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sozialer Arbeiterbewegung wachende Pfarrer, Licentiat und ivarine Verehrer des Königs Stumm Weber in M.-Gladbach erläßt in derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung" ein Preisausschreiben mit einem Preis von 300 M. für die Abfassung eines A r b e i t e r-Ä a t e ch i s- m u s für deutsche evangelische Arbeiter. Das Ausschreiben erfolgt im Namen des Vereins für christliche Volksbildung in Rheinland und Westfalen . Als Hauptabtheilunge», die der Katechismus enthalten soll, werden genannt: Der Arbeiterstand im 19. Jahrhundert(eine allgemeine ge- schichtliche Einleitung). Standespflichten und Standsrechte. Gatten- und Vaterpflichten. Pflichten gegen die übrigen Klassen der Ge- sellfchaft. Pflichten gegen Fürst und Vaterland, Kaiser und Reich. Pflichten gegen das Evangelium und die evangelische Kirche. Hoffnungslostgkeit oder Hoffnung? Revolution oder Reform?" Bei den Standespflichten wären Fleiß und Sparsamkeit, bei den Standesrechten die durch die neuere Gesetzgebung gewährleisteten, insbesondere auch das Recht der Assoziation, bei den Gatten pflichten Häuslichkeit und Z u- friedenheit, bei den Vaterpflichien Ernährung und Erziehung der Kinder, sowie die Wahl eines Be- rufes für sie, bei den Pflichte» gegen die übrigen Klassen der Gesellschaft die Einseitigkeit und An- m a ß u n g der Sozialdemokratie, bei den Pflichten gegen das Vaterland Wehr- und Steuerpflicht, sowie Wahl- Pflicht, bei denen gegen die evangelische Kirche Sonntagsfeier, Hausandacht, Gebet endlich im letzten Abschnitt die siegende Gewalt ejnes wahren christlichen Sozialismus zu betonen. Das scheint ja ein Werkchen werden zu wollen, wie der sozialdemokratischen Agitation lange keines zu nutze ge- kommen ist. Herr Weber hat sich da ein wahres Kompen- dium alles Reaktionären, alles dessen, was die Arbeiter am zukunftsfrohen Aufstreben verhindern kann, zurecht- gelegt, so daß er sich, wenn das Büchlein nach seinem Herzen ausfällt, gewiß den unauslöschlichen Dank aller Kohlengruben- und Eisenhüttenbesitzer, sowie aller sonstigen Kapitalisten in Rheinland-Westfalen ver- schaffen wird, und um den ist es ja einemArbeiterführer" vom Schlage des Herrn Weber in allererster Linie zu thun. Daß die Arbeiter durch solche Fleiß- Sparsamkeits-Gatten- pflichten-Zufricdenheits- und Steuerpflichten-Schlummerlieder einzulullen versucht und von der Verfolgung jedes auf Hebung der Klassenlage gerichteten höheren Strebens abzuhalten versucht werden: das ist Herrn Licentiaten Weber nicht nur egal nein, das ist ja gerade die Hauptsache bei der ganzen Geschichte. Allzu tragisch braucht man die Sache übrigens nicht zu nehmen. Die Sozialdemokratie pflegt ja dafür zu sorgen, daß literarischer Schund unter den Arbeitern keine Käufer findet. Zur Huldigung des Marinegötzen Aegir, dem Nix und Neck sich beugt, wird schon die unreifere Jugend künftig angehalten werden. Diese hocherfreuliche Wirkung muß eine Verfügung haben, durch die der Kultusminister die Provinzial- Schulkollegien darauf aufmerksam macht, welch treffliche Lesefrucht für Kinder die Uebersetzung eines Werkes des amerikanischen Kapitän M a h a n,Einfluß der Seemacht auf die Geschichte" abgebe. Nach Meinung des Herrn Bosse ist die Beschaffung dieser Uebersetzung für Universitäts - und Schulbibliotheken geeignet, de» Gesichtskreis der deutschen Jugend zu erweitern und das Verständniß der kommenden Generation für die Bedeutung unseres Welthandels, unserer Kolonieen und unserer Wehrkraft zur See zu erhöhen." Natürlich ist zu hoffen, daß die kommende Generation, deren Verständniß für unsere Kolonieen und unsere Wehr- kraft auf diese Weise erhöht würde, mit Freuden dereinst jedwede Mehrforderung für beide Zierden unseres Staats- wesens bewilligen wird. Die Kolonie- und Marine-Nörgler werden aussterben im Aegirreich, und den Staub von den Pantoffeln schütteln müssen. Von den elsaß -lothringische» Ausnahmegesetze». Die Colmarer Strafkammer verurtheilte einen Tagelöhner zu einem Monat Gefängniß und 20 M. Geldstrafe, weil er eine An- zahl Aufrufe an die Arbeiter und Arbeiterinnen der Tcxtil- industrie in Elsaß-Lothringen und an alle in der Metallbranche beschäftiglen Arbeiter, sowie Exemplare derDeutschen Metall- arbeiterzeitung" verbreitet hatte, ohne hierzu die Erlaubniß zu besitzen. Solche Urtheile haben das Gute an sich, daß durch sie das öffentliche Interesse immer wieder auf die elsaß -lothringischen Ausnahmezustände hingelenkt und das Volk im Verlangen auf deren Aufhebung und in der Agitation für diese Aushebung bestärkt wird. Das Grab hat's verrathen. Die sächsischen National- liberalen, von Biedermann an bis hinunter zu Hans Blum, wehren sich bekanntlich mit Händen und Füßen gegen die Anklage, daß sie 1866 die Annexion Sachsens an Preußen erstrebt haben, und daß es wegen ihrer landesverrätherischen Bestrebungen nothwendig geworden sei, die bekannte Amnestie- klausei in den Nikolsburger Friedensvertrag einzufügen. Jetzt wird nun ein Brief des bekannten kürzlich verstorbenen Schriftstellers und nationalliberalen Agitators Gustav F r e y t a g veröffentlicht, welcher Brief den nationalliberalen Annexionsplan im vollsten Umfange bestätigt. Der Brief, gerichtet an Lothar B u ch e r, Bismarck's Gehilfen, ist ans Siebleben bei Gotha , den 6. September 1866, datirt und lautet in seiner ersten Hälfte: Hochverehrter Herr Geheimrath! In der Frage Sachsen wage ich an Bekanntschaft aus früherer Zeit zu appelliren und leise an die Bücher der Sibylle zu rühren, welche in Ihrer Nähe bewahrt werden. In diesen Tagen wird Ihnen eine Flugschrift zugehen:«Was wird aus Sachsen ?", welche die Töne anschlägt, in denen jetzt auf daS sächsische Volk zu wirken ist. Die Agitation hat in Sachsen begonnen: läßt man der prensiischen Partei einige Monate Zeit und Luft, so ist die beste Hoffnung vorhanden, daß dieselbe die große Majorität der möglichen Abgeordneten ge- Winnen wird. Soweit das Schicksal Sachsens durch die Partei- nähme des sächsischen Volkes und des Parlamentes im Bundesstaat mitbestimmt werden kann, liegt das Spiel für Preußen günstiger, als viele Sachsen hoffen oder fürchten. Die Schwächen des Gegners sind: 1. Das sächsische Volk kann den Ausschluß aus dem Zollverein nicht er- tragen, ebenso wenig eine» Zollverein mit halbjähriger Kündi- gung, wie er mit den Südstaaten paktirt ist. Das wäre ein Strick um den Hals, an dem das Volk erwürgen müßte. Wird einer Volksvertretung dieses aut aut gestellt, so muß sie sich für Preußen erklären. 2. Die Regierung König Johanns litt nach einer Richtung an bösem Gewissen. Der Verfassungs- bruch von ISS1 und die Restitution eines abnormen Wahlgesetzes mitprovisorischer" Geltung machten allerdings Herrn von Beust leicht, zu regieren, aber das schreiende Unrecht blieb unvergessen und die persönliche Beliebtheit des Königs verdeckte nur unvollständig den Riß zwischen Regierung und Volk. Die neue Volksvertretung beruhte in der ersten Kammer auf Er- nannten des Köuigs, in der zweiten hauptsächlich auf fünf- uudzwanzig Kleinbürgern und fünfundzwanzig Bauern, welche durch die engsten Bezirkswahle» und durch an den Ort gebundene Wählbarkeit zusamniengebracht wurden. Die Unrechtmäßigkeit der bestehenden Kammern ist dem Volke zweifellos, die Restitution des Wahlgesetzes von 1848 und die Neubildung einer gesetzlichen Volksvertretung wären sehr populäre Akte; sie würden die Ge- wählte» von der Dynastie trennen und könnten deshalb, nicht jetzt, aber in einigen Monaten, gute Helfer der preußischen An- spräche werden. Man scheint bisher auf die Schwäche der Gegner zu wenig Gewicht gelegt zu haben. Aber dies ist, wenn man durch die Sachsen selbst etwas fördern will, der Punkt, auf den alles an- komint. Die Lanveslomniission läßt jetzt Vorbereitungen zu den nach dem bestehenden Wahlgesetz nölhigen Neuwahlen eines Drittels der Abgeordneten treffen; die Stadtverordneten von Dresden sogar fordern bereits das durch Herrn von Beust ab- strahirte Wahlgesetz zurück. Auch ist das Bedenken nicht stich- haltig, daß eine Volksvertretung, welche auf grund des Wahl- gesetzes von 184S einberufen würde, gefährlicher sein könnte, als die Kammer des Herrn von Beust. Die Abgeordneten dieser letzteren sind in ihrer großen Majorität despizirt sie sind außerdem durch Gnadenworte und Gewöhnung an ministeriellen Händedruck in engen Saxonismus hineingeschmeichelt. Fast die gesammte Intelligenz des Landes ist der Kammer fern, sie ist jetzt anfgeregt und würde ein Mandat suchen, vor anderen die preußische Partei. Von Invaliden des Jahres 1843 sind noch ein halbes Dutzend Demokraten vorhanden, welche in den alten Phrasen hängen. Das Hauptkontingent der neuen Kammer würden Geschäftsleute, Kommunalbeamte und Advokaten werden; die einen haben Interessen zu vertreten, die anderen sind ehr- geizig, im ganzen nach hiesigen Verhältnissen guter Stoff. Wenn die große Politik der preußischen Regierung gestattet, die sächsische Frage durch festes Beharren auf den ursprünglichen Forderungen hinauszuschieben, so ist ihp im Lande selbst eine große Zunahme der Annexionisten sicher. Aber dringend wüiischeuswerth ist ein kräftiges Eingreifen in die Verwaltung. Das weitere hat wenig Interesse für uns. Die Auslassungen des Herrn Freytag lassen an Deut- lichkeit nichts zu wünschen übrig. Er stand notorisch mit den nationalliberalen Führern in Sachsen in den innigsten Beziehungen; und hier haben wir nun erstens das Bekenntniß des nationalliberalen Agitators Gustav Freytag , daß er für die Annexion Sachsens an Preußen gewirkt hat; zweitens das Bekenntniß desselben Herrn Freytag, daß es auch in S a ch s e n Ä n n e x i o n i st e n" gab, deren Existenz in neuerer Zeit so hartnäckig geleugnet worden ist. Was sagen die Herren Biedermann und Genossen zu dem Briefe ihres Freundes Gustav Freytag ? Nebcr die Straßenkundgebnnge» in Belgien gelegentlich der Einbringung des reaktionären Schulgesetzes, über die schon gestern berichtet wurde, bringt dieVossische Zeitung" folgende interessante Schilderung: Sechstausend Brüsseler Bürger, Männer aller politischen Richtungen, Gemäßigtliberale, Fortschrittler, Sozialisten, Lehrer, Lehrerinnen, Studenten, sind gestern Abend in musterhafter Ord- nung und von dem Beifalle der zusammengeströmten Bevölkerung begrüßt, durch die Straßen der Hauptstadt gezogen; Senatoren, Deputirte, Provinzialräthe, Gemeinderälhe und die Führer aller Parteien befanden sich im Aufzuge. Auf Riesen- schildern las man die drastischen Aufschriften, wie: Der Priester in der Kirche, der Lehrer in der Schule! Der Katechismus in der Kirche, aber nicht in der Schule! Bürger Belgiens , werdet Ihr den öffentlichen Unterricht vernichten lassen? Das wird das letzte Verbreche» des Klerikalismus sein, wenn das Volk es will! Der Klerikalisinus herrscht durch das Gold und durch die Unwissenheit. Es lebe die Gewissensfreiheit!" Und während man in den Arbeitervierteln den Aufzug mit einem wahren Jnbel begrüßte, hatten sich vor dem vläniischen Theater, in dem die Schlußversainmlung statlfinden sollte. Tausende ver- sammelt. Vom Söller herab sprachen Sozialistensührer mit rauschen- dem Beifall aufgenommene Worte:Bürger, rief der Sozialisten- führer Lehen, wir bezahlen täglich 10 000 Fr. demjenigen, der über die Verfassung wachen soll! Nun denn, wenn er seine Schuldig- keit nicht zu thun versteht, so werden wir uns an seine Stelle setzen:Es lebe die Republik!" Und der sozialistische Abgeordnete Advokat Fournemont sprach:Wir haben in Belgien einen Greis, der die ersteIWürde bekleidet und er hat, um sein skandalöses Kongo -Unternehmen zu bezahlen, die Seele Eurer Kinder verkauft! Es lebe die Republik!" Die Menge schwenkte die Hüte und Taschentücher, stimmte die Marseillaise an und tausendstimmige RufeEs lebe die Republik!" durch- brausten den breiten Platz und die anstoßenden Straßen. Inzwischen war der Aufzug herangekommen und das Theater bis aus den letzten Platz besetzt. Zündende Reden wurden gehalten und ein wahrer Beifallssturin erhob sich, als der Fortschrittsführer Senator Janson das Schulgesetz als einen Verfassungsbruch bezeichnete und das Volk mahute, sich in Massen zu erheben und die päpst- liche gelbe Fahne niederzuschlagen. Die Volksmassen zogen aus- einander; am 28. d. M. wird die nationale Slraßcnkundgebung des ganzen Landes gegen das Schulgesetz in Brüssel statthabe»; die Brüsseler Kundgebung war ihr Vorspiel. Am Sonntag fand in Antwerpen eine besonders für Sol< daten von sozialistischen Studenten der höheren Handelsschule einberufene Versammlung statt, worin zwei Genosse» unter dem lebhaften Beifall der zahlreich erschienenen Soldaten aller Waffen­gattungen über die Militärfrage redeten. Weitere Versammlungen sind angesagt. Das Verständnis; des englische» Wahlkampfes wird etwas erschwert durch die Name n der einander gegenüberstehenden Parteien. Früher war die Sache sehr einfach: da standen sich die Tories und Whigs, oder was als gleichbedeutend galt, die Konservativen und Liberalen, gegenüber. Diese alten Benennungen treffen aber schon seit langem nicht mehr zu. Der Unterschied zwischen Whigs und Tories ist seit Jahrzehnten gänzlich verivischt, und gehört nur noch der Vergangenheit an. Und auch der Gegensatz zwischen konservativ und liberal hat sich längst abgeschliffen. Die Gladstone'sche Regierung nannte sich allerdings noch liberal, aber auf feiten ihrer Gegner be- and sich eine größere Zahl von ehemaligen Mitgliedern der iberalcn Partei; und um anzudeuten, daß sie für die Union " Englands und Irlands waren und von der Homerule nichts wissen wollten, nannten diese Liberalen sich Unionisten". Für den gegenwärtigen Wahlkamps haben nun auch die ehemaligen Tories den Namen u n i o n i st e n angenommen, während sie die Anhänger der alten gestürzten RegierungS e p a r a t i st e n", d. h. Freunde der Trennung (Irlands von England) nennen eine ganz wirksame Bezeichnung, gegen welche die einstigen Gladstonianer allerdings protestiren. Diese nennen sich ihrerseits noch Liberale. Neber die englischen Wahlen liegen folgende Nach- richten vor: London , 17. Juli. Bisheriges Wahlergebniß: 240 Unionisten, öv Liberale, 0 Parnelliten, 19 Antiparnelliten, ein Kandidat der Arbeiter-Partei. Die Unionisten gewannen 41, die Liberalen 10 Sitze. Unter den Gewählten befinden sich der Sprecher des Unter- Hauses W. C. Gully, der Staatssekretär für die Kolonien Chauiberlain, der Untersekretär des Inneren Amts Collings und der frühere Staatssekrelär für Indien Fowler. Um dem durchgefallenen Fährer der Liberalen Harconrt einen Unterschlupf zu geben, wird ein gewählter Liberaler sein Mandat niederlege». Inzwischen ist eine andere liberale Säule gefallen:. Morley. Die Unionisten haben also jetzt schon eine ziemlich bedeutende Majorität, die sich unzweifelhaft noch ver- größern wird.- Ueber das Mordattentat ans Stambulow liegen folgende nähere Nachrichten vor: Sofia , 16. Juli. Das ärztliche Bulletin von S Uhr nach­mittags besagt, daß der Zustand Stambulow's sich bedeutend gebessert hat. Gegen ein oppositionelles Journal, welches das Altentat billigte, wurde Anklage erhoben. Das Regierungsorgan Mir" drückt seine tiefe Entrüstung über das schändliche Attentat aus und verlaugt die exemplarische Bestrafung des Schuldigen. Sofia , 17. Juli. Im Lause des gestrigen Vormittags schlief Stambulow ziemlich ruhig. Ueber die Möglichkeit, den Verletzten am Leben zu erhalten, sprechen sich die Aerzte reservirt aus. Wie versichert wird, hat Petkoff, der wichtigste Äugen- zeuge, erklärt, daß er keinen von den Angreifern kenne. Bis Mittag wurden etwa 70 Individuen in Hast genommen. aber nach den Verhören größtentheils wieder ent- lassen. Die Minister traten vorgestern Abend zu einer Berathung zusammen, die bis 2 Uhr morgens währte und gestern Vormittag fortgesetzt wurde. In politischen Kreisen wird versichert, daß die Regierung eine Ehre darin setze, die Urheber des Attentats ausfindig zu machen, was großen Schwierig- ketten begegnen dürste, da keiner von den Zeugen präzise Angaben machte. DieAgence Balcanique" meldet weiter: 4 Männer, welche Stambulow im Delirium als seine Mörder bezeichnete, wurden verhaftet, aber mit Ausnahme Tufektscheff's wieder in Freiheit gesetzt, da sie ihr Alibi nachzuweisen vermochten. Eine Schwadron Kavallerie wurde abgesandt, daß in der Nähe der Stadt befindliche kupirte Terrain zu durchsuchen, wohin vorgestern Abend das von dem Diener Stambulow's verwundete Individuum geflohen ist. Beide Telegramme sind derAgence Balcanique", einein nicht ganz unabhängigen Depeschenbureau entnommen. Der Wiener Neuen Freien Presse" wird aus Sofia telegraphirt: Der Deputirte Krajew hat folgendes als Augenzeuge des Attentats ausgesagt. Als er den Schuß hörte, trat er mit dem Major der Reserve Popow aus dessen Haus heraus und sah den Diener Stambulow's mit dem Revolver in der Hand einem Mann in blauer Kleidung, der im Nacken blutete, nachrennen. Krajew schlofc sich an und sah wie der Diener von zwei Gendarmen gepackt wurde, während der Verfolgte in eine Seitengasse einbog. Nun erschien der Polizei- Inspektor, Rittmeister Marfow, und rief von weitem den Gendarmen zu, de» Diener zn ent- Waffue». Dieser schrie:Was haltet Ihr mich! Dort entkommt der Mörder!" worauf aber der Polizei-Jnspektor den Diener durch einen Säbelhieb verwundete und schnell ins Gefängniß abführen ließ. Krajew nun machte Marfow auf die Worte des Dieners, daß dort der Mörder entkomine, was er auch selbst gesehen, angeblich abermals aufmerksam. In diesem Augenblick traf eine Abtheilung berittener Gendarmen ein. verfolgte aber den Mörder nicht. Ein Krämer, vor dessen Haus sich der Vorgang abspielte, bestätigte wörtlich die Aussage Krajeiv's, welche um so bemerlenswerther ist, als Krajew stets zu den Feinden Stambulow's gehörte. Weder Krajew noch der Krämer sind bisher polizeilich vernommen worden. Das würde allerdings, wenn es sich bestätigt, an der Schuld der bulgarischen Regierung keinen Zweifel lassen, wenn auch das Regierungsblatt noch so pathetisch seine Entrüstung betheucrt, und der Fürst sein Beileid noch so warni der Frau Stambulow's ausdrückt. Wie man nachträglich erfährt, glaubte Stambulow schon seit einiger Zeit sein Leben bedroht, und hatte Schutz von den Behörden gefordert. In welcher Weise ihm dieser ertheilt worden ist, das zeigt das Verhalten der Polizei bei dem Mordattentat. Nachstehende Depeschen sind inzwischen eingelansen: Sofia , 17. Juli. DieSwoboda" giebt eine Darstellung von dem Attentat aus Stambulow, welche mit den bereits ge- nieldete» Berichten über dasselbe übereinstimmt. Das Blatt spricht jedoch nur von drei Angreifern und behauptet, Petkow habe 10 Minute» bei dem am Boden liegenden Stambulow ver- bleiben müssen, ohne Hilfe zn erhalten. Das Blatt macht den Prinzen Ferdinand und die Regierung für das Attentat ver- antwortlich, da sie Stambulow nicht habe» abreisen lassen. Sofia , 17. Juli. Unter den zahlreichen telegraphischen Beileidskundgebungen, welche der Gattin Stambulow's aus dem Auslande zugingen, befindet sich auch die des österreichisch- ungarischen Ministers des Aeußeren, Grasen Goluchowski. London , 17. Juli. Nach hier eingegangenen Berichten aus Sofia hat Radoslawow einen Drohbrief des russophilen Komitees erhalten, in welchem ihm das Schicksal Stambulow's angedroht wird, wenn er auf seiner Ruffenfeindschaft beharre. E einer wird aus Sofia hierher gemeldet, daß bei dem gestrigen mpfang bei dem Minister des Aeußeren, Natschowitsch, keiner der dortigen diplomatische» Agenten erschienen ist. Petersburg, 17. Juli. Die Blätter sprechen ihren Un- willen über das gegen Stambulow verübte Attentat aus. Die NowojeWremja" meint, die Regierung des Prinzen Ferdinand habe vielleicht mit dem Leben Stambulow's gespielt, indem sie das Ge- richt über ihn verschleppte. Eine so barbarische Beiseiteschaffung Stambulow's empöre aber nicht nur seine Freunde, sonder» auch seine Feinde.Nowosti" sagen, der Beseitigung Stambulow's bedurften diejenigen, denen er unter den gegenwärtigen Verhält- nissen am gefährlichsten war.Swjet" weist darauf hin, daß zur Zeit, zu der die bulgarische Deputation in Petersburg ist, um schuldbewußt um Vergessen des Böse», das Stambulow ge- stiftet, zu bitten, dieser selbst seinen Untergang finde. Sei hier nicht klar derFinger dergöttlichen Vor- s e h u n g zu sehen? Dieser famoseFinger der göttlichen Vorsehung Es ist sehr merkwürdig, daß er Dolch, Revolver und Dynamit braucht, Ilm die Feinde desheiligen Rußlands " zn treffen! Einstweilen stellen wir fest, daß noch kein ordnungs- parteiliches Blatt das Attentat aus Stambulow zu einem Feldzug gegen die reaktionären Umsturzmächte, von denen das scheußliche Verbrechen ausgeht, zu verwerthen Miene gemacht hat. Oder war diese That weniger verbrecherisch als die Ermordung Carnot's ? Räuberunwesen in Serbien . In der Dienstagssitznng der Skuptschina unterbreitete die Regierung einen strenge Maßnahmen enthaltenden Gesetzentwurf gegen das Ränberumvesen in den Gebirgsgegenden. z�avlmnenknrisrfjrs. Preußisches RbgeordnetenhanS. Nach der im Bureau des Hauses der Abgeordneten zusammengestellten Ueberstcht über die Geschäftsthätigkeit des Landtages in der Session I89S sind in dieser von beiden Häusern 47 Regierungs-Vorlagen, dar- unter 36 Gesetzentwürfe, vom Hause der Abgeordneten allein noch weitere 6 Regierungs-Vorlagen. I aus der Initiative des Herrenhauses hervorgegangener Gesetzentwurs, 14 selbständige Anträge von Mitgliedern des Hauses, S Interpellationen und 186 Kommissionsberichte(darunter 174 über Petitionen) erledigt worden. Abgelehnt wurden vom Hause der Abgeordneten eine Regierungsvorlage, uämlich das Gesetz über die Verpflegungs» stationen, und ein aus der Initiative des Herrenhauses hervor- gegangener Gesetzentwurf, betr. die Ergänzung der tz§ 4 und 11 des Jagdpolizeigesetzes vom 7. März 18S0; das Herrenhaus lehnte gleich- falls eine Regierungsvorlage ab, nämlich den Gesetzentwurf über die Errichtung einer Geuergl-Komwisston für die Provinz Ostpreußen .