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Ausgabe A nr. 128 olin

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Telegramm- Abrene: Sosialbemotrat Berlin

Sonntagsausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

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Sonntag, den 30. Mai 1926

Pilsudskis Wahl gesichert.

Montag Nationalversammlung.

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3 Bostichedkonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depoktentaffe Lindenstr. 3.

Drei Wochen Kampf!

Um die 20 Millionen für den Volksentscheid. Bon heute in drei Wochen fällt die Entscheidung. Rund vierzig Millionen deutscher Männer und Frauen im Besiz der Fürsten befinden, dort verbleiben, oder ob sie in find aufgerufen, zu entscheiden, ob die Milliardenwerte, die sich das Eigentum der Allgemeinheit zurückkehren follen, dem sie entnommen sind.

Wer ruft zu diesem Bolfsentscheid? Keine Behörde tuf den Willen jenes Volksteils, der nach verfassungsmäßigem es! Das Reichsministerium des Innern vollstreckt nur Recht das ganze Volt zur Stimmurne ruft. 3wölfeinhalb Millionen Wähler und Wählerinnen haben durch Unterschrift ihren Willen befundet, daß die Fürsten enteignet werden sollen. Nun richten sie an die übrigen siebenund­zwanzigeinhalb Millionen die Frage, ob sie mit diesem Vor­schlag einverstanden sind oder nicht.

Warschau , 29. Mai( Eigener Drahtbericht.) Minister- Während Pilsudski selbst also nicht durch Voltsabstimmung präsident Bartel hatte für heute nachmittag Vertreter aller Parla- oder Parlament förmlich gewählt worden war, auch niemals mentsfraktionen zu fich eingeladen. Auch Marschall Pilsudski den Titel Staatspräsident", sondern den Titel Staats­erschien in dieser Besprechung. Vorher jedoch hatten die Vertreter che f" geführt hat, machte sein Rücktritt die erste Präsidenten­der Nationaldemokraten, einer chauvinistisch- reaktionären mahl nötig. Die Sejmwahlen 1922 hatten die Mittelpar­Rechtspartei, nach einer Besprechung mit Bartel die Sigung ver- teien völlig aufgerieben; weder die Rechte noch die Linke, zu laffen. Dagegen nahmen die Vertreter zweier anderer Rechts- der damals noch Witos' Bauernpartei zu rechnen war, hatten parteien, nämlich der chriftlichen Demokraten und der Bauernpartei für sich eine Mehrheit, da im Sejm außerdem noch mit rund Piaft auch weiter an der Besprechung teil. Pilsudski hielt einem Fünftel der Mandate die Vertreter der nationalen eine lange Rede, in der er seine Ansichten über die Funktion des Minderheiten saßen. Die Rechte bemühte sich vergeb= Präsidenten der Republik entwickelte. Er sprach sich, wie schon lich, ihren Kandidaten durchzubringen. Es wurde vielmehr vorher in mehreren Erklärungen, dafür aus, daß sowohl die Rechte mit den Stimmen der Linken und der Minderheiten der wie die Berantwortung des Präsidenten erweitert Minister für öffentliche Arbeiten, Narutowicz , gewählt. werden sollen. Pilsudski selbst lehnte eine Wahl ab. Schon damals spielte die Frage der Spige der Heeresbehörden und des Oberbefehls eine Rolle. Pilsudski war mit den geltenden Gesezen hier über nicht einverstanden. Wichtiger für seine Ablehnung war aber, daß er durch die Form des gegen ihn von der Rechten geführten Kampfes verbittert war und das repräsentative Amt des Staatsoberhauptes seiner aktiven und impulsivene Natur überhaupt nicht lag.

Die Wahl Pilsudskis gilt für ganz sicher. Außer den Linksparteien hat sich auch die jüdisch- bürgerliche Fraktion, die 38 Mitglieder zählt, einstimmig für die Wahl Pilsudskis ausgesprochen, nachdem der Ministerpräsident den Bertretern des jüdischen Ber­bandes erklärt hatte, Pilsudski wolle in liberalster Weise die in der Versaffung gewährleisteten Rechte der minder heitsvöller wahren. Auch eine Gruppe von führenden Wirtschaftsleuten, die nicht zur nationaldemokratischen

Partei gehören, hat eine Erklärung zugunsten der Wahl Pilfuditis veröffentlicht. Die für jede gültige kandidatur erforderlichen Unterschriften sind von den Linksparteien für die Kandidatur Pil­Unterschriften sind von den Linksparteien für die Kandidatur pil­fuditis bereits aufgebracht. Die Rechtsparteien haben bisher einen Kandidaten nicht namhaft gemacht; es scheint, als ob sie damit erst im lekten Augenblick und nur in demonstrativer Absicht heraus.

tommen wollen.

Die Nationalversammlung triff Montag vormittag 10 Uhr zusammen. Sie besteht aus den 444 Sejm- und den 111 Senatsmitgliedern. Zur Beschlußfähigkeit genügt die Anwesen­heit der Hälfte.

Narutomic 8, ein fähiger und tüchtiger Mann wurde wenige Tage nach seiner Wahl von dem nationalistischen der seine Tat mit dem Tode büßte, ist heute der Held Fanatiker Niewiadomsti ermordet; der Mörder, der faschistischen Rechten. An Stelle des Ermordeten wurde mit der gleichen Mehrheit Wojciechomiti gewählt, der nun sein Amt niedergelegt hat. Wojciechowski war ein alter Kampfgenosse Pilsudstis aus der Zarenzeit. Persönliche Be­deutung besaß er nicht. Ueberdies hat er sich allmählich in tonservativ- flerifaler Richtung gemaufert.

Krankenhäuser verlassen haben, auch nicht diejenigen, die sich in privater Behandlung befinden.

Die Opfer der Straßenkämpfe. Warschau , 29. Mai. ( DE.) Die Zahl der Opfer der Warschauer Kämpfe beläuft sich nach Angaben des polnischen Roten Kreuzes Pilsudski hat schon einmal, und zwar nach dem Zusam auf 374 Tote und 711 Berwundete; davon entfallen 179 Tote menbruch der Oftupation der Zentralmächte, an der Spize und 122 Verwundete auf 3inil personen, wovon nicht wenige von des polnischen Staates gestanden. Der noch von den Zentral- den Fliegerbomben des Generals Sagursti getroffen mächten eingefegte Regentschaftsrat hatte abgedankt und wurden; Sagursti sitzt mit anderen Witos- Generälen gefangen, fie Pilsudski die oberste Gewalt übertragen. Abgesehen von dieser sollen vor das Kriegsgericht kommen. In diesen Ziffern sind die formell- rechtlichen Verbindung mit den von den Okkupations - jenigen Personen nicht berücksichtigt, die nach erfolgter Genesung die mächten eingesetzten Gewalten kann Pilsudski aber in Anspruch nehmen, fraft revolutionären Rechtes des befreiten Boltes zum Staatschef berufen worden zu sein; es ist keine Frage, daß er auch ohne den Schritt des Regentschaftsrates damals an diese Stelle gelangt wäre. Pilsudski errichtete feine Diktatur, was er damals wohl gefonnt hätte, sondern berief eine Regierung auf demokratischer Grundlage und ließ die Wahlen für eine Verfassunggebende Versammlung vor­nehmen. Dieser stellte er im Februar 1919 sein Amt zur Berfügung, erhielt es aber unter Ovationen zurüd. Er hat sein Amt bekleidet bis zur Neuwahl des polnischen Sejms, also bis Ende 1922.

Amnestie für die Frankenfälscher? Die Krönung der Justizkomödie durch Horthy . Budapest , 29. Mai. ( TU.) Die Zeitung Magior Orszag" meldet, daß der ungarische Reichsverweser Horthy za 29. August, dem 400. Jahrestage der Schlacht bei Mohas3, in der der letzte ungarische König Ludwig II. gegen die Türken unterlag, eine allgemeine Amnestie erlaffen werde. Diese soll sich auf alle Verbrecher beziehen, die Zuchthausstrafen von nicht mehr als 5 Jahren erhalten und die ihre Straftaten nicht aus ge­meiner Habgier begangen haben. In politischen Kreisen verlautet, daß in diese Amnestie auch Prinz Windischgräh, Nadosiy und die anderen im Frankenfälscherprozeß Berurteilten einbezogen werden sollen.

Was ist mit Brasilien ? Montaroyos bestreitet eine Aenderung in Brafiliens Stellung.

Paris , 29. Mai. ( MTB.) Der Bertreter Brafiliens bei den Bölkerbundsverhandlungen über die Erweiterung des Bölkerbunds­rates, Montaroyos, hat dem Genfer Vertreter der Agentur Huvas über die Haltung Brasiliens eine Erklärung abgegeben, die offenbar veranlaßt ist durch eine Meldung, die durch einen Teil der franzöfifchen Preise gegangen ist und deren Ursprung nicht festgestellt werden kann. Nach dieser Meldung mollte man eine gewisse Aenderung in der Haltung der brasilianischen Regierung festgestellt haben. Montaronos erklärte: Erstens habe der brafi lianische Delegierte beim Bölkerbund Mello Franco weder mit dem deutschen Botschafter v. Hoesch, noch mit dem Grafen Bernstorff, den er überhaupt nicht fennt, eine Unterredung gehabt. Er, Montaronos, habe mur Gelegenheit gehabt, am Schluffe der Verhandlungen des Bölkerbundsausschusses Herrn v. Hoesch persönlich zu erflären, daß er die von ihm abgegebenen Berfiche

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alm Ein rechtswidriger Racheakt geplant.

Kowno , 29. Mai. ( OP.) In Wilna find 15 ehemalige litauische Soldaten verhaftet worden. Sie sollen wegen Hochver. rats vor ein polnisches Gericht gestellt werden, weil sie, ob­wohl aus dem jetzt zu Bolen gehörenden Wilnagebiet stammend, im litauischen Heer gedient haben. Nach litauischer Auffassung ist eine solche Anklage undenkbar, da die betreffenden Personen por der Besehung Wilnas durch die Polen in der litauischen Armee gedient haben.

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rungen wiederhole und verschärfe, nämlich, daß Brasilien in keinem Augenblick daran gedacht habe, fich der Zulassung Deutschlands in den Bölkerbund zu widersetzen, und daß in dieser ganzen An­gelegenheit Brafilien stets sowohl im März, wie im Verlaufe der Berhandlungen des Prüfungsausschusses einen grundsäglichen Standpunkt eingenommen und nur die höheren Interessen des Bölkerbundes im Auge gehabt habe. Zweitens, bleibe die von Brafilien in der Frage der Zuteilung ständiger Size eingenommene haltung unverändert. Es stehe dem Präsidenten der brasilianischen Republik allein zu, diese Haltung zu ändern. Die ftändige Bertretung Brasiliens beim Bölferbund unter der Leitung von Mello Franco habe indessen vom Präsidenten der Republik teine neue Anweisung erhalten, die es ihr gestatte, irgend eine Aenderung ihrer in dieser Angelegenheit eingenommenen Hal­tung herbeizuführen. Der Havasvertreter fügt diesen Aeußerungen hinzu, daß Graf Bernstorff seinerseits in Abrede gestellt habe, irgendeine Besprechung mit Mello Franco gehabt zu haben.

Diese Erklärung richtet sich gegen die auch von uns in unserer Sonnabend- Abenbausgabe wiebergegebene Meldung der Barijer Blätter Quotidien und Deuvre", wonach Brafilien durch seinen Bertreter in Genf ausdrücklich hätte erklären laffen, daß es teine Schwierigkeiten mehr gegen die Aufnahme Deutschlands im September machen würde. Jetzt soll das alles wieder nicht wahr sein, vielmehr habe der Präsident der brasilianischen Re­publit teine neuen Instruktionen gegeben und folglich bleibe alles beim alten.

Benn Brafilien Wert darauf legt, aus dem Bölterbundsrat hinausgejagt zu werden, dann mag es im September die gleiche Haltung einnehmen wie im März. Die Welt mird es nicht dulden, daß die soeben durch die Studienkommission erzielte Eini gung wieder einmal von Brasilien sabatiert werde, und zwar durch den Eigensinn jenes Präsidenten Alvarez, der selbst auf dem Aussterbeetat steht, da seine Amtszeit demnächst abläuft.

Der 20. Juni soll die Antwort bringen. Rund zwanzig Millionen Zettel mit einem Kreuz unter dem ,, Ja" sind not­wendig, wenn die Bejahung rechtskräftig werden soll. Rund fiebeneinhalb Millionen müssen noch zu den zwölfeinhalb, die das Volksbegehren unterschrieben, dazugewonnen werden. Das ist die Aufgabe.

*

Der Streit, ob das begehrte Gesez verfassungs ändernd ist oder nicht, ist heute praktisch bedeutungslos. Die Regierung Luther hat das Gesetz für verfassungsändernd verfassungsändernd betrachten, also seine Berfündung durch erklärt. Würde eine spätere Regierung das Gesetz als nicht den Reichspräsidenten auch dann befürworten, wenn weniger als die Hälfte der Stimmberechtigten dafür gestimmt hätten ausgabe der Güter flagen und vor den Gerichten die Rechts­- was würde die Folge sein? Die Fürsten würden auf Her­wirksamkeit des Gesetzes bestreiten. Das Ergebnis wäre leicht vorauszusehen.

Auf keinen Fall wäre aber dann der Endzweck erreicht. einer flaren endgültigen Lösung gäbe es endlose Prozesse. Also Der Weg zur Justiz wäre den Fürsten nicht gesperrt. Statt nur dann ist das Ziel erreicht, wenn es am 20. Juni wirklich gelingt, rund 20 Millionen Stimmen für die Enteignung der Fürsten aufzubringen.

Die notwendige genaue Zahl, die die Hälfte der Stimm­berechtigten darstellt, ergibt sich aus den Stimmlisten. Soll also die Sache des Volksentscheids nicht ungerechterweise be= nachteiligt sein, dann darf auf der Stimmliste tein einziger stehen, der nicht auffie gehört. Stün­den beispielsweise in den Stimmliften des ganzen Reiches eine halbe Million Toter oder anderer Personen, die nicht mehr in die Listen gehören, dann würde die notwendige Zahl der Jaftimmen um eine Viertelmillion höher erscheinen, als sie in Wirklichkeit ist, und das Ergebnis fönnte in sein Gegenteil verwandelt werden.

Ohne gründliche Bereinigung der Listen kein ehrlicher Voltsentscheid! to on

190.

Ist das Gesetz vom Bolt angenommen, dann muß es auch durchgeführt werden! Theoretisch besteht allerdings die Möglichkeit, daß der Reichstag ein Gesetz beschließt, das das nicht dem Wortlaut, so doch dem Geist der Verfassung wider­Dom Bolt beschlossene Gesetz aufhebt. Aber das würde, wenn ftreben, nach dem der Wille des Boltes oberstes Gesetz ist. Außerdem tönnte feine Bartei eine solche an einen Staatsstreich grenzende Abstimmung wagen, ohne fürch ten zu müssen, aus den nächsten Wahlen dezimiert zurück­zukehren. dus

Durchführung des Gesetzes bedeutet nicht, daß die Fürsten , wie die Gegner sagen, bis aufs Hemd ausgeplündert werden". Das Gefeß schließt nicht aus, daß den Enteigneten, falls fie sonst in Not geraten würden, etwas belassen wird, aber das wäre dann freilich nur auf dem Wege der Schenkung möglich. Erfolgte eine solche Schenkung aus öffentlichen Mit­tein, so würden diejenigen, die sie bewirken, vor dem Volte die Verantwortung dafür tragen.

Abgesehen davon haben aber auch die Monarchisten selber die Möglichkeit, nach einem erfolgreichen Boltsentscheid ihre flingender Münze zu beweisen! Das scheint uns über­Treue zu ihren angestammten Fürstenhäusern einmal mit haupt als die beste Lösung des Broblems, daß diejenigen, die den Fürsten ein Herrenleben sichern wollen, auch freiwillig die Kosten für dieses Herrenleben aufbringen. Wunderbar, höchst wunderbar, daß dieser doch so naheliegende Gedanke in den Kreisen der Königstreuen so gar keine Wurzeln fassen will!

Die Kommunisten sagen: Wenn das Volk das Gesez auch annimmt, so wird es doch nicht durchgeführt werden. Und sie freuen sich jetzt schon, uns dann vorhalten zu können: Da habt ihr eure Demokratie!" Ob die Prophezeiung falsch oder richtig ist, wird die Zukunft zeigen, aber daß die Logik brüchig ist, sieht man schon jetzt.

Nicht ausführung eines vom Bolt beschlossenen Gesezes ift ein Schlag gegen die Demofratie. Rampf für seine Aus­