Nr. 179 ♦ 4Z. Jahrgang
1. Heilage ües Vorwärts
SooaabeaS, 17. �prll 1926
Das Lustballonörama. Auf der Blücherstraße in sonnenheller Nachmittagsstunde. Merk- würdig genug ist das Bild, das einige Neugierige wie zu stummem Mitspiel angelockt hat. Ein Mann, wohl in den vierziger Iahren. recht ärmlich gekleidet, verhandelt eifrig mit einem Kloftdroschken- chausseur. Er will gefahren werden. Gut. Aber das hat sein« Schwierigkeit. An der Stange, von der ein Bindfadenwald gestrafst in die Luft geht, hält der Fohrlustige eine Schwadron blaßgelber, ungewöhnlich großer Luftballons. Ein Verkäufer sicherlich, der sich eingedeckt hat, um in spätnächtlicher Stunde dem animierten Publi- kum der westlichen Dielen und Konzertrestaurants für billiges Geld, vielleicht nur für einige Pfennige Provision, ein anderes Amüsement zu bieten. Der Wogenführer deckt seinen geschlossenen Wagen ab und klappt die Wände zurück, um für die seltsame Fracht und ihren Begleiter Platz zu schaffen. Da— beim Einsteigen— passiert das Malheur. An einer Wagenkante bleibt der Ballonhändler hängen — und die entfesselte Schar gasgefüllter Hüllen steigt blitzesschnelle in die Sonnenluft. Immer weiter, immer weiter____ Ganz klein sind sie schon gewo.den. Wie zierliches Spielzeug sehen die gelblich schimmernden Nichtigkeiten einer schwitzenden Amüsierindustrie aus. Punkte nur noch, verschwinden sie jetzt in plötzlich scharfer Biegung links am Horizont. Das Publikum steht stumm grinsend da. halb verdutzt, halb bang— geängstigt. Und man denkt: das war viel- leicht sein ganzes Kapital. Es sollte ihm den Wochenunterhalt be- streiten. Der Unternehmer wird alles ersetzt haben wollen. Jetzt steht er verzweifelt da. Zu Hause wird eine ausgehungert« Frau aus ihn warten, zwei blasse, kränkelnde Kinder____ Genau so sah er aus. Der Mann steht noch ausrecht im Wagen. Zuerst macht er«in jäh entsetztes Gesicht und nun lächelt er so eigentümlich. Sonderbar. Aber hinter ihm, zehn Meter entfernt, aus der anderen Straßenseite, sieht. man sie kurbeln. Ein dicker, kleiner Mann, vom Eiser gerötet, dreht unermüdlich die Kurbel. Jawohl, es wird gefilmt. Und der Ausschnitt aus einer sozialen Tragödie war nur Kulisse, war sorgsam gestellte Szenerie in einem Film, den hier der Film- konzern i. J. Z. dreht. Man wird den geprellten Ballonoerkäuser auf der Leinwand begrüßen können.--- Grimassen... doppelt verletzend, weil wir doch Praxis über- genug haben. Mosaik aus Moabit . Einige hundert Menschen sind es, die Tag für Tag in beiden Kriminolgerichtsgebäuden in Moabit teils vorgeführt werden, teils aus ihren eigenen Behausungen erscheinen und von dem Einzel- richter, von den kleinen und großen Schöffengerichten, den Be- rufungsverhandlungen der Strafkammern usw. ihr Urteil entgegen- nehmen. So oder anders beanspruch: fast jeder Fall ein soziales Interesse. Jeder bedeutet einen kleinen Ausschnitt au, dem großen Drama Leben, bildet ein besonderes Kapitel im Kamps ums Dasein. Vater und Sohn. Der Sohn lebt mit Frau und Kind bei seinen Ellern als Unter- mieter. Er wie sein Dater sind ohne Arbeit. Die Mutter ist im Krankenhaus, die kleinen Geschwister verdienen noch nichts. Seine Krankenunterstützung beträgt 14 M., außerdem erhält die Frau Sänglingeuntersiüftung. Mil dem Wohlsahrtsvorsteher stehen Vater und Sohn aus gespanntem Fuße. Der Vater, ein kranker und leicht auibrousender Mensch, ist bereits wegen Widerstandes, Hausfriedens- bruches, Beleidigung und Körperverletzung mehrmals vorbestraft. Auch der Sohn ist wegen Widerstandes verurteilt. Einmol hat er vom Wohlfahrtsvorsteher schon Unterstützung erhalten. Diesmal bittet er ihn um 5 M. für Lebensmittel, wird aber abschlägig be- schieden, da er außer der Säuglingsunterstützung 14 M. Kranken- Unterstützung erhält. Für Vater und Geschwister hat ja nicht er zu sorgen. Er schimpft:„Du Luder, treffe ich dir mal aus der Straße, breche ich dir alle Knochen entzwei." Dann begibt sich der Vater zum Vorsteher. Die Sprechstunde ist schon aus, die Unterhaltung wickelt sich aus dem Flur ab. Der Alte braust aus:„Gibst du mir nichts, so breche ich bei dir ein" und klemmt den Fuß zwischen die Tür. Er wird fortgestoßen. Die Anklage lautete auf Beleidigung, Hausfriedensbruch und dergleichen mehr. Die Strafe? Der Sohn
soll 20 M., der Vater 50 M. Buße zahlen. Niemand weiß, wo sie das Geld hernehmen sollen. Die Asylisten. Er ist zum Arbeitshaus verurteilt— als Arbeitsscheuer. Und hat Berufung eingelegt, da er gern arbeiten würde, �wenn er nur Arbeit fände— so behauptet er wenigstens. Den Sommer über gibt es für ihn Arbeit auf dem Land«! im Winter lebt er aber schon seit Iahren im?ljyl.„Jetzt kommt der Sommer und da soll er ins Arbeitshaus. Nee!" Der Beweis der Arbeitsscheu kann nicht erbracht werden. Er darf wieder aufs Land— auf Wiedersehen in: Asyl!— Wieder ein Asylist. Weder Arbeitsscheuer noch Bettler— ein mehrfach bestrafter Einbrecher. Nach Verbüßung der letzten Strafe will er arbeiten. Er besorgt sich eine Schlafstelle und bittet die Wohlfahrtsstelle am Obdachlosenasyl für ihn das Mietgeld zu entrichten. Das kann aber nur bei Vorlegung einer Arbeitsbescheini- gung geschehen. Also: keine Arbeit, ohne Wohnung oder keine Woh- nung ohne Arbeit. Da oerschosst er sich eine gefälschte Arbeitsbe- scheinigung— und wird oerhaftet. Das Urteil: Drei Monate Ge- fängnis. Vach der Versöhnung. N. hatte mit seiner Frau Versöhnung gefeiert. Seine Freunde, die Ehouffeure, hatten das Paar zusammengeführt. Die Glut der neu entflammten Leidenschaft wurde mit Alkohol gelöscht. Und der Alkohol brannte derart im Hirn des Versöhnten, daß er auf dem Heimweg die Glosscheibe des Feuermelders einschlug und die Feuer- wehr alarmierte. Sie sauste heran, fand keine Arbeit und nahm nun den Uebeltäter, der in aller Seelenruhe am Feuermelder stehen- geblieben war, mit zum Polizeirevier Weshalb und wie er sich beim Feuermelder zu schassen gemacht hatte, tonnte er nicht sagen. Dafür erhielt er 80 M. Geldstrafe.
Negenperioöe in Sicht! Gewitter als Ouvertüre. Gestern abend zwischen �8 Uhr und �9 Uhr kam in Berlin ein kurzes, recht heftiges Frühjahrsgewitter zum Ausbruch. Solche Gewitter sind am Spätnochmittag und am Abend des Freitag zwischen Elbe und Oder auf der ganzen Strecke Berlin — Dresden zu verzeichnen gewesen Die Niederschlagswelle ging dann nach Osten weiter. Die Folge der Gewitter wird erheblicher Temperaturrück- gong und immer stärker« Neigung zu schlechtem Wetter sein. Mit dem Austritt von Westwinden und kühler, feuchter Luft ist mit Regen, und zwar für längere Frist zu rechnen. Ursache des Umschlags ist eine sehr umfangreiche isländische Depression, die rasch nach Osten zieht und in deren Bereich wir bereits gekommen sind. Nach kurzer Aufklärung in der Sonnabendnacht ist zuerst für die nächsten drei bis vier Tage mit ausgesprochen schlechtem Wetter, trübe und Regensällen zu reckinen. Eine ausgedehntere Niederschlags- Periode ist wahrscheinlich. Die schönen sommerlichen Frühlingstage sind vorüber. Die Baumblüte wird oerregnen, wenn die Wetter- nixen recht behalten._ Jugendherberge Meihnershof bleibt geschützt! Im Januar meldeten wir, daß gegen die Jugendherberge Meißnershof bei Hennigsdorf vom Kreiswohnungsamt Ost Havelland eine Beschlagnahme der Räum« be- o b s i ch t i g t worden sei. Dieses Vorgehen wäre durchaus u n b e- r e ch t i g t gewesen, weil Jugendherbergen jugendpslegerischer Or- ganisotionen durch Ausnahmebestimmungen gegen Beschlagnahme ihrer Räume geschützt sind. Meißnershof ist«ine von der wandern- den Jugend gern aufgesuchte' alte Jugendherberge, die der T o u r i st e n v e k e i n„Die Naturfreunde" vor mehr als zehn Jahren sich aus einem Bauernhof geschaffen hat. Zum Schutz dieser Jugendherberge hat im Januar auf ein« Beschwerde dos Jugendamt der Stadt Berlin sofort eingegrissen, und zwar vor Erscheinen von Zeitungsnachrichten, daß Meißners- Hof von Beschlagnahm« bedroht sei und den wandernden Jungen und Mädeln entzogen werden solle. Der damals von der„Roten Fahne" erhobene Vorwurf, das Jugendamt habe sich über Meißners- Hof ungünstig geäußert und hiermit.arbeiterfeindliche Arbeit ge- leistet", war Unsinn. Behauptet wurde, aus eine Anfrage des Kreiswohnungsamtes habe das Jugendamt erklärt, Meißnershof se! nicht als Jugendherberge zu betrachten. Tatsächlich hat das Jugend- omt niemals eine derartige Auskunft gegeben, sondern ein Anae- stellter der Wonderauskunftsstclle hat nur eine geschäilsmäßige Telephonfrag« des Kreiswohnungsamts Osthaoelland, ob Meißners-
Hof eine städtische Jugendherberge sei, ebenso geschäftsmäßig mit einem kurzen Nein beantwortet. Als das Jugendamt später von der Absicht einer Beschlagnahme erfuhr, griff es schleunigst ein. in- dem es dem Kreiswohnungsamt die Schutzbestimmungen für Jugendherbergen vorhielt und aus die einwand- freie jugendpflegerische Arbeit des Touristen- Vereins„Die Naturfreunde" hinwies. Das Jugendamt kündigte dem Kreiswohnungsamte auch an, daß bei einer etwa doch erfolgenden Beschlagnahme der Wohlfahrtsminister zur Entscheidung aufgerufen und für Meißnershof der gebührende Schutz beansprucht werden würde. Jetzt erfahren wir, daß der Kreisausschuß Ost- Havelland im März dem Berliner Jugendamt den abschließenden Bescheid gegeben hat:„Das Kreiswohnungsamt hat die von vem Touristenverein„Die Naturfreunde" benutzten Räume in Meißners- Hof nicht beschlagnahmt. Eine Inanspruchnahme der Räume kommt auch für die Zukunft nicht in Frage." Hiermit ist, dank dem Eingreifen des Jugendamts, der Weiterbe st and von Meißnershof als Jugendherberge gesichert. Jeder Freund unserer wandernden Jungen und Mädel wird dieses Erfolges sich freuen.__ Sieülungspolitifche Zorüerungen. Das Aktionskomitee für Boden-, Siedlung?- und Wohnung». Politik hat in seiner letzten Sitzung einstimmig beschlossen:„Der Reichsregierung mitzuteilen, daß dos Aktionskomitee von ihr die baldige Einbringung des Bodenreformgesetzentwurses des Ständigen Beirats für Heimstättenwesen beim Reichsarbeitsministerium vom 22. März 1926 beim Reichstag erwartet, und daß die dem Aktions- komitee angeschlossenen Organisationen für die Annahme dieses Ge- setzentwurfes im Reichstage mit allen Mitteln energisch agitieren werden." An der Beschlußfassung beteiligten sich Vertreter folgender Organisationen: Heimstättenomt der Deutschen Beamtenschast lLu- bahn), Deutscher Gewerkschastsbund(Böhme, Tressert), Verband der Deutschen Gewerkvereine, Hirsch-Duncker(Lange), Berband der weib- lichen Handels- und Bureouangestellten(Dr. Frieda Glaß), Arbeits- gemeinschast der Fachgewerkschaften(Dr. Beume), Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschlands (Reinhold), Reichsbund der Kriegsbeschädigten(Tauer ), Zentralverband deutscher Kriegsbe- schädigten(Stadsholt), Reichsbund Deutscher Mieter(Elaus), Mär- tische Scholle(Sck-.luckebier), Deutsches Heim(Schadewald). Gemein- nützige Siedlung G. m. b. H.(Siebenhaar), Bund Deutscher Boden- reformer(Noack). Des weiteren hat dos Aktionskomitee in ein- gehenden Beratungen Stellung genommen zu der leidigen Frage der Anliegerbeiträge bei Kleinwohnungsbauten und beschlossen:„Den zentralen Magistrat und die Stadtverordneten- Versammlung von Berlin zu ersuchen, mit aller nur möglichen Be- schleunigung durch Ortssatzung zu bestimmen, daß 1. n e u e W o b n- st r a ß e n möglichst einfach angelegt und die Kosten des Ausbaues der über eine dem Wohnungsverkehr genügende Straße überschießen- den Straßenbreite(etwa zur Ausnahme des Durchgangsverkehrs) der Gemeinde oder dem sonst in Betracht kommenden Träger dieser größeren gemeinnützigen Ausgabe auserlegt werden. Kann die Ge- meinde selbst solche Kosten nicht auf sich nehmen, so kann sie auf dem Wege der Ortsgesetzgebung die Kosten als Bauabgoben von einem größeren Interessentenkreise nach bestimmten Grundsätzen zurück- fordern. 2. Die noch dem 8 15 des Fluchtliniengesetzes vom 2. Juli 1875 bei Ansiedlungen zu entrichtenden Anliegerbeiträge bei Straßen. die ihrer Länge und Ausstattung nach als Wohnstraßen der Minder- bemittelten besonders geeignet erscheinen(Kleinwohnungsstroßen), ganz oder tellweise erlassen werden, sosern die Gebäude an diesen Straßen hauptsächlich für Kleinwohnungen oder für gemeinnützig« Einrichtungen zugunsten« der Minderbemittelten(Kinde rfürsoror. Fortbildung, Erholung u. dgl. m.) bestimmt sind, mindestens jedoch bis zur allgemeinen Regelung im Sinne des§ 115 des Preußischen Städtebaugesetzentwurses gestundet werden können. Die gestünde- ten Anliegerbeiträge sind unter hypothekarischer Sicherung im Grundbuch hinter der Hauszinssteuerhypothek auf dem Wege einer entgegenkommenden Amortisation zu erheben. 3. Die noch dem Fluchtliniengesetz unter dem künftigen Städtebaugesetz fälligen Anliegerbeiträge im Sinn« des Erlasses vom 4. Februar 1926(II. 3. 119) des Preußischen Ministers für Volkswohliahrt medergeschlaaen werden, wenn die Siedlungen an Straßen erstellt werden, die vor der Einführung der gegenwärtigen Währung erbaut worden sind. und wenn aus diese Straßen ein Auswertungsbetrag von Stadt- anleihen nicht entfällt. Anteilige Auswertungsbeträge von Stadt- anleihen sollen ebenfalls gestundet werden."— Dieser Beschluß soll auch dem preußischen Wohlsahrtsmirrister und dem Oberpräsidenten unterbreitet werden.
Zamile unter den Zedern. 121 von Henri Bordeaux. (Berechtigt« Ucbersetzung von I. Kunde.) Die Unterhaltung zwischen ihnen war durchaus unge- zwungen. Raschid-el-hame lobte mit Geste und Wort die Fuchsstute, welche der violette Kavalier bei seiner Annäherung bestiegen hatte. Das Pferd, das ich heute reite— Sie bewunderten es gestern beim Aufbruch— hat das gleiche Blut in den Adern und Sie sollen über seine Abstammung erfahren. „Sie heißt Tadmor." erwiderte in biederem Tone Omar- Bei,„weil ich mit ihr zu den Ruinen der Wüste, nach Baalbet und Damaskus ritt." Mir entging keines seiner Worte. Unser Scheik erkundigte sich, ob es in Akka keine Pferde zu kaufen gäbe, und die jungen Männer versprachen ihm, datz sie ihm welche mitbringen wollten. „Ich Hobe eine Stute, welche dieser gleicht," fügt« Omar, das Tier streichelnd, hinzu. „Was kostet es?" „Das weiß ich noch nicht." war die Antwort des Beis. So wird das Unglück durch diejenigen in die Häuser geführt, die ihm die Tür verschließen sollten. Der Bater Bamiles wurde aus übertriebener Höflichkeit und Vorsicht zum Verräter an uns. Er rief den Fremden in unser Haus und ösinete ihm so seine Wohnung. Mich entsetzte sein Borschlaa und Butros konnte seinen Zorn kaum meistern. Was mich beruhigte, war die Haltung Pamiles, Sie, auch sie, zeigte unruhige, bestürzte Mienen und sah nicht mehr zu dem violetten Kavalier auf. Wir kehrten gegen Abend na chBescherre zurück. Die muselmannischen Jäger waren vor uns von den Zedern auf- gebrochen. Während der Heimkehr schwiegen Yamile und ich. als hätten wir Grund, gegeneinander erzürnt zu sein. Aber niemand achtete darauf. Der Zwist Liebender geht nur diese selbst an. *Zch mußte mit meiner Mutter im Hause hames speisen. Als wir unsere Tischplätze einnahmen, fand ich auf meinem «in verschnürtes Paket. Die Tour hatte die Zungen gelöst, den Appetit angeregt und die Gäste waren ziemlich laut, so tonnte ich das mysteriöse Päckchen öffnen, obne die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Es enthielt den Ring, das Armband und den Goldreif: mein« Geschenke für Damile.� Bei uns hat ein« Braut das Recht, das Eheversprechen zu lösen. Aber das ist
ein Recht, von dem sie selten Gebrauch macht. Einmal fürchtet sie die Autorität des Daters, dessen Mißbilligung sie empfinden würde und dann befürchtet sie auch die schlechte Wirkung eines solchen Bruches, der wettere Bewerber abschrecken mußte. Aber wenn sie trotzdem den Entschluß gefaßt hat, ihren Eltern und der öffentlichen Meinung Trotz zu bieten, dann ist sie ver- pflichtet, den erhaltenen Schmuck zurückzuerstatten. Pamllie gab mir, ohne ein Wort zu sagen, auf diese Weise ihr Wort zurück. Ich war erstaunt, daß ich nicht hörte, wie mein herz vor all den Menschen brach: so silrchtbar war der Schreck für mich. Aber die herzen, welche brechen, tun das in der Stille. Da niemand Anteil zu nehmen schien, hatte auch ich die Kraft, zu schweigen und die drei Gegenstände an mich zu nehmen. So konnte ich dem jungen Mädchen den Zorn des Scheiks ersparen. Sie sah mich nur an Und mit welchem Blick der Angst, des Mitleids, der Trauer! Sie war nicht empfindungslos gegen mich, aber sie liebte mich nicht. Sie war mir dankbar für diese Selbstbeherrschung, der Heftigkeit und Ausbrüche wider- strebten. Ihr Entschluß hatte sie ganz blaß gemacht und sie fürchtete ihren Vater und Butros. Am kommenden Tag wollte ich mich mit ihr aussprechen. Aber ich gab mich keiner Täuschung hin. Die Strahlen der Sonne können sich nicht verbergen und die Wahrheit kann nicht ausgelöscht werden. Ahnt unsere Leidenschaft nicht im voraus ihr Glück und ihre Schmerzen? Die Entführung. Unsere Auseinandersetzung erfolgte— trotz der aufgehäuften Bitterkeit— in durchaus würdiger und ruhiger Weife. Im Jnnenhof des Hauses, am Rand des Brunnens, trafen wir uns. Das junge Mädchen erwartete mich da. Ich war fest entschlossen, nicht zu klagen. Klage erniedrigt und außerdem ist sie nutzlos. Die Liebe läßt sich nicht befehlen und es genügt schon, wenn man das Joch erträgt, das sie uns auflegt. „Ich habe verstanden, Pamile," sagt« ich zu ihr.„Du liebst mich nicht mehr." Bei uns ist das„Du" üblich, selbst im Gespräch mjt Fürsten oder Priestern, selbst wenn man sich an Gott wendet. Sie beugte den Kovf über das Wasser und erwiderte nichts: es war, als wenn sie das Schweigen vorgezogen hätte. Und vielleicht ist das Schweigen die einzige Würde derer, die nicht mehr geliebt werden. Auf mein:„Du liebst mich nicht mehr," antwortete sie schließlich:
„Doch!" Diese Antwort, die ich nicht erwartet hatte, gab mir sofort neue Hoffnung. Wir sind immer gleich berett zu hoffen, was wir wünschen. „Du liebst mich und willst mich doch nicht heiraten. Das verstehe ich nicht." X Ein wehes Lächeln huschte über ihr Gesicht �„Ich begreife es ebensowenig." „Man muß zu verstehen persuchen, Damile. Wir können beide nicht lügen. Wir wollen zusammen zu erkennen suchen, was uns trennt. Was gestern geschehen ist, ist schuld, nicht wahr?" Sie sah auf und widersprach:«Es ist gestern nichts geschehen." Es war ja auch wirklich nichts geschehen. Die Augen sprechen nicht. Die Augen haben keine Bewegungen. Und doch sprechen die Augen und ergreifen Besitz. Warum leugnete sie diese Vereinbarung der Augen, sie, die ihrem Vater und dem furchtbaren Butros trotzte, sie, die nicht davor zurückscheute, mir das herz zu brechen? Ich setzte, ziemlich empört, mein Befragen fort: „Da oben— unter den Zedern— vor dem Tanze— und noch später hat dich dieser Bai von Akka angesehen." Sie suchte meiner klaren Frage auszuweichen: „Alle haben mich angesehen. Ich bin nicht verschleiert wie die muselmanischen Frauen. Bist du auf olle Leute eifersüchtig?" „Ich bin nicht auf alle Leute eifersüchtig, aber auf Omar- Dei-el-hussein." Sie zitterte am ganzen Körper. Schon dieses Zittern war ein Bekenntnis. Aber ihr Mund sollte mir ein noch deutlicheres und unumwundenes Geständnis machen. „Ah!" erwiderte sie,„das ist also sein Name!" Und ich bin überzeugt, daß sie leise, um ihre Lippen damit zu kosen, die Silben wiederholte, die Silben, welche ich— ich selbst— sie soeben gelehrt hatte: Omar-Bei-el- Hussein. Zu erfahren, daß man nicht geliebt wird, ist grausam, aber zu hören, daß ein anderer geliebt wird, darin liegt das größte Entsetzen des Lebens. Ich selbst hatte meinem Rivalen einen Namen gegeben. Um mich noch mehr zu peinigen, um meinem Schmerz noch mehr Nahrung zu geben, stürmte ich auf sie ein. damit sie sich ganz verriete: „Pamile, du kannst einen Femd, du kannst einen Muse!- mann nicht lieben!"„,> (Fortsetzung folgt.1