallen voraus. Es will den Lauscher schleichende Furcht befallen. Die Träume sind am Zerinnen und das Bewußtsein, ein ohnmächtiges Kind in der gespenstigen Dede des unterirdischen Raumes zu sein, will ihn eiskalt faffen. Es zu betäuben, jagt er sich blind, blind zurück in seine Träume. Die Augen geschlossen wartet er. Sein Warten ist nur noch Wunsch: in die Gefahr entfliehen.
Da ist das Tappen bei ihm. Vorspringend padt er einen Arm und starrt in ein zuckendes, gedunsenes Kindergesicht. Zwei wasserblasse Augen fragen ihn mit entsetztem Stummfein. Ueber einen hängenden Mund klebt sich ein blödes Lächeln. Böse Wut faßt ihn. Er schüttelt das tierisch erschrodene Gegenüber. In Berachtung über das Richtbegreifen. daß es Kampf gilt, hebt er das Messer und fühlt es in das semmelweiche Fleisch eines plumpen Knabenhalses sinken. Die Leiche fällt ihm aus der kleinen, haltenden Hand.
Eine Leichtigkeit löst wie Freude seine Glieder, hüpfenden Schrittes will er davon. Da sieht er niederblickend das Messer über dem Matrosenfragen stecken in dem dunklen Klumpen zu seinen Füßen. Und ein graufiges Besinnen schleicht sich ein. In die Knie stürzend, sucht er den feuchten Messergriff, ihn zurück zu ziehen. Die tastende Berührung entreißt ihm einen minutenlangen Schrei, er schreit in wahnsinnigen Aengsten. Dann löst er sich langsam und steht bei seiner Tat, ein schüchtern weinendes Kind.
Wie Erlösung hört er endlich einen festen Schritt. Dem läuft er entgegen, faßt eine schwielige Männerhand, streichelt und füßt fie, und mit schmeichelndem Schluchzen weiß er nur immer den einen Satz: Ich hab' wirklich mur gespielt, ich hab' wirklich nur gespielt!
Mätressen.
Bon Hermann Schüßinger.
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Rein Fechterhieb gegen die deutschen Fürsten hat im Rampf um bie Abfindung" so gut gesessen, wie der kleine Nadelstich, den die beiden Fürstenliebchen des legten Mecklenburger Großherzogs ficherlich unbewußt und ungewollt- gegen die Gottesgnadenherr Lichteit von Wilhelms einundzwanzig Trabanten geführt haben. Der Condeja de Mazzenau und der Gräfin Bubna- Litic" war es ficherlich mir um ihre paar armselige Kröten zu tun und nicht um
die Diffamierung eines für fie so einträglichen und dankenswerten Regimes. Da bekanntlich Lächerlichkeit tötet, und zwar gründlicher als Korruptionsaffären und Pfandbriefskandale, ist in diesem Streit um die Apánagen der mecklenburgischen Staats- Mätressen" Wilhelm von Doorn der blamierte und die Republik der profitierende Teil. Dieses Wort„ Mätresse", das im Französischen so liebenswürdig und selbstverständlich flingt, hat in Deutschland , wo das Fallbeil nicht wie in Frankreich unter die Dubarrys und Pompadours einen schlummernden harten und häßlichen Klang. Die Mätresse, die in dicken Strich ziehen konnte, einen tief im Volksbewußtsein der Rofofozeit eine Art Staatsinstitution war und meist auf den Gang der Staatsmaschine und die Intensität des Steuerdrucks direkt und indirekt einen größeren Einfluß ausübte, als die langweilige und in die Ede gestellte legitime Königin, war für die ausgefogenen Bauern und Kleinbürger des 17. und 18. Jahrhunderts der Inbe
அன்
Schüffle den getrönten Bampir ab, deutsches Volt!
griff des fürstlichen Schlemmerlebens. Der ganze Haß des niedergetretenen„ dritten Standes" konzentrierte sich auf diese eine Person, Bauernhaus zu sich emporgehoben hatte. Sie war Fleisch von ihrem die der Landesherr aus dem Volt, aus irgendeinem Bürger- oder Fleisch, Blut von ihrem Blut und fraß trotzdem mit lachendem Gesicht all das, was ihr der Fürst als„ Strumpfgeld" ins Haus schleppte. Kein Wunder, daß in den achtundvierziger Jahren selbst der schlafmüzigste Spießbürger aus vollem Herzen den Hecker- Vers mitzubrüllen pflegte:
,, Reißt die Kontubine, reißt die Konkubine, aus des Fürsten Bett! Schmiert die Guillotine, schmiert die Guillotine mit Tyrannenfett!" Wenn man die Mätreffen", beispielsweise der Hohenzollern , Revue passieren läßt- ohne jegliche Animosität gegen die ehrwürdige Institution der Konkubine" an sich, die bei dem System der Fürstenheirat" dem armen, zwangsweise verheirateten Landesso muß doch vater die einzigen Erholungsstunden verschaffte gefagt werden, daß sich in der Regel höchst unwürdige Kreaturen in den Besitz des Landesherren zu sehen verstanden.
Was für finstere Szenen entrollt Martin Luther in seinem Kampf gegen die morganatische Ehe des brandenburgischen Kur fürsten Joachim I. mit der Frau des Berliner Bürgers Wolf Hornung!
Sein Sohn Joo ch im II. hatte sich die schöne Gießerin" Anna Sydow , die Witwe eines Kanonengießers und Artilleriehauptmanns, zugelegt. Schon damals flackerte der Zorn gegen die Mätreffe" Seiner Kurfürstlichen Gnaden selbst in den Köpfen brandenburgischer Bauern und Hinterjassen auf.
Die Gräfin Wartenberg, die Mätresse des ersten preußischen Königs, ist wohl in der ganzen hohenzollernschen Familiengeschichte die unwürdigste Person. Als Frau eines Kammer dieners ist sie an den preußischen Hof gekommen, wurde die Mätresse und schließlich Frau des Grafen von Wartenbera, der feine Gemahlin dann dem König als„ Statsmätresse" zuführte. Hier spann das liebestolle Weib ein Abenteuer nach dem anderen mit den fremden Diplomaten, an die sie alle Geheimnisse der preußifchen Politik verriet.
Recht harmlos nimmt sich dagegen das Techtelmechtel Friedrichs II. mit der Tänzerin Barberina aus, über das Boltaire mit zynischem Spott zu höhnen pflegte, Friedrich habe sich nur deswegen in fie verliebt, weil sie Mannesbeine hatte". Wilhelmine Ente dagegen ist der böse Geist Friedrich Wilhelms II.; sie hat es zwar nicht so weit gebracht, wie ihre Kollegin", das Fräulein von Voß, das dem König unter höchstem Beremoniell angetraut wurde; trotzdem war sie während seiner ganzen Regierungszeit" der eigentliche Hausmarschall Setner Majestät. Sie ist in erster Linie verantwortlich für die 118 Millionen Taler, die ihr Allerhöchster Herr in wenig Jahren aus der preußischen Staatskasse verschleudert hat!
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Und das sollen wir jetzt berappen?
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Wir denken gar nicht daran, nach kleinbürgerlicher Philisterart über die Eheirrungen unserer einstigen Landesväter zu lamentieren, und wiffen sehr gut, daß die Zeiten der Pompadour, der Dubarrn, der Lady Hamilton und der Lola Montez endgültig vorbei find. Und trotzdem: Die Maitressen" des feudalistischen wie des modernen Lndesherrn sind eben nun einmal aus öffentlichen Mitteln unterhalten worden! Darum haben wir hier ein Wort mitzureden! Und dann: Wenn es einem Volf gut geht, dann ist man leicht geneigt, über galante Verirrungen der oberen Zehntaufnd ein Auge zuzudrücken wenn die Karre aber durch die Schuld derer da oben im Dred festgefahren ist, dann fressen die Dinge, über die man sonst lacht, wie Feuer im leeren Magen! Die Karbolmäuschen" in der Etappe und die Dämchen im Lager von Stenay und von Charleville , die haben uns nie so sehr in die Gebärme gestoßen, als wenn wir voll Dreck und Schweiß von vorn famen, aus der Dede der Massenschlacht. Wenn's einem dreckig geht, dann fehlt einem absolut jedes Berständnis für leichtgeschürzte Röcke. Und gar im Bereich der Geschütze wurden Weiberbeine zur Farce!
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Beilage des Vorwärts
Umwandlung chemischer Elemente.
Ueber dieses Thema sprach der berühmte Chemiker der Kaiser Wilhelm- Gesellschaft , Prof. Haber, in einem von der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften veranstalteten Vortrage. Er bemerkte einleitend, daß nach der überkommenen Anschauung in der Ueberschrift eigentlich ein Widerspruch liege, denn ein chemisches Element sei ja ein Stoff, der sich auf keine Weise umändern und in einen anderem Stoff verwandeln lasse. Zwar ist die Vorstellung, zusammengesetzt sein soll, nicht recht plausibel und nicht ohne Widerdaß die Welt aus 70 bis 80 verschiedenen Arten von Baustoffen stand angenommen werden, zumal ja bei der Ordnung der Elemente ( Grundstoffe) nach ihrem Atomgewicht gewisse chemische Aehnlichfeiten in periodischer Folge wiederkehren, was auf eine innere Berwandtschaft dieser Elemente hindeutet. Aber schließlich trat, wie es in der Wissenschaft so oft geschieht, an Stelle der Verständlichkeit die Gewöhnung, und man fand sich mit dieser Vorstellung ab. Da wurden zu Ende des vorigen Jahrhunderts die radio- aktiven Erscheinungen bekannt, deren nähere Erforschung uns einen spontanen ( von selbst erfolgenden) Zerfall bestimmter radio- aktiver Grundstoffe und ihre Umwandlung in andere zeigte. Der überkommene Begriff des Elements mußte nun fallen gelassen werden, und ebenso der des Atoms, das deutlich eine innere Struktur verriet.
In diese Struktur näher einzudringen gelang zuerst dem eng lischen Forscher Rutherford . Die radio- aktiven Substanzen senden drei Arten von Strahlen aus, die man als Alpha, Beta- und Gammastrahlen bezeichnet. Bon diesen haben sich die Betastrahlen als kleinste Bestandteile negativer Elektrizität, als nicht an gewöhnliche Masse gebundene Elektronen erwiesen, während die Alphastrahlen mit positiver Ladung versehene Heliumatome find. Helium entsteht also unmittelbar aus radio- aktiven Elementen. Rutherford ist es dann gelungen, unter der Einwirkung solcher Alphastrahlen auf andere Atome, auch solche von nicht radio- attiven Substanzen, Teile loszulösen und sie dadurch in andere Stoffe zu verwandeln. So konnte er einen tiefen Einblick in den Bau der Atome tun, die stets einen positiv geladenen Kern zeigen, um den negative Elektronen freisen. Die Ladung des Kerns, die beim Wasserstoff mit 1 beginnt und beim Uran den Wert 92 erreicht, bestimmt die Stellung eines Stoffes in der Reihenfolge der Elementc. Als Bausteine der Atomkerne, die unter dem Bombardement mit Alphastrahlen losgelöst werden, sind Wasserstoff- und Heliumteilchen mit Sicherheit nachgewiesen. Wenn man bedenkt, daß von einer Million Alphateilchen immer nur eines den Atomfern mit voller Durchschlagskraft erreicht, so wird verständlich, daß die Zahl der gelungenen Kernzertrümmerungen noch nicht sehr groß ist. Die Untersuchungen werden außer von Rutherford und seinen Schülern im Wiener Radiuminstitut fortgesetzt und haben schon manchen schönen Erfolg gezeitigt. Sollte es gelingen, die elektrischen Span mungen, mit denen wir gegenwärtig schon auf eine Million Bolt fommen, hoch zu verdoppeln, was durchaus im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegt, so werden die Erfolge vermutlich noch größer merden, da dann zahlreichere Alphateilchen mit großer Energie erhalten werden können.
Der Vortragende wandte sich zum Schluß noch den Aufsehen erregenden Versuchen zu, die gleichzeitig und unabhängig von einander Miethe in Deutschland und Nagaoka in Japan zu der Behauptung geführt haben, es sei ihnen die Umwandlung von Queckfilber in Gold gelungen. Bekanntlich haben Nachprüfungen dieser Versuche durch deutsche und amerikanische Forscher ein völlig negatives Ergebnis gehabt. Auch im Kaiser- Wilhelm- Institut find die ebenfalls mit durch Versuche sehr sorgfältig wiederholt worden, aus negativem Ergebnis. Die ganz geringen Spuren von Gold, Bersuche 200 Stunden lang andauern ließ; fie stammen offenbar aus die sich fanden, fonnten nicht vermehrt werden, obwohl man die den als Elektroden benutzten Metallen und dem Quecksilber, denen fie als Verunreinigung beigemengt waren. Wie sorgsam man verfahren muß, zeigte ein Fall, in dem ein junger Chemiter anläßlich eines anderen Versuches Gold gefunden hatte; er hatte seine goldene Brille mit den Händen angenommen, und ohne die Finger zu reinigen eine Substanz in den Analysentiegel getan, woraus sich die Anwesenheit der geringen Goldspuren erklärte.
Die Frage steht heute so, daß die Möglichkeit der Umwandlung von Quecksilber in Gold bejaht werden muß, gelungen ist sie aber bisher noch nicht. Doch darf man sich durch Fehlschläge keineswegs Bt. entmutigen lassen.
Wie die Straße abgetreten wird.
Wenn unsere Väter auf der Landstraße spazieren gingen, da befanden sie sich in einer idyllischen Einsamkeit, verglichen mit den heutigen Zuständen. Dann und wann holperte ein Bauernwagen an ihnen verbei oder ein Fuhrwerk mit einem Mezger, und hier und da sausten ein paar Radfahrer vorüber. Heute ist die Landstraße, die damals durch den Eisenbahnverkehr entlastet war, durch die Entwicklung des Kraftwagenwesens wieder neu belebt; immerfort zischen Autos an uns vorüber und rattern schwere Kraftlastwagen. Aehnlich ist es ja auch in den belebten Straßen der Großstädte, wo sich ein Verkehr abspielt, den man sich früher auch nicht im Traume vorstellen konnte. Damit geht aber eine starke Abnuzung der Straßen Hand in Hand, und der Straßenbau ist vor ganz neue Aufgaben gestellt, über die Ingenieur P. Feßler in der„ Umschau" nähere Mitteilungen macht.
Besonders interessant sind einige Zahlen, die zeigen, wie start die woderne Straße abgetreten wird. So hat man berechnet, daß das Klinkerpflaster auf Gehsteigen von den Fußgängern innerhalb 22 Jahren von 40 auf 22 Millimeter abgetreten wird; Granitstein pflaster wird auf den Fahrwegen schon in 35 Jahren von 170 auf 55 Millimeter abgefahren; es findet also hier ein intensiver Bermahlungsprozeß statt, durch den man die Menge des erzeugten Staubes begreift. Wie sich der Verkehr auf der Landstraße innerhalb eines Vierteljahrhunderts verändert hat, ergibt sich aus den Zahlen des täglichen Durchschnittsverkehrs auf der Straße zwischen Karlsruhe und Durlach . Danach wurden 1918 1938 Bugtiere, 20 Personen- und 5 Laftkraftwagen gezählt; 1923 waren es nur noch 575 Bugtiere, aber dagegen 370 Personen- und 630 Laffkraftwagen. Nech viel rascher ist der Verkehr in den Städten angewachsen. 1900 gab es in München an Beförderungsmitteln 526 Pferdeperfonenwagen, 48 Kraftwagen, 6 Krafträder, 818 Pferdelastwagen und 38 000 Fahrräder. Für 1924 aber sind die Zahlen folgende: 290 Pferdepersonenwagen, 2750 Kraftwagen, 2227 Krafträder, 532 Pferdelastwagen, 1743 Lastkraftwagen und 130 000 Fahrräder. Die Straße wird in der Stadt noch bedeutend mehr in Anspruch genommen als auf dem Lande, aber die Erneuerung ist wesentlich einfacher, da die schadhaften Stellen räumlich begrenzt und leichter zu sperren sind. Auf den Landstraßen sind die Aufgaben sehr viel schwieriger; man hat aber in neuester Zeit mit verschiedenen Verfahren recht gute Erfahrungen gemacht.
Ein Vogel, der im Ei mausert. Eine ganz eigenartige Erschei nung läßt sich bei den sogenannten Großfußhühnern beobachten, jenen tropischen Vögeln, die ihre Eier in riesige Blätterhaufen legen, durch deren Gährungswärme die Eier ausgebrütet werden. Wenn die Jungen aus dem Ei schlüpfen, find fie förperlich bereits so voll. fommen ausgebildet, daß fie sich ganz selbständig ihre Nahrung fuchen können, also nicht mehr auf die Hilfe der Eltern angewiesen sind. Das erste Daunenkleid, das bei den anderen Vögeln den aus dem Ei schlüpfenden Vogel deckt, wird bei den Großfußhühnern denn auch schon innerhalb des Eies mit dem Gefieder des schon weiter entwidelten Jungvogels vertauscht,