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Beilage zumVomarts" Berliner Volksblatt. Nr. 173. Sonnabend, den 27. Inli 1893. 12. Jahrg. Achtung! Stadtverordneten - Mahlen! Auf uit's Merk! Die Listen liegen bis zum 30. d. M. täglich von 9 bis 3 Illjr im städtische» Mahlburea», Poststr. 16, S Tr., zu jedermanns Einstcht aus. Für diejenigen Wähler. welche nicht in der Lage sind. die Wählerlisten selbst einzusehen, sind die nachstehend aufgeführten Parteigenossen bereit, dies zu thun: Für den S. Kommunal- Wahlbezirk: Sommer, Gcünstr. 21; Linke, Jüdenstr. 36; Stockfisch. Holzgarten- straße S; Gärtner , Molkenftr. 12. Für den 3. Kommunal-Wahlbezirk: Schulz, Prinz Albrechtstr. 3a; Schuhmacher, Kochstr. 6- Hertel, Bessel- straße 14; H a s e l o f s, Friedrichstr. 234; Saß, Markgrafen- straße 102; N e u m a n n, Markgrafenstr. 23; Z u b e i l, Linden- straße 106; Müller. Wilhelmstr. 16; Pohl, Junkerstr. 12. Für den 7. Kommunal- Wahlbezirk: Werner, Bülowstraße öS; Faber, Lützowstr. 4; Behrendt, Blumen- thalstraße S. Für den 11. Kommunal- Wahlbezirk: R a u m a n n. Blücherstr. 42; Müller, Gräfestr. 31; Schonheim, Gräfe- straße 8; Löwendorf, Friesenstr. 4; Reichert. Willibald- Alexisstr. 22; Grube, Mariendorferstr. ö; Kitzina, Belle- Alliancestr. 74. Für den 13. Kommunal- Wahlbezirk: Köppen, Reichenbergerstraße 113; Schayer, Reichenbergerstraße S4, Felgentreff, Reichenbergerstr. 21; Gottsrie d Schulz, Admiralstr. 40 a. Für den 13. Kommunal- Wahlbezirk: Streit Raunynstr. 86; Th. Metzner, Naunynstr. 67, II; Henke Naunynstr. 26. Für de« 17. Kommnnal Wahlbezirk: Lindemann, Moritzür. 9; Wolsdorf , Wasserlhorstr. 20; Börner, Ritterstr. IS. Für den 24. Kommunal- Wahlbezirk: O w z a r e ck, Langestr. 65; Albert Böhl, Rüdersdorferstr. 8. Für den 27. Kommunal- Wahlbezirk: W. Lock, Friedrichsbergerstr. II; F. Bach, Strausbergerstr. 34. Für den 30. Kommunal- Wahlbezirk: Wernau , Rosenthalerstr. S7; W a ß mann, Linienstr. 29; Schmidt, Louisenstr. S. Für den 33. Kommunal-Wahlbezirk: Oberschmidt, Weinbergsweg 11ä; W i tz e l, Ackerstr. 145; Thomas, Garten- straße 152; Mars, Kastanien-Allee 95/96. Für den 33. Kommnnal- Wahlbezirk: Lietzke, Schwedterstr. 33; Galbert, Fürstenbergerstr. 5; R a a b e, Ruppinerstr. 42; Scheyer, Brunnenstr. 44; Rosen- t h a l, Granseeerstr. 6. Für den 39. Kommnnal- Wahlbezirk: Schmidt, Louisenstr. S. Für den 42. Kommunal- Wahlbezirk: Tausche!, Grcnzstr. 4; K e r b e r, Hochstr. 30; H a f e r l a n d, Bellermann- straße 87; Wolfram . Prinzen-Allee 21; G a ß m a nn, Grün- thalerstr. 67; Stolzenburg, Wiesenstr. 14: Löffler, Badstr . 42/43; Hobe:», Buttmannstr. 2. Lokales. .. fDen Mitglieder« des sozialdemokratischen Wahlvereius für den e r st e n Berliner Reichstags-Wahlkreis zur Nachricht, daß am Sonntag, den 28. Juli, eine Herrenpartie nach Schmöckwitz stattfindet. Treffpunkt der Genossen zwischen 3 und 9 Uhr im Lokal von Duchausour, Grünau , Köpenickerstraße 78; für Nachzügler um 1 Uhr im Seglerschlößchen zu Schmöckwitz . Die Genossen werden ersucht, sich zahlreich an der Partie zu be- theiligen. Der Vorstand. Achtung l Parteigenossen deS 6, Wahlkreises! Durch die Solidarität der Genossen ist das Unternehmen der Partei- spedilion gesichert. Gegen 8000 Abonnenten sind den Beschlüssen der Volksversammlungen gefolgt und entnehmen ihren Bedarf von der Parteispedition. Aber was will das besagen gegen die große sozialdemokratische Wählerzahl im 6. Kreise. Noch sind es hunderte von Parteigenossen, welche ihre Zeitungen von Spe- diteuren entnehmen; tausende von Arbeitern lesen noch gegnerische Blätter; sie glauben ein höheres Abonnements- geld für Zeitungen nicht zahlen zu können und lassen sich daher eine Lektüre bieten, die durchaus nicht im Interesse der Arbeitersache liegt. Seine sauer verdienten Groschen opfert ein solcher Proletarier gegnerischen Blättern, welche fortwährend die gerechten Forderungen der Arbeiter bekämpfen. Arbeiter, durch Unterstützung derartiger Organe schädigt Ihr Euch selbst und die Allgemeinheit! Nur durch Zusammenschluß aller Arbeiter ist es möglich, die Forderungen zu erringen, welche sich die Partei und ihre Presse gestellt haben. Agitirt daher für unsere Presse, macht Eure Kollegen auf- merksam auf die Schädlichkeit ihres Treibens und ruht nicht eher, bis sie erkannt haben, auf welche Seite sie sich stellen müssen. In allen Zahlstellen und Lokalen, wo Zahlabende im sechsten Wahlkreis abgehalten werden, liegen Listen aus zur Aufnahme von Abonnenten. Alle Vertrauenspersonen sowie folgende Partei- spediteure nehmen Abonnements auf denV o r w ä r t s", den Soziald ein o k r a t" und denWahren Jacob" u. s. w. entgegen: Für Moabit : Hempel, Lübeckerstr. 16, Hof p.; für Wedding und Oranienburger Vorstadt: Stolzenburg. Wiesenstr. 14, p.; für Gesundbrunnen : Gaßmann, Grünthalerstr. 67, H. P.; für Rosenthaler Vorstadt: Rosenthal, Granseerstr. 6, im Keller; für Schönhauser Vorstadt: Mars, Kastanien-Allee 96, part. Arbeiter, Parteigenossen CharlottenburgS! Wir fordern Euch hierdurch nochmals dringend auf, morgen, Sonntag, wie die letzten Tage des Monats überhaupt zur Einsichtnahme in die Wählerlisten zu benutzen. Dies geschieht, weil es für uns fest- steht, daß größere Verschiebungen zu Ungunsten der dritten Wählerklasse staltgefunden haben, denen nur durch rechtzeitigen Einspruch seitens der Wahlberechtigten entgegengearbeitet werden kann. Unverantwortlich wäre jede Zögerung oder Nachlässigkeit, auf die später ein ganz besonderes Augenmerk gerichtet iverden soll. Thue jeder seine Pflicht, wie sie von überzeugten Partei- genossen verlangt werden kann, dann werden uns Weiterungen erspart bleiben. Arbeitet und seht nicht zu, wie andere arbeilen. Es sei noch darauf aufmerksam gemacht, daß die Listen nur vormittags von 9 bis 12 Uhr ausliegen. Der Vertrauensmann. Die Arbeiter-Bildungsschule unternimmt am Sonntag unter Begleitung des Herrn Dr, med. Weyl eine Besichtigung der Rieselfelder bei Malchow . Rege Betheiligung von Mit­gliedern und eingeführten Gästen ist erwünscht. Treffpunkt nachmittags 2V« Uhr im Sternecker(Schloß Weißensee.) Der Borstand. Der Kampf für Religion, Ordnung und Sitte fängt an, sich immer possirlicher zu gestalten, da er bereits gegen Teufels- und Spulgestalten geführt wird, die geeignet erscheinen, das Volk in seinen religiösen Gefühlen zu verletzen und den Lehren der heiligen Kirche abwendig zu machen. Eine der kirch- lichen Bitten lautet bekanntlich:Führe uns nicht in Ver- suchung", und so muß denn versucht werden, alle Versuche, das Volk zu versuchen oder in Versuchung zu führen, zu verhindern und alle Darstellungen von Versuchungsversuchen in Acht und Bann zu thun. Und ein derartiger Versuch ist neuerdings ge- macht worden und richtet sich der Kampf für Religion, Ordnung und Sitte diesmal gegen ein Reklameplakat in Zigarrenläden, welches eine bekannte Zigarettenfabrik den Zigarrenhändlern übermittelt hat und welches diesen zur Dekoration der Schau- fenster dient und bestimmt ist, die Blicke auf sich und somit auf das betreffende Geschäft im allgemeinen zu lenken. Besagtes Plakat hat eine Veranlassung zu einer Anzeige bei der Polizei gegeben, da es, wie wir in der katholisch- kapitalistischenGer mania" lesen, bei hiesigen katholischen Einwohnern, die ganz besonders zart religiös besaitet zu sein scheinen, mit recht" Aergerniß erregt hat. Das Plakat zeigt, wie das katholische Blätlchen erröthend verräth, einen in frommer Andacht die Bibel lesenden Mönch: Hinter ihm steht man denke! eine üppige lichtgckleidete Blondine geradezu schrecklich!, welche ihn zum Rauchen einer Zigarette zu verführen sucht. Allerlei Teufels- und Spukgestalten spielen aus dem Tisch und im Zimmer herum, aber nichts scheint den Mönch in seiner Andacht zu stören. Wohlgemerkt, nichtsscheint" den Mönch in seiner Andacht zu stören. Aber auch ein Mönch ist nur ein Mensch und wer steht dafür, daß er nicht schließlich dem Sirenenlocken doch erliegt? Solche Gedanken können gläubigen Katholiken durch den Kops fahren und dies muß ver- hindert werden, das Unterliegen des Geistes unter das Fleisch darf dem Volke nicht veranschaulicht werden; darum wird die Polizei angerufen, das Aergerniß erregende Plakat aus den Zigarren- lüden zu entfernen. So will es der Kampf für Religion, Ordnung und Sitte. Wie zartbesaitet ist doch die arme katholische Kirche geworden! Das gestrige Leichenbegängniß des Genosse» Theodor Hidde(Reinickendorf ) gestaltete sich zu einer imposanten Feier zum Andenken des treuen, rastlosen, rührigen Genossen. Im Trauerhause widmete Genosse Stadthagen dem Andenken des Verstorbene» einige warme Worte. Genossen aus dem Kreise führten an der Bahre einige Arbeitergesänge trefflich aus. Auf und an der Bahre waren zahlreiche prächtige Kränze niit rothcn Schleifen namens der Genossen des Kreises Niederbarnim , der Genossen aus Reinickendorf , Pankow , Schönhausen , Rummelsburg , Friedrichsberg, Friedrichs- Hagen, und von vielen einzelnen Genossen und Genossinnen, sowie von der Pankower Sterbekasse der Maurer niedergelegt. Dem langen Leichenzuge schloß sich unterwegs der Reichstags- Abgeordnete Fritz Zubeil an, der trotz seiner kaum über- wundenen Krankheit es sich nicht hatte nehmen lassen, namens des Kreises Teltow-Beeskow einen kostbaren Kranz mit rotherSchleife auf dem Grabe des unermüdlichen Mitstreiters Hidde nieder- zulegen. Hidde war vom Jahre 1877 ab, bis wohin er in Berlin gewirkt hatte, im Kreise Niederbarnim unermüdlich im Stillen für die Sache des Proletariats thätig. Die zahlreiche Theilnahme an seinem Leichenbegängnisse zeigte, daß fem Wirken nicht ver- gebens war. Ehre seinem Andenken. Zum Fall Ziethen. In verschiedenen Zeitungen lesen wir: Der Fall Ziethen beginnt wieder die öffentliche Auf- merksamkeit zu beschäftigen. Aus Elberfeld kommt die Nachricht, daß der als Mörder seiner Frau seit fast zwölf Jahren im Zuchthause zu Werden internirte Albert Ziethen voraussichtlich demnächst in Freiheit gesetzt werden wird, nachdem für seine Schuldlosigkeit neue schwerwiegende Beweise herbeigeschafft worden sind. Die Zeitungen würdigen hierbei das Verdienst, welches sich Männer wie Oberstlieutenant von Egidy und Reichstagsabgeordneter Wilhelm Liebknecht um die Herbeiführung dieses Re­sultates erworben haben. Wenn man aber die Personen, welche für die Unschuld Ziethen's unermüdlich gekämpft und dafür gesorgt haben, daß die Bewegung zu seinen gunsten lebendig erhalten wurde, nennt, so darf vor allem Paul Lindau nicht vergessen werden, der seine Feder wiederholt in den Dienst des seiner Ueberzeugung nach unschuldig Ver- urtheilten gestellt, der den Fall Ziethen mit ebenso viel Ge- wisscnhaftigkeit und Gründlichkeit wie Scharfsinn untersucht und mit mustergiltiger Klarheit dargestellt hat. Außer den Aussätzen inNord und Süd" hat er nochmals den Fall in der im Jahre 1892 im Verlage der Schlesischen Buchdruckerei, Kunst- und Verlagsanstalt von S. Schottlaender, Breslau , er- schienen Broschüre:Der Mörder der Frau Marie Ziethen. Ziethen oder Wilhelm?" erschöpfend behandelt. Diese mit einem Situationsplan der Elberfelder Oertlichkeiten und einem Grundriß des Ziethen'schen Hauses versehene Schrift, welcher der bekannte Wiener Jurist Dr. Max Renda ein Nachwort beigegebe» hat. bietet die beste Gelegenheit, sich über den sensationellen Prozeß zu informiren. Wenn die Frei- lassung Ziethen's eine Thatsache werden sollte, so würde sie für Lindau's in dieser Sache aufgewendeten Scharfsinn und Eifer die glänzendste Genugthuung und Belohnung bedeuten." Es liegt uns fern, die Verdienste des Herrn Paul Lindau in dieser Angelegenheit verkleinern zu wollen. Herr Paul Lindau hat eine sehr gute Schrift geschrieben, in welcher die Unschuld Ziethen's mit zwingender Logik erwiesen ist und diese Schrift hat sogar einen halbamtlichen Charakter, denn sie ist im Auf- trage sehr hochgestellter Polizeibeamten ge- schrieben, die von der Unschuld Ziethen's überzeugt waren, und, wie wir mit Bestimmtheit zu wissen glauben, überzeugt sind. Der Siidring-Bahnhof Rixdorf ist wegen der ,Er. weiterungSarbeiten vorübergehend von der Bergstraße nach oer Hermannstraße verlegt worden. TaS««entdeckte Höllenmafchinen-Attentat" spukt jetzt, nach Verlaus von vier Wochen, immer noch in der bürgerlichen Presse herum. Mit Bedauern wird konstatirt, daß derAtten- täter", gleich einer stattlichen Reihe Mörder aus den letzten Jahren, von der berühmten Berliner Polizei immer noch nicht entdeckt worden ist und daß sehnsüchtig verlangende Blicke nach den tausend Mark Belohnung geworfen werden, die leider wohl unerhoben bleiben mußten. Zur Veränderung berichtet man auch im Gegentheil zu den noch vor kurzem entworfenen Schreckensbildern, daß in Fachkreisen die Höllen- Maschine für durchaus ungefährlich gehalten werde, und zum Schluß wird die überaus wichtige Meldung gebracht, daß der beattentäterte Polizei-Oberst Krause in den letzten Tagen wieder ruchlose Drohbriefe erhalten habe. Wir fragen, ob überhaupt ein im öffentlichen Leben stehender Mann namhaft zu machen ist, der sich von anonymen Leuten, die überflüssige Zeit haben, nicht dann und wann derartige kleine Ulkereien gefallen lassen müßte? Im bürgerlichen Leben findet man es lächerlich, davon überhaupt Aufhebens zu machen. Wegen Mangel an geeigneten Aspiranten sollen die Oberfeue'rwerks-Schüler, welche wegen der bekannten Disziplin- Widrigkeiten zu Strafen verurlheilt waren, jetzt wieder, wie das ..Berliner Tageblatt" meldet, an die Oberfeucriverker-Schule zurückberufen werden. AuS Anlast der TyPhuSerrrankunge« ist durch Kom« mandanturbefehl angeordnet worden, daß das erste Bataillon des Kaiser Franz- Garde- Grenadier-Regiments gestern seine Kaserne zu verlassen hatte. Die Quartiermacher sind gestern früh, zum theil schon vorgestern Abend ausgerückt, um dem Bataillon in Britz , Tempelhof und Mariendorf die Bürger- quartiere zu bereiten. Dorthin folgte das Bataillon gestern Mittag. Es bleibt in den Bürgerquartieren bis zum 1. August; dann rückt es nach Döberitz zu einer zehntägigen Schießübung aus. Die Kaserne soll einer gründlichen Reinigung und Des- i n f e k t i o n unterzogen werden. Neue Erkrankungen sind bei dem Bataillon seit sieben Tagen nicht mehr vorgekommen. Aus Tempelhof ist gestern einer der an akuter Darmentzündung Leidenden als geheilt zur vierten Kompagnie zurückgekehrt. Auch beim Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment sind seit dem Anfang dieses Monats einige Typhuserkrankungen vor- gekommen. Nach den bei uns eingegangenen Meldungen liegen im ganzen sieben Fälle akuter Darmerkrankung vor, und zwar bei der dritten Kompagnie, darunter sind drei Typhusfälle. Hieran leiden die Grenadiere Koseminsky, Kunze und Löwenstrunk, die in den Jsolirbaracken des Garnisonlazareths I in der Scharnhorststraße in der unter der Leitung des Stabsarztes Dr. Domnauer stehenden großen Abtheilung für innere Krankheiten behandelt werden. Alle Kranken befinden sich aus dem Wege der Besserung. Zu der offiziösen Ableugnung derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung" sei bemerkt, daß in unseren Berichten von einer Typhus« Epidemie nicht die Rede war. In großer Waffersnoth befand sich vorgestern wieder einmal der Norden Berlins und zwar infolge des mit wölken» bruchartigem Regen verbundenen Gewitters, das sich mit be» sondcrer Heftigkeit über die nördlichen Stadttheile entladen zu haben scheint. Berlin zeigte sich hier als Seestadt in des Wortes verwegenster Bedeutung und gar viele der unterirdischen Nord». landsbewohner haben zu ihrem Schaden die zweifelhaften Freuden eines unfreiwilligen Seebades zu schmecken bekommen. Ein Theil des Nordens ist bekanntlichgebirgig", die söge- nannten Rehberge stehen in allseitigem hohen Ansehen und verleihen den auf ihnen errichteten Straßenzügen einenab- fälligen" Charakter. Diesem Uinstande war es denn auch zu- zuschreiben, daß sich von hohen Bergen herab schäumende Wasser- däche aus den höher gelegenen Seitenstraßen in die Ackerstraße ergossen, in ihrem Laufe viel Unheil anrichtend, Keller über- schwemmend und den Gartenplatz alsbald in einen weiten See verwandelnd. Von hier aus ergossen sich die Wassermasfen die Ackerstraße entlang bis Pappelplatz und darüber hinaus bis zum Koppenplatz, die ganze Gegend unter Wasser setzend und überall Schaden anrichtend. Bald wäre auch ein junges Menschenleben dem Wassersturze zum Opfer gefallen, indem ein flüchtender Knabe in einen geöffneten Kanalisationsschacht versank und nur mit Mühe wieder herausgefischt werden konnte. Auch der nordöstliche Stadttheil hatte unter Waffersnoth schwer zu leiden. Die Schön» hauser Allee ist, dafür bekannt, daßgfie Extravaganzen besonders zugeneigt ist und auch gelegentlich des vorgestrigen Natur- rreignisses zeigte die Schönhauser Allee wieder die bekannte und bereits liebgewonnene Seelandschaft. Auch die angrenzenden Straßen glichen Kanälen und die Kellerbewohner haben auch hier vielfach, in einzelnen Fällen sogar sehr beträchtlichen Schaden erlitten. Die Hilfe der Feuerwehr wurde mehrfach in Anspruch genommen. Mariendorfer Romantik. EinRäuberlager" ist, wie ein Berichterstatter meldet, vor einigen Tagen auf einem Felde bei Mariendorf entdeckt worden. Nach dem Befunde scheint der Lagerplatz der Treffpunkt einer größeren Berliner Diebesbande gewesen zu sein, welche dort einKriegslager" unterhielt, Dieb- stähle berathete und Beute vertheilte, vielleicht auch m Stunden von Gefahr Unterschlupf suchte. Darauf deutet die Thatsache, daß sich in der Höhlung ein größeres Quantum von Wurst, Schinken, Brot u. f. w. vorfand. Die Diebe hatten kurz vor der Entdeckung des Lagers noch in diesem geweilt und sind wahr- scheinlich durch einen zufällig dort entlang kommenden Gendarm verscheucht worden; obwohl die Höhlung Tag und Nacht ununter- brachen bewacht wurde, ist es bis jetzt nicht gelungen, auch mir einen ihrer Bewohner zu ernntteln. DaS in Charlottenbnrg verbreitet gewesene Gerücht von einem Mädchenmorde, welches durch ein Extrablatt der Charlottenburger Bürger-Zeitung" auch bestätigt wurde, entbehrt, wie die dortige Polizeidirektion mittheilt, jeder Begründung. Der Thatbestand ist nach der a m t» lichen Quelle folgender: Vorletzte Nacht kurz nach 12 Uhr wurde auf der Ringbahn zwischen Station Beusselstraße und Jungfernhaide in der Nähe der Charlottenburger Gasanstalt eine unbekannte Frauensperson, die sich in selbmörderischer Absicht auf die Geleise geworfen, über» fahren und derart verletzt, daß der Tod nach IVe Stunden eintrat. Die Unglückliche wurde zunächst von den Räumern der Maschine am Genick erfaßt, dasselbe wurde gebrochen, die rechte Wange aufgerissen und die untere Kinnlade zerschmettert. Außerdem schnitten die Räder des Zuges den linken Arm und Bein vom Körper ab. Die Unbekannte ist ca. 20 Jahre alt, mittelgroß. hat dunkles Haar, hinten im Zopf geflochten und Ponnylocken an der Stirn, braune Augen, etwas spitze Nase und vollständige Zähne. Sie trug an der linken Hand einen Siegelring mit blaß- rothem Stein und goldenes Ohrgehänge. Bekleidet war die Selbstmörderin mit einem rothbraunen Rock und einem Hemde gezeichnet A. M., die gleiche Zeichnung trug ein weißes Taschen- tuch. In einem schwarzen Bügel- Portemonnaie fanden sich vier fremde Nickelmünzen; dieselben zeigen auf der einen Seite den österreichischen Adler, auf der anderen Seite 201 893 in Allegorie. Meldungen über die Personalien sind der Charlottenburger Polizei zu machen. Von der Redaktion deS neuen Adreßbuchs geht uns zu der gestern unter der SpitzmarkeDer Segen der Sozialreform" gebrachten Notiz die folgende Nichtigstellung zu: Die Räumlich» leiten, in denen die Bureau-Arbeiter sitzen, sind nach Ansicht der Redaktion genügend ventilirt, sodaß auch im obersten Stock von schlechter Luft kaum die Rede fein kann. Die Beschäftigungs- dauer der Bureau-Arbeiter beträgt 6'/i Stunden; aller­dings werden Ueberstunden in Dauer von 4 oder 5 Stunden gemacht, die aber zum großen Theil nur auf Wunsch des Personals eingerichtet werden. Was den berichtelen Krankheitsfall betrifft, so mußte dem betreffenden Arbeiter das Aufnahmeattest für die Ortskasse der Kanfleute je. aus dem Grunde verweigert werden, weil der Kranke überhaupt nicht mehr beim Adreßbuch in Stellung war. Die Redaktion war weder berechtigt noch verpflichtet, dem Verlangen der Ortskasse für Kausleule und Apotheker:c. nachzukomme», weil der Kranke ja eben bei der Orlskasse für Handlungsgehilfen und Lehrlings angemeldet war. Viel ist es leider nicht, was von der Re- daklion desNeuen Adreßbuchs" an unserer gestrigen Notiz berichtigt" wird. Tie Näherin Wilhelmine Stange, von deren Operation wir gestern berichteten, befand sich gestern noch wohler als am ersten Tage nach der Operation. Sie verrichtet bereits leichte landarbeiten im Bett und glaubt schon in allernächster Zeit das rankenhaus ganz geheilt verlassen zu können. Zu dem ärztlichen