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Mittwoch 79. Mol 1926
-Unterhaltung unö AAissen
öeilage öes vorwärts
vebs' Traum. Don Zack Loudon. Am anderen Ende des Rauchzimmers stieß ich auf eine Gruppe, die sich in zorniger Erregung um Bertie Messener drängte.. Und Bertie reizte und stachelte sie in seiner kühlen, zynischen Art auf. -Bertie ließ der Streik kalt. Ihn ließ überhaupt alles kalt. Er war blasiert wenigstens in allen reinlichen Dingen des Lebens; die schmutzigen hatten keine Anziehungskraft für ihn. Er war seine zwanzig Millionen schwer, alles sicher angelegt, und hatte nie im Leben einen Finger gerührt, wenn es produktive Arbeit galt er war der Erbe seines Vaters und zweier Onkel. Er war überall ge. wesen, hatte alles gesehen und alles getan, außer sich zu verheiraten, und das angesichts der grimmigen, entschlossenen Attacke von einigen hundert ehrgeizigen Müttern. Jahrelang hatte er als die beste Partie gegolten, und doch hatte er oermieden, sich einfangen zu lassen. Er war reichlich heiratsfähig. Außer seinem Reichtum war er noch obendrein jung und schön, und wie gesagt, reinlich. Er war groß und athletisch, ein junger, blonder Gott, der alles mit bewunderungs. würdiger Vollkommenheit tat, mit der einzigen Ausnahme: sich zu verheiraten. Und er machte sich aus nichts etwas, besaß weder Ehr- geiz noch Leidenschaften, noch den Wunsch, gerade das zu tun, was er um so vieles besser tun konnte, als andere. .Das ist Aufruhr!' rief einer in der Gruppe. Ein anderer nannte es Revolte und Revolution, ein dritter Anarchie. .Das kann ich nicht finden,' sagte Bertie..Ich war den ganzen Morgen unterwegs. Es herrscht vollkommene Ordnung. Ich Hab' noch nie eine bravere Bevölkerung gesehen. Es hat keinen Zweck, zu schimpfen. Es ist keines von diesen Dingen. Es ist lediglich, was es sein will: ein Generalstreik, und jetzt sind Sie am Spiel, meine Herren.' .Und wir wollen schon richtig spielen!' rief Garfield, einer der Eisenbahn-Millionäre.Wir wollen dieser Bande zeigen, wo sie hingehört diesen Kanaillen! Wartet nur, bis die Regierung ein- schreitet.' .Aber wo ist denn die Regierung?' wandte Bertie ein..Sie könnte ebensogut am Ende der Welt sein. Ihr wißt nicht, was in Washington   geschieht. Ihr wißt auch nicht, ob ihr überhaupt eine Regierung habt oder nicht.' .Zerbrechen Sie sich darüber nur nicht den Kopf,' platzte Gar- field heraus. .Ich zerbreche mir wirklich nicht den Kopf.' lächelte Bertie bla- siert..Aber ihr scheint es zu tun. Sehen Sie mal in den Spiegel, GarfieldI' Garfield sah nicht hinein, hätte er es aber getan, so würde er einen sehr aufgeregten Herrn mit wirrem, eisengrauen 5)aar, geröte- tem Gesicht, mürrischem, zornigem Mund und wild ausleuchtenden Augen gesehen haben. .Es ist wirtlich nicht recht, sag' ich euch,' meint« der kleine Hano- ver: und nach seinem Ton zu schließen, hatte er das schon unzählige Male gesagt. .Da gehen Sie zu weit, Hanover,' erwiderte Bertie..Ihr er- müdet mich, Jungens, ihr redet immer vom Open-shop'). Ihr habt mir das Trommelfell entzwei geredet mit eurem Geschwätz vom Open-shop und von dem Recht des Mannes auf Arbeit. Seit Jahren reitet ihr dies Steckenpferd. Die Arbeiter tun nichts Schlimmes, wenn sie diesen Generalstreik machen. Kein göttliches oder mensch­liches Gesetz wird dadurch angetastet. Reden Sie keinen Unsinn, Hanover. Ihr habt selbst zu lange am Strang für die Open-shop gezogen: jetzt müßt ihr auch die Konsequenzen ziehen. Die ganze Geschichte ist gar nicht der Rede wert. Ihr habt die Arbeiter nieder. gedrückt und ausgesogen, und jetzt drücken die Arbeiter euch nieder und saugen euch aus. das ist alles, und da winselt ihr.' Die ganze Gruppe leugnet« empört, je die Arbeiter ausgesogen zu haben. .Rein!' rief Garfield..Wir haben den Arbeitern immer nur Gutes getan. Statt sie auszusaugen, haben wir ihnen Lebensmög- lichkeiten geschaffen. Wir haben chnen Arbeit gegeben. Wo wären die Arbeiter heute, wenn sie uns nicht hätten? .Ein gut Teil bester dran,' höhnte Bertie..Ihr habt sie nieder- gerungen und ausgesogen, so oft ihr Gelegenheit dazu hattet, und Gelegenheiten habt ihr immer gesucht.' .Nein, nein,' riefen sie. .Denkt an den Fuhrleutc-Streik, gerade hier in San Franziska,' fuhr Bertie unerschütterlich fort..Der Arbeitgeber-Derband beschwor ihn herauf. Das wißt ihr. Und ihr wißt, daß ich es auch weiß, denn ich saß eben in diesen Räumen und hörte, wie ihr unterein- ander verhandeltet und das Neueste vom Kampse bespracht. Erst veranlaßtet ihr den Streik, dann kauftet ihr euch den Bürgermeister und den Polizeipräsidenten und warst den Streit nieder. Ein schöner Anblick, wie ihr Menschenfreunde mit den Fuhrleuten fertig wurdet und sie prelltet. Still, ich bin noch nicht fertig mit euch. Es war erst im letzten Jahr, daß der Arbeiterkandidat von Colorado   zum Gouverneur ge- wählt wurde. Er wurde nie bestätigt. Ihr wißt, warum. Ihr wißt, wie die Menschenfreunde und Kapitalisten von Colorado  , eure Brüder, es machten. Das war auch so ein Fall, wo ihr die Arbeiter untergekriegt und geprellt habt. Ihr stecktet den Vorsitzenden des Bergarbeiterverbande» auf drei Jahre ins Gefängnis, unter der
age, einen Mord begangen zu yaven, uns als ihr>yn auf diese Weise aus dem Wege geräumt hattet, machtet ihr der ganzen Gewerkschaft ein Ende. Ihr werdet mir zugeben, daß das die Arbeiter prellen heißt. Dritten» ließt ihr die abgestufte Ein­
kommensteuer' für verfassungswidrig erklären, und das war auch «ine Prellerei. Und ebenso das Achtjwnden-Gesetz, das ihr im letzten Kongreß umwarft. Und der Höhepunkt eurer schrecklichen grenzenlosen Prellereien war eure Durchbrechung des Elosed-shop-Prinzips. Ihr wißt, wie es zuging. Ihr bestacht Farburg, den letzten Vorsitzenden der alten amerikanischen   Arbeitergewerkschast. Er war eure Kreatur oder vielmehr die Kreatur aller Trusts und Arbeitgcber-Verbände, was auf dasselbe herauskommt. Ihr veranlaßtet den großen Closed-shop- Streik. Farburg verriet die Streikenden. Ihr gewannt, und die alte amerikanische   Arbeitergewerkschast ging in Stücke. Ihr habt sie auf dem Gewissen, Jungen», und damit euch selber: denn auf ihren Trümmern wurde die JWW. organisiert die größte und stärkste Arbeiterorganisation, die die Vereinigten Staaten   je gesehen haben, und ihr selbst seid schuld an ihrer Existenz, wie auch an dem jetzigen Generalstreik. Ihr'zerschlugt alle alten Gewerkschosten, triebt die Arbeiter in die JWW., und die JWW. machten den Generalstreik der immer noch für die Cleosed-shop kämpft. Und dann habt ihr noch die Stirn, hier zu stehen und mir ins Gesicht zu erklären, daß ihr nie die Arbeiterschaft niedergedrückt und geprellt habt? Pähl  ' Diesmal leugnete keiner. Nur Garfield suchte sich zu verteidigen. .Wir hoben nicht» getan, wozu wir nicht gezwungen waren, wenn wir gewinnen wollten.' Davon spreche ich nicht.' antwortete Bertie.Was mich ärgert,«st nur euer jetziges Gejammer, wo ihr mal einen kleinen Lössel voll von eurer eigenen Medizin bekommt. Wieviel Streiks
der verhaftet ,Nee, er öemonftriert l�
habt ihr durch Aushungerung der Arbeiter gewonnen? Schön, jetzt haben die Arbeiter eine Methode gesunden, euch auszuhungern. Sie wollen die Closed-shop, und wenn sie ihn durch eure Aushungerung durchsetzen können, so werden sie es eben tun.' Ich möchte mir die Bemerkung erlauben, daß Sie selbst früher aus diesen Arbeiterprellereien, die Sie erwähnen, Nutzen gezogen haben,' wars Brentwood, einer der gerissensten und schlauesten Rechtsanwälte des Klubs ein.Der Hehler ist ebenso schlimm wie der Stehler,' grinste er..Sie haben Zwar nicht mitgespielt, aber Ihren Anteil eingesteckt.' .Das hat nicht das geringste damit zu tun,' sagte Bertie lang- sam.Sie machen es gerade wie Hanover, indem Sie die Sache ins Moralische hinüberziehen wollen. Ich habe nicht gesagt, daß etwas recht oder unrecht sei. Es ist alles faul, das weiß ich: und das
einzige, worüber ich mich aufhalte, ist, daß ihr jetzt jammert in dem Augenblick, wo es euch selbst an den Kragen geht. Natürlich habe ich meinen Nutzen aus den Prellereien gezogen, und, Dank Ihnen,
») Open-shop bezeichnet in Amerika dl« Möglichkeit für den Arbeitgeber, jeden, auch den Nichtorganisierten Arbeiter einzustellen. Im Gegensatz dazu oertreten die Arbeiter da» Pnnzip de» Closed- shop. demzufolge die Arbeitgeber gezwungen sein sollen, nur den Gewerkschosten angeschlossene Arbeiter zu nehmen. Open-shop und Closed-shop sind die Losungen in dem seit Jahrzehnten tobenden soziale» Kamps, ver Uebersetzer  ,_________
meine Herren, ohne daß ich selbst die schmutzigste Arbeit zu ver- richten brauchte. Sie haben es für mich getan ach, glauben Sie mir, nicht etwa, weil ich tugendhafter wäre als Sie, sondern weil mein guter Vater und seine verschiedenen Brüder mir einen Haufen Geld hinterlassen haben, mit dem ich die schmutzigste Arbeit bezahlen konnte.' Wenn Sie uns unterschieben wollen.. begann Brent- wood erregt. Halt, seid nicht blödsinnig,' unterbrach Bertie ihn frech. Unter Dieben braucht man sich doch nichts vorzumachen. Die Er- habenen spielen ist gut für Zeitungen und Scnntagsschulen: aber laßt es um Himmelswillen, wenn wir unter uns sind. Ihr wißt, und ich weiß auch, wie beim letzten Bauarbeiter-Streik gejobbert wurde, wer das Geld gab, wer die Arbeit tat, und wer den Gewinn einheimste.'(Brentwood wurde dunkelrot.)Aber wir hängen olle am selben Strick, und es ist am besten, wenn wir nicht über Moral reden. Noch einmal: spielt das Spiel, spielt es zu Ende, aber jammert nicht, wenn ihr dabei was abkriegt.' Als ich die Gruppe verließ, zog Bertie gerade wieder die Daumenschrauben an, indem er ihnen den Ernst der Situation aus- malte, daraus hinwies, daß sich in dieser kurzen Zeit schon Mangel an Lebensmitteln fühlbar machte, und sie fragte, was sie dabei tizn wollten. Kurz darauf traf ich ihn, zum Weggehen bereit, in der Garderobe und nahm ihn in meinem Auto mit. .Ein Hauptschlag, dieser Generalstreik,' jagte er, als wir durch die vollen, aber ruhigen Straßen fuhren.Em schwerer Schlag. Die Arbeiter haben»ns unversehens an unserer empfindlichsten Stelle gepackt: am Magen. Ich verlasse San Franziska, Corf. Hören Sie auf mich und gehen Sie auch. Irgendwo aufs Land. Da können Sie besser durchkommen. Kausen Sie einen Vorrat an Lebensmitteln und gehen Sie irgendwo hin in ein Zelt oder eine Blockhütte Hier werden Leute wie wir bald hungern müssen. (Fortsetzung folgt.) 25?ahre Vogelwarte RoMen. Die Wasser- und Geländeformationen bringen es mit sich, daß sich die ziehenden Vogelscharen auf der Kurischen Nehrung zusammen- drängen. Sie wollen zur Orientierung scheinbar Land unter sich sehen. Nirgends kann der Vogelzug so gut beobachtet und studiert werden wie auf diesem schmalen Landstreisen, und so wurde hier in dem Nehrungsdörfchen Rossitten im Jahre 1901 eine ornithologisch- biologische Beobachtungsstation gegründet: die Vogelwarte Rossitten  , die früher der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft gehörte und etzt dank Uedernahme durch die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft   eine este Grundlage erhalten hat. Leiter der Anstalt ist von ihrem Be- tehen an Prof. Dr. I. Thienemann. Die Vogelwarte hat als Studienobjett den lebenden Vogel im Gegensatz zur reinen Museumstätigteit, und so gehört zu ihren Hrnirnauf gaben die Erforschung des Vogelzuges. Das an einer be- sonders übersichtlichen Stelle sieben Kilometer sudlich von Rossitten ganz weltabgeschieden gelegene Beobachtungshäuschen Ulmenhorft ermöglicht es dem Beobachter, während der Zugzeiten dauernd mitten in der Vogelzugstraße zu wohnen. Das Häuschen wurde im Jahre 1908 als Stiftung eines begeisterten Vogelwartengönners erbaut. Hier an dieser klassischen Beobachtungsstelle bot sich nun günstige Gelegenhejt zu eingehenden Studien über die einzelnen Er- scheinungsformen des Vogelzuges, wie Höhe, Schnelligkeit, Zug nach Alter und Geschlecht. Zug bei Nacht, tägliche Flugzeit, Rasten und dergleichen mehr. Manches Neue konnte dabei im Laufe der langen Jahre ermittelt werden. Bis zu welcher Mächtigkeit die Vogelzüge bei Ulmenhorst zuweilen anschwellen, mag der Umstand zeigen, daß einmal an zwei auseinander folgenden Tagen schätzungsweise 567 000 Vögel vorübergezogen sind. Diese lokalen Beobachtungen genügten aber nicht. Es sollte auch die Fortsetzung des Zuges ermittelt werden, und da setzte das Vogelberingungsexperiment ein, das die Vogelwarte Rossitten   zuerst für Deutschland   vom Jahre 1903 ab durchführte und zu einem internationalen Unternehmen auszubauen suchte. Anstoß zu dem Experiment gab der aus der Kurischen Nehrung übliche Krähensang. Zu Speisezwecken erbeuten die Nehrungen alljährlich zahlreiche Krähen mit großen Netzen und töten sie aus höchst eigenartige Weise, nämlich durch einen Biß in den Kopf. Diele unverletzt gefangenen Krähen waren die ersten beringt ausgelassenen Versuchsobjekte. Später wurden Störche, Möveo, Stare, Raubvögel, LiediZe, Drosseln und alle möglichen
anderen Vogelarten in den Bereich der Untersuchung gezogen. Auf diese Weise sind Zugkarten entstanden, die in der Vogelwarte ausge- hängt sind und die Zugwege bis Südafrika  , ja bis Westindien   zeigen.' Die Vogelzugsorschung wurde damit in ganz neue Bahnen geleitet. An Stelle von Hypothesen trat ein umfangreiches Tatsachenmaterial. Don jehet ist es das Bestreben der Vogelwatte Rossitten ge- wesen, in den breiten Schichten des Volkes Interesse an unserer Vogelwelt zu wecken und damit einen gesunden Tier- und Vogelschutz anzubahnen. Dazu soll vor allem die Schausammlung dienen, die den jetzt jährlich schon nach Tausenden zählenden Besuchern die Reich- haltigkeit der Nehrungsoogelwelt vor Augen führen soll und gleich- zeitig auch einen hohen wissenschaftlichen Wert besitzt, weil sie in einem zoologischen Grenzgebiet« zusammengebracht ist. Weiter dienen dem genannten Zwecke Kurse und Exkursionen, die auf der Vogelwatte abgehalten werden, und schließlich sucht der Leiter der Vogelwarte durch Vorträge und schttftliche Abhandlungen Kenntnisse über die Vogelwelt zu verbreiten. In jüngster Zeit ist ein Nehrungs- und Vogelwartenfilm zusammengestellt worden, betitelt:Die Wüste am Meer, Bilder von der Kurischen Nehrung  ', der Ausschluß über die Arbeiten der Vogelwarte gibt und ganz dazu angetan erscheint, Liebe zur Tierwelt, Liebe zur Nehrung und damit Liebe zur oft- preußischen Heimat in den Herzen der Zuschauer zu erwecken. Die Vogelwarte hat sich seit den letzten Iahren der alten ritter- lichen Falknerei angenommen und unterhält eine Falkenschule. Wissenschaftliche, ästhetische, vogelschützlerische und praktische Gesichts- punkte sind dabei maßgebend. Auch sonst werden in besonderen Flugräumen und in einer Teichanlage lebende Vögel gehalten, wobei besonders die für Ostpreußen   charakteristischen Arten berücksichtigt werden, wie Kranich  , schwarzer Storch, Seeadler, Kolkrabe, Karmin- gimpel usw._ Deutsch für Deutjche. llnseve deutsche   Muttersprache ist zweifellos eine sehr schwer zu erlernende Sprache. Jeder Ausländer wird das bestätigen, fällt es doch sogar vielen Deutschen   selbst schwer, ein gutes und richtiges Deutsch zu schreiben. Gut und richtig: daraus kommt es an! Denn viele, die richtig deutsch   schreiben, schreiben noch lang« nicht gut, da es ihnen an dem nötigen Stilgefühl und dem Stilwissen fehlt. Wir würden oder froh fein, wenn nur erst jeder richtig hochdeutsch schreiben würde: aber da hapett es vielfach. Die Plattdeutschen haben dazu noch mit einer besonderen Fehlerquelle zu rechnen: mi und di gilt bei ihnen für mir und mich, dir rmd dich. Der Berliner sagt zwar noch mir(mia) und dir, diese stehen aber auch Zugleich für den 4. Fall: mich und dich kennt er nicht. Man kann sich den Wirrwarr denken, der da oft beim Hochdeutschsprechen und-schreiben ange- richtet wird, wenn Unterscheidungen gemacht werden sollen, die man im eigenen Dialekt nicht kennt. Daß selbst viele sogenannt« Gebildete kein richtiges Deutsch schreiben, ist ja bekannt. Eine ganze Reihe von Büchern, guten und auch viel minder- wertigen, tritt mit dem Anspruch auf, ein gutes Deutsch zu lehren. Jetzt liegt uns ein neues Buch dieser Att vor: Ernst Wrede: Unser Deutsch   im Sonntagskleid. Schwächen und Mängel aller Sprachlehren. Für Lehrer, sorgfältige Schriststeller und jeden Gebildeten. Im II. Teil: Di« klassische Einteilung der Verben, zugleich im Handumdrehenmir und mich'. Berlin   1926, F. A. Herbig, Verlagsbuchhandlung. 92 Seiten. 2,40 M.) Zweifellos ist fein Verfasser, Ernst Wrede berufen, über die deutsche Sprache zu schreiben. Selbständig in seinem Urteil, kein Abschreiber anderer Grammatiken, wirst er auf viele sprachliche Erscheinungen ein neue» Licht, stellt Irttümer anderer Grammatiken richtig und besähigt jeden Strebsamen, nicht nur richtig, sondern auch gut zu schreiben. Der Verfasser wollte vor allem nur das behandeln, was ihm in den bis- her erschienenen Grammatiken fehlerhaft oder unvollständig erschien. Für viele wird der zweit« Teil eine gute und nützliche Zusammen- stellung sein, wenn auch nicht alles neu ist. Im ersten Teil wird auch Geschulteren vieles von Nutzen sein, z. B. warum man nicht .stattgefundene Versammlung' sagen kann oder wie die Häufung von würde usw. zu vermeiden ist(in einem mir vorliegenden Druckwerk kommt u. a. folgender Stilschnitzer vor: Auch wenn... würde. daß... würde, würde... ausgegeben werden). Meine folgenden Randbemerkungen fallen den Wett des Buches nicht herabfs sondern dem Verfasser Winke für die nächste Auflage qebcn: eins: Verfasser hätte besser getan, zwei Ausgaben seines Bllö zu veranstalten, nämlich eine ohne Beispiele usw. aus fremden Sprachen(aber dann eine vollständige Grammatik), die andere in vorliegender Form, aber mit einigen Kürzungen(besonders im zweiten Teil). An einigen Stellen hat der Verfasser mehr seine vorgefaßte, aus logischen Erwägungen gewonnene Ansicht nieder- geschtteben, anstatt die lebende Sprache zu beobachten(muß z. B. die Vorzeitigkeit gerade immer durch das Zeitwort ausgedrückt werden, geschieht das nicht besser durchbereits' u. ä.?). Warum die unschöne Konjunktivform kennte? Unbedingt müssen in der nächsten Auflage u. a. die vereinzelten antisemitischen Bemerkungen, die auch ganz unlogisch sind, wegfallen, auch Bemerkungen wie.die beiden westlichen Jargons'(d. i. Englisch   und Französisch). Das Buch ist lebhaft geschrieben, bttngt viel neue und gute An- sichten und Bemerkungen, besonders auch stilistischer Att, und bleibt auch da anregend, wo man dem Verfasser nicht folgen kann. Mit den gemachten Einschränkungen kann es jedem Strebsamen empfohlen werde»,,___..- Grich Pagel.