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Abendausgabe

fr. 15743. Jahrgang Ausgabe B Nr. 78

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Vorwärts

Berliner Dolksblatt

10 Pfennig

Sonnabend

3. April 1926

Bezlog und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Verlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Kolonialbesitz- Kolonialforgen.

Krieg oder Frieden in Marokko. - Kolonialfämpfe in Syrien und im Irak .

Paris , 3. April. ( T11.) Nach einer Londoner Meldung des " Matin" befinden sich gegenwärtig drei Unterhändler Abd el Krims bei den franzöfifchen Behörden in Marokko , und zwar der eine in Melilla , der andere in der französischen Kampfzone und der dritte, ein Better Abd el Krims, in Langer.

Die Unterhändler sollen von den spanischen und franzöfifchen

Behörden als offizielle Vertreter Abd el Krims aner= fannt worden sein.

Die Friedensunterhandlungen verschiedener maroffanischer Stämme haben bereits einen gewissen Fortschritt gemacht. Die

französische Regierung will erst die Entwicklung dieser Berhand lungen abwarten, bevor sie in endgültige offizielle riedensverhandlungen eintritt oder sich für eine neue Offensive entscheidet.

schwere Verluste zu Als Flugzeuge erschienen, floh der Feind unter Zurücklassung von 45 Toten. Die Verluste des Feindes an Verwundeten sind nicht bekannt.

Vor dem Eingreifen der britischen Kräfte hatten die britischen Offiziere Aweisung erhalten, den Irafstamm des Scheichs Habil von

der Eröffnung der Feindseligkeiten und der Verfolgung über die Grenze des Jrafgebietes hinaus zurüdzuhalten.

Englisch - französische Gegensähe.

ABC.

Grundsäßliches über demokratischen Sozialismus. Die Rote Fahne " kann über fich die Rede Stampfers zum 100. Geburtstag Wilhelm Lieb fnechts noch immer nicht beruhigen. Dabei scheint es, als hätte sie noch immer nicht ganz begriffen, worauf es an­tommt. Darum möchten wir das noch einmal mit aller Ge= buld auseinanderseßen.

Es handelt sich um die Stellung der Kommunisten zur demokratischen Berfaffung der Deutschen Republik. Früher verwarfen sie diese demokratische Verfassung in Bausch und Bogen und verficherten, daß nur der bewaffnete Auf­st and den Arbeitern helfen könne. Durch diesen bewaffneten Aufstand sollte die bestehende Berfassung vernichtet und durch eine der sowjetrussischen nachgebildete, d. h. durch eine Dif­erhaltene Dittatur der Kommunistischen Partei ersetzt werden. franzötatur des Proletariats" genannte, gewaltsam aufrechtzu­

London, 3. April. ( TU.) Wie der diplomatische Korrespondent des Daily Telegraph " berichtet, bestehen zwischen der franzö fifchen und englischen Regierung Meinungsverschiedenheiten in der syrischen Frage. In London ist man der Ansicht, daß Frankreich als Mandatsmacht nicht berechtigt ist, ohne Zu Paris , 3. April. ( TU.) Am Qual d'Orsay fand gestern frühstimmung des Völkerbundes den neuen französisch- türkischen Bertrag eine neue Besprechung zwischen Marschall Pétain und dem General­über die syrische Grenze zu ratifizieren. Der Völkerbund , bem, gouverneur von Maroffo, Steeg , statt. Es wird erflärt, die bas syrische Gebiet eigentlich unterstehe, und in dem Frankreich Friedensvermittlung sei in der letzten Zeit Don uur als Beauftragter des Bölterbundes die Verwaltung führe, müffe, Stammeshäuptlingen, die in Berbindung mit Abd ef so verlangt man in amtlichen englischen Kreisen, den Vertrag einer Srim stehen, eifrig betrieben worden. Diese Besprechungen eingehenden Prüfung unterziehen. In London erklärt man, hatten sich aber noch nicht zu offiziellen Berhandlungen verdichtet. daß der Bertrag gemisse territoriale Henderungen vor. sehe, mas gegen den Grundsatz verstoße, daß eine Mandatsmacht feinerlei Mandatsgebiete oder Teile diefer ohne Genehmigung des Bölferbundes abtreten fönne. Frankreich steht jedoch auf dem Standpunkt, daß die Grenzberigtigungen durch die ausein des Angora Abfonmmens von 1920 geftattet felen. Auch der Lausanner Vertrag sehe derartige Aenderungen der Grenzlinie por.

Kämpfe in Vorderasien.

Französische Offenfive in Syrien .

Drei Lösungen für das Moffulproblem. Paris , 3. April. ( T.) Der Temps Korespondent in Konston tinopel meldet, daß für die Lösung des Moffulfonfliktes augenblick lich drei Möglichkeiten ins Auge gefaßt werden:

Paris , 3. April. ( Eigener Drahtbericht.) Die französischen Truppen in Syrien haben am 1. April eine neue Generaloffensive gegen die Drusen begonnen, deren Zwed die Säuberung des Ge. bietes südlich des Libanons von Aufständischen ist. Bereits am erften Tage des Vormarsches ist es zu schweren Kämpfen gekommen. Britische Abwehr eines Einfalles in den Jrak. Bagdad , 3. April. ( Reuter.) Britische Tanks traten gestern 1. Abschluß eines english turtischen Bündnis vormittag an der Grenze zwischen Syrien und dem 3rafvertrages, wobei England die Garantie für die territoriale Un­gebiet in Aftion, als syrisch arabische Stämme einen versehrtheit der Türket übernehmen würde. Stamm des Jrafgebietes angriffen, dem die Berteidigung eines Grenzpostens oblag.

Der Feind überschritt mit 2000 Mann die Grenze des Jral gebietes, die britischen Tants fügten den eindringenden Stämmen

Mussolini für Averescu .

Der Faschismus für das rumänische Militärregime. Butareft, 3. April. ( Tul.) Der Außenminister erflärte in einer Unterredung mit Pressevertretern, das Rabinett werde die Außen­politik der früheren Regierung fortsetzen. Im diplomatischen Korps würden feine Veränderungen vorgenommen werden. Außerordent liche Bedeutung messe er einer Berbesserung der italie: nisch rumänischen Beziehungen bei und werde darauf fein Hauptaugenmerk richten. Die Freundschaft Averescus mit Mus­folini sei die beste Grundlage dafür. Wie dazu von einer Averescu nahestehenden Persönlichkeit mitgeteilt wird, hat Averescu vor seinem Regierungsantritt von Mussolini die Zusage erhalten, daß Jtalien jekt als dritte Großmacht das Abkommen unterschreiben und rati­fizieren werde, daß Bessarabien Rumänien zuerkennt. In dieser bedeutungsvollen Zusage Mussolinis wird der Grund dafür er­blidt. daß Averescu mit der Regierungsbildung beauftragt

worden ist. Bratianu war es troß größter Anstrengung nicht mög­lich, die Anerkennung Italiens zu erreichen.

Friedliche Berständigung" mit der Sowjetunion . Bukarest , 3. April. ( Meldung der Agentur Orient- Radio.) Der Minister des Auswärtigen, Mitileneu, erflärte, daß die ausländische Politik der neuen Regierung die Richtung einhalten werde, die ihr die früheren Regierungen gegeben haben, d. h. die Richtung der herzlichen und frieblichen Beziehungen. Mit Sowjetrußland werde die Regierung eine Politik der friedlichen Ber­ftändigung verfolgen, ohne fich auf Berhandlungen über die Grenzen einzulaffen. Sie werde das Programm der Kleinen Entente Leftätigen und erweitern.

Averescus Osterbotschaft: Auslandsanleihe notwendig. Bukarest , 3. April. ( III.) Avercescu hat eine Osterbotschaft erlassen, in der er darauf hinweist, er sei sich der Schwierig. fetten voll bewußt, die der neuen Regierung bevorständen. Sie merde ihre Hauptforge darauf richten, eine Gesundung der Wirtschaft und der Finanzen herbeizuführen und sie mit den tatsächlichen Bedürfnissen des Landes in Einfiang zu bringen. Selbstverständlich sei es unmöglich, eine Berbesserung von einem auf den anderen Tag zu erreichen. Alle Kräfte des Landes müßten daran mitarbeiten. Haupterfordernis aber sei die Herberschaffung von Auslandskrediten. fehung für das Gelingen der Sanierung sei, daß man die Regie. rung ungestört arbeiten lasse. Verkehrsminister Balianu teilte mit, daß er seine ersten Bemühungen darauf richten werde, eine Auslandsanleihe für die Eisenbahnen herbeigu

fchaffen.

Boraus­

Ungültigkeit der Gemeindewahlen? Bufareft, 3. April. ( TU) Troß der amtlichen Dementis ver­lautet in gut unterrichteten Kreisen, daß die Annullierung der Ge meindemahlen unmittelbar bevorsteht.

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2. Abtretung eines 50 bis 100 Kilometer breiten Gelände streifens im Norden der Mosfulgrenze an die Türkei , sowie Ge währung gewiffer wirtschaftlicher Vergünstigungen im Grafgebiet. 3. Neutralisierung von Mosful.

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Ein Verfahren gegen den Avanti". Freispruch in der ersten Inftanz. Der Staatsanwalt legt Berufung ein. Rom , 3. April. ( WIB.) Der verantwortliche Redakteur des Avanti" war wegen Veröffentlichung eines Aufrufes des Inter­nationalen Bureaus der revolutionären Parteien( der sog. Inter nationale 2%, der die maximalistische Partei als einzige nennenswerte Gruppe angehört. Red. d. 2.") angeflagt worden, wurde vom Mailänder Gericht aber freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft, die ein Jahr Kerker beantragt hatte, hat Be rufung angemeldet.

Fliegerbomben über Peking abgeworfen.

Niemand verletzt.

peting. 3. April. ( WIB.) Heute vormittag überflogen Bombenflugzeuge der verbündeten Truppen peling mit dem offenbaren Ziel, das Hauptquarfier der Kuofominifchun- Armee an­zugreifen. Bier 60pfündige Bomben fielen auf das Ge­lände des Winterpalaftes, in der Nähe der französischen Miffion, an der Kathedrale Baitang. Es wurde niemand verletzt.

Die Lage vor und in Peking fritisch. Peting. 3. April. ( EP.) Die militärische Lage vor Beting steht anscheinend vor der Entscheidung. Die Truppen der sogenannten alliterten Generäle befinden sich 15 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Obwohl die Kämpfe noch in vollem Gange sind, haben die Generäle der nationalen Armee anscheinend ihre Absicht aufgegeben, bis zum feßten Augenblick Widerstand zu leisten. Es wird bereits mitgeteilt, daß ihre Truppen die Umgebung Befings im Süden und Often räumen wollen. Die Züge nach Kalgan find mit flüchtenden nationalen Truppen überfüllt. Einige Gesandte in Beting haben ihren Landsleuten das Berlaffen des Gesandtschafts­Diertels untersagt. Die Tore dieses Viertels werden bei Sonnen­untergang geschlossen und durch Doppelposten bewacht. Man be­fürchtet in Befing Plünderungen durch die abziehenden Truppen der nationalen Armee.

Zollerhöhungen in Frankreich . Anpaffung an die Geldentwertung.

Paris , 3. April. ( Eigener Drahtbericht.) Die französische Rammer hat am Freitag die Erhöhung der fämtlichen 3011. fabe um 30 Broz. beschloffen. Diese Maßnahme wird mit der Totwendigkeit begründet, die franzöfifchen Bolltarife, die felt 1922 fetne Menberung mehr erfahren haben, mit der feifdem eingetretenen Geldentwertung und Breissteigerung in Cinflang zu bringen.

Fie Finanzkommission bes Senats hat am Freitag die Be­ratung der von der Kammer verabschiedeten Finanzporlage abgeschlossen, so daß am Samstag die Aussprache im Blenum des Senats beginnen wird. Die Kommission hat faft sämtliche Beftim mungen der Vorlage mit geringen Abänderungen gebilligt.

Bahlen nach den allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Anfangs gingen die Kommunisten so weit, selbst die Berhältniswahlen als ein Betrugsmanöver der Bourgeoisie zu betrachten; fie beteiligten fich infolgedessen auch nicht an den Wahlen zur Nationalversammlung.

Dieses Stadium wurde jedoch res übermunden. Die Kommunisten entschuldigten ihren Sündenfall in den Parla­mentarismus zunächst damit, daß sie im Barlament nur eine Tribüne erblickten, von der aus zum bewaffneten Auf ft and aufgerufen werden fönnte. Solche Aufrufe wurden in der Tat von der Reichstagstribüne herab so oft erlassen, bis sie langweilig wurden. Seit längerer Zeit hat man pont ihnen auch nichts mehr gehört. Die Kommunisten find im Reichstag in der Art ihres Auftretens faum noch von einer anderen Partei zu unterscheiden. Gie leugnen auch nicht mehr, daß im Parlament Fragen entschieden werden, die für gewiffe Anfäge zu der Absicht, en der Lösung dieser Fragen das Proletariat von äußerster Wichtigkeit sind, und sie zeigen a chlich mifzuarbeiten.

Die Kommunisten haben sich also mit einer Seite der Demokratie, mit der parlamentarischen, leidlich ausgeföhnt. Für ihre andere Seite, die dirette Gesetzgebung durch das Bolt, mie fie die Weimarer Verfassung vor fieht, zeigen sie fich neuerdings aber geradezu begeistert. Gie rühmen sich, auf diesem Gebiet die Führung übernommen zu haben und werfen uns Sozialdemokraten Lässigkeit vor. In dem Eifer, mit dem die Kommunisten jetzt von den Möglich feiten der Demokratie Gebrauch machen, sehen wir ihre prinzipielle Rapitulation", oder mit anderen: Worten: den Triumph des demokratischen Gedankens über die bolichemistische Illusion

Wir sind nicht Optimisten genug, zu glauben, daß sich fälle vollziehen wird, aber wir glauben allerdings, daß auf diese Entwicklung ohne Reibungen, Biderfprüche und Rüd­der Bahn, die vom Kommunismus betreten ist, fein Halten ist und daß es für ihn feinen Rückweg mehr gibt.

Die Entwicklungstendenz zur demokratischen Legalität ist zweifellos bei den kommunistischen Arbeitern vorhanden und fommt ebenfa zweifellos in der fommunistischen Politik zum Ausdrud. Wer fie leugnet, verschließt die Augen vor den Tatsachen. Die Rote Fahne " versucht das. indem sie fich darauf beruft, daß die Politik der KPD. im Einflang mit den Lehren Leninis stehe. Ru diesem Zwedein niedliches Kunststüd! zitiert fie eine Schrift Lenins aus dem Jahre 1902, alfo aus einer Zeit, in der Lenin noch nicht Bolfchemist, fondern eben nur ein radifaler Sozialdemokrat ge­wesen ist.

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Ein anderes Kunststüd der Roten Fahne", das nicht neu ift es ist uns bei älteren Disfuffionen ähnlicher Art schon begegnet besteht darin, daß die zwei verschiedenen Bedeu tungen, die das Wort Demokratie" befißt, durcheinander­geworfen werden. Demokratie ist einmal eine Berteibezeich mung und das andere Mal die Bezeichnung für eine Staats­form. Wenn man von der Demofratie" spricht, jo tonn man damit einmal die Parteien meinen, die für Republik , gleiches Wahlrecht, Preffefreiheit usw. eintreten, das andere­mal aber die Republik , das gleiche Wahlrecht, die Presse­freiheit usw. selbst.

Spricht man von der Demokratie im Gedanken an die demokratischen Parteien, so fann man zwischen einer bürger­lichen und einer proletarischen Demokratie unter­fcheiden. Die Mitglieder der Demokratischen Partei und die 3entrumsleute erscheinen dann als die bürgerlichen Demokraten, die Sozialdemokraten als die proletarischen Demokraten.

Wenn die Kommunisten auf der betretenen Bahn weiter­schreiten, so werden sie auch einmal auf diefen Ehrentitel An­spruch erheben dürfen. Nur müssen sie sich erst über eines flar werden: so richtig es ist, in bezug auf die Parteien zwischen bürgerlicher und proletarischer Demokratie zu unterscheiden, so unsinnig wird diese Unterscheidung, wenn sie auf die demo­fra tische Staatsform selbst bezogen wird.

In diesem Sinne gibt es feine bürgerliche" und keine Das Recht zu wählen, abzu proletarische" Demokratie. ftimmen, feine Meinung frei zu äußern- furz alles, was den Inhalt der Demokratie bildet, ist weder bürgerlich" noch proletarisch". Gegen die demokratische Staatsform wird nicht das geringste bewiesen, wenn man die Handlumgen der demokratischen Parteien fritisiert.

Darum ist es ein Unfinn, von einer ,, bürgerlichen" Demo­fratie im Sinne der Staatsform zu reden und dann diese bürgerliche Demokratie" als eine bürgerliche Unterdrückungs­