Kulturaufgaben des Sozialismus.
Für die Vereinigung sozialdemokratischer Studenten sprach am Freitag abend im Dorotheenstädtischen Realgymna fium der Reichstagsabgeordnete Genosse Sollmann über die Kulturaufgaben des Sozialismus. Er ging aus von dem Wort Fichtes, daß für die Menschen Zweck des Erdenlebens sei, daß sie in demselben alle ihre Verhältnisse mit Freiheit nach der Vernunft ordnen". Das bedeutet in die moderne Sprache überfest, an Stelle der Planlosigkeit die Planmäßigkeit, an Stelle der Anarchie die Organisation zu errichten. Mag Adler nannte daher mit Recht Fichte den ersten deutschen Sozialisten. In der Zeit der Befreiungstriege handelte es fich für Fichte um die Volfsgemeinschaft, die nicht mehr Wissende und Unwissende, Kulturträger und Kulturlose tenne. Die Besiglosigkeit war teine Massen erscheinung, wie sie mit dem größten Revolutionär, dem Kapi talismus , in Erscheinung trat, der das Industrieproletariat schuf. In seiner ersten Phase entwickelte es sehr fulturelle Utopien wie zum Beispiel im Handwerksburschentommunismus Beitlings, das Proletariat fämpfte eine Zeitlang gemeinsam mit dem Bürgertum um die Niederwerfung des Feudalismus, bis sich die Arbeiterschaft felbständig um ihre politischen, wirtschaftlichen und jozialen Kämpfe gegen das zur Macht gekommene Bürgertum einfezzen mußte. Der Redner gab dann in großen Linien einen Ueberblick über die Entwicklung der sozialistischen Bewegung und den ethischen Gehalt des Klassentampfes. Er wies nach, wie die Bergesellschaftung des Arbeitsprozesses die Arbeitermassen zur Solidarität erzieht, die empfinden, wie ohnmächtig sie auf sich allein gestellt sind. So wird der Klaffentampf zu einem jittlichen Gebot, zum Mittel einer Höherorganisierung der Gesellschaft in ihrem materiellen und geistigen Bestand. Der Kapi talismus braucht verläßliche Werkzeuge, aber feine Charaktere, weshalb die Intellektuellen fein Interesse an ihm vom fulturellen Stand punkt aus haben dürften. Die Sozialdemokratie vertritt ein einziges großes gefchloffenes Kulturprogramm, es feien nur ihr Kampf gegen die Bobenspekulation, ihr Eintreten für Wohnungswesen, Siedlungs politit, Schulwesen mit einheitlichem Aufbau von der Grundschule zur Hochschule, öffentliches Gesundheitswesen, Sozialpolitik wie Achtstundentag, Jugendschutz und Unterricht und die Rechtsprechung durch Boltsrichter genannt. Die Mittel zur Erreichung dieser Ziele bietet die Demokratie mit dem Kulturantrieb der Massen auf Staat und Gemeinde. Im Klassenstaat gilt ohne Zweifel noch für die Demos fratie, was Friedrich Naumann sagte:„ Was nüzen die gleichen Bürgerrechte, wenn die Menschen sich freiwillig verkaufen müssen, wenn fie leben wollen." Doch die Demokratie er. möglicht die geistig organisatorische Schulung der Massen, wie auch die Wirtschaftsdemokratie ein Aufsteigen zur Kontrolle und Beherrschung der Wirtschaft erschließe. Die Kultur eines Volkes wird geschaffen durch den förperlichen und geistigen Arbeitsprozeß des Boltes. Der Sozialist fühlt sich als Glied feines eigenen Bolles und ist gerade deshalb international in den höchsten Begriffen menschlicher Sittlichkeit, denn die tiefsten Gedanken schweifen über die engen Grenzen des Landes, ja des Erdballs, bis in das heilige Geheimwissen des Universums. So strebt der Sozialismus nicht nur nach einer neuen Wirtschaftsverfassung, sondern vor allem nach einer neuen Geistes. verfassung. So wurde die Arbeiterjugendbewegung- anfänglich nur ein Kampf der Lehrlinge gegen ihre Ausbeuter zu einem machtvollen Kulturfaftor, ebenso zeugen die Volkshochschulen, die Boltsbühnen, der Bücherkreis, der Abstinentenbund ufw. für die fulturelle Entwicklung. Der Sozialismus schult den Willen zur Gemeinschaft, die in dem Wort Genoffe einen schönen Niederschlag findet. Die Wiffenfchaft muß gemeinsam mit an dem großen Gebäude menschlicher Kultur bauen helfen, denn die Wissenschaft soll", nach Karl Marg Worten, fein egoistisches Vergnügen sein; diejenigen, melche so glücklich sind, sich wissenschaftlichen Zwecken widmen zu fönnen, sollen auch die ersten sein, welche ihre Kenntnisse in den Dienst der Menschheit stellen".
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Die Rede Sollmanns wurde von der gut besuchten Studentenversammlung mit großem Beifall aufgenommen. Nach einer furzen, aber anregenden Diskussion gab der Genosse Sollmann noch einmal der Erwartung Ausdrud, daß sich die Studentenschaft ihrer Auf gabe im sozialistischen Befreiungstampf bewußt werde.
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Der Lützow - Prozeß vor dem Ende. Das Gutachten Dr. Magnus Hirschfelds. Mit einem Gefühl der Erleichterung nahm man gestern das Gutachten Dr. Magnus Hirschfelds entgegen endlich einmal kommt diefes langwierige wie peinliche Verfahren zum Abschluß. Den Uebergang zu dem Hirschfeldschen Gutachten bildete gewissermaßen die Aussage des Schulrats Dr. Kirsch. Auf Grund seiner langjährigen Beobachtungen hatte sich bei ihm die Ansicht gebildet, daß Lützoms Erziehungssystem sexuelle Untergründe haben müßte.
Trotz seines objektiven Berhaltens bei der Untersuchung glaubte man aber ihm seine sozialistische Weltanschauung vorwerfen zu müffen, obgleich er mit seinen fonservativen Kollegen in der Be urteilung des Lützowschen Erziehungssystems einig war. Dann kam das Gutachten Dr. Magnus Hirschfelds. Er schickte diesem voraus, daß er überhaupt den Begriff des Züchtigungsrechtes verneine, denn bei dem Prügeln bestehe stets die Gefahr, daß es der Effettabfuhr des Prügelnden diene. Er halte es mit dem Sat: Wen das Wort nicht schlägt, den treffen auch Schläge nicht." Auch Dr. Liez habe sich dahin geäußert, daß förperliche Strafe ein für alle Male aus dem Landeserziehungsheim ausgeschlossen werden müßte. Von Lühow, der vom gleichen Erziehungsfanatismus beseelt sei, wie Dr. Liek dies war, stelle dessen Spiegelbild in einer gewissen Berzerrung dar. Ein flares Bild über seine Persönlichkeit und Handlungen zu er halten, sei bei den äußerst verwickelten Zusammenhängen, die der Prozeß aufgerollt hat, ungemein schwierig. Es stehe zu entscheiden, wußt, bei seinem Erziehungssystem eine Rolle gespielt haben. Da fei in erster Linie festzustellen, daß Da jei in erster Linie festzustellen, daß feine von den Aussagen der Jungen auf eine gefchlechtliche Erregung Lühows beim Rüffen oder beim Brügeln schließen ließ. Trotzdem ist es schwer, bei den Lieblofungen die Grenze zwischen Erotischem und nicht Erotischem zu ziehen. Bei der Gesamtpersönlichkeit des Angeklagten braucht man aber diesen Bärtlichkeiten feinen bewußt geschlechtlichen Charakter zuzuschreiben. Andererseits wird man einen gewissen Prügelfompler bei Lützow nicht bestreiten können. Waren auch die unbewußten Motive seines Prügelns vielleicht auch erotischer Natur, so hatte bie bewußte Motivierung desselben stets erzieherischen Zwed zum Inhalt. Bon einem Sadismus fann da feine Rede sein. Zu verstehen sind seine fommen in erster Linie feine Abstammung und sein Lebenslauf in Betracht. Die Ueberlieferung der militärischen Zucht in feiner Familie einerseits, das Prügelsystem, dem er in der Kindheit unterftand, andererseits, mögen dazu beigetragen haben, daß er selbst An hänger der Prügelstrafe wurde. In förperlich- seelischer Beziehung ein neurotischer und infantiler Mensch, mit Unterwertigkeitsgefühlen behaftet, mußte er, um seinem gesteigerten Geltungsbedürfnis Luft zu machen, der übermäßigen Milbe eine übermäßige Strenge folgen Tassen. Als Abartiger murde er auch von seiner Familie empfunden. Seine geschlechtliche Persönlichkeit, die bei einem schwachen Trieb ein startes Gehemmtfein offenbart, wandelte, wie seine Annäherungsperfuche zu Frauen in früheren Jahren, so auch sein Verhältnis zur
Hierbei
Frau normale Bahnen. Gein Berhältnis zu den Knaben braucht nicht unbedingt homosexueller Natur gewesen zu sein, es ist als
das eines unausgereiften, auf infantiler Entwidlungsstufe stehengebliebenen Menschen anzusprechen. Gerade bei Infantilen beobachtet man aber oft einen unbewußten Flagelations-( Prügel-) zmang. 3u einer völligen Klarheit über sich selbst ist Lühow nie gekommen. Der Fall, wenn fachen geschildert hat, würde als Entgleisung zu beurteilen fein, die er fich wirklich so abgespielt haben sollte, wie der Junge die Tatteine Rückschlüsse auf die Beurteilung seiner Bärtlichkeiten und der Züchtigungen in den übrigen 74 Fällen gestattet. Die Borausfehung des§ 51 des StGB. liegt nicht vor. Doch ist bei der strafrechtlichen Beurteilung feiner Persönlichkeit und seiner Handlungen die fon Beurteilung seiner Persönlichkeit und seiner Handlungen die fon ftitutionelle bartigkeit zu berücksichtigen.
Am Montag foll noch Frau v. 2uhom vernommen werden und dann die Gutachten der pädagogischen Sachverständigen, Dr. Andersen und Dr. Emsmann sowie des hervorragenden Kenners der Psychologie der Jugendaussagen Dr. Monten. möllers entgegengenommen werden.
Der Mörder noch nicht entdeckt. Zu dem Frauenmord in der Monalisstraße, in demselben Hause, in dem früher die Bitme Jafobi ermordet wurde, wird mitgeteilt, daß der Mörder Hanisch noch nicht gefunden ist. Hanisch, der am 4. Mai 1896 geboren ist und in der Gerichtftr. 46 bei seiner Mutter wohnte, ist 1,65 bis 1,68 Meter groß und schlank, hat ein blaffes Geficht, eine hohe Stirn, graugrüne Augen, mit sehr starken Brauen, eine vorspringende fantig gebogene Füße und braunes sehr dünnes gescheiteltes Haar, gar keinen oder Nafe, große abstehende Ohren, ein spizes Kinn, fleine Hände und einen ganz dünnen Anflug von Schnurrbart und im Oberkiefer ein falsches Gebis. Er trägt einen dunklen melierten Sommerüberzicher, einen dunkelblauen Tuchanzug mit dünnen weißen Längsftreifen und einen braunen weichen Filzhut. Die zahlreichen Be amten, die nach ihm fahnden, haben noch keine Spur von ihm ge funden. Mitteilungen über sein Auftauchen an die Mordfommission Dr. Anuschat Quoß im Polizeipräsidium.
Der Prozeß des Fassadenkletterers.
Aussage gegen Aussage.
Der Prozeß gegen den Fassadenfletterer Raßner wurde gesternt vertagt, weil Direktor Hollinger, der K. zum Fenster hinausges worfen hatte, nicht erschienen war. Er soll nunmehr in Zürich toma missarisch vernommen werden.
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nehmung, im Zimmer gewefen zu sein. Er will unterwegs nach dem Der Angeklagte Raßner bestreitet bei seiner weiteren Ber Aleranderplag am Hotel Kaiserhof vorbeigekommen sein. Als er dann nach alter Gewohnheit seine Blide die Faffade emporschweifen ließ, habe er aus einem sportlichen Instinkte heraus plötzlich den Drang in sich verspürt, den schwierigen Aufstieg zum zweiten Stodwert zu versuchen. Da alle Fenster dunkel und geschlossen waren, drohte ihm ja nicht die Gefahr der Versuchung, in das Hotel einzusteigen. Als er aber im ersten Stockwert angelangt war, sah er plöglich in einem Fenster Licht und ein anderes offen. Konnte man in der Vorstellung gut der Kaßnerschen Kletterpartie folgen, so wird man weniger willig die von ihm dafür angeführten Motive hinnehmen. Die Zwirnhandschuhe in seinen Händen lassen vermuten, daß er die Absicht hatte, einzufsteigen und sich gegen Fingerabdrücke schüßen wollte. Nun fommt aber die Hauptfache. Raßner behauptet meiter, daß er plöglich, gerade als er im Begriff stand abzufteigen, am offenen Fenster einen Mann erblickte, der ihm auch schon einen Stoß perfekte. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, beugte er fich mit dem Borderförper in das Zimmer hinein, griff zu seinem Revolver und verfette dem Mann einige Schläge. Die momentane Verwirrung seines Angreifers wollte er mun benutzen, um abzufteigen. In diesem Augenblid erhielt er einen zweiten Stoß und stürzte ab. Direktor Hollinger erflärte aber mit aller Bestimint heit, daß er Kaßner im Zimmer überrascht habe, daß er ihn un gefaßt und aus dem Fenster geworfen habe. Neben dem Bett fand man auch den Hut des Fassadenfletterers.
Nun vergegenwärtige man sich die Lage. Hollinger padt den Raßner und umflammert ihn; Kaßner gelingt es aber eine Hand frei zu machen und dem Direktor einige Schläge zu versetzen. Trotzdem also Raßner wenigstens eine Hand und beide Beine frei hatte, sollte es dem Direktor gelungen sein, den ehemaligen Matrosen und Sportsmann ohne jeglichen Widerstand zum Fenster zu schleppen, ihn hochzuheben, die Umflammerung loszulassen, ihn dann mit beiden Händen anzufassen und aus dem Fenster zu werfen? Und Raßner sollte sich da nicht mit beiden Füßen an den Boden gesperrt haben? Bei der ihm drohenden Lebensgefahr nicht mit der Hand an irgend etwas angeflammert haben? Zwei Möglichkeiten scheinen gegeben. Entweder war es so wie Kaßner erzählt, oder er hatte sich mirklich im Zimmer befunden, wollte durchs Fenster retirieren und erhielt dabei den Stoß. Hollinger mußte vielleicht die Schilderung sich und vor den anderen rechtfertigen mußte. Raßner darf aber so geben, wie er es getan, da er den Wurf durch das Fenster vor andererseits nicht zugeben, daß er im Zimmer gewesen ist, da er sich ussage gegen Aussage. Sicherlich aber hat Raßner be. sonst des schweren Einbruchs bezichtigen würde. So steht also reits feine Strafe empfangen, denn ein lahmes Bein für einen Fassadenfletterer fommt dem Ende seiner Karriere" gleich. Und schließlich gibt es für diesen Betriebsunfall" auch nicht den geringften Schadenersatz.
Zu der Bluttat in Neukölln wird mitgeteilt, daß die 16 Jahre alte Stenotypistin Charlotte Kraus von ihrem Geliebten, dem 22jährigen Buchdruder Billy Larisch, vier Schläge mit einer Reibeteule erhalten hat. Die Verlegungen find nicht lebens gefährlich. Nach den weiteren Ermittelungen hat Larisch, der gestern von der Neufölner Kriminalpolizei eingehend verhört wurde, wohl nicht die Absicht gehabt, das Mädchen zu töten. Er hat vielmehr ohne Borbedacht und leberlegung in finnloser But gehandelt. Charlotte Kraus hatte den Wünschen ihres Onfels und ihrer Tante, bei denen sie wohnt, nachgegeben und ihm erflärt, daß fie den Berkehr, den die Berwandten nicht gern sahen, abbrechen werde. Während Onkel und Tante bei Bekannten in der Unter wohnung zu Besuch waren, versuchte der junge Mann mit allen Redefünften die Geliebte, die sich von ihm abwandte, wieder umzu schlug auf das Mädchen ein. Wie er sagt, hatte er die Absicht, nach ftimmen. Als ihm das nicht gelang, geriet er in finnlose But und ber Tat in die elterliche Wohnung zu entfliehen, um sich dort mit der Waffe feines Vaters zu erschießen. Die Flucht wurde jedoch auf dem Bahnhof Botsdam ven einem Eisenbahnbeamten im Coupé verhindert.
Strafvollzug und Sexualleben.
Wenn es ein Gebiet gibt, das bis heute vom Strafvollzug gründlich vernachläffigt wurde, so ist es das bes Seruallebens. Und doch gehört die Lösung des Sexualproblems für die Gefangenen mit zu den wichtigsten innerhalb des reformbedürftigen Strafvollzugs. Deshalb war es ein wirkliches Berdienst des Instituts für Serual wiffenfchaften, als es im Haedel- Saal neben intereffierten Laien eine Reihe im Gefangenenwesen beschäftigter Menschen einlud, um die entgegenzunehmen, der ja selbst jahrelang die fegensreichen Wir teilweise geradezu erschütternden Ausführungen Erich Mühjams fungen völliger Molierung von der übrigen Menschheit über sich hat ergehen lassen müssen. Und doch werden seine Darlegungen noch lange nicht die ärgften Bunden, die die Freiheitsraubung bem Sexual leben schlägt, blosgelegt haben. Das Gefangenenmaterial der Festung Niederschönenfeld war doch noch ein anderes als das in Ge fängnissen und Zuchthäusern. Trogdem: Das, was er berichtete und beichtete, läßt grauenhafte Rückschlüsse zu auf das Serualleben der Gefangenen in den Zuchthäusern und auf die seelische Tortur, die die Menschen da ertragen. Es ist ja manches schon aus der Literatur befannt, anderes läßt sich durch die Phantasie ausmalen. Aber dies aus dem Munde eines Menschen zu hören, der am eigenen Leibe und eigener Seele die Marter der aufgezwungenen jahrelangen Triebmüssen und der fich auf reiche Beobachtungen an feinen Beidensbeherrschung unter möglichst ungünstigen Bedingungen hat erdulden genossen ftüßen fann, war doch was anderes. In der Festung Niederschönenfelde waren etwa 30 bis 40 Männer im Alter von 17 bis 60 Jahren in einem engen Raum jahrelang aufeinander angewiesen. Es entstanden Anziehungen und Abstohungen, enge Berhältnisse und Eifersüchteleien. Nicht so sehr das Bedürfnis nach ferueller Be tätigung als das nach förperlicher Nähe, nach Zärtlichkeit war undie Gewalt von Triebabweichungen, die sie nie geahnt hatten. In überwindbar. Menschen, die stets normal empfanden, gerieten in verschiedenen Gruppen der Gefangenen, die sich je nach Neigung zu fammenfanden, wurden Boten zum beliebtesten Gesprächsftoff. Selbst die feuschesten Naturen widerstanden nicht dieser Infektion. Die Geschlechtsbefriedigung wandelte infantile Wege. Der Scham haftigkeit ging man verlustig. Intimste Dinge wurden in Scham lefigkeit offenbart. In den Briefen an die Ehegaltin oder an fremde Frauen, mit denen schriftlich angebandelt wurde, feierte die Phantafie wahre Drgien. Der quälenbe Zustand wurde noch dadurch erhöht, daß es teine entsprechende Arbeit gab und die schilderte, wie die Reizbarkeit, verursacht durch die seruelle EntErnährung durch Selbstbeföftigung reichlich war. Erich Mühsam haltsamkeit, zu Ereffen, zu Fluchtplänen und zu Ausbrüchen führte, wie das Brunstartige des Triebes nach der Befreiung zu Sittlich feitsverbrechen zwingen fönne, wie die Unmöglichkeit mit den glück zerstören muß. Mühsams Bortrag folgte eine eingehende Aussprache, die durch Dr. Magnus Hirschfelds zusammenfassende vollzugsbehörden zu denken geben. Er sollte den Anstoß bieten zu Ausführungen geschlossen wurde. Der Vortrag follte den Straf: energischen Maßnahmen auf dem Gebiete der Reformierung des Seruallebens im Gefängnis. Die neuen Grumb läge für den Vollzug von Freiheitsstrafen vom Jahre 1923 machen wartende Reichsstrafvollzugsgesetz sollte ihnen endlich nähertreten. sich über diese heitlen Probleme gar feine Gedanken. Das zu er
Ausdehnung der Voruntersuchung gegen Jürgens. Die Boruntersuchung im Falle Jürgens, die bereits un worden, und zwar hinsichtlich des Landgerichtsdirektors selbst, deffen mittelbar vor ihrem Abschluß stand, ist jetzt von neuem ausgedehnt Berhalten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft den Verdacht der Untersuchungsbehörden nehmen an, daß Jürgens gewußt und ge gewohnheitsmäßigen ehlerei auftommen läßt. Die dergl. durch strafbare Handlungen, nämlich Kreditbetrug, verfchafft duldet habe, daß seine Frau fich Sachen, Bekleidungsgegenstände und habe. Die Beendigung der Boruntersuchung wird durch die Ermitt lungen in dieser Richtung wiederum um etwa ein bis zwei Wochen
Derzögert.
Ueber meritanische Reisfecindrüde bricht im Berein Berliner Handels. bertreter am Montag, den 17. Mai, abends 8 1hr, der Präsident des Reichs. tags, 25 be. Die Berjammlung findet in der Aula des Französischen Gymnasiums, Reichstagsurfer 6, statt. Gäfte sind willkommen.
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Klaus Potsdam findet seine Mutter.
Am 19. Juli 1923 wurde im Stadtbahnzug Berlin - Potsdam dritter Klasse ein 14 Tage alter Knabe gefunden. Das Kind lag in einem Umschlagtuch gemidelt in einer Ede auf der Bant. Trotz genauefter Nachforschungen war es jahrelang nicht gelungen, die Rnaben an und mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes Mutter des Kindes zu finden. Die Stadt Potsdam nahm fich des wurde das Kind Klaus Potsdam getauft. Inzwischen hat fich der Potsdamer Stammbaum zu einem prächtigen Jungen entwidelt, als sich vor drei Wochen die 23jährige Stüge Margarete Th. aus Charlottenburg als Mutter zu erfennen gab. Wegen Kindesauslegung§ 221 Abs. 2 vor dem Botsdamer Schöffengericht anlaffen zu haben, um sich seiner zu entledigen. Sie habe auf gute getlagt, gab das Mädchen zu, ihr Kind im Stadtbahnzug liegen geMenschen gehofft, die es finden würden. Der Staatsanwalt bean tragte sechs Monate Gefängnis. Das Schöffengericht stellte sich auf den Standpuntt, daß eine Gefährdung des Kindes durch das Liegenlaffen in dem Zug nicht vorgelegen hat, da der Zug alle 25 Minuten von Menschen wieder aufgesucht wird. Und hilflos sei die Lage des Kleinen auf einer Sigbant ebenfalls nicht gewesen. Das Gericht sprach die Angeflagte auf Staatstoften frei und Klaus Botsdam wird sicherlich umgetauft werden müssen, um dann nach Berlin auszuwandern.
Das Kümmelblättchen im Walde.
Auf Rennbahnen wurden bereits mehrere erwischt. Die meisten verSehr betriebsam sind in der letzten Zeit wieder die Glücks- und Falschspieler, die auf den Rennbahnen und im Walde arbeiten". legten deshalb ihre Tätigkeit an die schönsten Bunkte in der UmSpektion D. 7 laufen wieder täglich Anzeigen ein, nach denen allzu gebung Groß- Berlins, mo sie sich viel sicherer fühlen. Bei der Inharmlose Leute um erhebliche Beträge geschädigt worden sind. Die Spieler suchen sich immer die beliebtesten Bunkte aus und schüßen fich durch Spanner vor Ueberraschungen. Anreißer reden den Borsein„ Glüd" versucht. Die wenigsten Spieler haben von dem übergehenden so lange zu, bis der eine oder der andere doch einmal Rümmelblättchen, mit dem fie in der Regel gerupft werden, auch nur die geringste Ahnung. Das Spielchen mit den drei Karten, von denen zwei rot und eine schwarz oder zwei schwarz und eine rot find, sieht ja auch ganz unverfänglich aus, aber die unfundigen Spieler fehen nicht die Fingerfertigkeit der Unternehmer, mit der sie leicht alle Einfäße an sich bringen. Es wäre erwünscht, daß alle, die auf ihren Spaziergängen und Ausflügen auf derartige Glücks- und Falschspieler, die auch eine große Belästigung für Erholungs. suchende darstellen, in der Umgebung Berlins treffen, ihre Wahrmitteilen. Nur so können diese Bauernfänger, die auf Kosten anderer nehmungen dem Spielerdezernat im Zimmer 214 Hausanruf 692, ein bequemes Leben führen, endlich unschädlich gemacht werden.
Sozialistische Aufbauarbeit in Palästina. In dem gut gefüllten Bortragsfaal des Bezirksamts Kreuzberg sprach Genosse Felix echenbach auf Einladung der Berliner fozialistischen befigt, also meber rein fapitalistisch noch rein fozialistisch aufgebaut Das Land Balästina, das noch fein ausgeprägtes Wirtschaftssystem Arbeiterjugend über Seine Reiseeindrücke in Palästina". it, bietet der Einwanderungs- und Siedlungspolitik ganz besonders guten Boden. Hier ist es vor allem die jüdische Arbeiterschaft, die bahnbrechend wirkt. zu unterscheiden sind drei Typen von in ihren gewerkschaftlichen und genossenschaftlichen Organisationen somie auf dem Gebiet des landwirtschaftlichen Siedlungswesens Siedlungen, von denen die erste Gruppe wohl die größten Aussichten auf wirtschaftlichem und fulturellem Gebiet hat. Es sind bies landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, die gewöhnlich aus 100 bis 150 Siedlern bestehen. Hier sind ganz bedeutende Er nimmt ihre Mitglieder nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf. folge erzielt worden. Die zweite Gruppe von Genossenschaften Weniger Zukunft scheint die britte Gruppe der Bauernjied. ungen zu haben, in der jeder Bauer seinen eigenen Boden be arbeiten muß. Die sozialistische Bewegung in Balästina ist von Gewerkschaften ein prachtvolles Krankenkassengebäude aufführen, einem geradezu wunderbaren Idealismus getragen. So konnten die ohne selbst nur einen Piafter dazu beizusteuern. Alles wurde von der Arbeiterschaft felbst getragen. Eine Konkurrenz bilden die privatkapitalistischen Siedlungen, die von Rothschild finanziert werden. Der Rapitalismus ist freilich in Palästina sehr schlecht entwickelt und wird bei seiner weiteren Entwicklung auf die Opposition einer geschulten sozialistischen Masse rechnen müffen, die heute schon jene privatwirtschaftlichen Bestrebungen mit Entschiedenheit ablehnt.