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Nr. 203+43. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

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In ben niemals ruhenden Schächten der Arbeit zimmert sich, in ewigem Wechsel von Aufstieg und Niedergang, trotz allem die neue Welt. Stündliche Not hat die werftätigen Massen aller Rontinente zwangsläufig zu Kämpfern geformt. 36 Jahre feiert das internatio­nale Proletariat den 1. Mai, als Symbol des fommenden Frühlings endlicher Menschenwürde und der brüderlichen Solidarität im großen Welttreibhaus der Arbeit. Im Volke lebt dieser Weltfeiertag, es schuf ihn spontan aus eigener Kraft. Nicht geheimrätliche Gesetze diftierten seine aufrüttelnde, erhebende Kraft sondern der Impuls jener Millionen, denen man nichts ließ, als den Mut, auf sich selbst unerschütterlich zu vertrauen. Wie reagierten doch die Stüßen von Thron und Altar auf diese große Bewegung der Arbeitermassen? War es nicht immer das gleiche ohnmächtig- brutale Säbelraffeln, mit dem man die Rebellen, die doch nichts als ihr Recht auf Nuznießung der Mühen um Kultur und Wirtschaft verlangten, in die Schranken der ,, bürgerlichen Ordnung" zurückweisen wollte? Ob in Berlin , in Moskau , London oder Paris die roten Fahnen der Freiheit und Menschenversöhnung durch die Straßen wehten, die speergewappnete Ramarilla zu Fuß und zu Roß war zur Stelle, um den ,, Begehrlichen" die Zähne zu zeigen. Durch schwere Erschütterungen ist die Arbeiter. bewegung gegangen der Krieg kam und die Flut des Hasses, die Giftnebel der bezahlten Schürer verwirrten den Weg.

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Der 1. Mai ist uns heute wieder ein tiefgreifendes Bekenntnis zu Licht, Wärme und Leben. Feierstunden sind unerläßlich, und ihre aufbauenden Kräfte schier ohne Grenzen, wenn das Fluidum einer Idee fie innerlich beseelt. Gewiß ist dieser Maibeginn ein Rampftag, aber ein Kampftag der Liebe und des sozialen Bekennt nisses. Tausend kulturelle Bindungen, tausend soziale Hoffnungen, tausend politische Möglichkeiten werden an ihm wach; in dem Duft des ersten unverbrauchten Frühlings löst fich die düstere Kruste der Bitternis, der Verzweiflung und des tötenden Haffes, ja, des Hasses, die die Fron der langen freudlosen Werkwochen gebildet hat. Der Men Der Mensch ist frei. Auch wenn er in Retten geboren wurde. So feiern wir das helle Licht des 1. Mai. Im unerbittlichen Rampfe der Liebe, der Wahrheit, der endlichen Gerechtigkeit. Im Zeichen der

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werdenden Natur. Im Zeichen der werdenden sozialen Republik . Wie der 1. Mai wurde.

Wie war's doch? Am 1. Mai 1890 beging das internationale Proletariat zum ersten Male den historischen Feiertag. Die Welt, Deutschland , war von Bluffs und Spannungen intereffierter Reporter und böswilliger Tendenzenmacher der kaiserlichen Zeit übervoll. Die Bourgeoisie, vor Schreden fast hysterisch, hielt den Atem an. Da find sie, die Gewalthorden der Straße!" freischt es in den offiziellen Gazetten. Die neue große Revolution... Im fleinen fingen wir Dor 36 Jahren an. Natürlich pilgerte in den Berliner Straßen ein Maffenaufgebot pideibehaupteter Polizisten. Es wäre ein glücklicher,

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yamile unter den Zedern.

Von Henri Bordeaux.

( Berechtigte Uebersetzung von J. Kunde.) ,, Er liebte es, andere Horizonte zu sehen, Städte voller Leben wie Damaskus oder tote Städte wie Palmyra , die Wüste." Er hat keinen Wunsch mehr. Keinen Wunsch, welcher Mensch ist ohne Wunsch?" Er."

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Aber mit was beschäftigt er sich hier?" ., Er liebt. Sein Begehren war Yamiles und er war Damiles Begehren. Was ist die Welt, wenn man die Liebe hat? Und wir, die Gärtner und Diener des Hauses, die Fellahs, welche das Land bestellten, wir liebten sie um ihrer

Liebe willen.

Born und Eifersucht bewältigten mich:

Was geht uns das Glüd anderer an?" " Das ist auch ein Glüd. Glaub mir, junger Mann, freue dich am Glück der anderen; wir können uns mehr darauf ver­dich am Glück der anderen; wir können uns mehr darauf ver­laffen als auf unser eigenes."

Ich kannte dieses Glück genügend: das fließende Blut meiner Wunde zeugte davon. Ich hatte als Waffe gegen diese Liebe nur meinen Schmerz. Und wünschte ihn so groß, daß er jene überragte. Da der Gärtner sich in Einzelheiten feines Berufs verlor und mir erklärte, wie eine besondere Rosenart beschnitten würde, gab mir Butros, den die lange Dauer des Gesprächs ungeduldig machte, einen Wint, das felbe abzubrechen. Er hielt es für eine Unflugheit, so lange im Bart unseres Feindes zu verweilen, der früher oder später unferen Besuch erfahren würde. Aber ich hörte nicht auf ihn. Der Tag war schon so weit vorgerückt, daß wir Tripolis nicht mehr erreichen fonnten; es war also beffer, bis morgen zu warten.

Du vergiftest dich," sagte er ,,, diese Blumen find für dich schädlich.

Ich tränke meine Waffen mit ihrem Gift." Recht fo.1

Ich hatte meine Renntnisse bereichert; die Gärtnerei bot mir feine Geheimnisse mehr. Ich dankte dem Manne, der mich in allen Feinheiten seines Faches eingeweiht hatte, und

RK

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amerten

Sonnabend, den 1. Mai und Sonntag, den 2. Mai 1926

mai!

ein großer Gedanke, fchrieb, damals der Borwärts Leitartikel. ,, Genug, was feine Macht der Erde jemals vermochte, das hat das Arbeitervolt vermocht es schuf einen internationalen Weltfeiertag." Kundgebungen im Freien waren verboten. So riefen Berliner Ge­werkschaften und Partei zu Ausflügen in die Umgebung. Und in den Sälen ging die Begeisterung hoch. Der brave Bürger atmete höhnisch auf und fafelte von Niederlage. Die gefürchtete sizilianische Besper war ausgeblieben..

1893. August Bebel spricht, vor 9000 Begeisterten in der Neuen Welt"! Hell donnert das Hoch auf die Sozialdemokratie. ,, Neuen Welt"! Hell donnert das Hoch auf die Sozialdemokratie. Wilhelm Liebknecht , der Alte, unermüdliche, mahnt, von Taufenden umjubelt, im Restaurant ,, Eisfeller" die Massen. Singer findet denselben Anklang im Südosten. Größere Arbeitsruhe. Bau­stellen, Fabriken liegen öde und still. Die Bewegung wächst... Und auch die Gegenwehr. Aber sie können die Flamme nicht aufhalten.

wir fehrten, Butros ärgerlich und ich im tiefften erregt, in die ärmliche Hütte des Yusuf Abdud zurück. Wir teilten ihm unseren Entschluß mit; er tonnte seine Enttäuschung nicht verhehlen. Wir entschädigten ihn mit ferundlichen Worten und mit Geld für die ihm aufgenötigte Gastfreundschaft; er zeigte sich sehr unempfindlich für jene und schien es nicht zu bemerken, daß wir fürkische Pfundnoten, scheinbar aus Un­achtsamkeit, auf den Möbeln herumliegen ließen; fie ver­schwanden sofort, ohne daß wir noch ein Wort darüber zu verlieren brauchten. Die Diskussion trieb er fo weit, daß er sich nicht einmal bedankte. Aber das Abendessen, das nicht so frugal war wie die anderen Mahlzeiten, belehrte uns, daß wir ihn genügend belohnt hatten.

Wie die Nacht gekommen war, veranlaßte ich Butros, Fuchsfallen zu stellen, worüber der Alte, angesichts so vieler Lift, vor Freude außer sich geriet; er war völlig felig darüber, Daß sein Hühnerhof nun nicht mehr so heimgesucht werden fonnte. Ich aber schlich mich in das Dunkel hinaus. Ich wollte in die Gärten Omars zurückkehren. Zäune gab es dort nicht, wie man solche im Orient überhaupt wenig anlegt. Ich setzte über den Graben und schlich zwischen den Bäumen hin. Gewiß, ich wagte mein Leben. Jeder, der in der nächsten umgebung des Balastes, selbst wenn der Gebieter abwesend und der Harem leer war, betroffen wird, ist dem Tode ver­fallen. Ich horchte, ob die Hunde meine Anwesenheit durch Gebell verraten würden: sie schienen in ihren Stall einge schlossen oder waren dem Bei- Abdul- Rajat zur Falkenbeize zur Verfügung gestellt worden und noch nicht zurücgefehrt. lebrigens, was bedeutete die Gefahr für mich? Hatte ich den Ort meiner Bein nicht selbst gewählt?

Die Gärten schlummerten im Mondschein. Am Rande des Horizontes, dort, wo die Sonne untergegangen war, lag es noch wie ein matter Lichtstreif. Die Sterne schienen aus unendlichen Höhen des blausaminen Firmaments niederzu­ftrahlen. Sie schienen noch ferner auf dem Grunde des Bassins. Die monotone Klage der Wasserspiele wurde im Schweigen der Nacht noch vernehmlicher. Und der Duft der Blumen betäubender. Diese Einsamteit war erfüllt von Damile. Damile, die einzige, umgab mich wie ein Reigen von Frauen, und jede von ihnen, sowie sie mein Blid traf, war die schönste. Es gab eine Yamile, die mir an einem Wintertage ihre Hände reichte, damit ich sie erwärmte und eine Damile unter den Zedern, welche, schon, vom Blid

1900. In 17 Versammlungen demonstriert die Partei, noch zahl­reicher die Gewerkschaften. Die Gewerkschaftskommission ruft zur Arbeitsruhe auf. Bruderhand dem Freund! Rein Waffenstillstand mit dem Feind!" Jules Guesde , Emile Bandervelde, Filippo Turati , 5. Branting, Hyndman, Pleca. now richten beschwörende Worte an die deutschen Genossen, und der Jubelruf der Arbeitermarseillaise klingt durch die Gassen der Berliner Arbeiterviertel.

1910. 83 Rundgebungen der Sozialdemokratie! Der erste Mai steht im Zeichen des erbitterten Wahlrechtskampfes. Die Herren". gegen die Volksrechte! Bethmann Hollweg führt den Streich: Die Dreillaffenschmach soll noch verschlechtert werden. Umzugsverbot. Riefenbeteiligung. Und kurz vorher hatten 300 000 auf den Straßen zum ersten Male demonstriert.

...

Und dann.. 1. Mai 1914. Wie leise Trayer flingt es durch die Kampffanfaren. Es lebe der Bölferfrieden! ruft der ,, Borwärts". Drei Monate später steht die Welt in Brand. In Gas und Eisen erstarrt Europas Kultur. Mahnung und Schwur: Nie wieder! Schließt die Front...

Wie wir ihn begehen.

Heute öffnen sich die Türen der muffigen, gesundheitswidrigen Wohnungen im Hinterhausviertel, Rellergelasse geben ihre Insassen frei, aus dem Elend der Mietskasernen strömt das Volf Berlins ins Freie, um seinen Ehrentag würdig zu begehen. In unendlichem Zuge werden die Massen des schaffenden Berlin aufmarschieren, um, wie schon so oft, ihr unerschütterliches Befenntnis zum fozialen und fulturellen Fortschritt, zu Republik und Freiheit abzulegen. Alte und Junge, Zermürbte und Hoffnungsstarke in einer unbeugfamen und nie erlahmenden Front. Vor allem der Jugend wird der 1. Mai immer lebendig gehören. Dieser Arbeiterjugend, die sich heraussehnt aus der Enge ihres freudenarmen Industrielebens, die die Vielgestalt des lebendigen Lebens begreift, ohne doch nur ein einziges Mal das große Ziel aus dem Blidfeld zu verlieren: Alles dem Bolte und für die Freiheit das Leben! Noch ist der Feind nicht geschlagen. Gerade zurzeit sammelt er sich zu neuen Attentaten auf Boltsgesundheit und Volkswohl. Ueberaus start zeichnen sich die sozialen Spannungen unserer Tage. Unerträgliches Wohnungs­elend, 2 Millionen Opfer der Arbeitskrise sind die Wetterwolfen am Horizont dieses 1. Mai. Reichsgesundheitsparaden sollen dem Volke das Auge für seine Nöte verschleiern, verbrecherische Putschisten freveln mit Staatsstreichgelüften.

Wacht. Mit wachem Blid für die Aufgaben des Tages with bas Gegen alle Ränke steht die Arbeiterschaft unausgesetzt auf der Berlin der Werkstätten diesen 1. Mai, das eigentliche Fest der demokratisch- sozialen Republit, feiern:

Bruderhand dem Freund!

Kein Waffenstillstand dem Feind!

Omars fasziniert, tanzte. Eine Yamile, die voller Bangen zu mir herüberfah, wie ich das Paket mit dem zurückgegebenen Schmuck öffnete. Eine Vamile im Hofe des Harems, welche für meine Güte dankte und mir mein Wort zurückgab. Da war eine Yamile, die mich am Vorabend der Flucht mit ver­zweifeltem und doch so lieblichem Ausdruck, in unendlicher Trauer, ansah. Endlich erblickte ich die verschleierte Yamile auf der weißen Stute; fie ritt an mir vorbei, um sich nach der Wohnung ihres Gatten zu begeben, in dieses weiße Haus, das ich am Ende der Allee bemerkte; fie tam an mir vorbei, hielt ihr Pferd an und bot mir Trog: diefe Yamile hatte an­gesichts des Todes, dessen Drohung sie fühlte, keine andere Waffe als ihre Liebe. Sie war ihre größte Macht. Und so gewaltig, daß ich dieses Glück vielleicht nicht ertragen hätte, berauschte ich mich doch schon an den Wonnen des Schmerzes. Ein Kreis von Frauen, die alle den Namen Vamile trugen, umschloß mich, und ich war ihr Gefangener. Mein Harem war noch nicht vollständig. Ich beschwor andere Damiles: jene, die in diesen Gärten allein oder mit ihrem Geliebten ge­wandelt war; jene, die in dieser Stunde auf Kissen gelagert, von der Höhe einer Terrasse das Meer von Tripolis rauschen hörte. Hatte ich sie nicht eben wirklich gerufen, mit einem zarten geflüsterten Hauch, der wie ein Seufzer flang oder wie ein Geigenton über dem Wasser?! Damile, Yamile...!"

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Die ganze Nacht antwortete ja. Hatte nicht jenseits des Partes ein Nachtigallenmännchen meinen Ruf vernommen oder stimmte es feine mächtige Kantilene an, um sein Weibchen zu bezaubern? Aus weiter Ferne drang diese füße Stimme herüber und erquickte mich. Da erwachten die Gärten. Aus allen Büschen stiegen die Töne aufwärts und fluteten in ihre Harmonien zurück; so schnellen Wasserkünfte auf einen Drud der Feder empor, ehe fie sich in leichten Sprüngen auflösen. Rings im Park nisteten die Nachtigallen, und ich deutete ihre himmlischen Melodien. Bald ließen sie unendlichen Variatio­nen den angebeteten Namen ertönen, bald wiegte sich ihr Gesang auf den drei Silben; fie ließen sie anschwellen zu einer folchen Fülle, zu einer solchen Bracht, daß diefer Name die ganze Flur erfüllte; von überall her gegen das Himmels. gewölbe schlug. Der Gesang der Gärten, des Parts, der ganzen Erde galt Yamile..

Was für eine Wonne ist es doch, geliebt zu werden, wenn es schon so herrlich ist, zu lieben?...

( Fortsetzung folgt.)