Nr. 193 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 98
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
Maid
Sonntag, den 25. April 1926
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Der Kampf um den Volksentscheid beginnt.
Schroffe Regierungserklärung gegen das Enteignungsgeseh.
Amtlich wird mitgeteilt:
Die Reichsregierung hat befchloffen, den im Boltsbegehren verlangten Entwurf eines Gesetzes über Enfeignung der Fürstenvermögen dem Reichstag zu unterbreiten. Demgemäß hat der Reichsminifter des Innern eine entsprechende Borlage an den Reichstag gemacht, die Sonnabend nachmittag dorf eingegangen ist. Die Vorlage enthält einen Bericht, der das Zustandekommen des Boltsbegehrens feststellt. Dem Bericht find vier Anlagen beigefügt, nämlich der Gefehentwurf, eine Uebersicht über das Eintragungsergebnis, eine Darlegung der Reichsreglerung zu dem Gesetzentwurf und eine gutachtliche Aeußerung zu der Frage der Berfaffungsmäßigkeit diefes Entwurfs.
Die Darlegung der Reichsregierung führt aus: Die entschädigungslose Enteignung des gesamten Vermögens der Fürsten , wie sie der Entwurf vorsieht, widerspricht den Grundfäßen, die in einem Rechtsstaate die Grundlage für jeden Gefehgebungsakt zu bilden haben. Die Reichsregierung vermag daher den Inhalt des Entwurfs nicht als brauchbare Unterlage für die Auseinandersetzung zwischen den Ländern und den ehemals regierenden Fürstenhäusern anzusehen und spricht sich auf das ent. fchiedenste gegen die Annahme des Entwurfs durch den Reichstag aus.
Dagegen fann nach Ansicht der Reichsregierung eine ange messene Regelung der Auseinandersegungsfrage nach den Grundsäßen der zurzeit der Beratung des Rechtsausschusses des Reichstages unterliegenden Entwurfs eines Gesetzes über die ver mögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den deutschen Ländern und den vormals regierenden Fürstenhäusern( sogenannter Rom promißentwurf) erfolgen.
Die Regierung wird ihrerseits in Berfolg ihrer Erklärung vom 26. Januar 1926( Sten. Ber. des Reichstags G. 5146) das 3ustandekommen eines Rompromißentwurfs mit allen Mitteln fördern und hofft, daß auf diesem Wege für die Auseinandersetzung zwischen Fürsten und Ländern eine Rechtsgrundlage geschaffen wird, durch die sich der weitergehende Gefeßentwurf des Boltsbegehrens inhaltlich erübrigt.
Der Artikel 73 der Reichsverfassung schreibt vor: Dem Bolksbegehren muß ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf zu grunde liegen. Er ist von der Regierung unter Darlegung ihrer Stellungnahme dem Reichstag zu unterbreiten." Den Borschriften diefer Verfassungsbestimmung ist die Reichsregierung nachgefommen. In ihrer Stellungnahme wirft sie geschriebenes Recht und ungeschriebenes Recht durcheinander. Unter dem Gesichtspunkt des ungeschriebenen Rechts ist der Inhalt der Stellungnahme der Reichsregierung höchst es Unrecht.
Was soll es heißen, daß das Voltsbegehrensgefeß den Grundfäßen widerspräche, die in einem Rechtsstaat die Grundlage für jeden Gefeßgebungsatt zu bilden haben? Diese Grundfäße sind niedergelegt in der Reichsverfassung, in diesem Falle in den Artikeln 73 und 153. Das Fürstenenteignungsgesetz entspricht diesen Grundsäßen. Was will also die Regierung mit ihrer Darlegung?
Sie meint nicht die in der Reichsverfassung niedergelegten Grundsäge. Sie will nicht ein juristisches Urteil abgeben, sondern ein politisches und moralisches Werturteil, ein Wert urteil, das sich gegen die Unterzeichner des Boltsbegehrens richtet. Dasselbe Werturteil, das die Deutschnationalen in ihrer Agitation für die Fürsten fürzer und gröber, aber offener in die Worte gekleidet haben, das Volksbegehren bezwede Raub und Diebstah!!
Die 12% Millionen Staatsbürger, die das Volksbegehren unterzeichnet haben nicht die schlechtesten Deutschen , schrieb ein Organ einer Regierungspartei müffen fich von der Reichsregierung sagen lassen, daß sie die Grundsätze des Rechtsstaates zerbrechen wollen. Das ist ein Schlag ins Geficht diejer Staatsbürger aus allen Parteien.
Der oberste Grundsatz der Gesetzgebung eines Rechtsstaates, das mag die Regierung zur Notiz nehmen, ist Gerechtigteit! Die Reichsregierung aber schmäht die Staatsbürger, die nach Gerechtigkeit rufen und schont die Fürsten . War es Gerechtigkeit, was in der Inflationszeit vor sich gegangen ist? Entsprach der Prozeß der Enteignung von Millionen in der Inflation den Grundsätzen, die die Grundlagen eines Rechtsstaats bilden, entsprach diefen Grundfäßen die Schonung des Inflationserwerbs und Bermögens?
Und entsprach etwa die Methode des Erwerbs der Fürstenvermögen den Grundsägen. die in einem Rechtsstaat die Grundlage jedes Gefeßgebungsattes bilden müssen? Ist es die Aufgabe eines Rechtsstaates, sich schützend vor Vermögen zu stellen, die wider geschriebenes und ungeschriebenes Recht erworben worden sind, wenn die Stimme des Boltes im Namen der Gerechtigkeit verlangt, sie dem Wohle der Allgemeinheit dienstbar zu machen?
Wir wollen darüber mit der Reichsregierung nicht weiter rechten. Ihre Stellungnahme beweist, daß sie von dem Rechtsempfinden und dem Gerechtigkeitsgefühl der 12% Millionen Staatsbürger nicht der schlechtesten Deutschen ! eine Welt trennt.
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Aber die politische Bedeutung dieser Stellung nahme und ihre Folgen bedürfen der Erörterung. Die Reichsregierung hat mit den Vertretern der deutschnationalen Reichstagsfraktion über das Fürstenkompromis verhandelt. Das Ergebnis dieser Berhandlungen ist nicht bekannt. Betannt sind folgende Tatsachen: Gestern morgen stimmten im Rechtsausschuß die Deutschnationalen für eine Reihe von Bestimmungen des Fürstentompromisses, das fie bisher eben falls als ,, Raub und Diebstahl" bezeichnet hatten. Die Deutsche Boltspartei fucht die Deutschnationalen in die Regierung eins zubeziehen. Gestern abend veröffentlichte Graf Bestarp, der neue Parteivorsitzende der Deutschnationalen, in der ,, Kreuz- Zeitung " einen Auffah, deffen offensichtliches Bestreben. es ist, trot Locarno eine Brücke zur Regierung LutherStresemann zu schlagen. Der Russenvertrag foll diese Brücke bilden. Zwischen den Zeilen liest man. Mart, Reinhold, Külz müssen hinaus. Und die andere Brüde, das erkennt man jetzt deutlich, soll der gemeinsame Kampf der Deutschnationalen mit der Reichsregierung gegen den Boltsentscheid jein!
Westarp ruft zum Kampfe für die Fürsten gegen den Bolfsentscheid:
des Boltsbegehrens zu„ erübrigen"? Oder glaubt fie das Kompromiß mit den Deutschnationalen zustande bringen zu fönnen, mit deren Hilfe fie die von ihr selbst geforderte Zweidrittelmehrheit niemals erreichen fann? Die Reichsregierung hat aus dem Ergebnis des Boltsbegehrens nichts gelernt. Sie steht dem Schrei nach Gerech tigkeit, der sich mit so elementarer Gewalt aus dem Bolte erhoben hat, mit talter Verständnislosigkeit gegenüber. Seite. an Seite mit Weftarp und den Seinen will sie den Kampf aufnehmen für die Fürsten , gegen das Bolt! Das heißt, den Wolfsentscheid zu einem Kampf um die Frage gestalten: Rechtsturs oder nicht.
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Die Tatsachen sprechen dafür, daß die Reichsregierung die Annäherung an die Deutschnationalen, den Rechtsturs will. Ihre Haltung vor dem Boltsbegehren und nach dem Boltsbegehren war eine ununterbrochene Kette von Unfähigkeitsbeweisen. Diese Kette endet mit einer Provokation der Anhänger des Bolksbegehrens. Ihr Fürstentompromiß ist am Scheitern. Nun geht sie in eine große Auseinandersegumg. Der Kampf um den Boltsentscheid beginnt. Das Bolt hat das Wort: für Gerechtigkeit gegen die Fürsten , für den Schutz des obersten Grundsages eines Rechtsstaates gegen reaktionäre und monarchische Gewalten.c
Sein Verhältnis zum Locarno - Pakt.
Von Rudolf Brettscheid.
Amtlich meldet WIB.: Die Abmachungen mit der Sowjetregierung, über die bekanntlich seit längerer Zeit verhandelt worden ist, find im Laufe des heutigen Tages im Auswärtigen Amt unterzeichnet worden, und zwar auf deutscher Seite von dem Reichsminister des Auswärtigen Dr. Stresemann, auf ruffischer Seite von dem Botschafter Krestinsti. Der Wortlaut der Abmachungen wird voraussichtlich am nächsten Dienstag veröffentlicht werden.
Der vielbesprochene deutsch - russische Vertrag ist am Sonnabend von dem Außenminister Stresemann und dem Berliner Botschafter der Sowjetunion unterzeichnet worden. Am Montag wird er Gegenstand der Diskussion im Auswärtigen Ausschuß des Reichstages sein, und am Dienstag soll er, nachdem die übrigen Mächte von seinem Wortlaut in Kenntnis geseht sind, veröffentlicht werden.
,, Man nimmt an, daß der Abstimmungstag auf einen Sonntag Anfang Juni festgesetzt werden wird. Deshalb ist jetzt die wichtigste Aufgabe, mit der größten Kraft und Entschieden heit den Gegenstoß gegen das revolutionäre mit gemeinster Hehe und brufalstem Terrorismus verbundene Vorgehen der verbündeten Kommunisten und Sozialdemokraten zu führen. Die zwölfeinhaib Millionen Stimmen des Voltsbegehrens, zwei Millionen mehr als die Sozialdemokraten und Kommunisten bei der letzten Wahl erzielt haben, sind eine tiefernste Erscheinung. Diesem Erfolg bolichemistisch revolutionärer Heße und dieser Schlappe des Bürgertums muß nun endlich eine starte nationale Bewegung entgegengesezt Es ist gut, daß der Ungewißheit nun ein Ende bereitet werden. Es ist lebhaft zu begrüßen, wenn sich gemeinsame Seit der bekannten„ Times"-Meldung über die Ausschüsse verschiedener rechtsstehender Bar wird. teien und Verbände bilden, um sich für den Schutz des von schwebenden Verhandlungen waren allenthalben zum Teil recht Bolschewisten bedrohten Eigentums als der Grundlage unserer wilde Gerüchte über das Ziel der Besprechungen verbreitet. Gesellschaftsordnung mit kraftvoller Agitation einzusehen und der Vermutungen wurden angestellt, die man dann in Berlin geradezu fabelhaften Verwirrung entgegenzuwirken, die durch einen wieder als unbegründet bezeichnete, und es gab Erörterungen Lügenfeldzug ohnegleichen in den Köpfen der Maffen an hinüber und herüber, die die öffentliche Meinung beunruhigten gerichtet worden ist. Unſerer Partei liegt daneben und darüber und die schließlich eine Atmosphäre der Nervosität hinaus noch eine andere Aufgabe ob: wir wollen gerade jetzt mit in Europa schufen. Die Besorgnisse ließen sich wohl verstehen. besonderem Betennermut die Anhänglichkeit an die an Sowohl wegen des Zeitpunktes, zu dem der Abschluß des Bergestammten Dynastien und die geschichtliche Erinnerung trages angekündigt wurde, wie auch mit Rücksicht auf den vornehmlich auch an all dasjenige wachrufen, das Preußen und Eifer, mit dem gerade die Gegner der Locarno - Abmachungen Deutschland durch fünf Jahrhunderte hindurch dem Hohenzollern und des Völkerbundes in Deutschland von jeher den engeren hause zu verdanken hat, und wir wollen uns an das Gefühl für Anschluß an Rußland befürwortet haben. Wenn jegt, furze Anstand, Dankbarkeit und Treue wenden, die im deutschen Bolle Zeit nach der anti- englischen Osterrede Tschitscherins, troß allem, was geschehen, nicht erloschen sind und zu neuem Leben nach der brüsken, mit heftigen Angriffen gegen den Völkerentfacht werden müssen. Wir haben icht weniger denn je die Berbund gespickten Ablehnung der Beteiligung an der Entwaffanlaffung oder auch nur die Möglichkeit, den monarchischen nungskonferenz und nach dem Fiasto von Genf die deutsche Gedanken zurückzustellen. Es ist mir eine Genugtuung, daß es Regierung mit der Sowjetrepublik über einen Baft verhandelte, eine meiner ersten Aufgaben als Parteivorsitzender ist, für diesen so war es am Ende nicht verwunderlich, daß diejenigen, die Kampf alle Mann an Bord zu rufen." ihre Absichten nicht genauer fannten, die Befürchtung hegten, es könne das in Locarno Erreichte aufs Spiel gesezt werden.
Kampfanfage der Deutsch nationalen gegen den Bolfsentscheid, im Namen des monarchischen Gedankens! Kampfanjage der Reichsregierung gegen den Bolts entscheid!
Die Reichsregierung hat eine flare Front bezogen. Sie muß sich deffen gewiß sein, daß ihre Erklärung den Kampf um den Boltsentscheid erst recht zu einer überaus scharfen und erregten politischen Auseinandersetzung von großer Be deutung geftaltet. Sie muß sich ebenso flar darüber sein, daß sich die Auseinandersetzungen um das Fürstenkompromiß nunmehr auf einer anderen Ebene vollziehen werden. Die Sozialdemokratie vertritt das Enteignungsgefeß, das zum Voltsentscheid geht. Glaubt die Regierung, daß die Sozialdemofratie einem Kompromiß auftimmen tann, deffen 3wed nach ihren eigenen Erklärungen ist, den Gefeßentwurf
Nun war es Don vornherein nicht allzu wahrscheinlich, daß Luther und Stresemann in vollem Bewußtsein einen Bruch mit ihrer bisherigen Bolitit vollziehen würden. Sie haben trok dem unerfreulichen Ausgang der letzten Völkerbundtagung die Anmeldung zum Völkerbund nicht zurückge30gen; fie entfenden zu der Kommission, die die Frage der Busammenfegung des Rates prüfen soll, den juristischen Direktor des Auswärtigen Amts und den deutschen Botschafter in Paris : es wäre hirnverbrannt, wenn sie gleichzeitig einen Schritt unternähmen, der nach ihrer eigenen Ueberzeugung von Genf und Locarno hinwegführen müßte. Aber es hätte ja schließlich die Möglichkeit bestanden, daß sie Abmachungen eingingen, die tatsächlich doch im Widerspruch zu früher übernommenen Berpflichtungen standen oder von den anderen