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schlingen die Flaschen, Korken, Kapselung. Beklebung, Gebinde, Der- Packung, Fracht und alles andere Drum und Dran ein Heidengeld. Für zehn oder zwölf Mark in der Woche stellt sich kein Mädel mehr täglich acht Stunden an die Spül» oder Fülstnaschine. Solche Zeiten sind vorbei. Dazu kommen die Kosten für Kohlensäure, die im natürlichen Zustande und ganz mäßig in den meisten Mineralquellen nur gebunden mst dem Eisen enthalten ist. Kein Menschenmagen würde auch nur einige Wochen lang einen Mineralquell ohne moussierende Kohlensäure vertrogen können. Wie also soll der Fabrikant verkaufen? Welcher kranke aus unbemillelleren Kreisen könnte den geforderten Preis, doppelt oder vielleicht dreimal so hoch als im Frieden, noch bezahlen? Selbst die einst mit so großem Bei- fall ausgenommenen Berliner Brunnenkuren in den Morgenstunden in den Parkanlagen haben darunter bedeutend gelitten. * Trotz der auf vielen Krankheitsgebieten noch vorhandenen ärzt- lichen Meinungsverschiedenheiten, die man ohne weiteres auf die steuzeitliche emsige Forschung zurückleiten kann, besteht aus langer und praktischer Erfahrung kaum ein Widerspruch über den Wert natürlicher alkalischer Mineralwässer zur Durchführung und Be- schleunigung des Heilverfahrens. Die Chemie hat auch hier bahn- brechend gewirkt und mit den Fortschritten der Analyse vermeintliche Wunderwirkungen auf einfache Naturvorgänge, die sich freilich in Jahrhunderten und Jahrtausenden entwickelten, zurückgeführt. Des- halb muß im Interesse der Kranken der von den wirtschaftlichen Schlägen der letzten Jahre erzwungene gewaltige Rückgang der sogenannten Trinkkuren, bei dem es sich um viele Millionen von Litern handelt, bedauert werden. In lernte salus— in der Quelle liegt das Hell. Es wieder möglichst vielen wenig Bemittellen zugäng- lich zu machen, die aus den Schätzen der Natur neue Kraft und Schönheit holen, den überanstrengten Leib auch innerlich leicht und schmerzlos von Schlacken reinigen wollen, ist eine ebenso dankbare hygienische Aufgabe wie die weitestgehende Gewährung von Lust und Licht. Ich blick' in der Ferne. Und wie mir's gefallen, Ich seh in der Näh' Gefall' ich auch mir. Den Mond und die Sterne, Ihr glücklichen Augen, Den Wald und das Reh. Was je ihr geseh'n, So seh ich in allen Es sei, wie es wolle, Die ewige Zier, Es war doch so schön! _(©oeiftc, Kaust n.)
Niesenumsatze beim Berliuer Postscheckamt. Unter den Trägern des Postfchcckwcsens steht an hervorragender Stelle das Postscheckamt in Berlin , das allein im vorigen Jahre bei mehr als 9S Millionen Buchungen rund 2S Milliarden Mark umgesetzt hat. Durch den Postscheckverkehr ist der einst so beliebte Geldbriefträger nahezu verschwunden. In steigendem Maße erfreut sich der billige und bequeme Postscheckoerkehr großer Beliebtheit: er ist ein unentbehrlicher Faktor im Wirtschaftsleben geworden, der andauernd noch seine Stellung festigt und seine Geltung vermehrt. Der Beitritt zum Postscheckoerkehr ist sehr einfach und bequem. Man braucht nur zu seinem Postamt zu gehen und dort einen Antrag auszufüllen, der am Schalter erhältlich ist.
Nächst Oesterreich ist Deutschland das an natürlichen Mineral- quellen reichste Land im europäischen Kontinent. Die eigenartige, vielgestaltige Beschaffenhest unseres Bodens bringt es zuwege, daß noch an tausend und mehr Stellen mineralhallige Quellen aus Kalk, Ton und Moor erbohrt werden könnten, wenn man ernsllich daran dächte und es sich vor allen Dingen lohnte. Gibt es doch selbst in unserer engeren märkischen Heimat gewisse Gebiete, in denen auf mäßigem Flächenraum, meist in der Nähe von Wald und Seen, dutzendfach Quellen sprudeln, und sogar auf Mt-Berliner Boden hat man in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erfolgreich Soolquellen gebohrt. Das Beste und Einfachste für die Gc- sundheit braut eben allzest die Natur. Dicht daneben steht leider des den meisten modernen Menschen angeborene Pech, das viele Gute nicht so ausnützen zu können, wie man wohl möchte. Bon jeher hat die leidende Menschheit gefühlt und gewußt, daß auch der Menschenleib seine Starrheit abstreift, wenn in der Natur das ge- waltige Wiedererwachen beginnt. Wir lassen uns alljährlich die Brust durchwehen vom Frühlingssehnen, lassen uns predigen von Frühlingskurcn, zieht aber der Herbst ins Land, zcrflattern unendlich viele Lustschlösser im Nebel..,, Jungbrunnen einst unü heute. Lukas Eranach ist der Meister des berühmten Gemäldes vom Jungbrunnen, aus dem die Gebrechlichen und Alten nach kurzem Bade gesund und verjüngt heraussteigcn. Ein holder Traum vom Wiederjunawerden, an den die Menschen jahrhundertelang geglaubt haben, und doch nur ein Symbol auf die Verjüngungstraft der Natur und auf gute Lebensbedingungen. Die ältesten Berliner werden sich eines ähnlichen halben Wunderglaubens erinnern, der einem heute mächtig entwickelten Berliner Stadtteil, dem Gesund brunnen , seinen Namen gegeben hat Auf der Jagd da oben an der Brunnen- und Excrzierstraße, wo damals noch viel Wald stand, hatte ein höfischer Arzt, nicht ein preußischer König, wie es in der Hohenzollernschen Geschichtssälschung heißt, ein harmloses Mineral- quellchen neben der Pankc entdeckt. Der König ließ den Quell fassen, auf den Namen seiner Frau taufen und darüber ein Holzhäuschcn errichten. Ganz Berlin pilgerte natürlich nach dem Quell u>td trank von seinem„Heilwasser" für einen Dreier oder Sechser. Bald hatte sich dem Holzhäuschen auch eine Bierkneipe und ein Vergnügungs- garten zugesellt. Heute ist von all den Herrlichkeiten, die unsere Voreltern so entzückten, nichts mehr an Ort und Stelle vorhanden. Die Quelle war lange Zeit versandet, das hölzerne Häuschen litt an hochgradiger Altersschwäche. Einzelne seiner bunten Teile sollen in das Märkische Museum gewandert sein. Was man in der näheren und weiteren Umgebung Berlins noch an geschäftlich ausgewerteten Mineralquellen findet, beispielsweise in Rüdersdorf . Müggelheim und in Splhmühle am Bötzfee bei Strausberg , will unter den lltach- wehen des Krieges und der Inflation nicht mehr recht auf die Beine kommen, wie es auch vielen bekannten Sprudelbädern außerhalb der Mark so ergeht. Das ist entgegen dem Wohle tranker Mitmenschen die ernste und soziale Seite der Sache. Der mit Kurpark, Trink- hallen, Gradierwerk, Röinerbrunnen usw. schön angelegte Mineral- quell in Alt-Buchhorst am Möllensee hinter Grünheide , bei dem früher während der Badesaison 5(1 junge Mädchen nur mit dem Spülen, Füllen und Fertigmachen der Versandflaschen beschäftigt waren, ist sogar schon seit elf Jahren nicht mehr im Betrieb. Der Kurpark wurde bald nach der Revolution für das Publikum, das
einst zu Tausenden sich an den Anlagen erfreute, völlig gesperrt, well Wanderflcgel, nicht zu verwechseln mit Wandervögeln, wüsteste Ausschreitungen begangen und sinnlose Beschädigungen angerichtet hatten. Was nutzt aber dem anständigen Publikum, das die Ab- sperrung außerordentlich bedauert und um die am See gelegenen Anlagen einen weiten Umweg machen muß, ein„Kurpark", der längst keiner mehr ist? Was nutzt ihm ein schöner Garten, wenn andere drin spazieren gehen? Vielleicht entschließt sich doch noch der Besitzer, im kommenden Sommer die Sperre wenigstens Versuchs- und zeitweise wieder aufzuheben. Was im Frieden ohne Aergernis möglich war, müßte unter Ausweisung von Skandalmachern und Naturoandalen auch jetzt möglich sein. Zu teuer! Leichthin hört man nicht selten:„Das Wasser, das Ihr aus dem Boden nehmt, kostet doch nur das Anlagekapital." Wenn es doch so wäre! Alles wird auf maschinellem Wege verrichtet. Heute ver-
Lin Idyll aus dem Löcknitztal
«, Gnkel Moses. Roman von Schalom Asch . „Nun, was sagst du, diese Schnorrer, ha, die Verwandt- schast. Das ernährt man für seine sauer verdienten Groschen. Wenn das eine Tochter verheiraten mußte, die Aussteuer beschaffen, Frau und Kinder nach Amerika bringen, da ist alles zum Onkel gekommen. Wir haben dem Pack geholfen, ihnen zu essen gegeben, und jetzt streiken sie. Da hast du es, Amerika ! Und wer? Der Sohn der Schnorrerin. Charlie, der ist ja ein ganzer General bei der Gewerkschaft geworden. Hast du so etwas schon gehört?" „Mama, was ist geschehen?" „Hast du denn nichts gehört? Die Landsleute streiken doch, sie kommen nicht zur Arbeit, und Charlie ist ihr Führer." Während dieses Gesprächs schob sich ein Kopf in die Tür. Mutter und Tochter erkannten Sams bleiches, energisches Gesicht mst den erschrockenen bittenden Augen. „Mama, schließ die Tür," rief Mascha erbleichend.„Wo- hin die Schnorrer schon überall kriechen, das Geschäft genügt ihnen nicht, da kriechen sie noch in das Schlafzimmer." Die Mutter warf Sam die Tür vor der Nase zu.... 5. Der Streik der Landsleute. Ein Wunder tvar geschehen, die Landsleute von Kusmin , Onkel Moses' Verwandtsclzaft, waren in den Streik getreten. Zuerst"begriff der Onkel gar nicht, was geschehen war. Als er sah wie die Landsleut« mitten am Tage sich erhoben, die Arbeit' hinlegten und die Werkstätte verließen, glaubte er, ein Unglück sei geschehen.■ „Was ist geschehen? Wohin geht ihr? D'e Landsstute stahlen sich aus der Werkstätte wie Diebe r-nd schämten sich, dem Onkel in die Augen zu sehen. Einer nach dem andern schlichen sie fort. Der Onkel hielt Schlojme. den Botengänger, an. der ein guter Bekannter aus der Heimat war. .'Schlojme. wohin gehst du?"...« „Ich weiß nicht. Ich habe Auftrag, zu gehen, also gehe ich." „Was bin ich eig-ntlich, bin ich ein Fremder?" schrie der Onkel.„Bei mir wird gestreikt? Für all das Gute, was ich euch getan habe? Das Geschäft wird doch nur euch zuliebe erhalten, und bei mir wird gestreikt! Gut, gut, ich will ihnen schon zeigen, was strecken heißt." Ohne zu antworten, verließen die Landsleute die Werk- stätte und versammellen' sich in der Chewra Ansche-Kusmin , m derselben Schul', deren Vorsteher der Onkel war,
Es hatte lange gedauert, bis es der Schneidergewerkschaft gelungen war, Onkel Moses' Werkstätte zu organisieren. So lange der Onkel der„inside man" war, waren alle Versuche erfolglos. Die Landsleute vermochten nicht, sich gegen den Onkel zu erheben, sie konnten sich gar nicht vorstellen, wie sie imstande wären, dem Onkel etwas Schlechtes anzutun. Er ist doch unser Brotgeber, antworteten sie auf alle Einwände. Doch als Sam nach der Heirat des Onkels ihr Herr geworden war, seit Sam sie seine Hand fühlen ließ, wuchs die Unzufrie- denheit immer mehr und schuf eine Kluft zwischen den Lands- leuten und dem Onkel. So gelang es Charlie und einigen professionellen Agitatoren der Gewerkschaft endlich, heimlich die Werkstätte des Onkels zu organisieren, insgeheim einen Landsmann nach dem andern, bis endlich, ganz unerwartet für den Onkel und seine Getreuen, der Streik ausbrach. Anfangs war Kusmin sehr kampfesfreudig. Als es sich darum handelte, Streikpostn vor der Werkstätte des Onkels aufzustellen, rissen sich alle um dieses Amt. Erwählt wurden dazu Schlojme. der Votongänger, Iossel, der Fuhrmann, und ein paar Juden, die früher Fischer und Flößer gewesen waren, Leute, die imstande waren, auch selbst zuzuschlagen, wenn es notwendig war. Sie steckten Vrot und gesottene Kartoffeln in die Taschen und bezogen Schlag sechs Uhr früh ihren Posten vor der Werkstätte des Onkels. Dort standen sie und wachten. Ein paarmal kam der Onkel auf sie zu unü versuchte mit ihnen zu verhandeln: „Was soll das Stehen für einen Zwcck haben?" „Wir wissen es nicht. Wir haben Auftrag, zu stehen, so stehen wir," antworteten die Juden. „Aber was wollt ihr? Läßt mich doch hören, was ihr wollt." „Wir wissen gar nichts. Charlie, alles Charlie.... Wir sind einfache Soldaten, wir haben Auftrag zu stehen, also stehen wir," antworteten die Juden im Soldatenton, dessen sie sich noch von der Zeit her erinnerten, da sie daheim beim Militär Wach? gestanden waren. „Was, hat euch Charlie nach Amerika gebracht? Hat euch Charlie Arbeit verschafft, Brot gegeben? Das ganze Jahr geht ihr auch zu Charlie, all right!" „So ist es besohlen." „Warum steht der Onkel hier und diskutiert mit ihnen? Wer find sie denn? Onkel, herein!" Sam zog ihn beim Aermel, mit jener Frechheit, die er sich dem Onkel gegenüber angewöhnt hatte, seit Mascha das Kind geboren haste. „Laß mich, ich will mit ihnen sprechen." „Onkel," schrie Sam,„ich wünsche, daß der Onkel herein- geht. Mst ihnen darf nicht gesprochen werden, es gibt keine
Verwandtschaft, es gibt keine Landsleute. Mit kommt kein Verwandter mehr über die Schwelle." „Alles Charlie. Wir wissen gar nichts," antworteten die Laüdsleute. Charlie war der Abgott: Charlie kam jeden Abend in die Chewra Ansche-Kusmin und hielt Reden vor den Landsleuten: Charlie brachte andere Redner mit-, Charlie lief zu den Zei- tungen: Charlie trieb Geld auf: Charlie war der zweite Moses, der gekommen war, die Lwndsleute von Onkel Moses, dem Pharao von Aegypten , zu erlösen. In der Chewra Schulchan-Aruch Ansche-Kusmin waren die streikettden Landsleute versammelt. Kusmin ruhte, und es ging zu wie in der alten Heimat an den Halbfeiertagen. Es ist nicht Sabbat, und es ist kein Feiertag— es ist ein Wochen- tag, und es wird nicht gearbeitet. Daran war Kusmin nicht gewöhnt. Der Streit dauerte bereits acht Tage. Der erste Enthusiasmus war verflogen, und Kusmin verspürte bereits Sehnsucht nach der Werkstätte. Hunger verspürte noch keiner, jeder hatte, seit die Organisierung erfolgt war. für den Streik etwas zur Seite gelegt, und etwas hatte auch die Gewerkschaft mit Mühe zusammengebracht. Doch Kusmin konnte nicht müßig gehen. Die Ueberlegung ließ ihnen keine Ruhe, der „Zweck bohrte im Gehirn und nagte am Herzen wie ein Wurm. „Was soll der Müßiggang für emen Zweck haben?" fragte einer leise den andern. „Und was für einen Zweck erfüllst du beim Onkel in der Werkstätte? Das trockene Stückchen Brot— das ist der Zweck." „Na, ja. vielleicht, schließlich ist es Auftrag der Gemeinde und die Gemeinde weiß, was sie tut." Doch Kusmin blieb inzwischen nicht müßig. Der eine bereitete sich während dieser Zeit ein Plätzchen in der andern West vor, indem er einen Tag lang Psalmen sagte, ein anderer, welcher mehr gelernt hatte, studierte ein wenig die Mischna : die ganz Ungebildeten machten ein Spielchen bei der Tür der Schul', und die Aelteren machten ihnen Vorwürfe:„An einem heiligen Ort!" Die Jüngeren antworteten darauf:„Es ist ein Streiklokal." Kusmin ging frank und frei umher und hatte nichts zu tun; Kusmin lernte in dieser Zeit Frau und Kinder näher kennen, für die die Männer, wenn sie arbeiteten, keine Zeit hatten: Kusmin ging in dieser Zeit spazieren, beschäftigte sich mst der Hauswirtschaft, flickte die eigenen Kleider, aber Kusmin war nicht zufrieden. „Um Gottes Willen, Josef, warum dauert das so lange? Was soll es für einen Zweck haben?" (Fortsetzung folgt.)