Nr. 11943. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Völkische Provokation.- Külz antwortet. Die Deutschnationalen lärmen
-
und stellen den Mißtrauensantrag.
Der Reichstag fegte gestern die zweite Beratung des Haushalts des Innern fort.
Abg. Dr. Schreiber( 3tr.) stimmt der vom Abg. Sollmann vorgetragenen Auffassung zu, daß die deutsche Republit eine soziale Republik sein müsse. Die Aussöhnung mit dem Prole tariat sei nicht nur eine Frage der Sozialpolitit, es gehöre dazu eine Entwicklung, die das Proletariat als gleichberechtigten Faftor im Staatsleben anerkenne. Es sei zu bedauern, daß auf den Hochschulen noch so wenig Kinder des Proletariats zu finden wären. Der Föderalismus habe seine nationale und fulturelle Berechtigung. Die Verfassung von Weimar habe sich ehrlich bemüht, den Geist des deutschen Volkslebens zu spiegeln. Aber möge fie auch in manchen Punkten entwicklungsfähig sein, so lehne das Zentrum im gegenwärtigen Augenblid, wo wir zwei Millionen Arbeitslose haben, jeden wesentlichen Eingriff in die Weimarer Verfassung ab. Weite Kreise des Boltes würden jetzt fragen: Warum hat man den Gedanken der Stärkung des politischen Einflusses des Reichspräsidenten nicht schon zu Lebzeiten des ersten Reichspräsidenten geäußert? In Deutschland ist für Faschismus und für Diktatur fein Raum!
Abg. Dr. Götz( Dem.) weist die Anhänger eines übertriebenen Föderalismus darauf hin, daß dem Staat eine Menge Aufgaben übertragen worden seien, die ihm nicht mehr genommen werden fönnten. Von den höheren Beamten müsse man verlangen, daß sie sich jetzt endlich dem heutigen Staat loyal zur Verfügung stellen, wie es die mittleren und unteren Beamten schon meist tun. Sie sollten doch auch nicht vergessen, welchen Gesinnungsdrud der alte Staat auf sie ausgeübt habe. Davon tönne doch heute keine Rede mehr fein. Zu wünschen wäre, daß die Examenschranken zwischen den Hochschulen der einzelnen Länder beseitigt werden. Auch auf dem Gebiete des kulturellen Lebens müsse der Zentralismus wachsen, für die Förderung von Wissenschaft und Kunst sollte das Reich größere Mittel zur Verfügung stellen.
=
Abg. Leicht( Bay. Vp.) weist darauf hin, daß seine Partei auf dem Standpunkt des Föderalismus steht. Das Reich dürfe nicht auf diktatorischem Wege gegen die Länder vorgehen, sondern Differenzen durch Verständigung beseitigen. Das eigenstaatliche Leben der Länder dürfe nicht beseitigt werden. Die von der Sozialdemofratie geförderten Tendenzen, die zur Schaffung des deutschen Einheitsstaates führen sollen, weise Bayern zurüd. Die Abgrenzung der Aufgaben zwischen Reich und Ländern erfordere, daß man ihnen beim Finanzausgleich die erforderlichen Mittel zur Verfügung stelle. Eine Hauptaufgabe der Länder sei die Pflege der Kultur, die sich nur auf der Grundlage der christ lichen Sittenlehre entwickeln könne. Von dieser Grundlage aus müsse man alle uebertreibungen des Sports und der Rörperpflege zurüdweisen. Sechstagerennen und Nadtfultur hätten mit Körperpflege nichts mehr zu tun. Gegen die sittliche Berwilderung der Jugend und der Familie müsse man auch politive Maßnahmen ergreifen. Eine schärfere Be fämpfung des Alkoholismus jei notwendig, bie Trodenlegung Deutschlands dagegen abzulehnen. Eine Verschlechterung des Wahlrechts unter Anwendung des Artitel 48 müsse abgelehnt werden, was aber das Wahlalter betreffe, so stehe der Redner auf dem Standpunkt, daß eine gewiffe Reife für die politische Betätigung notwendig fei. Die Vereinfachung der Verwaltung werde daran scheitern, daß die einzelnen Ressorts die Verantwortung fich gegenseitig zuschieben. Die Partei des Redners lehne jede gewaltfame Berfaffungsänderung ab, fie werde aber alle Anträge auf gesetzliche Alenderung der Verfaffung unvoreingenommen prüfen.
Ein Zwischenfall.
Im weiteren Verlauf der Sitzung fam es zu einem stürmischen 3 wischenfall. Der Bölkische Kube hielt eine äußerst propotatorische Rede, in deren Verlauf er die Sozial bemotraten als Barmat- Jünger bezeichnete und das Berliner Polizeipräsidium der Bilderfälschung bezichtigte, was ihm Bizepräsident Bell untersagt. Abg. Kube fuhr darauf fort:
Ich lasse mich in meiner Kritif weder durch das Geschrei der Synagoge noch durch andere Maßnahmen beschränken. Sie( zu den Sozialdemokraten) treiben nur Futtertrippen politit. Was braucht z. B. die deutsche Republif einen Gefandten in Darmstadt , den sozialdemokratischen Abgeordneten David? Wir stehen auf dem Boden des christlichen Staates. ( Großer Lärm und Zurufe links.) Mit Juden unterhalte ich mich nicht.
im
Bizepräsident Dr. Bell ersuchte darauf den Bölkischen Kube, bie Debatte nicht unnötig zu verschärfen. Der Redner beschäftigte sich meiteren Verlauf seiner Rede mit dem Problem der deutschen Minderheiten. Schon vorher aber verlas er eine Kaisergeburtstagsrede, die Innenminister Külz während des Krieges gehalten hat und die später in Druck erschienen ist, bezeichnete fie als byzantinische Tiraden und sagte:
Ein Mann, der seinen Gefühlsüberschwang so der Nachwelt er= halten hat, verlangt heute von den Beamten, daß sie nur republikanisch fühlen. Er kann sich deshlab nicht wundern, wenn die Kritit über die Gesinnungsschnüffelei, die doch gewissermaßen im Ausschuß in den sieben Grundsägen festgelegt worden ist, etwas scharf zum Ausdruck kommt. Das veranlaßte
-
zu folgender Erwiderung: So verschieden früher rechts und links die Auffassungen gewesen sind, so sehr zeigte sich in dieser AusSprache eine wesentliche Annäherung der extremen Auffassungen nach der Mitte hin. Eine Ausnahme hat der Abg. Kube gemacht. Er hat den Geschmack gehabt, eine frühere Rede von mir vorzulesen. Seine Absicht war, meine Staatsgesinnung und meine der zeitige republikanische Gesinnung( Lebhafte Zurufe: Derzeitige! Große Heiterkeit) herabzusehen. Ich habe schon im Hauptausschuß erflärt, daß ich meine frühere monarchistische Gesinnung niemals verleugnet habe und n ich ihrer nicht schäme. Ich habe dem Kaiser ziemlich nahe gestanden. Aber, wenn ein Kaiser, der von Millionen von Deutschen verlangt hat, daß fie ihr Leben einsehen sollen für die Monarchie, in dem Augenblid, wo die Geschichte erstmalig von ihm felbst ein Einsetzen für den monarchischen Gedanken verlangt, nach Holland fährt, so ist das Band innerlich zerriffen. Das Grab der monarchie wird von der Geschichte nicht auf deutschem Boden, sondern auf dem Wege nach Holland gesucht werden. Ich fönnte mir denken, daß der monarchische Gedante eine Wiedergeburt erfahren hätte, wenn der Monarch gehandelt hätte etwa wie Friedrich der Große , der bei Torgau vom Morgen bis zum Abend, mit Blut und Dreck bespritzt, mit seinen Grenadieren fämpfte und dadurch die Monarchie rettete. Für mich liegt die Monarchie auf der Totenbahre. Man fann Toten, wenn man Anlaß dazu hat, ein verehrungswürdiges Gedenken bewahren, aber die Arbeit gehört den Lebenden. Und leben geblieben ist das deutsche Bolt und der deutsche Staat. Sachlich teilt der Minister mit, daß er Schulgesetz und Wahlgesetz einbringen werde, wenn er die politischen und parlamentarischen Möglichkeiten erkannt haben werde. Möglichkeit, mit Hilfe des Artikel 48 das Wahlgefeh herauszubringen, sei im Kabinett niemals gesprochen worden. geordneten v. Kardorff sei wenig toalitionsfreundlich gewesen.
Ueber die
Die Rede des Ab
Ausmarsch der Deutschnationalen.
Als Minister Külz während seiner Rede auf Wilhelms Flucht nach Holland hinwies, setzt auf der Rechten ungeheurer ärm ein, worauf die Linke mit stürmischem Beifall und Händeflatschen antwortet. Rechts ertönen dauernde Pfuirufe, der Minister spricht weiter, aber seine Worte gehen in dem allgemeinen Tumult verloren. Der Minister erklärt der Rechten, er könne es nicht verstehen, wie sie sich einem Manne verbunden fühlen könne, der in der entscheidenden Stunde geflohen sei. Darauf verläßt die Rechte unter ungeheurem Tumult und unter stürmischen Rufen der Linken: Auf nach Holland !" den Sigungsfaal do s
Deutschnationaler Mißtrauensantrag.
Als der Minister unter dem Beifall der Mitte und der Linken seine Rede beendet hat, gibt der Führer der deutschnationalen Fraktion, Graf Westarp , folgende Erklärung ab: Die Auffaffung, die der Minister als seine derzeitige republikanische Auffassung ( 3urufe rechts: Sehr gut!) hier vorgetragen hat, nötigt uns, fol genden Antrag einzubringen: Der Reichsminister des Janern besitzt nicht das Bertrauen des Reichstags.( Lebhafter Belfall rechts.) Darauf werden die Beratungen abgebrochen, das Haus vertagt sich. Freitag 1 Uhr Weiterberatung. Schluß 5 Uhr.
Staatsmonopol oder private Aufklärung?
Die Frage der Roggenpreisbeeinflussung.
Der Volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstags beschäftigte sich in der Sizung am 11. d. M. mit der Frage, ob einer Gesellschaft, die auf dem Getreidemarkt durch Aufläufe die Preislage des Roggens beeinflussen will, aus den Ueberschüssen der Reichsgetreideftelle 30 Millionen Mark zur Verfügung gestellt werden follen. Die mehrheitsparteien hatten sich geeinigt, diesem Projekt zu- zustimmen. Die Gesellschaft soll von den Organisationen der Landwirtschaft, der Düngemittelfabrikation und der Maschinenindustrie gebildet werden, der dann der staatliche Zuschuß überwiesen werden soll.
In der Beratung wurden von dem Genossen Schmidt- Berlin zunächst grundsägliche Einwendungen gegen den Antrag erhoben. Wenn ein solcher nicht unerheblicher Kredit von der Regierung zur Berfügung gestellt werde, müsse man auch die Bedingungen
Freitag, 12. März 1926
fennen, die für die Hingabe des Kredits zu vereinbaren sind. Diese Bedingungen dürfen nicht einseitig nur von der Regierung festgelegt werden, sondern es muß auch der Reichstag einen mifbestimmenden Einfluß haben. Die Regierung habe zwar in einigen allgemeinen Darlegungen ihren Standpuntt über die Bedingungen zur Kenntnis gegeben, aber die Anforderungen, die hier gestellt werden, sind vollständig ungenügend. So habe nach der Erflärung der Regierung der Reichskommissar, der mit der Ueberwachung der Gesellschaft beauftragt werden soll. nicht die Befugnis, gegen Maßnahmen einzuschreiten, die in ihrer Wirkung dazu führen können, die Preise über das zulässige Maß hinaus zu erheben. Ferner fehle ein Mitbestim mungsrecht der Konsumentenfreise. Ein Ausscheiden dieser Kreise auch in der Preisfestsetzung und in dem ganzen Gebaren der Gesellschaft sei mit aller Entschiedenheit abzuweisen. Was die Durchführung des Projets anbetrifft, so habe die sozialdemotratische Bartel erhebliche Bedenten. Ein Roggenüberschuß, wie mir ihn in diesem Jahre gehabt haben, würde vorausseßen, daß die Gesellschaft eine so erhebliche Menge Getreide auftaufen muß, die ihre finanziellen Kräfte übersteigt. Dazu kommt der ft arte Einfluß des Weltmarktes auf die Getreidepreise. Unter dieser Vorausfegung gewinnt das ganze Unternehmen den Eindruck einer gewagten Spekulation auf dem Getreidemarkt, für deren Mißlingen die Ausfichten größer find als für ein befriedigendes Ergebnis. Wenn aber der Ausschuß dem Antrag zustimmt, dann beantragen die sozialdemofratischen Mitglieder folgende Ergänzung:
,, Die Bedingungen, unter denen die Hingabe des Kredits erfolgt, sind von der Reichsregierung dem Reichstag vorzulegen und bedürfen der Zustimmung des Reichstages.
Mindestens vierteljährlich einmal ist dem Reichstagsausschuß schriftlich und mündlich vom Reichskommissar Bericht zu erstatten über das Geschäftsgebaren der Gesellschaft."
Grundsäßlich stehe die Sozialdemokratische Partei auf dem Standpunkt, daß, wenn auf diesem Gebiete eine erfolgversprechende Maßnahme unternommen werden soll, es feinen anderen Weg gebe, als zu einem Außenhandelsmonopol zu gelangen. Man habe deshalb dem Ausschuß einen Antrag unterbreitet, der Richtlinien für eine solche Gesetzesmaterie aufstellt. Aus diesem Antrag geben wir folgende grundlegende Bestimmungen wieder:
Abwehrmaßnahmen gegen Preisschwankungen.
Eine Stabilisierung der Getreidepreise ist nur möglich, wenn den sämtlichen Ursachen der gegenwärtigen Schwankungen mit aus reichenden Mitteln entgegengetreten wird. Die eingehende Erörterung im Unterausschuß hat ergeben, daß eine Stabilisierung der Getreidepreise weder dauernd noch zeitweise durch den bloßen Auflauf von Getreidemengen im Inland erreicht werden kann.
Das Kernstück der Stabilisierungsmaßnahmen muß eine Beherrschung und planvolle Gestaltung des Außen= handels mit Getreide sein, wie sie nur durch ein staatliches Monopol verwirklicht werden kann. Für die zu schaffende Monopolverwaltung sind die in der Reichsgetreidestelle gewonnenen fachlichen und persönlichen Erfahrungen nußbar zu machen. Ferner find dieser Monopolverwaltung aus den Ueberschüssen der Reichsgetreidegesellschaft entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen.
Richtlinien für die Preisgestaltung.
Auch eine mit den äußersten Machtmitteln ausgestaltete Monopolverwaltung fann feine starre Figierung der Preise, sondern nur eine Beseitigung der übermäßigen Breisschwankungen erreichen. Es soll daher eine Eindämmung der Preis
Ichwankungen zwischen einer Obergrenze und einer Untergrenze versucht werden. Der Abstand zwischen diesen Grenzen, der zunächst reichlicher zu bemessen ist, soll dann später verfleinert werden in dem Maße, wie die fortschreitenden Erfahrungen mit der Preisstabilisierung eine sichere Grundlage dafür bieten.
Ferner muß nach Ablauf einiger Jahre eine Nachprüfung der Preisfestsetzungen vorgesehen werden, um den Fortschritten der Brobuftionstechnik und den Veränderungen der Produktionskosten Rechnung zu tragen.
Organisation des Monopols.
Es ist dafür Sorge zu tragen, daß jeder Mißbrauch der zu treffenden Regelung in einem einseitigen Interesse ausgeschlossen ist. Deshalb sollen an der Durchführung der zu treffenden Maßnahmen neben Regierungsstellen auch Vertreter der Produzenten und Konsumenten, insbesondere der Konsumgenossenschaften und der Gewerkschaften mit gleichen Rechten maßgebend beteiligt sein.
Material für die parlamentarische Behandlung.
Dem Reichstag ist möglichst bald eine Dentschrift über die in anderen Ländern, vor allem in der Schweiz und in Nor= wegen, getroffenen Maßnahmen zur Preisstabilisierung des Getreides sowie über die dabei gemachten Erfahrungen vorzulegen.
Die Verhandlungen im Ausschuß führten zu dem Ergebnis, daß die Beschlußfaffung ausgelegt wurde und auf Berlangen des Ausschusses die Regierung in Aussicht stellte, bis zur nächsten Sigung die Bedingungen, unter denen der Kredit gegeben werden soll, im einzelnen festzulegen. Sicher ist, daß die Regierungsparteien und die Deutschnationalen bereit sind, der privaten GesellSchaft den Staatszuschuß zu überweisen, und damit ein Unternehmen ins Leben rufen, das die Spekulation im großen treiben soll.
MARKE
SALA
INDER
SALAMANDER
ZUM FRÜHJAHR
Die Salamander- Frühjahrsmodelle zeigen von neuem die Formschönheit u. gediegene Ausführung der preiswerten Salamander- Schuhe
SALAMANDER