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Mittwoch

7. April 1926

Unterhaltung und Wissen

Scheinehe. d.

Bon Offip Dymow.

Tam Stahlhelmerei.

( Aus dem Russischen von Arnold Wasserbauer.) Jakob Schwarz, Student des zweiten Jahrgangs des Peters­burger Technologischen Instituts, befam morgens, noch ehe er sich auf den Weg nach seinen Vorlesungen gemacht hatte, einen Brief. Auf dem Kuvert war ein Boststempel Dminst". Dies war seine Heimatsstadt. Die Adresse war in unbekannter Schrift( scheinbar weiblicher Herkunft) geschrieben.

Zunächst dachte Jakob Schwarz, ob seinen Eltern nichts zuge­stoßen sei, wovon ihn vielleicht fremde Leute verständigen wollten. Er mar ein guter Sohn mit etwas weichem, sentimentalem und honigfüßem Charakter. Rasch öffnete er den Brief und begann zu lesen:

Im Brief stand folgendes:

,, Geehrter Herr Schwarz! Von Ihren Eltern erfuhr ich Ihre Adresse und schreibe Ihnen in einer für mich wichtigen Angelegenheit. Vielleicht erinnern Sie sich noch meiner: ich bin Manja Großstein, die Tochter des Papierhändlers Großstein. Als Sie noch Realschüler waren, famen Sie immer zu uns Hefte und Bleistifte kaufen, die ich Ihnen persönlich übergab. Gott hat Ihnen geholfen, Sie haben Ihre Prüfung bestanden und kamen ans Technologische Institut. Sie fönnen fich mahrhaftig glücklich fühlen. Nur ich mußte in Dwinst bleiben und bin bis jetzt in der Papierhandlung meines Baters, wo ich noch immer den Schülern die Hefte verkaufe. Aber auch ich will studieren und es zieht mich mächtig nach den hohen Kursen für Frauen in Petersburg . Ich hoffe auch, daß man mich aufnehmen wird, aber das einzige, was mir dazu noch fehlt, ist die Aufenthaltsbewilligung für Petersburg. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie man diese Sache ordnen könnte und habe mich schließlich entschlossen, mich an Sie zu wenden, da ich Ihre Güte und Ihre Bereitwilligkeit, jedem, der sich in Not befindet, zu helfen, sehr gut fenne.

Nach dem Gesetz hat die Frau eines Studenten das Recht, in Petersburg zu leben. Vielleicht findet sich dort unter den Ihnen bekannten Juden einer, der bereit wäre, mit mir eine Scheinehe zu schließen und mir eine Bestätigung zu geben, daß ich seine Frau bin. Gewiß wäre dies nur eine Formalität und außerdem mur für einige Zeit. Ich würde mich dann bald darauf installieren und dann könnten wir uns scheiden" lassen, was für Juden ja gewiß sehr leicht ist! Erstaunen Sie nicht allzu sehr über meine Bitte,

aber ich habe feinen anderen Ausweg.

Ich will so unendlich gerne studieren! Und mich von diesem grauen Leben hier, das ich ohne Hoffmung auf Befferung verbringe, Iosreißen. Mit Ungeduld erwarte ich Ihre Antwort.

nicht, warum

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Achtungsvoll Manja Großstein."

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PS. Ich muß noch hinzufügen eigentlich weiß ich felbft daß Abraham Kaletzkij, ein Witmer mit drei Kindern, um meine Hand anhält und der Vater darauf beharrt, daß ich meine Einwilligung gebe. Wenn ich feinen anderen Ausweg finde, wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, Wie entseßlich! M. G."

Schwarz wurde nachdenklich. Selbstverständlich hatte er sehr gut verstanden, daß Manja Großstein, als sie von den ,, Bekannten" schrieb, eigentlich nur ihn vor Augen hatte. Denn es wäre doch ganz sinnlos gewesen, einen solchen Vorschlag jemand zu machen, der sie nie im Leben gesehen hatte. Es ist ja richtig, es sollte mur eme Scheinehe geschlossen werden, es handelte sich also nur um eine Formalität, aber trotzdem würden ihn die Kameraden fragen: ,, Warum machst du denn nicht selbst diese Sache?" Schwarz erinnerte sich Manjas, ihres meißen , sommersprossigen Gefichtes, ihrer ernsten, furzsichtigen Augen.

Sie heiraten?

Da mußte er auflachen: eine Scheinehe schließen, auf dem Papier, ja. Aber was geht ihn ihr Gesicht und was gehen ihn ihre flugen Augen an?

Aber Schwarz hatte ein gutes Herz. Er erinnerte sich all dieser vergangenen Dinge, diefer bitteren Prüfungen, Erniedrigungen und Aufregungen, die er vor einem Jahre hatte durchmachen müssen, bevor es ihm glückte, ins Technologische Institut einzutreten. Deshalb verstand er auch so gut, was dieses arme Mädchen wohl mitmachen mußte, das es mit allen Kräften zum Studium hinzog und daran durch all die Grausamkeiten von Zirkularen und Verboten ge= hindert wurde.

,, Sie wird in diesem Provinznest noch zugrunde gehen!" dachte der weichherzige Schwarz, nein, das fönnte ich mir in späterer Zeit niemals verzeihen, daß ich ihr nicht die Hand zur Hilfe ent­gegengestredt hätte!"

In besonders gehobener Stimmung begab sich Schwarz ins Institut. Dort, in der Pause zwischen zwei Borlesungen, erzählte er seinem Freunde von dem Erhalt bewußten Briefes. Der war auch noch sehr jung und nahm deshalb das Projekt seines Kameraden mit großem Mitgefühl auf.

,, Aber wenn du das tun willst, dann darfst du dir nicht viel Zeit laffen!" meinte er geschäftig, und die Hauptsache ist: alles geheim halten! Schreibe deinen Eltern nichts davon, sie tönnten sich höchstens noch dareinmischen und die ganze Sache verpetzen. Man kennt sie schon, diese Alten!! Was verstehen denn die? Gott helse dir! Das ist eine gute Sache!" So beendete der junge Freund

seine Rece.

Und Schwarz tat es auch wirklich so. Er schrieb an Manja einen langen, ausführlichen und sehr munteren Brief. Erklärte, daß es ihm unangenehm wäre, seinen Kameraden mit so einem Vorschlag zu kommen, und deshalb nehme er sich die Freiheit, sich selbst in Borschlag zu bringen. Wenn sie einverstanden sei, seine fittive Gattin zu werden, so danke er schon im voraus für das bewiesene Bertrauen, bitte fie, die ganze Sache geheim zu halten und abzureisen, ohne Zeit zu verlieren.

Und Jakob Schwarz, noch immer in gehobener Festtags: ftimmung, ging, um den Brief in den Postkasten zu werfen. Eine Boche später war er mit Manja Großstein verheiratet. Die Hochzeit hatten sie ganz einfach gefeiert und nachher erhielt ,, die junge Frau" ein Dokument, mit welchem sie berechtigt war, sich in Petersburg anzusiedeln und logierte sich an einem Ende der Stadt in einem kleinen Zimmer ein, während der Gatte" in seinem Zimmer am anderen Ende der Stadt verblieb.

TANK

Ei ei, da kommt der Stahlhelm her Mit Holzgeschütz und Pappgewehr. Die Polizei kennt ihre Pflicht

fundigte sich, ob sie nichts brauche!? Sie war schon Studentin ge­worden, ihr Zimmer war rein aufgeräumt, auf dem Tisch lagen ihre Bücher und sie selbst hatte ihre unförmigen Provinzfleider gegen eine tokette Bluse großstädtischer Provenienz eingetauscht. Sie ist wirklich gar nicht übel!" dachte Schwarz. Mitunter kam auch sein Freund und andere junge Leute, auch Mädchen. Es ging recht lebhaft und fidel zu.

"

Warum wohnen die eigentlich von einander separiert?" frag­ten die Studenten, lieben sie einander nicht?" Bielleicht?!"

Der Frühling fam heran, es tamen die Prüfungen, dann ging der Sommer ins Land. Im Herbst aber begegnete Schwarz seinem freunde. Sie freuten sich beide über das Wiedersehen, begannen einander auszufragen, was, wie usw.

"

Besuche mich doch, es wird mich sehr freuen!" sagte Schwarz. Und wo wohnst du? Noch im selben Zimemr wie voriges Jahr?" fragte der Freund.

,, Nein," erwiderte Schwarz ein wenig verlegen, ich.. ichh... bin übersiedelt. In einem einzigen Zimmer ist es uns doch zu eng und unbequem."

Und?" fragte der Freund erstaunt.

" Nun ja... mir und Manja. Wir haben doch vor kurzem ein Kind bekommen.... ein prächtiges Mädel, ganz mir nach geraten. Komm' nur, du wirst schon sehen.

In den Oasen der Sahara .

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Bistra, Ende März 1926.

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Mitten in der füdtunesis- hen oder algerischen Steppe, wo sich der Uebergang vom Gebirge zur Gandmüste vollzieht, liegen die Dasen der Nordsahara. Das Wasser allein zaubert, unterstützt von der Glut der afrikanischen Sonne, aus dem sandigen Boden die herr­lichen Palmenwälder hervor; das Wasser, das von den Grundmasser strömen kommt oder durch artesische, Brunnen wie in den algeri­schen Dasen gehoben und durch Flußwasser vermehrt wird; oder das Wasser, das wie in den südtunesischen Dasen aus Quellen fomnit, die ununterbrochen aus dem Erdinnern fließen. Die Dasen sind viel größer als der Europäer gewöhnlich an­nimmt. Es sind nicht kleine Wassertümpel, die von ein paar dürftigen Balmen umftanden find, sondern große weite Ebenen, die von dich ten Palmenwäldern erfüllt sind. Die Dase hat auch nichts Urwald­artiges; fie gleicht viel eher einem schönen gepflegten Garten. Wege feilen die Dase in einzelne Biertel ab, und Lehmmauern begrenzen Araber sind. Die Wege entlang ziehen sich kleine Kanäle, von denen fleinere Seitenkanäle in die einzelnen Gärten und ven da wieder nach jeder Palme abgezweigt werden. Bei jedem Palmenbaum ist ein fleines Staubecken ausgehoben, dazu bestimmt, einen Wasser­ständig im Wasser und den Kopf in der Sonne haben muß, wenn vorrat für die Balme zu sammeln, die, wie der Araber sagt, die Füße sie gedeihen soll. So ist jede Dase ein fast schier unübersehbarer, von Wegen und Kanälen durchzogener Dattelpalmengarten. Hohe und niedrige Balinen nebeneinander bieten eine wundervolle Ab­wechslung, die ein Gartenarchitekt nicht schöner hervorrufen könnte. Dattelpalmen, deren Kronen sich in der Glut der heißen Sonne, vom leisesten Luftzug umspielt, stolz im Bau des Himmels wiegen, blühende Pfirsich und Manillenbäume, Sträucher mit scharlachroten Blüten, die meist die Eingangstüren zieren, und das Ganze oft filometermeit das sind die Dasen der Sahara !

Beilage des Vorwärts

Und spricht: Ihr Bürger sorgt Euch nicht! Knallt mal ein Schuß, so ist's markiert: Es war schon vorher dementiert!"

vor allem in der Dase Bistra gibt es auch Negerdörfer, in seiner ganzen Primitivität. Schon in Algier oder Constantine in den Ein­geborenenvierteln oder in den schmalen Arabergassen der Stadt Bistra in der Nähe des Marktes glaubt man, daß die Einfachheit dieser Behausungen nicht mehr zu überbieten sei. Aber hier in den schied in der Lebenshaltung der Araber in den Städten und Dörfern Dörfern sieht man, daß es doch noch einen ziemlich großen Unter gibt. In den Städten sind die Araber, die in der unmittelbaren Nachbarschaft der Franzesen und Italiener Handel und Gewerbe treiben, in ihrer Lebensführung, auch wenn sie noch streng an den religiösen Vorschriften des Koran festhalten gerade jetzt im Monat Rhamatan darf nur während der Nacht gegeffen und getrunken doch schon von werden, während am Tage gefastet werden muß den Europäern beeinflußt. Im Araberdorfe jedoch herrschen noch unverfälscht die Sitten und Gebräuche der Eingeborenen.

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Das wirtschaftliche Leben der Dase ist vor allem auf der Gartenkultur aufgebaut. Man pflegt den Palmengarten und sorgt vor allem für die künstliche Befruchtung der weiblichen Blütenstände. Um einen männlichen Blütenstand über den weiblichen zu hängen, müssen die Gartenarbeiter an den hohen schlanken Stämmen hinauf flettern. Die Datteln werden verkauft und von Händlern exportiert cder gegen Getreide eingetauscht. Die Nomaden, die aus den dern, übernehmen dabei sehr oft die Rolle des Händlers. Im Süden Balmengegenden des Südens im Sommer nach dem Norden wan­verdingen sie sich als Gartenarbeiter oder Flurwächter und lassen inzwischen ihre Herden auf den spärlichen Futterpläzen meiden. Für ihre Arbeit erhalten sie in der Regel einen Naturallohn in Form eines Teils der Dattelernte. Man darf nicht glauben, daß die Nomaden etwa die arabischen oder berberischen Lumpenprole­tarier sind. Es gibt auch sehr reiche Nomaden, die mehrere tausend Schafe und Ziegen befizen. Trotzdem bleiben sie dem Nomadenleben treu. Sie haben nur ein schöneres Zelt und einen reicheren Anzug, Am aber sie mögen trotz ihres Reichtums nicht seßhaft werden. Rande der Dafen stehen die schwarzen Zelte der Nomaden; dort treiben sich die zahlreichen Nomadenkinder herum, dort meiden die Tiere. Die Nemadenfrauen holen noch wie es in der Bibel nder in Ziegenlederschläuchen das Wasser bei Homer geschildert wird aus der Dafe. lleberhaupt dürfte das äußere Bild des Dosen und Wüstenlebens sich seit Jahrhunderten kaum verändert haben, wenn nicht gerade ein Auto vorbeifauft. Die Araber reiten zumeist auf fleinen flinken Eseln, die Frau schreitet neben ihnen oder die Mutter­mit dem Kinde reitet auf dem Mautlier und der Mann geht daneben.

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Dem Bilde der heiligen Familie" begegnet man am Tage un­zähligemal.

In den Städten, die sich in der Nähe der Dasen als militärische Plätze, als Handels- und Verkehrszentren und nicht zuletzt als Reise­Stoff- und Seidenweberei beschäftigt hier die Araber neben dem und Kurorte entwickelt haben, herrscht reges Treiben. Teppich, Handel und der Fremdenindustrie. Auf diese verstehen sie sich be­sonders gut; Führer belästigen den Europäer noch piel mehr als in Italien , und Straßenjungen mit einzigartiger Lausbubengrazie lauern dem Fremden mit ihrem Schuhpugzeug auf. Arabische Tänze, von denen allabendlich versichert wird, daß sie nur heute stattfinden, werden im Prostituiertenviertel von Bistra vorgeführt. Die Duled- Nails sind Prostituierte, die für einige Jahre aus ihrer Heimat im Süden der Sahara nach Biskra , das offenbar als Sündenbabel dieser Gegend gilt, kommen, um hier Geld zu ver­dienen und dann wieder in ihre Heimat zurückkehren. Sie fizen am Abend vor ihren Häusern und locken die Kunden an; aber das Treiben in den arabischen Breftituiertenvierteln unterscheidet sich wohltuend von der widerlichen Geschäftigkeit und Haft der europäi­schen Prostitution. Schrille Flötentöne, monotoner arabischer Ge­fang und Trommeln ertönen dort abends. Daneben fizzen vor den maurischen Kaffeehäusern beim Dominospiel ruhig die Araber in ihrem weißen Burnus, der sich vom Dunkel der Nacht abhebt. Ruhig und würdig. schreiten sie in ihren wallenden Gemändern durch die Straßen, und darüber wölbt sich ungeheuer hoch der von den glitzernden Sternen besäte sadliche Himmel.

Otto Leichter .

Wenn auch die einzelnen Gärten Privateigentum sind, se ist doch durch die gemeinsamen Wasserläufe von vornherein ein weit­gehender Kommunismus bei der Pflege der Palmengärten gegeben. Der Kanal läuft an unzähligen Gärten vorbei, und die kleineren Kanäle, die von ihm abzweigen, versorgen mehrere Gärten hinter­einander mit Wasser. Deshalb ist ein tompliziertes System der Wasserverteilung notwendig, damit jede Palme alle zwei bis drei Der Bubitopf als Strafe. Eine Kleiderordnung, die im Jahre Wochen genezt werden kann. Der Kaid, der vom französischen 1754 in Bosen erlassen wurde, enthielt die Forderung, daß es dem Generalgouverneur eingesetzte Araber, der die lokale Verwaltungsbürgerlichen Frauenzimmer" nicht mehr freistehen sollte, die Haare arbeit zu besorgen hat, setzt die Wasserverteilung fest, und die Araber fliegen zu lassen, noch Mäntelchen zu tragen, während gleichzeitig richten sich genau nach seinen Vorschriften. auch die Verwendung gemisser Kleiderstoffe untersagt wurde. Jeder Weiblichkeit, die dem Berbot nicht folgte, drohte indes eine ganz eigenartige Strafe: fie wurde aufs Rathaus zitiert und dort wurde ihr sogleich ein Bubikopf geschnitten. Da diese Haartracht damals aber nicht Mode war, gab es viele Tränen, und so wurde das Ges, fez schließlich wirklich streng befolgt und fein verbotenes Mäntelchen mehr getragen

Mitten in der Dafe, manchmal auch am Rande des wasserdurch furchten Gebietes, mo wieder der steinige Sandboden beginnt, liegen die Araberdörfer. An den Wegen liegen die Lehmbauten, zumeist chne jeden Schmud, ohne Fenster. Im Innern dunkel, mit Aus­gemiffe Verpflichnahme der Räume, über denen tein Dach ist, ohne Einrichtung, ohne das ist das Wohnhaus des Arabers cder Regers. Schlafstellen

Schwarz aber fühlte sich keineswegs wie bisher, war oft zer­streut, wurde ernster, ging weniger in Gesellschaft von anderen Mädchen. Es schien ihm, als lege ihm seine neue Berufung als Ehemann" trotzdem diese nur fiktiv mar gewisse tungen auf. Bon Zeit zu Zeit besuchte er seine Frau" und er

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