Nr. 139 43. Jahrg. Ausgabe A r. 70
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Mittwoch, den 24. März 1926
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Der Reichstag lehnte in einfacher Abstimmung zunächst ein tommunistisches Mißtrauensvotum gegen die ganze Reichsregierung gegen die Stimmen der Deutschnationalen, der kommuniffen und der Bölkischen ab.
In namentlicher Abffimmung wurde das Mißtrauens vofum der Deutschnationalen, das sich gegen den Reichsfanzler Dr. Luther und den Reichsaußenminister Dr. Stresemann richtet, mit 259 gegen 141 Stimmen der Deutschnationalen, Bölkischen und Kommuniffen abgelehnt.
Zu dem von den Bölkischen eingebrachten formellen Vertrauensvofum für die Regierung lag ein Antrag der Regierungsparteien auf Uebergang zur Tagesordnung vor. Dieser Antrag wurde in namentlicher Abstimmung mit 264 gegen 139 Stim. men bei einer Enthaltung angenommen. Damit ist der völkische Antrag erledigt.
des Reichstags. Aber die hält. Und die rednerische Hilflosigkeit des alten Mannes besänftigt die Leidenschaften. Zum Schluß ertönt von rechts eine Pietätssalve des Beifalls. Da fann man sich links doch nicht enthalten, kräftig dazwischenzuzischen.
Hermann Müller rechnet furz, ruhig und scharf mit dem Großadmiral des Kaisers ab. Rheinbaben versucht gegen Breitscheid Reste seiner hatatistischen Gesinnung zu verteidigen. Münzenberg übersetzt die Tirpiziade ins Sowjetruffische: Fort von Locarno, hin nach Moskau !" Weft arp forrigiert Tirpig, ter Locarno nicht zurüdrevidieren" wollte der Kanzler habe in diesem Bunkt den alten Herrn mißverstanden. Luther gibt höflicherweise diese Möglichkeit zu, obgleich fie nicht besteht, bleibt aber im übrigen auf seinem Standpunkt.
Und endlich heulen die Sirenen: gegen 4 Uhr ist die Stunde der Abstimmung da. Die Ergebnisse überraschen nicht. Es bleibt bei der bisherigen Außenpolitik durch die Ent fcheidung der Sozialdemokratie.
Während der Tirpitz- Rede neue Aenderung der Redner tafel. Als erster hinter Tirpitz steht jetzt Müller Franfen, während Wirths Name wieder verschwindet. Aber kaum hat der Nestor des Nationalismus geendet, so springt auch schon der Reichskanzler Dr. Luther von seinem Platz auf. Sachlich entschieden und in manchen Partien sehr geschickt, aber nervös erregt wendet sich der überparteiliche" Kanzler der Republif gegen den sehr parteiischen Minister des Kaiserreichs. Daß er nie eine politische Stellung" eingenommen haben will, ist nur ein falscher Zungenschlag. Er meint natürlich„ parteipolitische". Aber stedt in dem falschen Zungenschlag nicht doch Bei erheblich vermindertem Interesse dauert die Sigung ein Stüd unfreiwilligen Selbstbekenntnisses cines Mannes, aber noch weiter fort. Der Etat soll, fofte es, was es wolle, der nichts kennt und nichts kennen will als die Praxis ohne bis zum 1. April fertig sein, und Ostern steht vor der Tür. In den Leitfaden einer großen Idee, Doch in der Praxis ist dieser den Wandelgängen spricht man bald weniger vom großen Ranzler zu Hause, und jede Art von Ratifalismus ist diesem Tag", der vorüber ist, als vom Fürstentompromiß, dem Nüchternen zuwider. Heftig wendet er sich gegen den tindi fommenden Volksentscheid und besonders von der pro schen Vorschlag, das Gesuch um Aufnahme in den Völkerbund blematischen Steuerreform, die ja auch noch mit zurückzuziehen. Stunde toch noch zu einem Mißtrauenspotum entgierung augenblicklich mehr Kopfschmerzen macht als Locarno all- uri zuziehen. Den Deutschnationalen, die sich in letter dem Etat zusammen verabschiedet werden soll und die ber Refchloffen haben, hält er gereizt die vergangene Freundschaft vor. und Genf , und alles, was drum und dran hängt.
Der Billigungsantrag der Regierungsparfeien, über den zuletzt abgestimmt wurde, wurde in einfacher Abstimmung mit großer Mehrheit mit den Stimmen der Regierungsparteien, der Sozialdemokraten und eines Teiles der Wirtschaftlichen Bereinigung angenommen.
Nicht der erste, sondern der zweite Tag war diesmal der große Tag der Reichstagsdebatte.
Am Montag hatte man eine Rede gehört, die mit all gemeiner Spannung aufgenommen wurde: die des Reichsaußenministers. Dann erlahmte das Interesse. Am Dienstag tamen fast nur Redner zum Wort, die entweder durch ihre Rednergabe oder durch ihre persönliche Bedeutung oder durch beides die gespannteste Aufmerksamkeit auf sich zogen. bishe
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Von dem, was tommen sollte, gab die erste Rede, die des völkischen Grafen Reventlow, allerdings feinen Vorklang. Sie
Chamberlain verteidigt sich.
war nichts als ein Beweis dafür, daß sich der größte Radi Widerspruchsvolle Angaben.
talismus des Standpuntis mit der größten Langweiligkeit des Vortrags sehr wohl vereinbaren läßt.- Im Saal und auf den Regierungsbänken gähnende Leere in des Wortes wörtlichster Bedeutung.
Reine angenehme Situation für den folgenden Redner Breitscheid . Aber die heilige Einfalt der Bölkischen hilft ihm. Sie zetern über das Fehlen der Regierung, und die Minister tommen herein, fie verlangen. Aussegung der Sigung und die Klingeln rufen zur Abstimmung. Rasch ist der Saal gefüllt, und Breitscheid kann sprechen
Und wie immer hat er auch etwas zu sagen. Wie er mit fritischer Schärfe die nationalistische Demagogenpolitik mit kritischer Schärfe die nationalistische Demagogenpolitik zerfasert, wie er unter Zitierung geheimer Rundschreiben die verschlungenen Pfade der deutschnationalen Intrigenpolitik aufdeckt, das fesselt und hält in Bann. Klar zieht er die Grenze zwischen Regierungsparteien und Sozialdemokratie, ebenso flar legt er die Gründe dar, die die Sozialdemokratie veranlasfen, für die Billigungsformel zu stimmen und damit einer Politif, die sie selber stets gefordert hat, die Billigung auszusprechen. Darüber hinaus hat besondere Bedeutung, was der sozialdemokratische Redner über Polen jagt. Es drückt den Entschluß der Sozialdemokratie aus, Verständigungspolitit nicht einseitig nach dem Westen, sondern gleichmäßig nach dem Besten und Osten zu treiben.
Inzwischen spielen sich auf der Tafel, die die Reihenfolge der Redner verfündet, bemerkenswerte Dinge ab. Bu nächst steht hinter Breitscheid nur der Kommunist Münzen berg . Jezt schiebt sich der Name Tirpit vor. Bald darauf kommt der Diener abermals und stellt hinter den Namen Tirpiz' den Josef Births. Ihm folgt zum zweitenmal! der Bolksparteiler v. Rheinbaben.
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Condon, 23. März.( Eigener Drahtbericht.) Die große Ausfprache im englischen Unterhaus über die Genfer Berhandlungen wurde heute nachmittag durch
Lloyd George
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eröffnet. Dieser führte aus: Die Ideen des März haben ihren Abschluß in einer Tragödie gefunden. Die Locarno Mächte find für diese Genfer Tragödie verantwortlich. Die viel gerühmte Friedensmaschine hat einmal nicht funktioniert. Man ist doch in Genf zusammengefommen, um Deutschland in den Bölkerbund aufzunehmen. Wenn die Locarno - Mächte dieses festſtehende Ziel vor Augen behalten hätten und alle anderen erst später auftauchenden Probleme zurückgestellt hätten, dann hätte die Genfer Tagung zweifellos zu dem gewünschten Erfolg geführt, und zwar ohne Schwierigkeiten. Statt deffen haben die Locarno - Mächte, England an der Spike, angefangen, zu verhandeln, zu verhandeln und zu verhandeln, haben sich
zu jenem unwürdigen Intrigenspiel hergegeben, das das traurige Ende der Völkerbundstagung verursachte. Wie hat man unter diesen Umständen z. B. Brafilien einen Vorwurf machen fönnen? Das Sonderbare war, daß ein fremder Staat, Schweden , mit Mut und Selbstlosigkeit den Weg einschlug, den die britische Deffentlichkeit ihrem Delegierten zugewiesen hatte. Chamberlain
ergriff darauf das Wort zu seiner angekündigten Erklärung und fagte: Ich bedaure, daß Lloyd George feine Anflagen gegen mich nicht genauer formuliert hat. Soweit ich aber recht verstehe, lautet die erfte Anklage gegen mich, daß ich im vergangenen Jahre auf der Durchreise in Paris eine vertrauliche Aussprache mit Briand über den polnischen Anspruch auf einen Ratssig hatte. Lloyd George hat behauptet, daß bei jener Aussprache gegenseitig feft gestellt wurde, daß Briand sich Polen gegenüber gebunden habe und Tirpitz Klang aus vergangener Zeit! Flaggoffizier baß ich selbst dem spanischen Botschafter in Paris eine ähnliche Binin unverantwortlicher Stellung". Urheber uferloser Flotten- dung hinsichtlich des spanischen Anspruches eingegangen sei. Weiter pläne. Staatssekretär der Marine. Bater von Flottenvorhat Lloyd George behauptet, ich hätte i Ilonal gegen Deutsch lagen und immer neuer Flottenvorlagen. Torpedierer der land gehandelt und drittens hat mir Lloyd George den Vorwurf deutsch - englischen Verständigung. Glorreicher Urheber der gemacht, daß ich in Genf zu spät mich auf die mir übertragenen Pflichten besonnen hätte, weil anders wohl niemand den Mut geIsolierung Deutschlands . Im Krieg, in den wir habt hätte, die Genfer Verhandlungen in einer Weise zum Scheitern nach seinem Wort„ hineingeschlittert" find, Frondeur gegen zu bringen, wie es nachher tatsächlich geschehen sei. alles und alle, verhinderter Sieger über England, Prophet des U- Boot Kriegs ohne U- Boote, Vater der Baterlandspartei, die gegen den Scheidemann - Frieden" wütet. Jezt M. d. R., Mitglied der Deutschnationalen Partei.
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Tirpig hat oft als Marinestaatssekretär im Reichstag gesprochen, lang, lang ist's her. Bon damals auch stammt das Wort vom„ Baltenbiegen", das Riderlen in feinen Memoiren liebevoll aufbewahrt. Wer im Hause fennt ihn noch von
damals?
Zum Schluß hat mir Lloyd George vorgeworfen, ich hätte nicht in Geheimberatungen die heiflen Themen der legten Bölferbundstagung erörtern follen, sondern mit dem gesamten Fragenkompler vor die Deffentlichkeit treten sollen.
Ich habe demgegenüber festzustellen: Als ich Briand im vergangenen Dezember sprach, benutzte dieser die Gelegenheit, um sich fammenhang mit der Märztagung des Bölferbundes stehenden, zu mit mir über die zurzeit schwebenden Fragen, auch die im Zu
unterhalten. Vor Eintritt in die Besprechung von Einzelheiten habe ich Briand erklärt, daß ich nicht in der Lage sei, irgendwelche StelDiesen Mann, der soviel von Deutschlands Unglüd auf lung zu den von ihm vorgebrachten Angelegenheiten zu nehmen, bebem Gewissen hat, im Reichstag sprechen zu lassen, ist eine vor ich nicht mit dem Kabinett Rüdsprache genommen hätte. Wegen Herausforderung. Eine Probe auf die Selbstdisziplin| Polen fragte ich Briand , ob er Polen gegenüber versprochen habe,
| etwaige polnische Ansprüche hinsichtlich des Bölkerbundes und der Zuteilung eines ftändigen Ratssikes an Polen unterstützen zu wollen. Ich wollte diese Auskunft haben, um meinen Kollegen gegenüber wahrheitsgetreu über die etwa dadurch bedingte neue Lage Bericht erstatten zu können.
( Ich habe mir feineswegs einfallen lassen, bei dieser Unterredung englischerseits eine Unterstützung Briands bei der Vorbringung der polnischen Frage zuzusagen, weder für einen ständigen noch für einen nichtständigen polnischen Ratssih.
Ich habe diese Feststellung bereits vor meiner Abreise nach Genf
flar und deutlich formuliert, und ich wünsche, daß man diese Feſtstellung ebenso wörtlich glaubt, als ich sie gegeben habe. Allerdings habe ich schon vorher dem Bertreter Spaniens gegenüber erklärt, daß ich unter gegebenen Umständen die neuerliche Behandlung des spanischen Anspruchs auf einen Ratssitz befürmorten würde. Diese Versicherung war nach den vier Jahre zurückliegenden Berhandlungen über denselben Gegenstand, an denen übrigens auch Lloyd George beteiligt war, entsprechend der damali
gen Entscheidung des englischen Kabinetts. Der Vorwurf, ich hätte mich Deutschland gegenüber illoyal verhalten und ich hätte verhindern fönnen, daß in Genf jene Schwierigkeiten auftraten, die zu dem Mißerfolg der Verhandlungen führten, ist daher völlig ungerechtfertigt.
Selbst Deutsche, mit denen ich Gelegenheit hatte zu sprechen, haben mir einen solchen Vorwurf nicht gemacht. Ich habe mein möglichstes getan, um die betreffenden Mächte dazu zu bringen, wenigstens gelegentlich der laufenden Tagung des Bölker bundes teine neuen Anträge auf Ratserweiterung einzubringen. Wer glaubt, daß die Mitglieder des Böllerbundes unmündige Kinder sind, denen ich als Vertreter Großbritanniens hätte porschreiben können, was sie zu tun und zu lassen hätten, der der= fennt doch sehr die Möglichkeiten, die mir als Bertreter meines Landes zur Verfügung standen. Wer eine solche Rolle vor dem Forum des Völkerbundes spielen will, der wird nicht lange auf die Antwort warten müssen, die ihm höchstwahrscheinlich in einstimmiger Entrüftung entgegenfchallen würde. Ich habe auch bei der nun abgelaufenen Tagung des Bundes versucht,
meine gegebene Rolle als Bermittler und Berföhner
zu spielen. Nun aber die Gegensäge: Deutschland wollte auf feinen Fall or feiner offiziellen Aufnahme in den Bölkerbund und vor der Zuteilung eines ständigen Rotsfizes irgend etwas von einer Diskussion über Erweiterung des Rats und Aehnliches wissen. Alle Mächte bis auf Brasilien waren im Prinzip und zum Schluß auch formell bereit, dieser deutschen Auffassung feinerlei Schwierigkeiten zu machen. Brasilien allein wollte nicht mitmachen. In zweiter Linie hatten wir natürlich angesichts der Tatsache der bestehenden Schwierigkeiten feine Veranlassung, die aufgeworfene zu laffen. Denn, das muß ich auch betonen, Diskussion über Pläne zu anderweitiger Lösung der Krise außer acht
auf deutscher Seite beffand fein Anspruch darauf, Deutschlands Aufnahme von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. Ich habe teine Veranlassung, mich über das Verhalten der deutschen Delegierten in irgendeiner Weise zu beklagen. Auf der