Ein öeutscher Richter. Tprmger aus Pöllwitz alS Großmeister im Jungdo. Mehrfach schon hat der Name des Amtsgerichtsrats Dr. Springer in der Oeffentlichkeit erwähnt werden müssen. Er ist der Verfasser jenes Urteils, das einen R e ch t s r a d i- k a l e n von der Anklage des Hausfriedensbruchs— begangen in einer Wahloersamnüung, die von der Sozialdemokratie ein- berufen war— freisprach mit der Begründung, daß Besucher von öffentlichen politischen Versammlungen gar nicht die Ab- ficht hätten, sich ernsthaft zu unterrichten, daß infolgedessen auch dem Angeklagten nicht anzukreiden sei, wenn er wäh- rend des Schlußworts des Referenten im Saal Klavier spielte und dadurch einen Heldensang der„Vater- l ä n d i s ch e n" provozierte, wodurch das Schlußwort unmög- lich gemacht wurde. Ein Mann, der als Richter ein solches Urteil hinausgibt, mutz von besonderer Art sein. Wir haben nunmehr erfahren, daß dieser Springer von Pöllwitz gleichzeitig„Groß- meister im„Jungdeutschen Orden " ist und als solcher ein be- sonders strenges Regiment führt. Diese Doppeleigen- s ch a f t als Richter und„Großmeister" läßt allerdings das freisprechende Urteil gegen den völkischen Rüpel mehr als verständlich erscheinen. Aus der Jungdo -Tätigkeit des iferrn Amtsgerichtsrats werden uns erbauliche Dinge mitgeteilt, von denen wir einige als Zeichen dieser Zeit registrieren: Zur„Brüderschaft" Polkwitz gehört auch die„Gefolgschaft" Ober-Zauche. Dort war zu Ansang des vorigen Jahres ein Landwirt Mager als„Gefolgschaftsführcr" tätig. Seine Gefolgschaft bereitete für den April einen geselligen Abend vor. Der„Groß- meister". Amtsgerichtsrot Springer, aber verbot diese Veran» staltung, was zur Folge hatte, daß Mager und eine Anzahl jüngerer Ordensbrüder ihren Austritt aus dem Jungdo erklärten. Darauf berief Springer eine Dcrsammlung der Ausgetretenen ein, in der er etwa folgendes erklärte: Er könne den Austritt nicht anerkennen. Es liege dazu kein Grund vor Wenn die Austrittserklärungen nicht zurückgenommen würden, so würden die Wider st rebenden vor das Ordensgericht gestellt und aus dem Orden aus- gestoßen werden, damit sie der Stahlhelm nicht ausnähme, mit dem hierüber ein Abkommen bestünde. Dann bliebe ihnen nur das Reichsbanner übrig, und der Jude Sch... spende ja schnell einmal 200 M. für solche Zwecke. Außerdem würde er, Springer, dafür sorgen, daß die Namen der Ausgestoßenen im Polkwitzer Stadtblatt veröffentlicht würden! Er hatte mit diesen Drohungen allerdings wenig Erfolg. Denn der größere Teil der Ausgetretenen lieh sich nicht einschüchtern, sondern blieb dem Jungdo fern. Einer von ihnen reichte sogar eine Klage gegen den Jungdeutschen Orden ein, um vor Gericht feststellen zu lassen, daß er als Ausgetretener nicht mehr vor ein„Ordensgertcht" geladen werden könne, und daß des- halb der— tatsächlich erfolgte nachträgliche— Ausschluß aus dem Orden zu unrecht erfolgt fei. Das Berliner Landgericht I hat über diese Klage Anfang Februar dieses Jahres perhandelt und der Jungdo hat den Klageanspruch anerkannt. Danach ist der Jungdeutsche Orden und sein Großmeister in Pöllwitz nicht mehr Im Zweifel darüber, daß jedes„Ordensgericht" gegen einen freiwillig Ausgetretenen eine unverschämte Anmaßung darstellen würde. Trotzdem sandte der M u st e r r i ch t« r von Polkwitz an einen Lehrer in Ober-Zauche unter dem 17. Februar 1926 folgenden Schreibeb rief: Nach der Meldung des Defolgschastsmeisters Röhr in Ober- Zauche haben Sie Ihren Austritt aus dem Jungdeutschen Orden erklärt. Nach der vom Orden anerkannten Rechtssprechung des Oandgerichis Berlin habe ich kein Recht, Sie nunmehr noch wegen Bruche» Ihres Treugelöbnisies vor das Ordensgericht zu stellen. Ich habe jedoch, da nur triftige Gründe für Ihr Ausscheiden bisher nickst bekannt geworden sind, das Recht, Sie. so oft ich das für nötig halte, unter Namensnennung aus erziehlichen Gründen den Ordensbrüdern als warnendes Beispiel für Wort- und Treu- brüchlgkeit zu bezeichnen, da Sie ja dem Jungdeutschen Orden unter Anrufung Got'es unverbrüchliche Treue gelobt und sich feierlich zu den Ihnen durch unsere Verfassung auferlegten Pslichten bekannt hatten. Ich nehme cm, daß Sie sich bei Ihrem Austritte des Ernstes dieses Schrittes und seiner möglichen Tragweite nicht voll bewußt geworden sind und gebe Ihnen daher hiermit Gelegen» heit, bis zum 26. Februar 1926, abends 6 Uhr, Ihren Austritt mir gegenüber mündlich oder schriftlich zu rechtfertigen(zu sprechen bin ich täglich zwischen 1 und 2 Uhr in meiner Wohnung Wallstraße 18). Sollte dies nicht geschehen, so nehme Ich an, daß Sie mit der von mir an Ihrem Austritt im Ordensinteresse zu übende» Kritik von voraherein einverstanden sind. Ergebenst Dr. Springer, als Großmeister der Bruderschaft Polkwitz des Jungdsutschen Ordens. Nach dem Wortlaut dieses Schreibens ist sich der Groß» meister und deutsche Richter vollkommen klar darüber, daß er an ein ausgetretenes Mitglied des Ordens keinerlei An» sprüche mehr hat. Trotzdem wagt er einen solchen Brief zu schreiben, der bei jedem anderen Sterblichen sicher als ein Versuch der Nötigung im Sinne des Strafgesetzbuchs ausgelegt werden würde. Als Jurist und spitzfindiger Urteils- künder weiß Springer sicher auch, daß dieser Brief straf- bareBeleidigungendes Empfängers enthält und daß jedes Unterfangen, den Slusgetretenen„als warnendes Bei- spiel des Wort- und Treubruches" darzustellen, eine strofrecht- lich zu fassende Beleidigung enthalten würde. Roch interessanter als diese juristischen Nebenersckeinungen aber ist das Z u g e st ä n d n i s. daß der R i ch t e r d e r R e> publik, Springer aus Polkwitz, der völkischen O r g a- nisation„Jungdeutscher Orden " unter Anrufung Gottes unverbrüchliche Treue geschworen" hat. Da wir annehmen dürfen, daß er auch den Amtseid auf die Reichsverfassung leistete, so hat er also zwei Eide auf s i ch genommen, von denen der eine ihn mit dem anderen in Konflikt bringen muß. Seine eifrige Betätigung als Groß- meister läßt uns vermuten, daß er auf den Jungdo-Eid mehr Wert legt als auf den Amtseid. Deshalb ist die Frage an das preußische I u st i z m i n i st e r i u m zu richten, ob es noch länger dulden will, daß der einer völkischen Organisation cid- lich zur„unverbrüchlichen Treue" verpflichtete Richter in Ge- fahr kommt, sein Amt weiter zu Richtersprüchen mißbrauchen zu können, wie das in dem eingangs erwähnten Urteil über die Zulässsgkeit des Hausfriedensbruchs in öffentlichen Bersamm- lungen zum Ausdruck kam. Wir erwarten, daß die Antwort auf diese Frage baldigst und unzweideutig erfolgt! Abrüstungskonferenz am 10. Alol?„Observer" will wissen, daß die vorbereitende Abrüstungskonferenz zum 10. Mai nach Gens einberufen worden ist. Mit Ausnahme Rußlands feien alle Mächte, einschließlich Amerika » und Deutschlands , eingeladen worden.
/lerztliche /lnklage. Siechtum als Folge der Arbeitskrisc.
Allmonallich zweimal liest man in Deutschland die Beröffent- lichungen des Reichsarbeitoministcriums, die seit geraumer Zeit von nicht weniger als 2 000 000 unterstützten Erwerbslosen berichten. Wieviel Elend diese Zahlen bergen, sagen die knappen und dürren Berichte der Bureaukratie nicht. Deshalb mag ein L r z t- l i ch e s Gutachten zeigen, w i e katastrophal die Auswirkungen der Krise auf die Arbesterschaft und deren Angehörige sind. Es handelt sich um den Bericht des Stadtarztes Dr. Jüng- ling in Sagan, den dieser im Februar 1926 an die Stadtver- waltung gerichtet hat. Wir geben ihn seiner Wichtigkeit wegen ohne jede Kürzung wieder: „Die im Jahre 192S besonders im Textilgewerbe dauernd herrschende Arbeitsknappheit hat in den chauptfabriken der Stadt Sagan dazu geführt, daß fast das ganze Jahr hindurch verkürzt gearbeitet worden ist. Diese dauernde Kurzarbeit war bei den ohnehin s ch l ech t bezahlten Textilarbeitern von katastrophaler Wirkung aus die cebenshastung. Verschlimmert wurde die Lage noch durch den nach wie vor sehr großen Wohnungsmangel, der zur Ueberfüllung der meisten Wohnungen der Arbeiterbevölkerung wie zur Benutzung gänzlich ungeeigneter Räume zum Wohnen führte. Damit ist der Ausbreitung der Tuberkulose wie aller anderen ansteckenden Krankheiten Tür und Tor geöffnet und die feuchten, lichtlosen und schlecht zu lüftenden Wohnungen tragen wesentlich zur Entstehung der Rachitis und Sasmophilie(Krämpfe) bei. Die genannten Krankheiten des Kindes- alters haben nach sachärztlichem Urteil in Sagan erschreckend zugenommen. Auch ich habe in den Säuglings- und Klein- kindersprechstunden den Eindruck gewonnen, daß etwa zwei Drittel der mir dort vorgestellten Kinder in Gefahr sind, rachitisch zu werden, es schon sind, oder Zeichen überstandener Rachitis vom Ouadratfchädel und Rosenkranz bis zu schweren Vor- krümmungen an sich tragen. Die Mehrzahl aller Kinder ist so zart, daß ihre Widerstandskraft gegen ernstere Erkrankungen, besonders Tuberkulose, nur sehr gering sein kann. Meine Ratschläge für eine zweckmäßigere Ernährung der Kinder werden häufig von den Eltern mit dem Hinweis auf die soziale Lage für undurchführbar erklärt, auch wenn es sich um sehr einfache Maßnahmen handelt. Die Kinder müssen essen, was wenig kostet, nickst was ihnen zuträglich ist. Bei der ausgebreiteten Arbeitslosigkeit trifft man auf derartige Ver- Hältnisse nicht nur in der Arbeiterbevölkerung, sondern auch in vielen Familien des Mittelstandes. So erklärt sich, daß zur Einschulung bestimmte Kinder von einem Gewicht von IZ bis 16 Kilogramm (Normalgewicht für Kinder von 3 bis 4 Jahren) keine Seltenheiten sind. Auch die Crößenentwicklung ist wesentlich unter dem Normalmaß. Die bereits eingeschulten Kinder dieser Kategorie sind dauernd müde, s ch l a s s und kommen schlecht fort. Die Ihnen gebotene eintönige Kost ekell sie an und die ungenügende Nahrungs- aufnähme befördert weiteres körperliches wie geistiges Zurück- bleiben. Auch hier stößt in der Elternsprechstunde mein Rat einer abwechslungsreicheren ausgewählten Kost oft auf fast unüberwind- liche Schwierigkeiten durch die finanziellen Verhältnisse. Auch jetzt finden sich immer wieder Kinder, die, ohne gefrühstückt zu haben, oder ohne zweites Frühstück zur Schule gehen müssen. Bei anderen besteht das Mittagessen aus Brot und Kaffee. Die Bekleidung ist vielfach jämmerlich und bietet keinen Schutz gegen die Winterkälte. Kinder, die nur ein Hemd und ein Paar Strümpje besitzen, sind keine Seltenheit, andere müssen im kalten Winter in Holzpontofscln gehen. Auch dies fördert das Zurückbleiben der Kinder. Unter den Kindern, die diese Ostern die Schule verlassen, stnd nicht wenige von der Größe eines lljährigen. dem Gewicht eines lojährlgeu» Es nimmt daher nicht wunder, wenn eine beträchtliche Zahl der Abgehenden das Schulzisl nickst zu erreichen vermochten, sondern aus einer tieferen Klasse(bis herunter zur 4. Klasse~ 4. Schuljahr, Normalalter am Ende dieses Schuljahres~ 10 Jahrs) entlassen werden muß. Aber auch die Kinder, die das Schulzisl zu erreichen vermögen, sind trotz de? herabgesetzten Ansprüche den Anforderungen der Schule durchaus nicht alle völlig gewachsen. Das beweist mir u. a. die große Zahl der unter Kopfschmerzen und ähnlichen Be- schwerden leidenden Schüler und Schülerinnen der oberen Bolls- schulklassen, ebenso auch die, wie ich feststellen mußte, sehr große Zahl der Haltungsschwachen jeden Grades. Selbst die Gewährung einer Erholungskur genügt nicht immer zur Erzielung einer dauernden Festigung der Gesundheit der Kinder. Bei meinen monatlichen Nachuntersuchun- gen der von der Stadt Sagan im Torjahr in Erholungsheime
Ebermaper überflbteeibungen imStrafrecht Bortrag im Berliner Anwaltsverein. In der gestrigen Sitzung des Berliner Anwaltsvereins, die von zahlreichen Juristen, Professoren, Richtern und Rechtsanwälten sowie vielen Parlamentariern besucht war, sprach Oberreichsanwall Ebermayer über den 17. bis 19. Abschnitt des neuen Strafgesetz- erckwurfs, in welchem die Tötung. Körperverletzung und Freiheitsberaubung behandelt werden. Die meisten Erörterungen des Oberreichsanwalts bewegten sich auf rein fachjuristischem Gebiete. Für unsere Leser haben seine Aus- führunqen über das Abtreibungsdelikt dos größte Jnter- esse. Er solidarisiert« sich im wesentlichen mit den Ausführungen des neuen Entwurfs und seiner Begründung. In der Frage der Straf- barkeit bringt der Entwurf keine wesentlichen Aenderunaen, wohl aber für das Strafmaß, dessen heutige Höhe auch der Obcrreichs- anwast als völlig untragbar bezeichnete. Drei häufig gegen die Sirafbarkeit der Abtreibung angeführten Argumente suchte er in folgender Weise zu entkräften: Der Embrio sei nicht Körperteil der Mutter, über den sie frei oerfügen könne, sondern selbständige Lebenseinheit. Die Tatsache, daß nur ein ver- schwindender Bruchteil der Abtreibungen vor den Richter komme, gab er zu. Er meinte aber, daß auch bei anderen Delikten nicht immer die Strafe dem Derbrechen auf dem Fuße folge. Hierbei übersieht er jedoch, daß gerade bei der Abtreibung die Entdeckungs- Möglichkeiten für Dillenbesitzer und Proletarier sich wie eins zu hundert verhallen. Zur Aufrechterhalwng seiner dritten These, daß ärztliche Eingriffe nicht ohne Gefahr seien, bezog er sich auf einen Aufsatz von Dr. K a u t s k y in der„Gesellschaft" und auf eine Re- solution der Wiener sozialistischen Aerzte gegen die gönzliche Fr«- gäbe ärztlicher Eingriffe. In R u h l a n d wäre die Tätigkeit der Kurpfuscher strengstens verboten, Unterbrechungen der Schwanger- jchaft dürften nur in staatlichen Kliniken stattfinden. Gar nicht stichhaltig erscheint die Begründung, daß sich be, völliger Freigabe der Unterbrechung der Schwangerschaft«m Spezialistentum für Abteibungen bilden»pürde, dessen Preise für die„arme Proletarierfrau", mit der man so gern argumentiere. unerschwinglich seien. Hierbei tritt, was der Oberreichsanwall zu erwähnen vergaß, klar zutage, wie ohnmächtig die objektivst« und beste Rechtsprechung und das vernünftigste Gesetz sind, wenn nicht entsprechende sozialpolitische Maßnahmen getroffen werden. Die Existenz der Duellparographen. die sich auch m den neuen Entwurf hinübergerettet haben, suchte der Oberreichsanwalt, abgesehen von unbestreitbare» rechtstechnischeu Gründe«, bannt
verschickten Kinder muß ich feststellen, daß der erreichte gule Erfolg nicht standhält, sondern von ZNonat zu Monat sich deutlich verringert. Die gleiche Beobachtung, wie ich auf körperlichem, machten die L e h r c r der betressenden Kinder auf geistigem Gebiet. Ihnen allen ist nur durch wiederholte Zuwendungen gründlich auf- zuHelsen. Bei den derzeitigen Verhältnissen ist das aber unmöglich, da zurzeit in Sagan nicht einmal olle dringend kräftigmigsbedürf« tigen Kinder auch nur einmal berücksichtigt werden können. Die Aussichten dieser Kinder für das Berufslebeu sind trübe, ihrer geringen teistungsfähigkeit entsprechende geringe Erfolge im Lebenskämpfe und frühzeitige Invalidität werden ihr Los fein. Sic bedeuten daher für die Allgemeinheit weniger einen Kraflzuwechs als eine Vermehrung der sozialen Lasteu. Was für die Kinder gilt, trifft auch für Jugendliche und Erwachsene zu. Die größte hiesig« Krankenkasse berichtet von einer außergewöhnlich hohen Krankenziffer, die das 2�fache der Lorkriegsziffer betrage und deren weiteres Anwachsen zu erwarten Ist. Die Zahlen fallen um so mehr ins Gewicht, wenn man beachtet, daß sie vor dem hohen Anwachsen der Erwerbslosigkeit errechnet worden sind, daß also nicht der bekannte Hancj der Erwerbslosen zur Krankmeldung sie mitverursacht hat. Da die betreffende Kasse alle Berufe und Schichten umfaßt, sprechen ihre Angaben dafür, daß der Gesundheitszustand der Bevölkerung ganz allgemein ein schlechter ist. Das bestätigen die Mitteilungen der hiesigen Aerzte. Auch sie finden, besonders bei den Kindern und Frauen, einen hohen Brozenlsah von Unkerernährung und stellen fest, daß sich Gesundheit und Ernährungszustand der Bevölkerung, und zwar auch des Mittelstandes, und besonders be- drohlich in den letzten Monaten gegen das Borjahr deutlich ver- schlechtert habe. Der Arzt wird nur in dringenden Fällen in Anspruch genom- men, da auch für den Kassenpatienten jeder Krankheitsfall mit Aus- gaben verbunden und der Verdienstaussall durch Krankheit kaum zu ertrogen ist. Der Arzt sieht oft ein erschütterndes Elend. Ein Kollege äußerte sich wörtlich: „Not und Elend erscheinen in den letzten Monaten wieder beson-! dcrs groß und fo manchem(ich schätze d0 Pro;, der Kassen- j praxis) hätte ich besser helfen können, wenn ich aeben dem Rezept noch ein Säckchen Lebensmillel hätte mitgeben können." Besonders erschreckend ist die Zunahme der Tuberkulose. In gleicher Weise bestätigen dies die praktischen Aerzte, die leitenden Aerzte der Krankenhäuser, die Fachärzte. So spricht die Kinder- ärztin von einer deutlichen Zunahme der aktiven Tuberkulose im Kindesalter gegenüber dem Borjahr, der Facharzt für Halskrank- Helten von einer solchen der Kehlkopstuberkulose. Der� bisherige Leiter der Tubcrkulosefürsorgcstelle erklärte mir, daß seine Tätig- keit sehr stark dadurch behindert werde, daß er immer wieder aus die ungeheure Notlage der betreffenden Famisie stoße,, so doß seine Ratschläge bezüglich der Pflege und Ernährung fast wie Hohn wirken mußten. Ist so der schaffende Dvölkerungstell von Rot und Krankheit erhöht heimgesucht, so ist die Lage der Alten ganz erschütternd. Soweit sie noch Angehörige haben, sind diese durch die eigene Not fast völlig unfähig zur Unterstützung, ja oft bildet die Rente bei .gemeinsamem Haushalt einen wichtigen Teil des Familieneinkom- mens, besonders bei größerer Kinderzahl. Der alleinstehende Alters, invalid« sieht sich gänzlich auf die Hilfe Fremder angewiesen nni! diese Hilfe ist infolge der allgemeinen Lage sehr spärlich, Als einziger wahrer Helfer wird der Tod erschnk. Es gehört zu meinen täglichen Erlebnissen als Arzt dieser Kresse von noch durchaus lebensfähigen Alten zu hören:„Ich will nicht geheilt werden, sondern sterben, was nützt mir das Lehen, wenn es doch nur Not bringt." M't Geld und Lebensmitteln könnte ich viel mehr helfen als mit Medizin Zusammenfassend muh gesagt werden, daß sich der Ernährungs- wie der Gesundheitszustand der Gesamtbevölkerung der Stadt Sagan im vergangenen Jahre und besonders in den letzten Monaten er- schreckend verschlechtert hat und daß ein erneutes Anwachsen der Volkcseuchen, besonders die Tuberkulose, bereits erfolgt und für die nächste Zu- kunft erhöht zu befürchten ist. Als Grund find die steigende Not der Bsoölkening infolge Arbeitsmangels und die schlechten Woh> nungsverhällmsse anzusehen. Die Folgen müssen den Arzt wie den Sozialpolitik«? mit der größten Sorge erfüllen. Abhilfe ist nur durch großnigige Hilfsmaßnahmen zu schaffen." Dieser Bericht ist eine erschütternde Anklag« gegen die heuligen Zustände und die Politik unseres kapitalistischen Unter- nehmertums. Wir glauben, uns jeden weiteren Kommentars ent- halten zu müssen, um die Sprache der Tatsachen nicht abzuschwächen!
plausibel zu machen, doß die zum Beispiel von einem Boxer began- genc Körperverletzung nicht auf eine Stufe zu stellen sei mit der in ständigen Ehrbegriffen wurzelnden des Duellierenden. Der Ober- reichsonwalt führte weiterhin aus, daß es Sache der persönliche« Ueberzeugung sei, wie man sich zur Todes st rafe stellen wolle. Im ganzen bringe der neue Entwurf eine begrüßenswert« Herabsetzung des gesamten Strafrahmens und bilde eme geeignet« Grundlage, auf der weile? gearbeitet werden müsse. Der wissen- schaftlichen Kritik und der parlamentarischen Behandlung müsse und werde es gelingen, weitere Verbesserungen des Strafrechtes durch- zusetzen. In der Diskussion kritisierten die Rcchtsanwälle Iustlzrat 2 ö w e n st e> n und Dr. Alsberg, doß der Entwurf des neue» Strafgesetzbuches in vielen Fällen noch zu schwere Strafen vorschlage und der Geist der Freiheit und Humanität, insbesondere auch i* den Fällen des Hochverrots, nicht genügend zur Gellung komme.
völkische Regierungsstützen. Bei Beratung von Anträgen über die Not der Erwerbslose» kam es im Haushallsausschuß des thüringischen Landtags zu großen Auseinandersetzungen über die Deckungsfrage. Dabei entwickelten die Nationalsozialisten, wie üblich, sehr in der Ferne liegende Programmpunkte. Bon linker Seite aufgefordert, doch mal endlich konkrete Vorschlägt zu machen, wie man sich die Deckung für.die zur Linderung des Erwerbslosenelends notwendigen Gelder denkt, fixierte der Führer der Norionalsozialisten. Abg. Marschner, folgenden festzuhaltenden Antrag: „Zur Deckung der eben beschlossenen Ausgaben für die Er- werbslosen und zur gesicherten Durchführung der beschlossenen diesbezüglichen Maßnahmen beantragen wir: Die in Thüringen ansässigen Bankgeschäft« und Darlehnsiassen (Staatsbank und Stadtsparbanken und Kassen, welche zur Ver- waltung von mündelsicheren Geldern zugelassen sind, sind ausgeschlossen) haben als einmalige Umlage pro Hauptge- schäft 10000 Reichsmark und pro Filiale S000 Reichsmark binnen 14 Togen nach Beschluß dieses an die Staatskasse zu zahlen." Unmöglich, die sauren Gesichter der bürgerlichen Parteien, nach- dem dieser.Antrag verlesen worden war, zu schildern. Auf das Schicksal dieses primitiven Antrages kann man angesichts der Tat« fach«, daß die Nationalsozialisten Stützen der bürgerlichen Regierungsparteien find, gespannt sein.
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