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Freitag
9. April 1926
Unterhaltung und Wissen
Park an der Fabrik.
Wie man Bettlern ungern die geringen Kupferstüde hinwirft und sich schnell zurückdreht
zu dem unterbrochenen Gespräch, damit die Lücke nicht nach außen tlafft und weitergeht-:
warf der rote Mauerberg den armen Kindern diesen Fezzen Wald noch hin.
Und er glaubt, daß dieses Grün die Lungenfüchte lindern. und die Augen stillen kann mit Baum und Bachgerinn.
Aber hier ist jedes Blatt schon angefressen
Dom Zerfall und jeder Halm so wurzelfrant,
daß im Mai die Knospen das Gefühl des Blüh'ns vergessen und die Wiese einschrumpft vor Geftant.
Manchmal hodt noch eine Amsel auf dem Rüden
braunen Strauches und verflucht die Brut.
Und die Bänke ruh'n in Wolfen giftiger Müden und der Mond riecht nächtelang nach Blut.
In der Steppe.
Von Magim Gorki.
Bir verließen die Stadt in der allerschlechtesten Stimmung hungrig wie die Wölfe und böse auf die ganze Welt Während eines endlos langen Tages hatten wir alle unsere Talente und unseren ganzen Scharfsinn daran gewendet, irgend etwas zu stehlen oder zu verdienen vergebens. Als wir uns schließlich überzeugten, daß weder das eine noch das andere gelingt, beschlossen wir, weiterzugehen. Wohin? Ganz egal nur weiter.
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Das war der einstimmig ausgesprochene Entschluß. Wir waren aber auch entschlossen, jenen Lebensweg weiterzugehen, auf dem wir schon lange gingen das war von einem jeden von uns gleichfalls beschlossen; und wenn es auch nicht laut ausgesprochen wurde, so war es doch deutlich in dem finsteren Glanz unserer hungrigen Augen zu lesen.
Wir waren unserer drei, erst vor kurzem in Cherson in einer Kneipe am Dnjepr miteinander befannt geworden.
Der eine war Soldat im Eisenbahnbataillon gewesen, später so etmas mie Begemeister an einer der Weichseleisenbahnen, ein fuchs.
roter mustuloser Mensch mit falten grauen Augen. Er verstand Deutsch und besaß sehr genaue Kenntnisse des Gefängnislebens. Unjereins liebt es nicht, viel von seiner Bergangenheit zu sprechen, er hat dazu seine mehr oder meniger triftigen Gründe; und darum glaubten wir alle einander wenigstens taten wir so, denn
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in Wahrheit glaubte ein jeder von uns nicht einmal sich selbst. Wenn der zweite, ein trockenes fleines Männchen mit dünnen, steptisch zusammengefniffenen Lippen, von sich behauptete, er sei früher einmal in Mostau Etudent gewesen, so nahmen der Soldat und ich das für Wahrheit. Im Grunde genommen war es uns ungeheuer gleichgültig, ob er irgendwann einmal Student, Gerichtsdiener oder Dieb gewesen war. Wichtig war nur der Umstand, daß er zur Zeit unserer Bekanntschaft sich in der gleichen Lage befand wie
mir: Hunger litt, der besonderen Aufmerksamkeit seitens der Polizei in der Stadt und des regften Mißtrauens feitens der Bauern auf dem Lande fich erfreute, diese wie jene mit dem Haß des machtlosen, gehetzten hungrigen Tieres haßte, von blutiger Rache an allen und allem phantasierte mit einem Bort: nach seiner sozialen Stellung zwischen dem Städter und dem Bauern und nach seiner ganzen Geniütsverfassung zu uns gehörte.
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Unglück ist der stärkste Kitt für die Vereinigung von einander diametral entgegengefeßten Naturen, und wir alle waren feft über zeugt von unserem Recht, uns für unglücklich halten zu dürfen.
Der dritte war ich. Aus Bescheidenheit sage ich kein Wort über meinen Wert, und da ich nicht naiv erscheinen will, schweige ich auch von meinen Fehlern. Als Material zu meiner Charakteristit will ich nur bemerken, daß ich mich ftets für besser als andere hielt und bis auf den heutigen Tag bei diefer Ueberzeugung geblieben bin.
Wir verließen also die Stadt und gingen weiter, da wir noch auf Schafhirten rechneten, bei denen man immer um ein Stück Brot bitten kann und die es verüberziehenden Wanderern nur höchst felten verweigern.
Jd) ging neben dem Soldaten, der„ Student" ging hinter uns. Auf seinen Schultern hing etwas, was an einen turzen Männerrock erinnerte, auf dem Spigen, plumpen, glattgeschorenen Kopf faß der Reft eines breitfrempigen Hutes, graue Hosen mit den verschieden farbigften Fliden umschloffen seine dünnen Beinchen, und an die Baltschuhe hatte er mittels Bindfaden, der aus dem Jutter feines Kostüms gedreht war, zwei am Wege gefundene Stiefelschäfte angebracht. Er nannte diesen Bau„ Sandalen". Der Soldat trug em rotbaumwollenes Hemd, das er eigenhändig" in Cherson erworben haben wollte, über dem Hemd hatte er noch eine warme, wattierte Beste, auf dem Kopf faß eine Soldatenmüße von unbestimmter Wefte, auf dem Stopf faß eine Soldatenmüge von unbestimmter Farbe, um die Beine schlenferten weite schmutzige Hosen; er war barfuß.
Ich war ähnlich angezogen und gleichfalls barfuß. Bir gingen. Rund um uns dehnte sich die Steppe. Riesenhaft lang und breit, überdeckt von der blauen heißen Kuppel des unbewölften Sommerhimmels, lag sie wie eine tollossale runde schwarze Schüssel da. Der graue staubige Weg zerschnitt sie in breite Streifen und brannte uns an den Füßen. Stellenweise fanden sich borstenähnliche Striche abgemähten Getreides, die eine seltsame Aehnlichkeit mit den lange nicht rasierten Wangen des Soldaten hatten. Der Solbat ging und sang mit etwas heiserem Baß:
mir
...
und deine heilige Auferstehung preisen wir und loben Während seiner Militärzeit war er so eine Art Rüfter an der Bataillonstirche gewesen, baher wußte er eine ungeheure Menge von Lobgefängen, Verfen, Psalmen, deren Kenntnis er jedesmal miß brauchte, wenn unfere Unterhaltung irgendwie ins Stocken geriet. Bor uns am Horizont erftanden Formen von weichen limriffen und freundlichen Schattierungen, vom Lila bis zum zarten Rofenrot.
Unzweifelhaft sind das die Gebirge der Krim ," sagte der Student" mit trodener Stimme. einfach Gebirge?" rief der Soldat. Das sind Wolfen einfach Wolfen. Sich nur, wie sie ausschauen! Wie Johannisbeermus mit Milch!"
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Ich bemerkte dazu, daß es im höchften Grabe angenehm wäre, menn ble Bolten in der Tat aus Mus bestehen würben; und das ermedte jofort unseren Hunger- bas lebel unferer Tage.
Hol's der Teufel!" schrie der Soldat und spudte aus. Wenn man doch bloß einer lebenden Seele habhaft würde! Aber nein! Es wird so weit tommen, daß wir unsere eigenen Pfoten faugen werden wie die Bären im Winter!"
Ich sagte ja gleich, wir sollten durch bewohnte Gegenden marschieren, erklärte belehrend der„ Student".
,, Was du schlau bist!" höhnte der Soldat. Was gibt's denn hier für bewohnte Gegenden? Der Teufel mag wissen, wo sie sind!" Der Student" schwieg und kniff die Lippen zusammen. Die Sonne ging unter, und die Wolfen am Horizont spielten in den
Der Reklameheld.
„ Die Welt foll für einige Minuten meine Stimme hören, damit sie sich überzeugt, daß sich ihr klang nicht verändert hat. Ebenso wie ich versichern kann, daß mein Herz- froß Matteotti und Amendola nicht schneller schlägt."
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verschiedensten, mit Worten nicht wiederzugebenden Farben. Es roch nach Erde und Salz. Und durch diesen trockenen, angenehmen Geruch wurde unser Appetit noch verstärkt.
Der Magen fnurrie, eine sonderbare, unangenehme Empfindung, als ob die Säfte aus allen Muskeln des Körpers langsam herausfließen, verdampfen und dadurch die Muskeln ihre Spannkraft verlieren. Ein Gefühl stechender Trockenheit erfüllte die Mundhöhle und den Schlund, im Kopfe drehte fich alles, und vor den Augen flimmerten unausgefeßt dunkle Flecke. Bisweilen nahmen diese Flede die Gestalt rauchender Klumpen Fleisch, großer Stüde Brot an; die Erinnerung verfah diese„ Bisionen der Bergangenheit" mit dem ihnen eigentümlichen Geruch, und dann war es, als ob im Magen ein Messer umgedreht würde.
Wir gingen, indem wir einander unsere Gefühle schilderten und scharf nach allen Seiten Umschau hielten, ob sich nicht irgendwo cine Schafherde blicken ließe, und horchten, ob nicht das durch
bringende Knarren der zweiräderigen Tatarenwagen zu hören wäre, auf denen man Früchte auf den Markt zu bringen pflegt. Aber die Steppe blieb leer und schweigfam.
Wassermelonen gegessen und waren ungefähr vierzig Werst marAm Abend vorher hatten wir vier Pfund Schwarzbrot und fünf schiert die Ausgabe entsprach also nicht der Einnahme! und als wir auf dem Marktplatz der Stadt eingeschlafen waren, hatte uns der Hunger wieder erweckt.
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Mit Recht hatte der„ Etudent" geraten, uns nicht schlafen zu legen, sondern uns die Nacht hindurch zu beschäftigen... irgend wie... aber in anständiger Gesellschaft ist es nicht üblich, über Pläne zur Verlegung des Eigentumsrechts zu sprechen, und ich schweige lieber. Ich will nur wahr sein, und es liegt nicht in meiner Absicht, brutal zu werden. Ich weiß, daß die Menschen immer weichherziger werden in unseren hochkultivierten Tagen, und daß man jogar, wenn man seinem lieben Nächsten an die Kehle springt mit der offenbaren Absicht, ihn ins bessere Jenseits zu spedieren, -daß man sich sogar dabei bemüht, dies mit der größtmöglichen Liebenswürdigkeit und unter Beachtung aller für diesen Augenblick passenden Rücksichten zu tun. Die Erfahrungen, welche ich an meiner schwung zu registrieren und festzustellen, daß sich in dieser Welt alles eigenen Stehle gemacht habe, veranlassen mich, diesen sittlichen Aufentwidelt und vervollkommnet. Im speziellen wird dieser Fortentwickelt und vervollkommnet. Im speziellen wird dieser Fortschritt sinnfällig bekräftigt durch das stetige Wachstum der Gefängnisse, Kneipen und Bordelle...
( Fortseßung folgt.)
Verjüngung und Zuchtverbesserung.
Bon Otto Deigner.
Im Kampf gegen das Altern ist kein Stillstand eingetreten, wenn auch die Deffentlichkeit nur spärlich Nachrichten über Fortschritte und Wandlungen der Operations- und Arwendungsmethodit erhält. Einer von den menigen, die auf diesem Gebiet wohl bekannt sind, ist der Pariser Biologe und Arzt Dr. Sergius Boronoff, berühmt geworden dadurch, daß er durch Ueberpflanzung der Reim drüsen von Affen die alternde Menschheit zu„ verjüngen" trachtet. Damit nicht zufrieden, verlegt er nun sein Betätigungsfeld auch auf die Tierwelt, die ihm bisher nur Versuchsobjekte für die Prüfung Der Methode lieferte. Voronoffs Motive find rein ökonomischer Natur. Er will 3uchtverbesserung beim Haustier schaffen. Sein Berfahren ist gleich dem des Wiener Physiologen Prof. Steinach Ueberpflanzung oder Transplantation. Nur geht Boronoff hierbei wesentlich anders vor. Prof. Steinach transplantierte die Keimdrüsen beim Versuchstier in das Bauchfell. Voronoff hingegen pflanzt in die unmittelbare Nähe der an ihrem Blah belassenen Reimpflanzt in die unmittelbare Nähe der an ihrem Blag belaffenen Reimbrüsen Teile der Keimdrüfen eines jungen Tieres ein. Die Transplantate verwachsen und treten in Funktion. Sondern Hormone ab, Stoffe, die zur Regulierung des gesamten Drüsensystems mit bei tragen, aber auch im ganzen Organismus eine wichtige Rolle spielen. Die Operation tann die Alterserscheinungen beheben, fie fann ber jüngen", fie permcg außerdem bei jüngeren, noch geschlechtsreifen
Beilage des Vorwärts
Tieren eine Erhöhung der Keimdrüsentätigkeit hervorzurufen. Auf ihr basiert die Zuchtverbesserung.
Das Schwinden der Alterserscheinungen fonnte man beispielsweise an einem Widder im Alter von zwölf Jahren, einem Tier mit allen Anzeichen greifenhaften Verfalls, beobachten. Seine Beine zitterten, seine Augen waren trübe, dürftig die Wolle und stellenweise Bidders ein. Und bereits drei Monate später sah das fenile Tier ganz fehlend. Man pflanzte ihm die Keimdrüsen eines zweijährigen verwandelt aus. Kein Zittern der Beine, fein furchtsamer Eindruck mehr, dichtes Fell begann den Körper zu bedecken, die Freßluft kam wieder, der feruelle Instinkt erwachte. Boronoff führt dies als ein Beispiel unter vielen an, die er an Widdern anstellte. Die Wolle der verjüngten Tiere ist nach fachmännischer Untersuchung von guter Beschaffenheit und steht an Menge hinter der junger Tiere feineswegs zurück. Zusammengefaßt ergibt also die lleberpflanzung einer dritten Keimdrüse reichliche und lange Wolle, sie erhöht das Gewicht des Tieres und die Menge des Fleisches, verlängert die Zeit, in der die Tiere Wolle liefern fönnen.
Wolle brauchen alle Länder. Fast kein Land besitzt aber soviel, um den Bedarf zu decken. So befizt z. B. Frankreich etwa 27% Millionen Schafe und muß dennoch für 2 Milliarden Wolle in England faufen. Außer England mit seinen Dominions weisen nur Rußland ( nach früheren Statistiken), die Bereinigten Staaten und Argentinien genügenden Schafbestand auf. Die meisten Länder haben alfo Aufbesserung nötig. Bodenbeschaffenheit und bearbeitung begrenzen die Zahl des Kleinviehs in Europa . Die Zahl der Schafe tann nicht erhöht werden. Aber ihre Qualität fann es, meint Voronoff. Man muß den Fleisch- und Wollertrag durch Transplantation steigern. Alle drei oder vier Monate aften Lämmer einer Herde müßten operiert werden. Schon 1% oder 2 Jahre alt, würden sie weicheres Fell und längere Wolle liefern. Die Vererbung sollte die Erhaltung dieser erworbenen Eigenschaften bei den Nachkommen besorgen. Das aber ist der springende Punkt. Denn die Mehrzahl der Bererbungsforscher lehnt diese Art der Vererbung ab, obwohl andererseits namhafte Biologen durch geglückte Experimente das Gegenteil bewiesen. Boronoff glaubt an die Vererbung erworbener Eigenschaften und denkt daran, sie bei der folgenden Generation durch neuerliche Transplantation zu festigen. Durch Kreuzung innerhalb der Versuchsgenerationen und durch Operationen mehrere Geschlechter fort werden dann die Eigenschaften konstant. So erhält man Widder mit vorzüglicher langer Wolle, die ihre Eigenschaften bererben könnten. Diese Zuchtwidder müßten unter die Herden jeder Gegend verteilt werden und würden sich hier fortpflanzen. Boronoff spricht auch von Anwendung dieser Methode beim Rindvich, bei Gestüten, bei Schweinen. In manchen Kolonien ist der Gebrauch des Pfluges noch unbekannt. Es fehlt an Zugtieren. Ihre Einführung aus anderen Erdteilen scheitert an der undurchführbaren Attlimatisation. Unterernährung der eingeborenen Bevölkerung ist in diesen Gebieten Regel. Es herrscht Not an Fleischnahrung. Kindersterblichkeit und mangelnder Bevölkerungszuwachs find vor allem auf die Unterernährung zurückzuführen. Die Biehfrage ist daher von großer Bedeutung für die Kolonien. Die Ueberpflanzung der Zirbeldrüse, die das Bachstum reguliert, fönnte im Berein mit überpflanzten Keim
drüsen viel bewirken. Die eingeborenen Rinder würden ihren Wuchs erhöhen, ihre Energie, ihre Muskelkraft, ihr Zeugungsvermögen sich steigern.
Boronoff beschäftigt als Direktor des Laboratoriums für eg perimentelle Chirurgie des Collège de France bereits mehrere Tierärzte, um die neue Zuchtverbesserungsmethode in den Kolonien zur hat Boronoffs Borschlag, drei Generationen von Schafen hinterein Anwendung zu bringen. Das Generalgouvernement von Algier ander zu transplantieren, angenommen. Diese Arbeit wird 5 bis 6 Jahre benötigen.
Die Berwirklichung des Voronoffschen Verfahrens veröffentlicht zweifache Perspektiven: Einmal die wirtschaftliche Hebung in vielen Gebieten, andererseits aber auch die Möglichkeit, den theoretischen Kampf um die Vererbung erworbener Eigenschaften durch einen praktisch gewonnenen Beleg der Entscheidung näherzubringen.
Ein unphilosophischer Philosoph.
( 3u Bacons 300. Todestage, dem 9. April.) Jacob Burckhardt macht an einer Stelle seines Cicerone" dem Maler Perugino den Vormurf der Unehrlichkeit, weil er die frömmsten Madonnenbilder malte, obgleich es nach den Angaben der Zeitgenossen mit seiner Religion nicht sehr gut bestellt war. Mit viel größerem Recht hat man immer wieder gegen Francis Bacon , den Vorwurf erhoben, daß zwischen feinem Leben und feiner Lehre ein großen Philosophen, der die moderne Wissenschaft begründete, den tiefer 3wiespalt flaffe. Diefer geniale Denter und umfassende Gelehrte war ein strupelloser Streber, der sich durch Undankbarkeit, Kriecherei und Heuchelei den Weg zu den höchsten Staatsstellen bahnte, und als er schließlich als Großkanzler Englands alle feine eigennützigen Wünsche befriedigt hatte, folgte der schreckliche Sturz von der Höhe, da ihm Bestechungen nachgewiesen wurden, so daß verbringen mußte. Besonders Macaulay ist in seinem Essay über er den Rest seines Lebens in Berbannung und Zurückgezogenheit Bacon mit ihm sehr streng ins Gericht gegangen. Hätte er nicht mit den bedenklichen Mitteln nach äußerer Macht und Ehre gestrebt." sagt er ,,, würde Bacon nicht bloß einen großen, sondern auch einen fleckenlosen Namen hinterlassen haben. Wir würden dann nicht genötigt sein, feinen Charakter mit einer Mischung von Berachtung und Bewunderung, von Abneigung und Dankbarkeit zu betrachten, mir würden dann nicht beklagen, baß es so viele Beweise der Enge und Zeitalter umfaßte. Wir würden dann nicht über die Falschheit des Selbstfucht eines Herzens gibt, das gleichwohl alle Stämme und alle leidenschaftlichsten Berehrers der Wahrheit, über den Knechtsinn des fühnsten Vorfämpfers geistiger Freiheit zu erröten haben. Wir müßten dann nicht zugeben, daß der, der zuerst die Gesezgebung als Wissenschaft behandelte, zu den letzten Engländern gehörte, welche die Folter anwendeten; daß der, welcher zuerst die Philosophen zu dem großen Wert der Erforschung der Natur aufbot, die Gerechtigfeit verkaufte. Und wir würden uns nicht wie jetzt von dem bunten Schauspiel so vielen Ruhmes und so vieler Schande mit Abscheu wegwenden."
Es sind Bacon gegen folche Berurteilung beredte Berteidiger erstanden, so besonders in Kuno Fischer , und zweifellos find die Maßstäbe, mit denen der liberale Historiker des 19. Jahrhunderts die Handlungen des großen Mannes maß, sehr verschieden von denen, nach denen das Zeitalter der Renaissance die Menschen beurteilte. Ein solcher Renaissancemensch, ungeheuer in seinem Wirken und Denten, aber auch maßlos in seinem Fehlen, ist Bacon gewesen. So unbegreiflich war die Kühnheit seines Dentens und die Schärfe feiner Beobachtungsgabe, daß man fogar auf den absurden Gedanken tommen tonnie, ihm neben dem Ruhm des größten Philosophen feiner Beit auch noch den des größten Dichters auzuerkennen und ihm Shakespeares Dramen zuzuschreiben. Aber die Poesie lag dem fühlen Rechner fern. Bis zum letzten Atemzuge ist er der unbeirrbare Erforscher der Natur, der große Apostel des Experiments gewesen. In dem talten Frühjahr 1626, als noch Schnee lag, wollte er er. proben, wie weit der Schnee tierische Stoffe vor Fäulnis bewahren Pönne; er faufte fich einen Bogel unb ftopfte ihn eigenhändig mit Schnee aus. Dabei holte er sich eine Erfältung, die ihn aufs Sterbelager warf. Aber noch in seinem letzten Brief, den er nit Fingern fchrieb, die, wie er fagte, teine Feber halten fonnten, erwähnte er Doll Stolz, daß der Versuch mit dem Vogel ausgezeichnet gelungen" fei,