radikale Einstellung der Junglehrerschaft. Sie wendet sich zum größten Teile mit ihren Sympathien dem Sozialismus zu. Der junge Staat aber würde durch ihre Schularbeit tat- kräftigste Unterstützung finden. Er möge diese Kräfte nicht abstohen, es würde sich bitter rächen.
verfolgte Unschulö. Wulle will es nicht gewesen sein. Reinhold Wulle ist sehr ärgerlich. Der preußische Untersuchungsausschuß hat es ihm angetan. Weniger durch Grütte-Lehders Belastungsaussagen, als durch das Referat des Vertreters der S t a a t s a n w a l t- s ch a f t ist Reinhold Mulles Glaubwürdigkeit schwer erschüttert. Er und sein Frund, Herr K u b e, der junge Mann der Deutschoölkischen Freiheitspartei mit dem Ohr- feigengesicht haben zwar bisher für den Untersuchungsaus- schuß nicht viel übrig gehabt und mit schnoddrigen Redens- arten ein Erscheinen abgelehnt. Aber jetzt scheinen sie es dock) für zweckmäßig zu halten, zu reden, und Reinholb Wulle redet. Drei Spalten seines völkischen Leiborgans füllt er init einer langen Litanei. Man liest sie einmal, man liest sie zweimal und schließlich, weil man befürchtet, es könnte einem doch etwas entgangen sein, ein drittes Mal und gesteht sich am Ende, daß Herr Reinhold Wulle eigentlich g a r n i ch t s gesagt ha:. Reinhold Wulles Klagelied ist sehr einfach: Severing hat schuld, Severing hatte die Deutschvöltische Freiheits- Partei, diesen Edelklub lichter Ariergestalten, verboten. Was Wunder, daß es deswegen im Jahre 1923 bei Reinhold Wulle zuging, wie in einer— Judenschule! Es war ein schreckliches Durcheinander. Reinhold Wulle schildert es bewegt. Er wußte nicht mehr ein noch aus, niemand konnte er trauen, lauter Spitzel drängten sich an ihn heran, jeden Tag mußte er seine Bureauräume räumen lassen, um die Arier loszu- werden, die von ihm Geld und Unterstützung erbaten. Wie konnte Reinhold Wulle unter solchen Umständen Mord- gedanken in seinem reinen Busen hegen? Rein, das ist eine Berleumdung. Kein Eiigel ist so rein, wie er. Er war gegen jede Gewalt. Vorsichtshalber versichert er allerdings,„unter den damaligen Umständen". Er ist also eine Art Gegenstück zu den Kommunisten, die es auch für zweckmäßig halten, unter den„heutigen Um- ständen" den Putschtsmus lieber abzusagen. Reinhold Wulle sieht voller Hoffnung der gerichtlichen Verhandlung entgegen, wahrscheinlich hat er nicht Unrecht: die Richter waren für seinesgleichen immer noch gnädig. Und sollte sich wirklich für die Herren Wulle und Kube ein Richter finden? Putschisten muß man fest anpacken! Ter„Tag" sagt es. In Hugenbergs„Tag" von heute morgen liest man: Fürst Bismarck sagte einmal:„Zuweilen besteht das echte Wohlwollen darin, Blut zu vergießen, das Blut einer auf- rührerischen Minorität zur Verteidigung der ruhelieben» den und dem Gesetz« gehorchenden Majorität. Eine Regierung muß konsequent sein. Die Festigkeit, ja sogar die Härte einer herrschenden Macht ist eine Bürgschaft des Friedens, sowohl nach außen wie nach innen." Die Geschichte kennt Beispiels für ein solches Borgehen auch auf politischeni Gebiet. So fordert der englische Premierminister William Pitt >n einer Rede vom 16. Mai 1794 die vorübergehende Aushebung der Habeaskorpusakte, die jedem Engländer persönliche Freiheit gewährleistet, als in den Revolutions- kriegen gegen Frankreich revolutionäre Umtriebe im eigenen Lande aufgedeckt werden, die aus das kämpfende englische Heer überzu- greifen drohen. Das englische Parlament bewilligt diese Forderung in der Erkenntnis der Gefahr, und die Bewegung wird nieder- gehalten. Zum Unglück des deutschen Volkes hat es 1917 und 1918 in der Schicksalsstunde des Reiches ein solches Pa'rla-
m e n t n' ch t b« s e s s e n. Die Frage de» Eingreifens wurde nach förmal-julistischen Gesichtspunkten geprüft und entschieden. Ueber die Meinung, während des Krieges habe es in Deutschland ein Uebermaß von persönlicher Freiheit gegeben, wollen wir mit dem„Tag" nicht streiten. Wichtiger als die Vergangenheit sind Gegenwart und Zukunft. Für sie lehrt der„Tag" die Republik , wie„eine aufrührerische Mino- rität" zu behandeln ist und wie der Reichstag die deutschnationale Interpellation über die preu- ßische Aktion gegen Claß und Konsorten erledigen soll. Auch die„f o rm a l- j u r i sti s che n Gesichtspunkte", die jetzt von der gesamten Rechtspresse zur Verteidigung der Rechtsputschisten vorgeschoben werden, finden durch den„Tag" eine treffsichere Würdigung.
Waffen zur Solschewistenrevolution. Der Fsilmkostümverleih liefert sie. Unter der Ueberschrift„Russische Gewehre in Berlin gefunden" berichtete gestern die Nachtausgabe de»„Tag" in ausfälligem Druck über einen Waffenfund, dessen wirklicher Tatbestand dem„Berliner Tageblatt" folgendermaßen gemeldet wird: Einen recht lustigen Beigeschmack hatte gesteln nachmittag die Zwangsgestellung von elf Mitgliedern des Roten Front- b u n d e s in der Romintener Straße. Passanten beobachteten diese jungen Leute, die große schwere Pakete bei sich führten, und ängst- liche Gemüter riefen das Ueberfallkommando herbei in der Annahme, daß die Betreffenden gestohlenes oder requiriertes Eigentum fortschleppten. Die Beamten der Schutzpolizei nahmen die eis Personen fest und brachten sie mit ihren großen Paketen nach dem Polizeipräsidium, wo sie sofort der Abteilung la vorgeführt wurden. Hier öffnete man die Pakete und fand darin elf Gewehre, drei Bajonett« und drei Pistolen. Zur allgemeinen Ueberraschung der Polizeibeamten, die schon einen wichtigen Waffenfund gemocht zu haben glaubten, erklärten die Festgehaltenen, daß e» sich um Waisen handele, die sie von einem FIlmkoslümoerleihgeschäst zur Aufführung einer Revue am Sonntag geliehen hätten. Es handelte sich um ganz alte Modelle 71, die auch nicht ablieferungs- pflichtig sind. Nachdem der Sachverhalt einwandfrei festgestellt worden war, tonnten die Sistierten mit ihren„Waffen" das Präsidium wieder verlassen. « Wie die„B.Z. " meldet, ist eine Urlaubssperre für die Pfingsttage über die Berliner Reichswehrtruppenteile oerfügt worden. Die Reichswehr wird zwar nicht„bereitgestellt", aber sie bleibt kaserniert. Mit Recht kritisiert die„B. Z. " diese Maß- nähme und fragt, ob noch immer eine geheime Verbindung zwischen Reichswehrstellen und völkischen Wünschen und Forderungen besteht. Wenn die Nachricht der„B.Z. " über die oerfügte Urlaubs - sperre und die Kasernierung der Reichswehrtruppenteile zutrifft, so ist das eine Maßnahme, gegen die man im Interesse der Reichs- wehrfoldaten, denen man aus diese Art in ganz überflüssiger Weis« die Pfingstfeiertage verdirbt, nicht entschieden genug protestieren kann. Wenn die zuständigen Stellen glauben, daß sie damit unter den Reichswehrmannschasten ein« erbitterte Stimmung gegen die .Roten " erzeugen können, so ist das eine gefährliche Rechnung, denn in Wirklichkeit wird sich dies« Erbitterung gegen d i e richten, die diese ganz überflüssig« undschikanöse Maßnahme gegen die Soldaten getroffen haben: das werden die Reichswehr - soidaten um so stärker empfinden, weim die Pfingsttage vorüber sind, ohne daß auch nur das geringst« passiert sein wird. gn auffälligem Gegensatz zu dieser Kasernierung der Reichswehr steht die Tatsache, daß neben anderen Mitgliedern des Reichskabi- netts der gegenwärtige stellvertretende Leiter des Reichswehrministe- riums. Dr. Külz, einen Pfing st Urlaub nach Zittau ange- treten hat. Damit wird am besten dotumentiert, daß man in führenden Reichswehrkreisen ebensowenig wie sonstwo an die „kommunistische Putschgefahr" glaubt. Es bleibt daher für die Urlaubssperrung und Kasernierung nur die eine Erklärung noch übrig: daß man in der Bendlerstraße eine Berührung zwischen Reichswehrsoldaten und Roten Frontkämpfern vermeiden möchte:
offenbar weil man befürchtet, daß durch dies« Berührung die Roten Frontkämpfer vom„unpolitischen Geist" der Reichswehr angesteckt werden könnten. Oder etwa umgekehrt?
Die Reaktion in üer Kirche. Synodalbeschluft gegen einen sozialistischen Pfarrer. Die Kreissynode des Berliner Kirchenkreises Friedrichswerder II hatte dieser Tage wieder einmal eine Sitzung, die sich zunächst mit innerkirchlichen Dingen beschäftigte. Nachdem sie vier Stunden gc- tagt hatte, wurde plötzlich nach der Mittagspause von dem vclks- parteilichen Pfarrer Luther beantragt, den Fall B l e i e r auf die Tagesordnung zu setzen. Das war eine bösartige Ucberrumpc- lung der Synode wie des sozialistischen Pfarrers Bleier, der sich vor der Mittagspause bereits hatte beurlauben lassen müssen, weil er nachmittags an zwei Trauerfciern teilnehmen mußte. Der„Fall Bleier", der in dieser Art zur Sprache kam. ist in Wirklichkeit ein„Fall der kirchlichen Reaktion", wie er ausgesprochener nicht in Erscheinung treten konnte. Dem Super.n- tendenten des Kirchenkreise» war nämlich B l e i e r s Eintreten für die F ü r st e n e n t e i g n u n g in die ehrwürdigen Gebeine gefahren. Er hatte deshalb schon vorher dienstliche Auskunft über Bleiers politisch« Betätigung verlangt—«ine Sache, die ihn gar nichts an- geht. Aber jetzt in der Synodalversammlung entlud sich der ganze Zorn der reaktionären Amtsbrüder über das Haupt des abwesenden Sozialisten. Der deutschnationale Pfarrer Philipps machte den Staatsanwalt. Wie die Dinge verliefen, schildert uns ein Mitglied der Synode, das nicht den Talar trägt, mit folgenden Sätzen: Was ich in dieser einen Stunde des Referats und der Aussprache in der Synode erlebt habe, ist mir trotz meines Alters noch auf keinem Kongreß vorgekommen. Mit welchem„h e i l>- gen Haß und welcher„christlichen" Liebe hier g e g e n e, n e n Amtskollegen vorgegangen wurde, spottet oller Beschre!- bung. Den Haß der Arbeiterschaft gegen die Kirche kann ich nunmehr vollkommen oerstehen.... Auf Antrag des Deutschnationalen Philipps wurde folgender Antrag zur Fürstenenteignung angenommen: Die Kreissynode sieht die Frage der F ü r st e n a b f i n d u n g als eine zivilrechtliche Frage an. Sie bedauert, daß sich die politischen Parteien dieser Frage bemächtig» haben und die Volks- leiden chasl ausgepeitscht ist. durch Volksentscheid die Fürsten - samilien ihre, Eigentum» zu berauben. Warnend erhebt sie ihre Stimme und bittet ihre Gemeindemitglicder, sich an diesem Un- recht nicht zu beteiligen. Die Synode macht sich also selbst zum Gralshüter des dem Volke geraubten Fürsteneigentums. Für die Pfarrer der evangelischen Kirche(Kreis Friedrichswcrder II) gilt das Bibclwort nicht mehr:„Du sollst nicht Schätze sammeln, die die Motten und der Rost fressen." Für sie gilt nur das Wort:„Wer Knecht ist. soll Knecht bleiben!" Mit solcher Ausfassung der christlichen Pflichten wird die evangelische Kirche der Großstadt allerdings die wenigen An- Hänger nur vertreiben, die sie bisher noch in Arbeiterschichten hatte!_ Sur den Volksentscheid. Kundgebung des Deutschen Ariedenskartells. Das Deutsche Friedenstartell wendet sich an die Mit- glieder aller ihm angeschlossenen Organisationen, um sie aufzufordern, s ü r das vom Volk« begehrte, die ensschädigungslofe Enteignung der Fürsten aussprechende Gesetz zu stimmen. Diejenigen Pazisisten, die in der«ntschädigungslosen Enteignung der Fürsten nicht die ideale Lösung erblicken, erkennen doch, daß, nach Loge der Ding«, da j e d e Aussicht auf rechtzeitige Verabschiedung eines sie befriedigenden Gesetze» geschwunden ist, die An- nähme de» vom Volke begehrten Gesetzes»in weit geringeres U« b e l wäre, als seine Ablehnung, denn die ungeheuerlichen Summen, die den Fürsten gerettet würden, kämen vor ollem ver nationali st Ischen Reaktion, kämen der Vorbereitung des Rachetrieges zugute.
Ein Sühnen-öilöerbogen. Uraufsühmng in der Volksbühne. Paul Zech » eigenartiges Bühnenwerk,„Das trunkene Schiff, das gestern die'Volksbühne am Bülowplog herausbrachte, ist nur mit der Vorrede zu verstehen, mit der Zech sein Buch einleitet, und die im Beginn des Stücks auf die Lein- wand projiziert wird:„Dieser Ballade liegt stofflich das Schicksal des Menschen Jean Arthur Rimbaud , geb. am 20. Oktober 1854. gestorben am 10. November 1891 im Hospital de la Conception zu Marseille , zugrunde. Er war mit 17 Jahren der berühmteste(und gcnialste!) Dichter Frankreichs , warf de» Krempel Literatur fort und urllzog achtzehn Jahre lang das Leben eines Menschen, dem die Welt wahrhastig zu klein ist. Teile seines dichterischen Werkes sind dieser Ballade einverleibt worden. Die Anekdote weicht nur an wenigen Stellen von den historisch belegten Begebenheiten ab. Aber darauf kommt es hier gar nicht an." Da» ungeheure Leben eines Menschen, dem die Welt zu klein geworden ist... Der deutsche Gedichtband Arthur Rimbauds ent- hält feine Lebcnsgcschichte. In Wirklichkeit ist sie von einer Aden- teuerlichkett, wie sie sich das Hirn sensationslüsterner Journalisten nicht phantastischer ausmalen kann. Rimbaud stürmte über Schick- sale und Länder. Er war ein Besessener, den die Zivilisation Europas anekelte und der in grandiosem Schwung alle gesellschaftlichen und moralischen Hemmungen über den Hausen warf. Ein herrlicher Vorwurf für einen Dramatiker. Paul Zech ver- sucht Rimbaud » gespannten Lebenswillen in achtzehn kurzen Bildern darzusiellen und nennt sein Werk eine szenische Ballade. In Form > nd Inhalt erinnert sie an Arnolt Bronnen «„Ostpolzug", das Drania, in dem nur«in einziger Darsteller spielt. Im trunkenen Schiff sind viele Schauspieler deschästigt. Im Grunde hat es aber nur anderthalb Rollen, die Dichter Arthur Rimbaud und Paul Verlaine , der den jungen Rimbaud entdeckt hat. Verlaine ging an stiiicm geliebten Freund zugrunde, da er sich„ickit von ihm los- machen konnte, als dem curopamuden Stürmer auch oer Pariser Literat anzuekeln begann. Paul Zech ist es nicht gelungen, die» Schicksal zur großen Tragik auszumünzen. Das Winseln der Szenen zwischen Rimbaud und Verlaine erscheint als Ausbruch weibischer Hysteriker. 2n den übrigen Bildern sind zwar die ungeheuren Energien eines Menschen vom Uebersonnat angedeutet, Zech bringt sich ober um die Wirkung, indem er Rimbaud zu einem geiserndeii Literaten steinpelt, der bis zum Ueberdruß hochgsstelzte Sentenzen vrn sich schleudert. Dennoch war die Aufführung in Erwin Piscator » Insze- nierung ein Erlebnis, das nicht leicht vergessen werden wird. Um den Szenenwechsel für die aufgeführten sechzehn von Paul Zechs achtzehn Bilde''n ohne Zeitverlust oneinaciderzureihen, hat er die Bühnenbilder auf eine dreigcteilte weiße Wand projiziert. Die Projektionsbilder stammen von George Groß und bilden in ihrer anklagenden Schärfe den �schönsten Genuß des Abends. Piscator verwendet auch in einer Szene den Film— man muß sagen, mit gutem Recht und in eindrucksvoller Gestaltung. £« große, schwere Rolle des Rimbaud hatte man Karl Ludwig Achaz anvertraut. Vor längerer Zeit, als Achaz den
Hamlet spielte, erlaubte ich mir, die Volksbühne darauf hinzuweisen, daß man für eine Aufführung des Hamlet zunächst einmal einen Darsteller für den Hamlet höben müßte: dasselbe gilt für„Das trunkene Schiff". Vielleicht wäre die Vorstellung zu einem vollen Erfolg geworden, wenn man sich einen Darsteller herangeholt hätte, der seiner Ausgabe gewachsen ist. Achaz besitzt nur eine dürftige Skala von Ausdrucksmöglichkeiten, die sich stets wiederholen. Er stürzt sich mit Derbe in seine Rolle und Hot sich bereits in den ersten Szenen völlig ausgegeben. Es gelingt ihm nie, so besessen er auch spielt, dem Kraftmenschen Rimbaud Leben einzublasen. Paul Zechs szenischer Ballade fehlt ein Erfordernis des Theater»: die Dramatik,«ein Verdienst bleibt aber der Hinweis auf den großen französischen Lyriker, von dem ein« Strophe hier wieder- gegeben werden soll: Und ich, der mit furchtlos gewölbten Brauen Höllen und Himmel zerschnitt vorn auf dem Bug—: Ich fürchte das Festland Europa mit seinem grauen verwitterten Mauerbctrug._ Ernst Segne r. „360 Frauen" Im Theater In der Klosterstrahe. Das Nein« Theater in der Klosterstraße, daß sich im vergangenen Winter die Sympathien seiner Besucher erworben hat, beginnt nun die Sonnnerspielzeit mit einem Schwant des Geschwisterpaares v. W e n tz e l, der trotz seines etwas knalligen Titels sehr ge- schmackooll und nicht weniaer witzig ist. 360 Frauen— in jedem Monat drei, das macht im Jahre sechsunddreißig und in zehn Jahren 360. Und dies? 360 Frauen, lies: Blüten, hat Herr Wolfgang während seines Junggesellendaseins umgaukelt wie ein Schmctter- ling. Hier ein bißchen, dort ein bißchen— das war schmerzlich viel für sein? Lotte, besonders darum, weil sie'» ain Hochzeitsabend erfahren mußte. Und wer hat ihr zu diesem Geheimnis ver- Holsen? Die liebe Freundin, das Fräulein Doktor, da» mit Drauf- gängertum und noch mehr Ungeschick die„versklavle Frau" befreien will. Die Schwankverfasser haben die Sache würzig eingerührt: Lebenscchtheit und Wärme werden aber vor allein durch die aus- gezeichnete Darstellung der Schauspiele? vermittelt. Die Regie von O tz Tollen ließ alles im Galopp über die Bühne gehen, so daß es nirgends eine müde Stelle gab. Otz Tollen als bedrängter Ehemann, den man am Hochzeitoab.no um das Eine bringt, verdient ebensoviel Anerkennung, wie sie ihm als Regisseur zukommt. Sprache. Gebärde und Mimik: fabclhast: eine geschlissene Leistung. Seine Partner halten sich auf gleicher Höhe. Eva F a r i l d, von niitreißcnder Lebhaftigkeit und doch immer allerliebst, M i l a de l a E h o p e l l e, reis»id überzeugend in ihrer Rolle, Harry Förste-r, kernig, gutmütig, humorvoll als Allrsoerjöhner, und Maria Hofen , schlaksig und drollig als Mädel aus wachsen (sie müßte sich allerdings darum bemühen, ein wenig gelöster zu spielen), alle sind zu loben.— Gut« Reise in den Sommer! A. F. Die deutschen Verleger zum Schundliterotar-Grseß. Der Deutsche Verlegerverein hat jetzt in seiner Hauptversamnilung zum Gesetz über Bewahsung der Jugend von Schund- und Schmutzliteratur Stellung genommen. Ein Vertreter des Vereins hat in einer Unter- redang dem Minister des Innern mitgeteilt, daß das Gesetz in seiner jetzigen Form für den Buchhandel untragbar sei, was der Minister
durchaus anerkannt hat. Als Bedingungen formulierte der Ver- legeroerein folgende: Anträge aus Beanstandungen können nur von Landeszentralbehörden und Landesjugendämtcrn ausgehen. Die Kommissionen bei den Ländern können nur mit einer qualifizierten Mehrheit entscheiden. Eine Oberprüfstelle müßte beim Reiche einge- richtet werden, die als Berusungsinsranz einstimmig zu entscheiden hätte. In dieser Berusungsinstanz müßte auch der Buchhandel ver- treten sein. Auch der Börsenvereln der deutschen Buchhändler hat sich diese Forderungen zu eigen gemacht. SIS 000 amerikanische Worte. Ein„Neues Standard-Wörter- buch" der amerikanischen Sprache ist von Dr. F. H. Vizetelly ver- öffentlicht worden. Dieses Lexikon, das den gesamten englischen Sprachsotz umsaßt, der in den Vereinigten Staaten angewendet wird, enthält 515 900 Worte. Der Verfasser hat gefunden, daß der durchschnittliche Amerikaner höchsten, 10 000 dieser Worte benutzt, aber die Bildung neuer macht große Fortschritte, und täglich werden neu« Ausdrücke geprägt, die dos britische Englisch nicht kennt. Massensterben von Arbeiterinnen durch Radium. Ein geheim- nisvolles Massensterben von Fabrikarbeiterinnen in dem Betriebe der United States Radium-Eorporation in Ncwark und Orange im Staate New Persey hat jetzt eine eigenartige Aufklärung gesunden. Der Tod der Mädchen erfolgte durch Einwirkung von Radium , das trotz sehr kleiner Mengen so schreckliche Folgen hatte. Die jungen Fabrikarbeiteriiincn waren damit beschäftigt, an Taschenuhren die Zifsern durch Bestreichen mit Radiumfarbe leuchtend zu machen, so daß sie auch im Dunkeln zu erkennen sind. Die Farbe wird mit einem Pinsel ausgetragen. Um diesen für die feine Arbeit recht spitz zu formen, haden die Mädchen die Gewohnheit, die Pinselspitze zwischen die Lippen zu nehmen. Ein Zahnarzt, der eines der Mädchen wegen Zahnschmerzen in Behandlung gehabt hatte, stellte einen rätsclhaslen Knochenschwund am Unterkiefer seiner Patientin fest. Schließlich erlag das Mädchen der stet» weiter um sich greifenden Krankheit, und es fand die Sektion statt, der der Zahnarzt beiwohnte. Dieser machte die überraschende Entdeckung, daß einige Kieserknochcnreste im Dunkeln Licht ausstrahlten. Die Erscheinung fühne nach der „Umschau" daraus, die Ursachen der Erkrankung in der Beschäftigung de» Mädchens in erwähntem Betriebe zu oermuten und zugleich die fürchterliche Gefahr zu erkennen, die in jener Beschäftigung liegt. Mit einem Male war die Ursache de» Todes von sieden Mädchen, die, wie von einer rätselhasten Epidemie dahingerafft, gestorben waren, ouigeklört und der Grund der Erkrankung dreier weiterer, dem Tode naven jungen Arbeiterinnen erkannt. Einstweilen steht man den Radiumoergistung:» hilflos gegenüber. Die duich die Lippen und den Speichel dem Körper zugcführten Teilchen Radium bewirken bei den Patienten ausfallende Blässe und Müdigkeit: später bilden sich äußerst schmerzhafte Abszesse und schmerzhafte» Dahin- siechen. Die letzte Witwenverbrennung In Indien . Ein Fall religiösen Fanatismus, der sich vor einiger Zeit in Kaschmir , dem britischen Vasallenstaat in Ostindien ereignete, hat die Engländer bestimmt. ein Gesetz zu erlassen, das die einem uralten religiösen Aberglauben huldigenden Fanatiker mit schwerer Straf« bedroht. Der neueste Schritt der Engländer in dem Kampf gegen den indischen Fanatis- Mus gibt Gelegenheit, an die legte Witwenoerbrennung großen Stil»