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Lrettag, 16. ftprtl 1626

Staötverorönetenbesthlüjse zur Erwerbslosennot

Die Berliner Stadtverordnetenversammlung hatte sich gestern wieder mit der Frage besonderer Mahnahmen für Erwerbslose zu beschäftigen. Di« Forderung der Kommunisten, daß für Erwerbolosenoersammlungen die Stadt un» entgeltlichRäumeberettstellensoll. wurde auch von der sozialdemokratischen Fraktion unterstützt. Aber unsere Redner Genosse K a y s e r und Genosse e t l m a n n betonten, datz selbstverständlich die Gewerkschaften die gegeben« Vertretung auch der zurzeit arbeitslosen Arbeiter sind. Als die Bedingung, der Antrag aus .Vergabe solcher Räume müsse von den Tewertschosten ausgehen, eingefügt worden war. verloren die Kommunisten den G« s ch m a ck a n d« r E a ch e. In der Schlutzabsttmmung boten ste das Schauspiel, daß sie dem Antrag auf unentgeltliche Hergabe von Baumen für Erwerbslosenversammlungen jetzt die Unterstützung ver« sagten. Der Haß gegen die Gewerkschaften hatte die Kommunisten blind gemacht, aber sie konnten den Beschluß nicht ver« hindern. Nachher gab e,«ine größere Debatte über mehrere au, dem Ausschuß zurückkommend« kommunistisch« Anträge für die Erwerbslosen. Den Rednern der rechtsstehenden Fraktionen und auch der kommunistischen Fraktion antwortete unser Genosie II r i ch mit der Feststellung, daß sie in dem Ausschuß ihr« von Er werbslosensreundlichteit triefenden Reden nicht so zum besten gegeben haben, weil dort hinter verschlossenen Türen verhandelt wird und die Oeffentlichkeit nichts von den Reden hört. Wer die R o t d e r E r» werbslosen zu politischen Zwecken ausnützt, werde sagte der sozialdemokratische Redner an diesem Treiben zu» iuundegehen. E, verstand sich von selbst, daß die sozialdemokratische Fraktion für die vom Ausschuß vorgeschlagenen Beschlüsi« stimmte. Die Abstimmung ergab Beschlüsse auf Gewährung von Sonder» b e i h i l f e n bei länger al» IZ Wochen dauernder Erweibslosigkelt, n»s Richtanrechnung der Krieg, renten bei Erwerbs» losenunterstützung. auf Zahlung von Mietbeihilfe auch an Unterstützungsempfänger ohne«igen« Wohnung. Diesen Beschlüssen wird hoffentlich der Magistrat zustimmen. Die gestern abgehaltene Sitzung der Stadtverordneten wurde vom Dorsteher, Genossen Haß. erst um Uhr«räsinet. Don den Sozialdemokraten und den Kommunisten war«in Dringlich» keitsantrag eingegangen, den Mogistrot zu ersuchen, den städ- tischen Arbeitern und Angestellten, die den I. Mai seiern n-ollicn, den dazu benötigten Urlaub zu gewähren. sLachen bei den Deutschnationalen.) Die Kommunisten beantragte» dringlich, dem Kartellverband für Arbeitersport und Sörperpilege zur Durchsüh» rung einer Arbettersportwerbewoche läOGO M. zu be­willigen. Beiden Anträgen wurde von der Rechten die Dnnglichlest p'.rsagt. 5m Rahmen der Tagesordnung kam dann zunächst«ine Anfrage der KBD. wegen der SfeummterWaguagm der Stndkinspeklorei, Schulz und Gebhardt m den Bezirksämtern Kreuzberg und Mitte zur Besprechung. Nach der Begründung durch Stadtverordneten Gehlmmm gab sich Stadt». DTerfel von den Deutschnetionalen alle Mühe, die Desraudanten al» den Linksparteien zugehörig binziistcllen Genosse Rlese protesrierle namens unserer Partei gegen dia Unterstellung und betonte, daß die beiden Beamten ebenso wie der Steuerdezernent im Bezirk durchai-« rechtsstehende Leute sind. Allerdings sei der Bezirtebürger» meist« Sozialdemokrat, da» scheine der Grund für die Angriff« der Deutschnationalen zu sein. Ein« länger« Debatte rief die Anfrag« der Zentrumsfraktion wegen der verschandelung des Opernhausplahe» und der Front der Hedwigskirche durch den Umbau des Opernhauses hervor. Stadtrat Genosie wutzki gab im Austrage des Mogistrats zu. naß natürlich über die ästhetische und städteCanliche Seite der irrage gestritten werden könne. Uebcr allen Bedenken stände aber die Noimendigkeit der Sorge für die Sicherheit der Opcrnl>ous- belucher und de» Personal». Die Kommunisten hatten beantragt, den Erwerbslosen Schulräume zu Versammlungen un» entgeltlich zu überlassen. 5m Namen der sozialdemo-

kratischen Fraktion sprach Genosse Kayser. Er betont,, daß die Vozialdemo traten die Gewerkschaften als die berusenea Vertreter der Erwerbslosen betrachten und daß deshalb unsere Fraktion den Zusatzantrag stelle, daß die Anträge auf kostenlose Ueberlassung der Schulräume von den Gewerkschaften ausgehen müßten, wenn sie Berücksichtigung finden sollen Der Redner der K o in m u n i st e n entdeckt«,daß die Sozialdemokraten die Gewerkschaften als Vertreter der Erwerbs- losen betrachten". Unser Genosse Heitmann sagte dem kommuni- stischen Neuling auf gewerkschaftlichem Gebiet, daß die Sozialdemo. kratie grundsätzlich aus dem erwähnten Standpunkt stehe und nicht davon abzugehen gedenke. Die kommunistischenErwerbs- loseufreunde" brachten es fertig, mit den Deutschnationalen gemeinsam für eine nochmalige Rückoerwelsung an den Ausschuß zu stimmen, d. h. die Sache zu verschleppen. Erst unsere Frok- tion ermöglichte durch ihre Zustimmung zu dem Antrag die schnelle Erledigung. Der Erwerbslosenausschuß hatte der Versammlung empfohlen, zu beschließen, die Bezlrtswohlsahrtsämter anzuweisen. b_en Erwerbslosen, die länger ol» 1Z Wochen arbeitslos sind, Sonderbeihilfen zu gewähren, um Ihre Existenzmöglich- keit zu sichern. Ebenso sollte die Versammlung beschließen, daß der Magistrat beim Reichsarbeitsministerium vorstellig werden soll, um zu erreichen, daß den arbeitslos gewordenen Kriegsopfern nicht mehr die Renten auf die Erwerbslosenunterstützung angerechnet werden. Die Aussprache darüber war sehr lebhaft, namentlich, als die Deutschnationalen. ihren Renommlerarbeiter vorschickten. der von den Komnninistcn mit Zurufen reichlich bedacht wurde. Genosse Urich sagte den Herrschasten von rechts und link» einige bittere Wahrheiten. Er hielt Ihnen vor. daß sie überall da ver- sagen, wo den Erwerbslosen wirklich geholfen werden kann. Sie dekümmern sich nur erst dann um die Erwerbslosen, wenn sie deren Rot agitatorisch ausnutzen können. Auch die Erwerbslosen werden da» noch erkennen. Sie werden aber auch erkennen und haben schon gemerkt, daß die sozialdemo- kratlsche Fraktion wirklich mit großem Ernst überall da zu finden ist, wo den Erwerbslosen wirklich geholfen werden kann. Genosse Urich stellte ausdrücklich fest, daß die Kommunisten ihren Antrag wegen der Aenderung der Eni» lafsungspapiere der am Streit beteiligten Notstandsarbeiter in den R e h b« r g e n im Ausschuß zurückgezogen haben, weil sie .in direkten Berhandlungen mit dem Bezirksamt Wedding zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen seien". Urich machte diese Fest» stellung deshalb, weil die Kommunisten mit dieser Angelegenheit immer noch aus den Dummenfang gehen. Als Vorsitzender des Erwerbslosenausschusses und Berichterstatter erklärte Genosse heil- mann im Schlußwort, daß, entgegen den Plenarverhandlungen, die Lusschiißsstznngen immer sachlich verlausen! er bot um An- nahm« der Aiisschußempsehlunqen'. was denn auch geschah. An den Magistrat wurde in der Erwcrbslosenangeleaenheit ferner noch da» Ersuchen gerichtet, die Bezirksämter anzuweisen, auch den unver- heirateten Erwerbslosen M i e t b e i h i l s« n zu g e- währen._ Gin kommunistisches Manöver! Don der Zentrolkommlsston für Arbeitersport und Körperpflege wird un» geschrieben: Die ZK. hat ihren Berbänden empfahlen, sich an der Aeichsgesundheitswoch« in würdiger Form zu beteiligen unter Beobachtung der für das Zu. sammemvirken mit bürgerlichen Verbänden bestehenden Richtlinien. Di« verbände haben in diesem Sinn« gehandelt. Eine Ausnahme davon macht wieder einmal der Berliner Kartelloerbond, der unter kommunistischem Einfluß steht. Er hat den kindlich anmuten» den Einfall, gehabt, die Gewerkschaften, die Sozialdemokratisch« Par. tei und einige andere zu den Kommunisten im Gegensatz stehend« Or- ganisationen in seine Gefolgschaft bringen zu wollen, um sie für eine kommunistische Gegendemonstration zu miß. brauchen. Dabei mußt« man vorher wisien, daß die genannten Or- Sanisationen es ablehnen würden, sich mißbrauchen zu lassen. Es at den Anschein, oi» ob die Einladung nur aus dem Grunde erfolgt sei, um sich für die Heranziehung der kommunistischen Organisationen einen Freibrief zu verschassen. Jedenfalls hat die Zentrolkommlssion nicht nur nichts mit dielen Machenschaften zu tun, sondern sie w o r n t ausdrücklich ihre Aichänger, sich an diesem Mißbrauch der Reichsgesundheitvwoche zu beteiligen.

Unterredung mit Gevatter Storch. Berlin ist Heil widerfahren, und zwar gleich an zwei Stellen. In Charlottenburg , auf dem Dachfirst des Hause» Kaiserdamm 20, ließ sich an einem dieser schönen Abende«in Storch zur Ruhe nieder und verweilte noch dort, als die übermüdeten Besucher des Sechs» tagerennens den anderen Morgen um sechs der Untergrundbahn zu- strebten. Die ganz« Nacht stand er aus einem Bein und erst bei der ausgehenden Sonne machte er große Morgentoilette. Der zweite Storch stolzierte am Morgen auf der Spielwiese des Schillerparks im Berliner Norden gravitätisch einher. Ein Anblick, der die mor- gens zur Arbeit gehenden Männer und Jünglinge mit Staunen und heiligem Schrecken erfüllte. Nach einigen Bemühungen gelang es. ein« Unterredung mit Ge» vatter Storch zu erhalten, der mit lebhaftem Klappern feinen Ein- druck über die Steinwüste Berlin mitteilte. Di« dringende Bitte, doch mit auf die Redaktion zu kommen, lehnte er leider ab. Er müsse sofort vcn diesen froschlosen Wiesen abreisen, die Verpflegung hapere sehr, auch sei er kein Redaktionsmaitäfer. Bei der furchtbaren Woh- nungsnot könne er es dazu nicht verantworten, die Gemüter noch mehr mit Zukunftssorgen zu erfüllen. Auch habe sein Kollege vom Kotserdamm bereits rechtliche Schwierigkeilen mit dem Wohnungsamt gehabt, denn bei den Einzimmerwohnungen, und wenn, sie noch so hoch lägen, kämm gleich die behördlichen Schwierigkeiten, sie seien noch nicht eingetragen und zu beschlognahmefreien Wohnungen gc. höre«in Schiebereinkommen...Es muh nrch vieles besser werden," klapperte er,.bis Ich mich hier als heiliger Bogel fühlen kann." Aus tlf Frage, wohin die Reis« ginge, bemerkte er:.Nach Mecklenburg !" Aus die leise Andeutung, ob er sich vielleicht al» schwarzwelßroter Vogel dort wohler sühle, bemerkte er, daß er international sei und da» Kleid nicht die Gesinnung mache. Di« Augren der.Deutschen Ztg." hätten ihn umsonst mit Fröschen aus dem schwerindustriellen Sumps zu kapern gesucht: er klappere daraus. Leider lieh er sich nicht länger im Gespräch festhalten, er stolzierte noch einmal auf und ob. hüpfte aus einem Bein und segelte dann elegant in die Luft. Den guten Reisewunsch beantwortete er noch, einen Krei» über die Tautsch« Kolonie am Schillerpark ziehend, mit der lauten Mahnung: Baut Wohnungenl Baut Taut! Baut Taut! Auch der andere Storch hat Berlin verlassen, so daß der ominös« Storchenbesuch leider nur eine schöne Episode geblieben ist.

Heinrich Stlarz in Gewahrsam genommen. Seit mehreren Wochen wird bekanntlich vor dem großen Schössengericht Berlin-Mitte in der Sache Heinrich Sklarz verhandelt. Die lang« Verhandlungsdauer, die nicht zuletzt durch die Winkelzüge des Angeklagten, der ein schwerer Psychopath Ist, selbst verursacht wurde, hat ihn sehr mitgenommen. Er erlitt vor einigen Tagen»inen Nervenzusammenbruch, der die Beendigung der Verhandlung in Frage stellt. Ind.e» steht in wenigen Tagen der Schluß der Beweisaufnahme bevor. Sklarz erklärte aber, daß er vcrhandlungsunsähig sei. Da» Gericht berief deehald zur gestrigen Sitzung ein Konzilium von sechs Aerzten. Während fünf der Sach- verständigen sich für die Verhandlungeunfähigkeit Sklarz aus» sprachen, erklärte ihn Prof. Dr. Seele rt für verhandlungsfähig. Das Gericht machte sich die letzter« Ansicht zu eigen und beschloß. den Angeklagten zur unbehinderter Fortführung der Perhandlung in Gewahrsam zu nehmen. In der Begründung führte der vor- sitzende, Arnlsgerxinsrat K e ß» c r aus, daß die aus dem Angeklagten lastende seelische Depression nicht zuletzt durch seine eigene un- [achgemäße Lebensweise herbeigeführt worden sei. 5n er Zwilhastzelle de» Untersuchungsgefängnisses würde ihm die Mög, lichkeit geboten werden, unter ärztlicher Ueberwachuna«ine svch- gemäße Lebenswelse zu führen. Al» Protest gegen diesen Beschluß de» Gericht» legte darauf Sklarz's Verteilnger Rechtsanwalt Dr. Luliusburger die Verteidigung nieder. Ganz unabhängig von der Persönlichkeit des Herrn Sklarz wäre zu dem Beschluß des Gerichts folgende» zu sagen: Pom rechtlichen Stand» vunkte au», ist die persönlich« Freiheit auch eine» Angeklagten ein derart kostbares und durch die Reichsverfassung gewährleistete» Gütz daß die Freiheitsberaubung, die vom§ 230 StPO. für ähnliche Fälle vorgesehen wird, nur als äußerstes Mittel angewandt werden darf. Ob dieser äußerste Fall hier vorliegt, erscheint zwelfelhafti Aber auch psychologisch unhalkdar erscheint die Maßreoel. Der geringe Appetit und die Echlaslostgkeit de» Angeklagten sind wohl nichts anderes gls Folgeerscheinungen der durch die Gcrichtsver-

Zamile unter den Zedern. Ilj von yenrl Vordeavx. (Berechtigte Uebersetzung von 2. Kund«.) Die ganze Volksmasse hatte die Teppiche verlassen und bildete eine weite Runde rings um die Tänzer. Nur die Gruppe des Moslems beendete in Ruhe ihr Mahl, als wäre ihr unsere Feier ganz gleichgültig. Da bemerkte ich. daß Butros einen Plan verfolgte. Er hatte sich gestellt, als lächle er über die Beachtung, die seine Schwester dem violetten Kavalier zuteil werden ließ: aber in seinem Stolze verletzt, hatte er sich eine Rache ausaesonnen, und ich sah sie kommen, diese Rache. Mit einer Sicherheit ohnegleichen führte er den Tanz genau der Stelle zu, wo die Beia und 8ltka und ihr Gefolge saßen. Die Langsamkeit des Marsche», das scheinbare Zurückweichen bei jedem Schritt tonnte irreführen: Der Tanz avancierte trotzdem. Bald muhte Butro» al» erster auf den Teppich und die Speiseplatte treten. Wirrwarr in die Gruppe bringen. Und er verfolgte seinen Plan mit ver- bluffender Keckheit. Cr tat, als gäbe er sich seiner Inspiration hin und vergäße die Erde. Seine Augen verloren sich in den hohen Zweigen der alten Stämme. Ich und noch ein anderer hatten ihn verstanden. Während der rote Kavalier die Brauen runzelte, und in heftigen Zorn auszubrechen drohte, denn Butros Fuß mußt«, wenn er sich nicht entfernte, die Früchte seines Desserts zer- stampfen, sprang der violette Kavalier, nachdem er den Blick Pamilcs noch einmal gesucht hatte, ohne Hilfe der Hände empor und gab ruhig seinen Dienern den Befehl, die Teppiche und Körbe aufzuheben. Um Raum zu lassen, wich er dann einige Schritte zurück, wie wenn er an unseren Spielen Anteil nähme und sich mit uns vergnüge. Sein Gefährte, den diese Schwarbe empörte, wagte trotzdem nicht, ihm Dorbaltungen zu machen. Ich wandte mich nach meiner Verlobten um: auch ste hatte sich Rechenschaft über die Gefahr gegeben und ich glaubte am Rand ihrer schmalen Lippen«in rasch unter- drücktes Lächeln des Dankes wahrzunehmen. Butros. der nach seiner Berechnung sein Ziel erreicht zu hasten wähnte, war überrascht, daß er nur aus Rasen trat: er ließ sich herbei, niederzublicken. Er war von dem nur allzu leicht errungenen Siege so enttäuscht, daß er dendabte" jäh abbrechen ließ. Man glaubte ihn müde. ihn. der die Ermüdung nicht kannte. Er hatte mit dem Stolz der Beis von Atta gerechnet, denn er wollte«inen Streit berauf- beschwören. War das Terrain nicht gut gewählt? Konnte I

es gebilligt werden, daß Fremdling« das Fest unter den Zedern störten? Er hatte die öffentliche Meinung für sich und durfte ungestraft ihren Zorn entfesseln. Run aber hatte die Feigheit des Erbfeindes die Gelegenheit zunichte gemacht. Dieses plötzliche Abbrechen des Tanzes verriet außerdem deutlich feine Absicht und der Schelk Raschid-el-Hame. sein Vater, der Zurückhaltung anbefohlen hatte, würde es nicht ruhig hinnehmen, daß man seinem Gedeih zuwiderhandelte. Da rettete Tamile diese peinliche Situation. Sie sprang in den leeren, von den jungen Männern verlassenen Raum. Diese hatten sich ärgerlich und grollend entfernt, weil sie die Derstimmung ihres Führers nicht ver- standen. Sie gab den Musikern ein Zeichen, lächelte ihnen zu und begann nach ihrer schwermütigen und eintömgen Kantilene zu tanzen. Sie haben ein junges Mädchen in Bescherre tanzen sehen und Ihre Ucberraschung nicht ver- schwiegen, weil ich Ihnen sagte, daß sie nicht würdig sei. 'Zamiles Magd zu heißen. Das war aber trotzdem die Wahrheit. Wer nicht gesehen hat. wie sie an jenem Tage unter den Zedern tanzte, kann das nicht verstehen. Ihr Bild leuchtet noch in meinen alt gewordenen Augen. Sehen Sie sie nicht darin? Dann sollen meine Worte versucyen. sie Ihnen zu zeigen. Zu dem langsamen Rhythmus präludierte sie ent- sprechend. Die Schritte, die sie aussührte. glichen denen des dabke", nur streift« sie kaum den Rasen und beschädigte ihn nicht: so leicht war sie und schnellte in die Hähe. ohne sich von der Erde abzustoßen. Sie tanzte nicht, wie es üblich war, sie schien nur einer inneren Kaden.) zu folgen, welche ihr Gesetze vorschrieb. Während des Laufens lösten sich die Aermel ihrer flatternden Tunika und zeigten die weißen, bloßen Arm«, deren Schnee mir hätte gehören sollen; sie streckken sich bald gegen die Erde, als wollten sie alle Blumen zu ihr rufen, bald erhoben sie sich über ih�en Kopf und machten die Taille schmal, wie die einer Amphora. Zuweilen flirrte ein Sonnenstrahl durch die Zweige, erhaschte sie und drückte ihr seine Lichtküsse ans. Ihr rechtes Handgelenk um- spannte das goldene Armband, das Ich ihr bei unserer Ver- lobung gegeben hatte. Und auf der Stirn trug sie auch den Goldreif, der ihre Haare über den Wurzeln fesselte. Die in langen Zöpfen zusammengehaltene Haarflut flog auf, so daß die Goldzschinen gegeneinander stießen und mit ihrem Ee- klinget den Triumphmarsch begleiteten. Ihr« Züge spannten sich: die physische und geistige Anstrengung machten sie hart, aber der Ambrateint verwandelte sich zu einer Patina von rotem Gold, wie sie der Abend den Steinen Baalbeks ver­

leiht. Die leidenschaftlich erregten Augen hafteten an keinem Objekt; sie folgten einem unbekmmten Traum. Nach und nach aber nahm der Tanz an Geschwindigkeit zu. Sie bewegte sich in Drehungen und Balten so blitzschnell und sicher, daß sie an Seeoögel im Sturm erinnerte. Dann unter« brach sie unvermittelt ihren wilden Laus wie unsere arabischen Rosse, deren Galopp ein leiser Druck der Hand anhält; regungslos stand sie da und es schien, als schwebe st« über der Erde; so gestreckt war ihr Leib und so gestrafft ihre Beine. Ich erinnerte mich, daß nach der Bibel aus welcher wir einige Bruchstücke in de? Schule zu Antura auswendig lernten Absalom , König Davids Sohn, auf der Flucht vor seinem Later schwebend hängen blieb am Zweig eines Baumes, wo Ihn Ioab , der ihn verfolgte, mit drei Pfeilen durchbohrte. Tamile, dle sich in die Luft im Schatten einer der größten Zedern reckte ihr aufgelöstes Haar war von königlichem Diadem gekrönt erschien in dieser Der- sammlung von Zeugen fernster Vergangenheit wie da« Symbol der Jugend, der Schönheit und der Liebe. Und in einer seltsamen Ideenverbinduna schien sie mir jenem Absalom zu gleichen, der das Entsetzen vor dem nahen Tode empfindet. Haben wir nicht Bisionen aus der Ferne und konnte ich damals ahnen, daß der Ort ihres Triumphes eines Tages auch der ihrer Qual sein wird? Die Zuschauer tiberschütteten sie mit reichem Beifall. Sie «Igte sich unempfindlich dafür und man hätte sie für ein ~esen überirdischer Art halten können, wenn nicht Schweiß- tropfen aus ihrem Fleisch pertten und ihre Schläfen benetzten. gleich Rinnsalen, welche die Schneeschmelze sprudeln machst Dieser Schweiß, der ihre Ermattung kunogab. rührte mich. stimmte mich weich. Ich hätte gewünscht, daß sie mir er- laubte. ihn abzutrocknen. Um sie zu beglückwünschen, nähert« ich mich ihr. Sie sah zu dem violetten Kavalier hinüber: vielleicht drückte er ihr leise seine Huldigung für den Tanz aus. Da wandte ich mich sofort von ihr ab. Aber zu meiner qroßen Verwunderung schritt Ihr Bater auf die Beis von Akka zu und bewillkommnete sie mit der Höflichkeit eines Grandseigneurs. Ohne Zweifel wollt« er mit orientalischer Diplomatie wir verstehen es, unsere» Feinden freundliche Mienen zu zeigen den schlechten Ein­druck verwischen, welchen Butros Drohung hervorgerufen hatte. Omar-Bei-el-Hussein empfing ihn liebenswürdig, um nicht zu sagen, unterwürfig: aber ich habe mir nach der furchtbaren Tragödie, die ich durchlebte, seit langem ge- schworen, gerecht zu sein. ?'Fortsetzung folgt.)