Unterhaltung unö ZVissen.
Im Sedimr Schloßhof.
So war's! Die Kugel in öer Lruft, öle Stirne breit gespaUen, So habt ihr uns auf schwankem Srett auf zum Man gehalten! „Herunter!�— und er kam gewankt— gewankt an unser Seite; »Hut ab!"— er zog— er neigte sich! sso sank zur ZNarionette, Oer ersi ein komööiante war!)— bleich stand er und beklommen! Vao Heer indes verließ die Stadt, die sterbend wir genommen!
Donnerstag IS. März 7920
Dah Dcuischland stark und einig sei, Das ist auch unser Dürsten! Doch einig wird es nur. wenn frei. Und frei nur ohne Fürsten ! (London , aus dem März 1845.) Der Revolutionsüichter. Bon Bruno Schönlant. ..Selten oder nie", sagte Robert Prutz , ein Zeitgenosse und gleich- gesinnter Dichter, über Freiligraths erschütterndes Revolutions- gedicht.Die Toten an die Lebenden",„hat der glühend heiße Zorn, der inbrünstige Haß, die zähnefletschende Verachtung sich in so ivahrhaft großartiger, so erschütternder Weise ausgesprochen, noch ist es viel anderen Dichtern gelungen, die an sich widerwärtigsten und greulichsten Szenen noch in einer so edlen poetischen Beleuchtung zu zeigen— es ist etwas von den, wilden Schlachtenmut der alten Satten in diesem blauäugigen Sohne Westfalens ." Und heute noch, nachdem wieder Revolutionen Europa erschütterten und Deutschland Republik wurde, wirken die Freiligrathschen Revolu- lionsgedichte zündender, rebellischer und männlicher als all da», was dem neuen Geschlecht seine Revolution an hinreißendem Schwung gab. Diese Gedichte sind lebendig gewordene Zeit, sind ein so stark zusammengefaßtes Erleben, daß jede Zeile zum oisio- nären Schauen zwingt. Die Entwicklung des Dichters der Wüsten- und Löwenpoesie zum Revolutionsdichtcr ist die Entwicklung der Vcrhut de, deut- ichen demokratischen Bürgertums, von der Sehnsucht nach exotischen Ländern, deren Farbenreichtum und abenteuerliche Welt die eigene Enge vergessen ließ, zu den aufwühlenden und dröhnenden Rhythmen der Märzreoolution. lind doch war diese Wüstenpoeste, die in der Zeit der ersten deutschen Eisenbahnen entstand, nach des Dichters eigenen Worten, auch revolutionär,„weil sie die allcrentschiedenste Opposition gegen die zahme Dichtung und Sozietät" gewesen sei. Diese Romanlit schweifte in eine phantastische, weit entfernte, aber gegenwärtige Welt, während die zeitabgewandten Romantiker die blaue Blume suchten und über Kreuzgängen und verfallenen Burgen verschwenderisch ihren Mondschein schütteten und dieses Traumland mit Ritterspielen, Minnesang und dem Zauber- kreis der UndineN und Spukgestalten bevölkerten. Der in seiner Tatenlust gehemmte aktive Teil des Bürgertums aber grisf vell Begeisterung nach dieser Freiligrathschen Poesie, die wenigstens seiner Phantasie ein Imperium unerhörter Erlebnisse und Abenteuer schenkte. So bizarr uns jetzt diese Dichtungen auch oft erscheinen mögen, ja, bei ruhiger und sachlicher Betrachtung hin und wieder ein Lächeln hervorrufen, auf den ersten Augenblick nimmt doch noch ihr glutvoller Rhythmus und ihre Abenteuerlichkeit gefangen. Doch als 1541 schon die Eiserne Lerche Georg cherwegh die„Ge- dichte eines Lebendigen" in die vormärzlich erregte Welt schmetterte, als schon eine sensible Schar leicht erregbarer Dichter zürnte und grollte, sang noch der langsamer zu bewegende Freiligrath : Der Dichter steht auf einer höh'ren Warte Als auf den Zinnen der Partei. Umsonst rief ihm cherwegh in einem berühmt gewordenen Gedicht zu: Partei! Partei! Wer sollte sie nicht nehmen, Die doch die Mutter aller Siege war. Der schwerfälligere Westfale brauchte mehr Zeit zu seiner poli- tischen Entwicklung, so wie ein Meer schwerer zu bewegen ist als ein Binnensee, den schon die Ahnung eines Windes kräuselt, aber dos einmal vom Sturm ausgewühlte Meer wird dafür um so stärker Berkünder elementarer Gewalten. Mit seinen 1844 erschienenen politischen Gedichten, gesammelt im„Glaubensbekenntnis", brach er die Brücken zu der alten Welt ab, die ihm äußeren Glanz und Ehren schenkte(aus da» Ehrengehalt Friedrich Wilhelms IV. hatte er schon vorher, seiner inneren Freiheit zuliebe, verzichtet), und tauschte dafür Exil und Bersolgungen, aber auch unsterblichen Ruhm und die Dankbarkeit eine» Volkes«in. 1846 ließ er ein neues Hestchen mit sechs Gedichten solgcn„Ca ira!"(So wird's gehen!). Darunter sind die immer wieder zündenden und auf- rüttelnden Gedichte„Von unten aus",„Eispalast",„Freie Presse" und„Wie man's macht". Da» ist Glutodem, dramatisch gespanntes, mit elementarer, hinreißender Wucht zuni Ziele stürmendes Erleben. Doch die bildhaft« Kraft und Wucht dieser Verse, sie findet noch eine Steigerung in den Gedichten, zu denen ihm das Rcoolutionsjahr 1848 Feuerotem und dröhnenden Pulsschlag gab. Freiligrath ,„der Nationalökonvm mit dem Gemüt", wie er sich Karl Marx gegen- '1er bezeichnete, war mit in dessen„Neuer Rheinischer Zeitung" Redakteur und hier fanden die Tagesereignisse durch ihn ihren dichterischen Niederschlag. Es sei nur„Die Toten an die Lebenden".„Requiescat",„Die Republik" und„Trotz alledem" ge- nannt. Das sind mit Blut geschriebene Berse, sind erschütternde und aufwühlende Tagsbuchblätter, die Gottfried Kellers Worte mehr als bewahrheiten:„Es ist eine Lüge, was die literarischen Schlafmützen behaupten, daß die Angelegenheiten des Tages keinen bleibenden poetischen Wert hätten." Die Konterrevolution trieb Freiligrath wieder ins Exil. Sein unabhängiger Sinn ließ ihn wieder, wie schon einmal, zu seinem kaufmännischen Beruf greisen, statt wehleidig, als verfolgter Dichter, von seinem Martyrium zu leben. In seinen Revolutionsgedichten hat er dem deutschen Volk, ja, der Welt, Unsterbliches geschenkt und sowohl seine Wüstenpoeste, wie die 1870 noch einmal auf- flackernde Dichtkunst, bilden nur die Umrahmung dieser schärfsten Schafsensepoche. Es ist aber ebenso billig wie falsch, den Dichter für sein„churra Germania" zum nationalistischen Dichter stempeln zu wollen, denn auch Georg cherwegh wandte sich in einem Kriegs- gedicht scharf gegen da» bonapartiftijche Frankreich , das neben Ruß- land als Haupt der Reaktion galt. Sehr bald erkannte aber Freilig- rath, der wieder einmal Zunge einer Massenstimmung war. daß es mit dem ersehnten„freisinnigen" Deutschland nichts war, und er stand darum dem Bismorckjchsn Deutschland ablehnend gegen- über. Seine Knegsgcdichte ober muten immer noch im Vergleich zu dem, was ein grvfter Teil der pazifistijchen Dichtawe't im Anfang des Weltkrieges geschrieben, wie revolutionäre Lyrik an. Wohl kaum gibt es eine mehr ergreifende Totenklage um die Gefallenen als in den Schlußversen der„Trompete von Graoelotte": Und dann kam die Nacht, und wir ritten hinan. Ringsum die Wachtfeuer loh'en. Die Roste schnoben, der Regen rann. Und wir dachten der Toten, der Toten. E« ist bezeichnend für den Dichter Freiligrath , daß da» Myste- rtum de» Tode » ihn aus das stärkst« und tiefste bewegte, sei e»
elegisch wie in dem schönen Gedicht„O lieb, so long' du lieben kannst", sei es schmerzlich tief und klagend wie in der„Trompete von Gravelottc" oder ausrührerisch, stürmend und mahnend wie in dem stolzen Rcvolutionsgedicht„Die Toten an die Lebenden", dessen letzte mahnende Berse den Dichter selber sprechen lassen sollen: Er wartet nur des Augenblicks: dann springt er auf allmächtig, Gehobenen Arme», wehnden Haars, da steht er wild und prächtig! Die rost 'ge Büchse legt er an, mit Fenstcrblei geladen, Die rote Fahne läßt er wehu hoch aus den Barrikaden! Sie fliegt voran der Bürgerwehr, sie fliegt voran dem Heere— Die Throne gehn in Flammen auf, die Fürsten fliehn zum Meere. Die Adler fliehn: die Löwen fliehn: die Klauen und die Zähne!— Und seine Zukunft bildet selbst das Volt, das souveräne! Indessen, bis die Stunde schlägt, hat dieses unser Grollen Euch, die Ihr vieles schon versäumt, das Herz ergreifen wollen. O, steht gerüstet! Seid bereit! O, schaffet, daß die Erde, Darin wir liegen strack und starr, ganz eine freie werde! Das fürder der Gedanke nicht uns stören kann im Schlafen: Sie waren frei: doch wieder jetzt— und ewig— sind sie Sklaven!
Zreiltgrath unö feine Zamilie. Von Trude E. Schulz. Freiligrath war der begeisterte Dorkömpfer der Revolution, der jubelnde Herold einer neuen, besseren Zeit. Seine Fanfarenstöße durchschnitten das Dunkel und die Dumpfheit der Reaktion und sammelten die Kämpfer sür Freiheit und Recht. Doch wie in den vierziger Jahren niemand ungestraft für die Sache des Volkes ein- treten durste, so mußte auch Freiligrath mit der Verbannung aus der Heimat dafür büßen. Aber auch jenseits des Ozeans blieb er ein treuer Wächter, der die polnische Bewegung in den Ländern, vor allem in Deutschland , verfolgte und den die stürmischen Tage von 48 wach und bereit fanden. Doch nur zu schnell ließ sich das Volk die kaum errungene Freiheil wieder entreißen, und Aus- weisungsbefehl und Steckbriefe trieben den Dichter bald von neuem nach England, von wo er erst 1868 endgültig heimkehren durste. Mit ihm hatten seine Frau unh seine fünf Kinder die jahrzehntelange Ruhelosigkeit teilen müssen. Aber Freiligrelh trug die Bitterkei! und Schwere dieses Lebens, weil er wußte, daß seine Leiden einen Teilbetrag der Summe bedeuteten, die einmal die Republik er- tauf«» würde.
Trotz aller Sargen um die Heimat und um seine und seiner Familie Existenz wurde er nie zum finsteren Fanatiker. Wo» er einmal In einem Gedicht ausgesprochen hat: Die Liebe hcgl und hält, Die Liebe heilt die Welt, kann als Leitspruch seines Lebens gelten. Er liebte die Menschen, i..c in Elend und Unfreiheit von den wenigen, die die Macht besaßen, ausgenutzt und geknechtet wurden, und sein Kampf war viel mehr Liebe für diese Armen, als Haß gegen die Gewalthaber. Aber wenn er auch unbeirrt dem Ideal folgte, das ihm als heller Stern leuchtete, so war Freiligrath doch nie blind für die Nöte und Leiden In seiner nächsten Umgebung. Seiner Frau und seinen Kindern, den„früh um ihn Gehetzten", war er ein rührend sorgender Familienvater. Wohl fühlte er sich mit den Seinen so sehr als ein Teil des Volks- ganzen, baß er wußte, alles, was diesem zugute kam, würde auch jenen nützen. Daher konnte nie engherzige Furcht ihn veranlassen, zugunsten seiner Familie von seinem Wege abzuweichen: aber nach Kräften bemühte er sich, ihr die Härte feines Wanderlebens weniger. fühlbar-u machen. Freiligraths Leben und Erleben spiegelt ssch, stärker als bei vrelen anderen Dichtern, In seinen Versen, und aus ihnen empfängt man vielleicht daher auch den besten Aufschluß über seine Stellung zu seinen Angehörigen. Es gibt, abgesehen von den Iugendgedichten Freiligraths , nur wenig Unpolitisches von ihm, und auch das ist kaum je Kunst, die nur um ihrer selbst willen da ist. Entweder sollen auch diese Verse für ein« Sache werben, die dem Dichter gut oder richtig erscheint, oder sie gelten Freunden oder geliebten Menschen. Sonst hat Freiiigrath neben seinen Freiheitsgesängen sich fast ausschließlich der Uebersetzung fremder Dichter ins Deutsche gewidmet und dabei so Vollendetes geleistet, daß man oft glaubt, keine Usbertragung au» einer fremden Sprache, sondern ein Onoinalwerk vor sich zu haben. Aus den wenigen Versen, die der Dichter an seine Angehörigen richtete, klingt sein warmes Gefühl für sie wieder: aus den zarten Worten, die er seiner Braut und späteren Frau, Ida Melos, widmete, wie aus jenm anderen Liedern, die er seinen Kindern und Enkel- lindern zu Festtagen sang. Rührend muten besonders die gereimten Episteln des allen Dichters an seine Enkelkinder an, die er in echt kindlichem Stil an sie richtete. Warmherzige Worte fanden 1870 den Weg zu seinem Sobn„Wolfgang im Felde", und erschütternd ließ er seinen toten Sohn Otto zu Wolsgangs 5)ochzeit seine Wünsche darbringen. Gerade dieses letzte Gedicht zeigt so wundervoll die tiefe und echte Menschlichkeit des Dichters. Otto war sein Liebling». kind, dessen Tod Freiligrath bis an sein Ende nicht verschmerze»