Sonntagszüge.
Nein, für feine Leute" sind sie nicht, diese mit derbem, lärmendem Leben vollgestopften, rumpelnden Kasten. Feine Leute" bleiben Sonntags überhaupt zu Hause und machen ihre Ausflüge wochentags, wo man von dem Gedränge zwischen all dem ,, Bolt" verschont bleibt.
Die große Masse der nicht Automobilbegnadeten aber stürzt sich des Sonntags in der Frühe kampfgewohnt in das Getümmel entlang der fast endlos sich erstreckenden Zugbandwürmer. Da werden blumenhaft zarte Sommerhüte zerknickt, Regenschirme verbogen, E- Saiten auf Wimmern und Klampfen zerrissen und Rückfahrkarten Anhänger der weit besseren alten Zeit sagen immer noch treudeutsch und eisern: Retourbilletts- unter die scharrenden, drängen ven Füße getreten. Endlich ist alles verfrachtet und hat sich ins gehörige Böfelheringsformat gebracht. Mancher feufzt heimlich: ,, Nächsten Sonntag stehe ich aber bestimmt noch früher auf, damit ich einen Sigplatz friege." Bei solchen Vorsägen gibt es aber meistens Enttäuschungen, denn entweder versagt" der Wecker, oder halb Berlin besteht aus solchen Schlaumeiern. Hier winft nur Rettung durch Schlafsack und Wanderzelt für den, der ein Nachtlager im Grand- Hotel ,, Mutter Brün" nicht verschmäht, wenn es erst wärmer geworden ist. Ratternd und rumpelnd rollt die endlose Wagenkolonne in den Frühling hinein. Fabriken, Gaswerte und Borortmietkafernen mit unfagbar scheußlichen Hinterfronten fliehen zurüd, die Schreber Domänen" werden auch verlassen, und es öffnet sich richtige ,, Gegend". Aus allen Abteilen tost und schmettert das Leben. ,, Durch Berlin fließt immer noch die Spree " versichert gellend eine 3iehharmonika; ,, Bin ein fahrender Gesell"" sucht ein Klampfenquartett fie zu übertrumpfen. Gesprächbrocken durchschwirren die engen Kam mern. In England fönnje heute nich uff Sonntastour jehn." Fräu lein, Sie fönn' sich ruhig uff mein' Schoß fezen, id verlange teene Miete for' Siestafiz dafor."" Stresemann ist der typische Exponent des neudeutschen Geschäftsinternationalismus."„ Hach, hier zieht es aber scheußlich!" Na, wenn Sie ihre Klappe auch so aufreißen!" ,, Legendliche Sehnsucht des neuen Menschen geht irgendwie nach Erlösung im restlosen Ich- Du- Erlebnis."" Puh, wie riecht es hier!" ,, Ch Sie drinn warn, hats janich jestunten!" Ja, eine bunte Bielfalt menschlichen Seins trägt so ein Berliner Sonntagszug durch märkische Riefernheide. Aber zwei große, sich mit Blicken, spißen Worten und im Gedrängel sogar durch anonyme Handgreiflichkeiten bekämpfende Parteien hat der Kundige bald erkannt: das sind die rauhbeinigen Naturfucher mit Rucksack, Nagelschuhen und Hordentopf nebst bronzebereiftem weiblichen Anhang einerseits, und die Bügelfaltentavaliere, die eine zartgepuderte Damenwelt mannhaft beschützen, andererseits. Zwei Welten, wie es scheint, und doch eins in der großen Sehnsucht, die sie in diesem engen, ftidigen Räfig vereinte, der Sehnsucht nach Natur und Freiheit.
Doch vor die Freude haben die Götter bas Drängeln gesetzt. Rollenden Kerkern gleichen solche Sonntagszüge, aber Kertern, die nach standhaft ertragener Qual in die lichte, sonnige Freiheit führen.
Straßenbahn- Frühverkehr zu Pfingsten.
In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag ist bis zum Beginn des fahrplanmäßigen Betriebes am 1. Pfingstfeiertag ununter brochener Betrieb auf den Linien 1 Stadtring, 15 zwischen Bahnhof Neukölln und Botsdamer Bahnhof, 44 zwischen Gogtomsti straße und Görliger Bahnhof, 74 Aniprodestraße- Lichterfelde, Händelplatz( je in Abständen von 15 Minuten), 69 zwischen Leipziger Blag und Lichtenberg , Gudrunstraße, 76 zwischen Halensee und Spittelmarkt, 99 zwischen Uferstraße und Tempelhof , Friedrich- KarlStraße( je in Abständen ven 20 Minuten). Außerdem sind bei günftigem Better an den beiden Pfingstfeiertagen außerfahr. planmäßige Frühfahrten auf den meisten Linien vorge fehen. Der Frühverkehr beginnt zwischen 4 und 6 Uhr morgens.
Die Vorbereitungen der Aboag.
Die Aboag wird während der Pfingstfeiertage folgende Wagen verkehren laffen: An beiden Feiertagen nach Pichelsdorf und Cladom vom 300 ab 6,30 früh, nach Schildhorn vom 300 ab 8,00 früh, nach Bandlitsee vom Stettiner Bahnhof ab 7 Uhr früh. Alle Wagen verfehren in furzen Abständen. Außerdem werden Sonderwagen zu den Rennen am 1. Feiertag nach Ruh leben vom Alexanderplatz ab 12,30 nachmittags, am 2. Feiertag
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zu erinnern, zu der der Tod des Radjahs Sutchet Singh von Kasch mir Anlaß gegeben hat. Die tausendjährige Ueberlieferung des Landes verlangte, daß die Frauen der verstorbenen Fürsten ihrem Herrn und Gebieter in das Nirwana folgten. Diese als Sutti geheiligten Witwenverbrennungen waren zwar schon im Jahre 1829 durch den Generalgouverneur Ostindiens, Lord Bentind, verboten worden, was aber nicht hinderte, daß in den entlegenen BajallenStaaten immer wieder die Scheiterhaufen, auf denen die Witwen lebendig verbrannt wurden, aufloderten. Beim Tode des oben erwähnten Sutchet Singh waren auf einmal 150 Frauen feines Harems dem Scheiterhaufen übergeben worden und dort eines qualvollen Todes gestorben. Wenige Tage später sprach es sich herum, daß Sutchet Singh auf dem Lande noch einen zweiten Er gänzungsharem unterhalten hatte, in dem fünfzig junge Mädchen für ihren fünftigen Beruf im Hauptharem vorgebildet wurden. Die Briefter hatten sofort die unglücklichen Mädchen ergreifen lassen, und zum zweitenmal loderte eine Riesenfadel zu Ehren der weiblichen Treue auf. Es war allerdings der lezte Fall dieser barbarischen Gepflogenheit, der im Rahmen einer offiziellen Leichenfeier stattfand. Dennoch famen insgeheim immer noch Witwenverbrennungen vor; man hofft, durch das neue Gesetz endlich diese graufige Sitte unter
drücken zu können..
Die russische Wissenschaft in Nöten. Auf einem wissenschaftlichen Kongreß, der dieser Tage in Leningrad stattfand, wurde bittere Alage geführt über die dürftige Ausstattung, die man im Rußland von heute der Wissenschaft zuteil werden läßt. Seit mehreren Jahren schon haben die russischen Forscher feine Ahnung mehr von den ausländischen wissenschaftlichen Neuerscheinungen auf vielerlei Gebieten des Wissens. Die Bibliotheken verfügen nicht über ausreichende Mittel, um wissenschaftliche Fachschriften von einiger Bedeutung anzuschaffen, und die wissenschaftlichen Arbeiter" tönnen bies infolge ihrer geringen Besoldung erst recht nicht tun. BoltsPommissar Lunaticharsti, der in der Versammlung das Wort ergriff, erkannte die Berechtigung der geäußerten Beschwerden an und gab zu, daß möglichst bald alles anders werden müsse, und daß die geringe Besoldung der Männer der Wissenschaft Rußland wirklich nicht zur Ehre gereiche. Gegenwärtig erhalten z. B. die Hochschul lehrer ein Gehalt, das nur den fünften Teil des Gehalts der höheren " Spezialisten" in den Staatsbetrieben beträgt.
Erffaufführungen der Woche. Dienst. Renaissance. Th. Dreffur Mittw feines I h.:" Seitensprünge". Freit. Schiller 2 h.. Nidel und die 36 Gerechten", Oper am Rönigsplak: Don Morte; Bogelscheuche".
Urania - Borfrage. Mont. u. Sonnab.( 7, 9), Dienst. bis Freit.( 9): Die Tetten age bon Pompeji". Mont. u. Sonnab.( 5, 9), Dienst., Donn. u. Freit.( 5), Mittw. ut. Sonnt.( 5, 7): Die Biene Maja und ibre Abenteuer". Mont., Dienst, Donn., Freit. u. Sonnab.( 5, 7), Mittw. u. Sonnt.( 5): 381anb, eine Urheimat germanischer Sitte und Kultur. Sonnt.( 7, 9): Das Lotteriespiel der Ehe".
Die schwedische Sunflausstellung in der neuen Abteilung der Berliner Nationalgalerie, im früheren Kronpringen- Palais, wird am Bfingstmontag aum leptenmal zu sehen sein. Am Pfingstfonntag find die staatlichen Rujeen gefchloffen.
nach Hoppegarten vom Alexanderplatz und 300 ab 12,30 nach mittags, ferner am 2. Feiertag nach dem Stadion von 1 Uhr ab vom Alexanderplatz und 300 gefahren.
Nächtliche Ueberfälle.
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Ein Einbrecher erfchoffen. Der gefährliche Fahrgast. Eine verhängnisvolle Einbrecherstreise erlebte in der legten Nacht ein kriminalassistent des 66. Reviers in der Gegend der Schönhauser Allee . Eine Rotte ven 10 bis 15 Mann geschlagene, der sich beim Aufschlagen auf das Pflaster eine erheb fiel über den Beamten her und schlug ihn zu Boden. Der Niederliche Kopfverlegung zuzog, griff in der Notwehr zur Pistole, gab aber zunächst nur ein paar Schreckschüsse ab. Als die Angreifer weiter auf ihn einschlugen, schoß er auf diese und traf einen der Männer so schwer, daß er tot zusammenbrach. Der Erschossene wurde als ein 42 Jahre alter Maurer Ernst Schönwetter aus der Schöneberger Str. 96 zu Mariendorf festgestellt. Die Leiche wurde beschlagnahmt.
Ein gefährlicher Fahrgast sollte in der vergangenen Nacht dem Chauffeur R., der in der Müllerstraße am Wedding mit feinem Wagen hielt, zum Berhängnis werden. Hier nahm ihn gegen 1 Uhr ein Mann zu einer Fahrt nach Tegel an. Das Ziel sollte dort das Haus Schlieperstr. 3 sein. Sobald jedoch Tegel erreicht war, ließ fich der Mann freuz und quer durch mehrere Straßen fahren. Vor dem Hause Brunostr. 40 schlug der Fahrgast plöglich die Windschutzscheibe an der Vorderwand des Wagens ein. Als der Chauffeur iezt anhielt, stieg er aus, hielt ihm einen Revolver vors Gesicht und verlangte die Herausgabe der Brieftasche. Zufällig hatte der Chauffeur zwei Brieftaschen bei sich, von denen die eine leer war. Diese übergab er dem Räuber, scheinbar mit größtem Wider ftreben. Der Räuber durchschaute jedech bald die Täuschung und schlug jezt auf den Chauffeur, der seinen Siz nicht verlassen hatte, wütend ein. Als dieser die Hiebe zurüdgab, feuerte der Fahrgast zwei Schüffe auf ihn ab, die zum Glück beide fehlgingen. Der lleber fallene fann den entkommenen Räuber nicht näher beschreiben, weil
es zu dunkel war.
zu geben. Die im Hause wohnende Familie, der das Kind während der Arbeit der Mutter zur Beaufsichtigung übergeben war, weigerte sich, das Kind herauszugeben. Der Amtsgerichtsrat entfernte fid) daraufhin, tam jedoch bald mit zwei Schupoleuten wieder, die das Kind aus einer dritten Wohnung, in die es inzwischen ge bracht war, herausholten. Was an diesem Borfall interessiert, ist die Frage, ob die beiden Schupobeamten befugt waren, dem Herrn Amtsgerichtsrat in seiner rein privaten Angelegenheit Beistand zu leisten, um ihm zur Herausschaffung des Kindes zu verhelfen, das die Mitbewohner ohne die Zustimmung der Mutter nicht herausgeben wollten.
Polizeiruf und Raumschutz.
Die Firma Siemens u. Halste A.-G. veranstaltet eine Reihe von Vorträgen, die den 3wed haben, weitere Kreise, mit der Arbeitsweise einer solchen Einrichtung vertraut zu machen. Der erste Bortrag wurde von Oberingenieur Boigt im Vortragssaal in der Schöneberger Straße vor Bertretern der Tages- und Fachpreffe gehalten. Berlin hat als erste Stadt in Deutschland eine Polizeirufanlage gebaut, die jedoch eine ausschließlich staatliche Einrichtung ist und jezt durch Umbau dem Anschluß con privaten Polizeimeldern dienstbar gemacht wird. Braunschweig , Mannheim und Karlsruhe befigen bereits Anlagen dieser Art. In einer Reihe von anderen Städten sind diese Anlagen im Bau. Aehnlich wie die im Stadtgebiet verbreiteten Feuermelder werden rach und nach befondere polizeiliche Straßenmelder aufgestellt. In der Regel werden sie ihren Blaz in unmittelbarer Nähe eines Verkehrspostens der Bolizei erhalten. Jeder Beamte fann, ohne seinen Platz zu ver laffen, allen berechtigten Ansprüchen des Bublifums entsprechen und die gewünschte Hilfe mittels der Melder herbeirufen. Jeder Straßenmelder enthält für besondere 3wede ein eingebautes, aber nur den Bolizeibeamten zugängliches Telephon und ermöglicht es fomit, auch dann für sachdienliche und ausreichende Hilfe zu forgen, wenn nicht vorhersehbare Umstände eintreten sollten. Die Bolizeimelder können der Allgemeinheit unendlichen Nugen bringen. Aehnlich diesen öffentlichen Meldern werden in die polizeilichen Rufleitungen besondere Privatmelder eingebaut. Sie sind einfacher und fleiner gehalten, ebenfalls für die einfachste Bedienung und bewirken nach Auslösung durch den Hilfesuchenden ebenfalls innerhalb meniger Sefunden die Abgabe eines Rufes. Sie sind das einzige Mittel, jederzeit ohne Gefährdung der eigenen Berfon, schnell, Ber - ficher und lautlos polizeiliche Hilfe herbeizurufen. Diesem Hilfsmittel fchließen sich die Raumschußficherungen als legtes Glied in der Kette der Nachrichtenmittel an. Sie übernehmen die Rolle des Meldenden in Abwesenheit des Besizers und stellen Wächter dar, denen der Schutz von Räumen ruhig anvertraut werden kann. In Form von Fenster, Tür, Fußboden- und Treforfontatten bringen sie einen Bolizeirufmelder geräuschlos und selbsttätig zum Ablauf, wenn der Einbrecher nur den Versuch macht, in den durch Raumschutz gesicherten Raum zu bringen.
Da hat sich doch neulich das Leiborgan des Hofes in Doorn und aller, die diesen Popanz noch gläubig verehren, der liner Lofal- Anzeiger", eine schändliche Schlappe geholt. Und warum? Weil man dort allzu strupellos in politischer Stim mungsmache arbeitet. In Rom haben diese Edlen einen Korrespondenten ſizen, der auf den Namen Gustav Eberlein hört, genau wie der verblichene Marmorfonditor und Hoflieferant dessen, der den„ Sang an Aegir" tomponiert hat. Dieses Unglüdseberlein hat in der löblichen Absicht, die Hindenburg- Wähler vor dem Besuch ven Mussolinien zu warnen und das Land des ehemals so heiß bewunderten Diktators( nach der Melodie: Hätten wir doch auch so einen!") zu bontottieren, einen Grujelartifel geschrieben„ Das teure Rom". Darin wird berichtet, daß dort Mettwurst doppelt fo viel foftet als in Berlin , ebenso Linsen und Maltafartoffeln, und Kalbfleisch gar das Bierfache. In Berlin wird auf einmal alles spottbillig, in der italienischen Hauptstadt dagegen, offenbar nach einem Wechselfurs umgerechnet, den der Lokal- Anzeiger" eigens für diesen Zweck herausgerechnet hat. Aber nehmen wir selbst an, daß die horrenden italienischen Preise stimmten was immerhin feine Empfehlung der Diftatur bedeuten würde!- die Berliner Tabelle ist auf jeden Fall ein erstaunliches Phantasieprodukt.
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Die Feststellung lohnt sich: Man friegt heute in Deutschland ein Pfund gediegenſter Nahrung, 70 Broz. Eiweiß enthaltend, wenn ich nicht irre, für ein Almofen. Bitte: Wertheim , nein, es ist Tieß, bietet Schollen das Pfund für fünf Pfennige an! Ob es dem ausgemergelten Proletarier" wohl zum Be wußtsein fommt, was dieser Preis" bedeutet? Wenn der verfluchte Kapitalismus mit seiner großindustriell organisierten Hochseefischerei nicht wäre, wie stände es dann mit dem Volksnahrungsmittel? Nun, ebenso wie in Italien , wo der Fisch nach Gramm verkauft wird, und teurer ist als Fleisch, obwohl fischreiche Meere die Halbinsel umfluten.
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Don
Der Tobat war selbst für die Abonnenten des Lokal- Anzeigers" zu start. Das Kalbfleisch für 70 Pf., Reis für 21, Linsen für 18, Räucherlachs für 40 und Bücklinge für 20 Pf. das Pfund der Fünf- Pfennig- Scholle gar nicht erst zu reden, das wurde denn doch nicht so geduldig hinuntergeschluckt wie der politische Blödsinn, den dieses Antisemiten- und Monarchistenorganchen zu verzapfen pflegt. Eine Berliner Hausfrau" läßt sich folgendermaßen vernehmen:
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Auch
Die Scholle möchte ich sehen, die sich für fünf Pfennig pfund meise in unsere Bratpfanne bemüht! Auf den Wochenmärkten tauchen mandymal bindfadenähnliche, zerfrümelnde Geschöpfte auf, die den poetischen Namen„ Sardellenheringe" führen. Der Name ist, ich versichere Sie, schöner als ihr Duft. der Lachs für 40 Pf. das Biertel pfund ist nicht empfehlenswert, sondern erst beim doppelten Preis zu gebrauchen, und Büdlinge für 20 Pf.? Nein wer Ihnen das erzählt hat, der hat keinen Fischverstand! Glauben Sie, mein sehr verehrter Freund, daß wir Hausfrauen hingebungsvoll bis in die sinkende Nacht uns des Studiums der Kalorien und Vitamine befleißigten wenn wir nicht für erträgliches Ralb- und Hammelfleisch mindestens 1,25 M. anlegen müßfen; mit Knochen wohlgemerft? Die billigsten Sorten von Linfen und Reis gibt's auch erst von 40 Pf. pro Pfund aufwärts. Nein, das Zusammentriegen der Eiweißprozente angesichts des allgemeinen finanziellen Drucks ist schon ein Kunststück für die vielgeplagte Hausfrau!
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So zu lesen in dem nämlichen Lotal- Anzeiger", der wenige Tage zuvor die Eberleins- Kost serviert hatte. Wie steht's denn nun mit den Gänsefüßchen um den ausgemergelten Proletarier", über den man in Rom Wize macht? Wenn sogar die gutbürgerliche Hausfrau, die sich den sträflichen Lurus eines Cotal- Anzeiger Abonnements leisten tann, stöhnt und jammert, wie foll dann erst der Prolet, der arbeitslos auf der Straße liegt und stempeln gehen muß, wenn er nicht Hungers sterben will, von den Segnungen des Rapitalismus famt feiner Hochseefischerei und anderen Fischzugsmethoden in die Taschen der Minderbemittelten überzeugt werden?!
Eine neue Freibadeanstalt in Petershagen . Die Gemeinde Petershagen hat in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Fredersdorf eine Freibadeanstalt errichtet. Ein fumpfiges Wiesengelände ist nach leberwindung un fäglicher Schwierigteiten als große Rotstandsarbeit im Laufe eines Bierteljabres in ein ganz modernes Bad umgewandelt worden. Birfa 8000 Rubikmeter Erde waren zu bewegen. Die Anlage ist fo groß, daß fie 2000 Befuchern bequem Badegelegenheit bietet. Sie genügt allen sportstechnischen Anforderungen. Das Beden mißt 100 × 28 Meter und hat eine durchschnittliche Tiefe von 2 Meter, zirka 200 Meter Laufsteg, 1 Sprungturm mit 5 Brettern, 1 Sprossenwand, girla 3 Morgen Luft- und Sonnenbad auf weißem Sand bezw. Rafen, große Umkleideräume mit 100 Schränken und 55 Einzelzellen. Als befonderer Vorzug gilt die unmittelbare Nähe des Bahnhofes Fredersdorf( 1 Minute entfernt). von wo nach den verschiedenen Richtungen hin regelmäßig halb. stündiger Verkehr besteht.
Gehört das zum Dienst der Schupo?
Am Mittwoch vormittag spielte sich in der Solbiner Straße ein ungewöhnlicher Vorgang ab. Hier wohnt die frühere Geliebte eines Amtsgerichtsrats mit ihrem unehelichen Kinde, das der Vater, der Amtsgerichtsrat, anerkannt und adoptiert hat. In Abwesenheit der Mutter, die als Buchdruckereihilfsarbeiterin tätig ist, wollte der Bater das Kind, einen etwa dreijährigen Knaben, aus der Wohnung der Mutter gegen deren Willen abholen, um es anderwärts in Pflege
Ein schwerer Unfall ereignete sich in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend gegen 3 Uhr vor dem Hause Roedernallee 17 in Budow. Ein Droschtenauto fuhr in voller Fahrt in ein von Berlin fommendes Pferdegespann. Die Pferde wurden so schwer verletzt, daß fie getötet werden mußten. Der Kutscher wurde von feinem Bed geschleudert, fam aber glücklicherweise mit geringen hautabschürfungen davon. Uebler erging es dagegen dem Chauffeur der Kraftdroschke. Bon bisher noch unbekannt gebliebenen Personen wurde er jo perprügelt, daß er in das Budower Krankenhaus eingeliefert werden mußte. Die Kraftdroschte wurde schmer beschädigt abgeschleppt.
Ein guter Funk- Abend. Der Freitagabend brachte mit den Kammermusitporträgen von Haydn bis Schönberg wieder das Havemann- Quartett vor das Mikrophon. Diese ausge zeichnete Musiker- Vereinigung, deren regelmäßige Mitwirkung an der Berliner Sendestelle gar nicht genug zu begrüßen ist, gab auch mit dem E- Moll- Quartett Smetanas und dem G- Moll- Klapier quintett von Rubinstein wieder wundervolle Leistungen. Danach sprach Rosa Bertens zwei Einafter, zuerst Die Stärfere" von Strindberg, dann von Anselma Heine „ Der Hinterhältige". Diese beiden bemitleidenswerten oder abschreckenden Frauentypen erhielten durch die Sprechkunst dieser Schauspielerin und die Modulationsfähigkeit ihrer Stimme unerhörtes Leben. Zwei Frauen aus verschiedenen Sphären zeigten ein Stück von ihrer Seele, und was man erblickte, war traffer Egoismus und primitivste Lebensfurcht. Biel deutlicher wurde das durch das nur gesprochene Wort, als es etwa in der Darstellung möglich gewesen wäre. Man glaubte an die Wirklichkeit der von Strindberg gezeichneten gewandten Dame von Welt", wie an die der verschlagen- dummen Krämerin Anselma Heines, jah ein Stück Belt und ein Stück Literatur. Das ist für eine halbe Stunde eine ganze Menge.
Notffandsvarieté. Die wirtschaftliche Not wirkt sich auch vor allem auf den Beruf der Artisten aus. Viele Varietés in der Provinz und in Berlin haben schließen müssen, selbst große Zirkusunternehmungen sind gezwungen, ihren Betrieb einzuschränken, die Artisten stehen brotlos da. Es ist heute fein Zeichen, daß man aufgehört hat, eine Nummer" zu sein, wenn man ohne Engagement ist. Das bewies die Aufführung in der Neuen Welt", Hasenheide, die die Notstandsvarieté Rommission für stellenlose Artisten veranstaltet hatte und die, wie wir bereits mitteilten, von Pfingsten ab eine ständige Einrichtung werden soll. Wegen des drohenden Regens war die Vorstellung in den großen Saal ver legt worden. Die Vorführungen selbst hielten alles gute Niveau. Besonders zu erwähnen sind die Gezettys„ Die beiden Gentlemen ", plastisch- gymnastischen Borführungen, aber auch die anderen zeigten eine grotest- akrobatische Nummer und die vier Millons in ihren durchweg eine gute Technik und einwandfreies Können; es bleibt zu hoffen, daß durch diese Veranstaltungen die Not der stellungslosen Artisten wenigstens etwas gemildert wird, und daß sie auch ben Besuch erhalten, den sie verdienen.
Antife und moderne Dekorationsstoffe. Die Firma Gerson lub zur Eröffnung einer Ausstellung antiter und moderner Deforationsstoffe ein. Man sieht eine interessante Gegenüberstellung dekorativer Stoffe von der Renaissancezeit bis zur Gegenwart und man fann daraus ersehen, daß die llebergänge oder Zeitabschnitte sich in den verschiedenen Dessins eigentlich ganz vermischt haben. Wir finden ganz antite Muster und Farbenstimmungen in modernen Stoffen wieder und umgekehrt sind die Dessins der heutigen Stoffe in früheren Geweben träftig anzutreffen. Neuartig und von sehr schöner Birfung ist die Verarbeitung von Kunstseide zu Dekorativzwecken, weiter die Stilifierung volkstümlicher Farbenstimmungen und Muster. Die Ausstellung bietet eine Fülle intereffanter Neubeiten und zeigt den Fortschritt auf dem Gebiete der Textilbranche.
Binglifeiertagen morgens 7 Uhr Früblongerte des neuen verstärkten Bfingfifrühfonzerte im 3oo. Im Soologischen Garten finden an beiden Drchefters unter Rettung des Kapellmeisters Donath statt.
Freireligiöse Gemeinde. Sonntag vorm. 11 Uhr, Bappel- Allee 15, garmonium: Aus Zigeunerbaron ( Strauß). Gäste willkommen. Festbortrag des Herrn G. Witthauer: Der Kampf gegen das Leid.
Ferienwanderungen der Naturfreunde". Die Anmeldungen für die Thüringenfahrt nimmt Genoffe Damnit, N. 65, Lüderikstr. 58, entgegen.
Lofferle des Jugendherbergsverbandes. Der Verband für Deutsche Rugendherbergen( 8weigausschuß Mar! Brandenburg), Bostite. 17, hat bie Biehung feiner Barenberlosung auf vielseitigen Bunsch auf den 10. Juni berlegt. Gewinnlifte erscheint fünf Tage nach der Biehung. Den Mitgliedern steht noch eine geringe Anzahi Lose zur Berfügung.
Jn Kliens Sommertheater, Hasenbeibe 15, gaftiert ab 1. Feiertag der beliebte Stomiier Gaston Briese mit seinem Ensemble. Abonnenten aller Tageszeitungen zahlen gegen Borzeigung der Duittung wochentags auf numerierten Blagen die Hälfte der ohnehin billigen Preise. Ein Besuch fann nur empfohlen werden.