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Nr. 156 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 79

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Sonnabend, den 3. April 1926

Aufruf zur Maidemonstration!

Der Internationale Gewerkschaftsbund   an die Arbeiterschaft der Welt.

Der JGB. erläßt zum 1. Mai 1926 an die Arbeiterschaft der Welt folgenden Aufruf:

Genoffen! Immer noch leiden die Völker Europas   unter den Folgen des Weltfrieges Was jedoch ernster ift: 3mmer noch gibt es Regierungen, die aus Nationalismus entweder den Frieden durch Unterdrüdung der Minderheiten im eigenen Lande gefährden, oder die im Werden begriffene inter­nationale Bölfergemeinschaft aus nationalem Egoismus oder nationalem Eigendünfel in Gefahr bringen.

Diese Auswüchse, die unausgefeht den Weltfrieden, den wirt­fchaftlichen Wiederaufbau, die ökonomische Sicherheit der Arbeiter und die Entwicklung der Arbeiterbewegung bedrohen, muß die Arbeiterschaft mit der ganzen Kraft ihres Willens bekämpfen. Mit jedem Tag wird es deutlicher, daß die kapitalistische Wirt­schaft unfähig ist, die Produktion im Intereffe der Gesamtheit zu organisieren. Sie fann sich nur noch aufrechterhalten durch hohe Einfuhrzölle und Absperrung oder dank der Willfährigkeit der tapitalistischen Regierungen durch Subventionen aus Staats­mitteln.

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Jeder Tag bringt neue Meldungen über Reibungen zwischen den Nationen innerhalb eines Staates oder über Gegensätze zwischen den Regierungen.

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Eine Aufgabe für Külz  . Stahlhelm- Manöver. Großkampf- Borbereitungen. Der Stahlhelm plant eine Machtprobe zwischen sich und der Reichsregierung. Der demokratische Innenminister Dr. Rülz hat einen Erlaß über das Verbot militärischer Organi fationen herausgegeben. Ob die Regierung den Willen hat, biefen Erlaß anzuwenden, muß sich jetzt herausstellen. Wie die ,, Rote Fahne" mitteilt, plant der Stahlhelm in Mittel deutschland   friegsmäßige Manöver. Ueber die Einzelheiten des Planes berichtet bie ,, Rote Fahne":

,, Mie wir aus ficherer Quelle erfahren, beabsichtigt der Stahl. helm jetzt wieber, in Mitteldeutschland   große friegsmäßige Manöver abzuhalten. Bom 5. bis 9. April foll in der Dübe ner Heide eine 6tägige Marsch und Gefechts. übung des Gaues Halle- Merseburg unter Beitung des Stahlhelm führers Oberstleutnant Düsterberg stattfinden. 8000 bis 9000 mann sollen im Divisionsverband zu zwei Bei Regimentern einschließlich hilfswaffen manövrieren. Junters Dessau   sind zu diesen friegsmäßigen Manövern 5 Flugzeuge für die betreffende Zeit gemietet worden. Zahl­reidhe Rraft last wagen werden als Banzertraftwagen mastiert an den Manövern teilnehmen, Pferdegespanne werden Tants darstellen. Interessant ist, daß die Lastkraftwagen von der Hallenser Technischen Nothilfe" zur Berfügung ges stellt werden, die bekanntlich aus ftaatlichen Mitteln finanziert

wird."

Ueber die Absichten, die mit diesen Manövern verfolgt werben, fann man sich aus dem offiziellen Organ des Stahl helms unterrichten. Dort wird ein grundfäßlicher Aufsatz ver­öffentlicht, in dem der Stahlhelm sich als, politiche Be wegung" erklärt. In einem geschichtlichen Lichtblick wird die Bildung von Selbstschußverbänden als erster Abschnitt der nationalen Bewegung" bezeichnet. Dann heißt

es meiter:

Der zweite Abschnitt der nationalen Bewegung beginnt mit dem Rapp Butsch und endet mit dem Hitler Butsch  . Er fällt zusammen mit den Jahren der schlimmsten Inflation, den Jahren jener Zustände, in die wir uns heute faum noch richtig hinein­versetzen können. Dieser zweite Abschnitt ist gekennzeichnet durch die Tatsache, daß Teile der nationalen Bewegung aus der Abwehr zum Angriff gegen die Revolution übergingen. Diese An­griffe erfolgten planlos und ohne Methode und waren daher von vornherein zum Scheitern verdammt. Es ist ein unge heures Berdienst der Führer unserer großen nationalen Berbände, daß sie jene planlosen Angriffe nicht mitgemacht haben. Der Nuzen, den die nationale Bewegung aus diesen mißglüdten Ber­Juchen gezogen hat, besteht darin, daß wir nunmehr wissen, wie es nicht gemacht werden soll

Es folgt dann der dritte Abschnitt, die Zeit der inneren Sammlung, in der der Boden des neudeutschen Staates Sammlung, in der der Boden des neudeutschen Staates abgetastet wurde", und jezt ist die nationale Bewegung zu neuem Rampfe bereit, der sich aber, wie vorsichtigerweise persichert wird, durchaus im Rahmen der Verfassung halten" foll. Und schließlich wird verkündet:

Wir sind, um einen Frontausbrud zu gebrauchen, wieder großtampffähig. Der 3eitpunkt des Einsages wird von der Führung befchloffen werden. Ebenso die Art des An griffes. Borauf es bis dahin antommt, ift: Stärtung der Kampf.

An jedem Tag zeigt es fich aufs neue, daß nur eine geeinte, träftige Arbeiterbewegung dem Zusammenbruch Einhalt gebieten und der zusammenfinkenden Welt Rettung bringen kann. Darum müffen die Arbeitermaffen eindringlicher als je an diesem 1. Mai ihre Macht und ihren Willen bezeugen!

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3 Bottichedtonto: Berlin   37 536 Banktonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Wallstr. 65: Diskonto- Gesellschaft. Depofitentaffe Lindenstr. 3.

Sowjetrußland und China  .

Ein Beispiel für außenpolitischen Nep".

Bon Gregor Bienstod.

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Die Entwidelung das allgemeine Gesetz alles Leben digen- macht auch feinen Halt vor den Türen des Moskauer Auswärtigen Amtes. Wie man in der inneren Politik von d allumfassenden und sofortigen Sozialisierung zum sehr prosaischen Nep" gelangt ist, so geht auch in der äußeren Politik die Sowjetregierung nach und nach von einer Darum muß die gesamte Arbeiterklasse, das, ganze Heer der begeisterten Propaganda der allgemeinen völkerbeglückenden organisierten Arbeiter und Arbeiterinnen am 1. Mai demonstrieren Weltrevolution zu den Methoden einer ganz gewöhn für den Achtstundentag, für das Mitbestimmungs. lichen bürgerlichen Diplomatie über. Die Ten­recht in der 3ndustrie, für einen dauernden Welt- benz der europäischen   Politit des Narkomindel"( Bolks tommiffariat für Auswärtiges), die auf eine Berständigung mit ziemlich allen großen und fleinen Mächten gerichtet ist, nimmt eine immer greifbarere Gestalt an.

frieden!

Soll die Reaktion verdrängt und die Bereifung neuer Grund lagen für den Aufbau einer befferen Welt möglich werden, so muß jeder gerüstet, jeder zum Angriff bereit sein! Ange­fichts der Ereignisse und Veränderungen der letzten Jahre muß sich die Arbeiterklaffe mehr als je ihrer historischen Mission der Be­freiung der Arbeiterklasse vom tapitalistischen 30 ch bewußt sein. Auf zum 1. Maitag! Auf zur Demonstration in allen Städten und Ländern!

Möge diefer 1. Mai ein mächtiges Zeugnis fein für den ent­fchloffenen Willen der Arbeiterklaffe aller Länder, die& necht fchaft abzuwerfen, die Reaktion zu stürzen, das tapitalistische Joch zu brechen.

Es lebe die organisierte

Bell!

tbelterklasse der

traft, Stärtung der Disziplin und genaue Unterweisung über das Stampfziel. Db der Befehl zum Angriff morgen, in drei Monaten oder in drei Jahren gegeben wird, wissen wir nicht. Einmal wird er erfolgen, und bis dahin heißt es bereit fein!

Es handelt sich also um Großkampfvorbereitungen einer politischen militärischen Organisation, die auf neue Abenteuer im Stile Kapps und Hitlers   wartet. Die Organisationen, die zum Schuße der Republik   da sind, das Reichsbanner und die Sozialdemokratische Partei  , werden dafür sorgen, daß es bei großsprecherischen Ankündigungen bleibt.

Das enthebt jedoch die Reichsregierung nicht der Pflicht, gegen diefe Großtampforganisation" einzuschreiten. Diese militärische Manöverspielerei ist nicht nur eine innerpolitische Propofation, fie ist auch geeignet, die Reichsregierung außen­politisch in eine peinliche Lage zu bringen. Der Stahlheim ist ganz offenfundig eine militärische Organisation im Sinne des Erlaffes von Külz  . Wird dieser Erlaß auf den Stahlhelm angewendet werden?

Die Sozialisten und Briand  . Spaltung bei der Abstimmung: zwei Drittel enthielten fich, ein Drittel stimmte gegen. Paris  , 2. April.  ( WIB.) Die 159 Abgeordneten, die am Donnerstagvormittag bei der Gesamtabstimmung gegen die Steuergefeße der Regierung gestimmt haben, verteilen sich auf die einzelnen Fraktionen wie folgt: 27 Kommunisten, 20 Soziali ften, barunter Renaudel, Bedouce und Marquet, 3 Radikale, 1 Sozialrepublikaner, 5 Mitglieder der demokratisch- republikanischen Binken, 77 Angehörige der demokratisch- republikanischen Bereinigung, Fraktion Marin, 6 Demokraten( Elsässer), 20 feiner Fraktion ange: hörende Abgeordnete. Der Abstimmung enthalten haben sich 145 Abgeordnete, nämlich 72 Sozialisten, 34 Radikale, 9 Sozialrepublikaner, 8 Linksrepublikaner, 5 Mitglieder der demo­fratisch- republikanischen Linken, 7 Angehörige der demokratisch­republikanischen Vereinigung, 7 Demokraten, 1 Mitglied der unab­hängigen Linfen und 2 feiner Frattion angehörende Abgeordnete. Abwesend und an der Abstimmung nicht teilgenommen haben 32 Ab­geordnete.

Wieder einmal hat sich also die sozialistische Fraktion bei einer wichtigen Abstimmung gespalten. Das Eigentümliche ist aber, daß die brei im WTB.- Telegramm erwähnten Genossen Führer des äußersten rechten Flügels sind. Offenbar wollten Renaudel und feine Freunde durch ihr Botum gegen die Haltung der Mehrheit der Partei protestieren, die sie als eine Infonsequenz empfinden: nach dem die Barteimehrheit sich gegen die Beteiligung an der Regierung dem die Barteimehrheit sich gegen die Beteiligung an der Regierung ausgesprochen hat, müßte fie, nach Ansicht Renaudels, auch gegen die Regierung stimmen und wirkliche, konsequente Opposition machen, anstatt das Kabinett im entscheidenden Augenblick durch Stimm­Renaudel- Flügel zu dem eigenartigen Mittel, daß er, ber der Regie­enthaltung zu retten. Und um dies zu demonstrieren, greift der rung Briand   am nächsten steht, gegen die Regierung ftimmt! Ein etwas fomplizierter Gedankengang, der allerdings durchaus der allgemeinen politischen Berwirrung in Frankreich   entspricht.

In lezter Zeit beginnt die Sowjetdiplomatie auch im fernen Osten sich auf die Methode des außenpolitischeit Reps" einzustellen. Auf dieser Teilfront der diplomatischen Kampflinie muß jedoch die nüchterne Staatsräjon noch am meisten auf den Wust der Traditionen der jüngst verflossenen revolutionären" Beriode Rücksicht nehmen. Asien  , besonders aber der ferne Osten, mit seinen vom tausendjährigen Schlaf erwachenden Völkern erschien bis zu allerlegt, nach der wenigstens zeitweiligen Liquidierung der Hoffnungen auf eine unmittelbar bevorstehende europäische   Revolution, als der letzte Angriffspunkt für die Theorie und Praris der inter­nationalen revolutionären Bropaganda. Die berühmte Bor=" stellung von Sowjetrußland als einem Führer im Kampfe des erwachenden Asiens   gegen den britischen und alle anderen Inperialismen war noch vor kurzer Zeit ein Lieblingsthema für diejenigen Sowjetjournalisten, die dem Auswärtigen Amt   beigefellt sind. Der Gang der Ereignisse im fernen Often scheint jedoch die politischen Illusionäre auch aus diesem letzten Schlupfwinkel zu verscheuchen.

Es unterliegt teinem Zweifel, daß die russische   Revolution feit 1905 eine große ftimulierende Rolleim fernen Often spielt. Eine Bewegung von Arbeiter und Bauern­maffen von den ungeheuren Ausmaßen, wie sie in Rußland  vor sich ging, mußte unbedingt einen folossalen Einfluß auf den Befreiungskampf der Volksmaffen im ganzen Orient haben und speziell in China  , wo man fich objektiv ganz analoge Ziele gesetzt hat, nämlich die Beseitigung der lleber­reste des Feudalismus und eine bürgerlich- nationale Kon­solidierung.

Dazu kommt noch der Umstand, daß das chinesische Bolf das revolutionäre Rußland   stets als einen willkommenen Bundesgenossen in seinem Kampf gegen die ausländischen Unterdrüder betrachtet hat und noch heute be­trachtet. Rein psychologisch genommen verwischien sich in den Köpfen dieser primitiven Massen die objektiv interven tionistischen und annegionistischen Tenden= zen der Sowjetpolitit vollkommen gegenüber dieser Tatsache des gemeinsamen Kampfes gegen den europäischen  und den japanischen Smperialismus.

Dieses ursprüngliche flare Berhältnis zwischen den beiben großen Boltsbewegungen bekommt aber mit der Zeit einen viel fomplizierteren Charoffer. Es wäre dabei voll­fommen unsinnig, die grandiose Bewegung der chinesischen Bolksmassen, die faum den mittelalterlichen Lebensverhält nissen eniwachsen sind, nach irgendeinem im noraus feſtge­fekten Schema zu beurteilen und meistern zu wollen. Ins besondere fann nur die erhitzte Phantasie der Moskauer  Kominternftrategen mit dem Gedanken spielen, daß die pri­mitive, im wesentlichen von rein ökonomischen Motiven be mitive, im wesentlichen von rein ökonomischen Motiven be herrschte chinesische Arbeiterbewegung ohne weiteres eine Hegemonie über die ganze revolutionäre Bewegung Chinas  erlangen tönne.

Intervention,

In der chinesischen Politik Sowjetrußlands sind drei geschichtliche Abschichtungen, drei mehr oder minder selbst­die rein imperialistische ständige Momente zu unterscheiden: die revolutionäre Intervention auf der alten Linie des russischen Bor­bringens in Nordchina( hier sucht Sowjetrußland Anschluß an die Bolksarmeen" des Generals Feng) und, schließlich, die Sehnsucht nach einer Verständigung mit Japan   und - was viel wichtiger ist, mit England. Alle diese aus­einanderstrebenden und einander widersprechenden Momente wirken auf die fernöstliche Politik der Sowjetunion   ein und wirten auf die fernöstliche Politik der Sowjetunion   ein und brüden ihr einen höchst schwankenden Charakter auf.

Je mehr in der Borstellungswelt der Beherrscher der Sowjetunion   das Motiv der Weltrevolution in den Hinter­grund tritt, desto mehr wird in der Moskauer   Politik die objett im diplomatischen Spiel mit den übrigen Tendenz ausschlaggebend, China   lediglich als ein handels­Beltmächten anzusehen. Theoretisch steht ja die Sowjetunion  aber leider steht die praktische Politik Mostaus in einem auf dem Standpunkt einer völligen Selbständigkeit Chinas  , trassen Widerspruch zu dieser schönen Theorie. Man muß Der nächste sozialistische Parteitag. ohne weiteres feststellen, daß in der letzten Zeit, neben Japan  , Paris  , 2. April.  ( WTB.) Die sozialistische Partet tatsächlich gerade Sowjetrußland einer aggressiv- interven­Frankreichs hält ihren diesjährigen Rongreß vom 23. bisitionistische Rolle in China   spielt. Zu gleicher Zeit zeigt die chinesische Politif Englands eine bemerkenswerte Wen­26. Mai in Clermont- Ferrand   ab.