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Der Wilhelmspfennig. Die Monarchisten sammeln Geld gegen den Volksentscheid.

Zahlreiche Berliner , die wohlhabend sind oder dafür gelten', haben in den letzten Tagen einen von Abg. o. Kar- d o r f f und Generaldirektor W i l m unterzeichneten Brief der Volkspartei erhalten, in dem es heißt. Dürfen wir uns namens unseres Wahltreisverbandes der Deutschen Voltspartei die Bitte gestatten, unseren Generalsekretär, Herrn D i e t s ch, freundlichst empfangen zu wollen. Es handelt sich bei dem Besuch unseres Herrn Dietsch um die Bitte unserer Partei an Sie, für die volksparteiliche Arbeit in Groß- Berlin, insbesondere für die Abwehr der kommunistisch» sozial! st ischen Forderung der rücksichtslosen Enteignung des Besitzes, durch zur Verfügung st ellung einer an- gemessenen Summe die Grundlage sichern zu helfen. Wir glauben, diese Bitte an Sie richten zu dürfen» auch dann, wenn Sie sich nicht zu unserer Partei bekennen sollten. Durch die letzten Berliner Wahlen sind unsere Mittel restlos verbraucht. Wir sind deshalb gezwungen, uns an alle Kreise, die an einer volkspartei- lichen Politik persönlich bzw. wirtschaftlich interessiert sind, mit der obigen Bitte zu wenden. Wir glauben, daß Sie, als erfahrener Wirtschaftler, sich der Erkenntnis der Notwendigkeit der Deutschen Volkspartei nicht verschließen werden. Im gegenwärtigen Volksentscheid, der ja eigentlich nur ein Vorläufer für die Enteignung de» Gesamt- besitze» ist, steht die Deutsche Volkspartei auf dem Standpunkt, daß die restlose Enteignung aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ab- gelehnt werden muß. Wir führen deshalb den Kampf gegen die Enteignung mit dem Ziel, eine Regulierung herbeizuführen, die den berechtigten Interessen beider Teile entspricht. Wir bitten Sie ergebenst, unserem Wunsche zu entsprechen und uns einen Betrag zur Verfügung zu stellen. Unser Herr Dietsch wird sich ertauben, Sie im Laufe der nächsten Tage aufzusuchen. Wir sagen Ihnen im voraus für Ihre freundliche Hilfe unseren verbindlichsten Dank. Dem selben Zweck dient ein Rundschreiben des West- fälisch-Lippischen Wirtschaftsbundes, in dem gleichfalls das Gespenst einer allgemeinen entschädigungslosen Enteignung an die Wand gemalt und dann gesagt wird: Um für unseren Bezirk eine einheitliche durchschlagende Pro- paganda zu ermöglichen, richten wir an alle unsere Mitglieder das dringende Ersuchen, trotz der gedrückten Wirtschastslag« uns sofort nennenswerte Beiträge für diese Propaganda zur Ver- fügung zu stellen.... Beiträge an Parteien werden durch diese uns überwiesenen Beiträge selbstoer» st S n d l i ch abgelöst. Wir bitten, die Ueberweisung aus unser Konto bei der Deutschen Bank, Filiale Bielefeld , zu richten und mit dem KennwortVolksentscheid" zu oersehen. Größte Eile ist ge- boten!

Kennzeichnend für alle Aufrufe dieser Art ist es, daß sie peinlichst jede Stellungnahme zur Staatsform und jede Sympathiekundgebung für die Dynastien vermeiden. Immer wird an die Solidarität der Be sitzenden appelliert» immer wieder wird den Angeschnorrten eingeredet, daß ihr eigener Besitz bedroht sei. Nicht weil die Fürsten von Gottes Gnaden, sondern nur weil sie Millionäre sind, werden sie dem Schutz der übrigen Millionäre empfohlen. Und so werden alle dicken bürgerlichen Geldsäcke mobil ge- macht zum Schutz ihrer dicken fürstlichen Kollegen. Ein Aufmarsch, der imponierend ist und den Habenichtsen zu denken gibt! Beteiligung am Volksentscheid! Die Parole der Demokrate«. Der demokratische Führer Anton Erkelenz schreibt in der "Hilfe":Der Aufmarsch zur Volksabstimmung über die Fürsten- enlschädigung, der durch die Auseinandersetzungen über die Flaggen- frage wochenlang gehemmt war. setzt fetzt allmählich ein. Die Demokraten haben die Abstimmung freigegeben. Das Zentrum hat leis« gegen die entschädigungslose Enteignung entschieden. Deutsche Volkspartei , Deutschnationale, Wirtschaftspartei und Liberale Vereinigung haben von jeder Beteiligung an der Abstimmung ab- geraten. Die Demokratische Partei will eine wirkliche Freigabe der Abstimmung und hatte ihre Organisationen dringend gebeten, von jeder Ausgabe einer Parole Abstand zu nehmen. Zur Hauptfrage an sich mag der einzelne stehen, wie er will. Wir sind alle daran interessiert, daß eine freie Abstimmung möglich ist. Eine wirtlich freie Stimmenabgabe ist aber nicht möglich, wenn die Gegner der Abfindung nicht zur Abstimmung gehen. Dann wird auf dem Lande jeder, der zur Abstimmung geht, von vornherein als ein Anhänger der Enteignung angesehen und denunziert. Un- beschadet der Stellung zur Sache selbst, sollte des- halb in der Demokratischen Partei Einmütigkeit darüber bestehen, daß jeder zur Abstimmung geht und nach seiner Ueberzeugung mit Ja oder Nein stimmt. Nur wenn wir so handeln, ermöglichen wir die freie Abstimmung aller." Die Reichsregierung hat den Mitgliedern des Reichstags am Dienstag die Vorlage zur Fürstenabfindung übermittelt. Es handelt sich um den Gesetzentwurf, der bereits vor den Pfingst- senen vom Reichsrat mit der verfasiungsmäßigen Mehrheit ver­abschiedet worden ist und dessen Inhalt sich mit den Entwürfen, die im Rechtsausschuh des Reichstags trotz wiederholter Beratungen keine Mehrheit fanden, deckt. Im Plenum des Reichstags durfte er trog Irgendwelcher Aenderungen keine Mehrheit finden.

zur Ruhe ermahnen und die Abgeordneten, die sich in einem dichten Haufen in den Vordergrund des Saales geschart hatten, aufjordcrn mußte, ihre Plätze einzunehmen. Abg. Mehenthin(D. Dp.) oersucht unter der großen Unruhe des Hauses die Aktion der Personen, gegen die der Oberreichsanwalt ein Vorverfahren wegen Hochverrats eingeleitet hat, als harmlos hinzustellen. Gegen die Wirtschaftsführer habe man aus politischen Gründen nicht vorgehen dürfen. (Im Verlauf der Rede kommt es zu stürmischen Unterbrechungen. Unter den Abgeordneten, die sich vor der Rednertribüne zusammen- drängen, erfolgt ein Zusammenstoß zwischen dem K o m- munisten Kasper und Vertretern der Rechten. Abge- ordnete der Mittelparteien oeranlassen den Abg. Kasper, zurück- zutreten.) Abg. Eberlein(Komm.) erklärt, hier werde ein so großes Ge- schrei erhoben über Haussuchungen: das passiere den Kam- munisten jeden Tag. Bei den Kommunisten werde nichts ge- funden: dafür aber wanderten sie ins Zuchthaus. Das Geschrei sei nichts als Theater, um die wahren Absichten, die man verfolge, zu verschleiern. Abg. Rave(Dem.) weist den früher erhobenen Vorwurf des Abg. Eynern(D. Vp.) zurück, daß die Polizei durch ihr Vorgehen Unruhe stifte. Er dankt der Polizei für ihre Haltung und bedauert, daß beim Etat nicht mehr materielle Besserstellung der Polizeibeamten herausgekommen sei. Abg. Prelle(W. Vg.) bezeichnet die Entwicklung der Polizei in den letzten Iahren als günstig. Da sollte man aber auch die Wünsche der Polizeibeamten, besonders in der Besoldungs- frage berücksichtigen. Ministerialdirektor Abegg erklärt, auf die in der Debatte vor- gebrachten Einzelheiten würde die Regierung in der Ausschuß- beratung zurückkommen. Abg. Dr. Körner(Völk.) behauptet, der ehemalige Polizeipräsi- dent Richter erhalte noch jetzt über 1000 M. monatlich, die er im Auslande oerlebe.(Hört! HörtI rechts.) Ministerialdirektor Abegg erklärt, daß der ehemalige Polizei- Präsident von Berlin , Richter, keineswegs über 1000 M. monatlich erhalte und diese Summe, die er nicht erhält, auch nicht im Aus- land verzehren könne, weil er überdies in Berlin fei. Abg. Ruschke(Dem.) bezeichnet es als Verbrechen. Nervosität in die Polizei und die Oeffentlichkeit zu tragen, wie es durch falsche Nachrichten der Hugenbcrgpresje geschehen sei. Die Völkischen sollten endlich mit ihren Hetzereien aushören: die Tat- sache, daß Müller-Dammers ermordet worden sei, können sie doch nicht leugnen. Was manche Beamte gegenüber der Re- publik, die sie bezahle, sich herausnehmen, übersteige alle Grenzen. Das wäre nicht möglich, wenn die Regierung von Anfang an sofort und energisch zugegriffen hätte. Putschplänen gegen- über müsse sie einen festen Arm zeigen, selbst auf die Ge- fahr hin, daß sie einmal daneben haue. Es fei zu begrüßen, daß die Polizeiorgane auf ihrem Posten gewesen seien und zugegriffen bätten: Heute gelte es vor allem, die Autorität der Regierung zu stützen. Der Polizeihaushalt wird hierauf dem Hauptausschuß überwiesen. Mittwoch 11 Uhr: Umgemeindung in Oberschiesien. Kleine Vorlagen. Haushalt des Finanzministeriums. Schluß S.4S Uhr._ Relchstanzler Marx und fein Kabinett. Tie Umgruppierung noch nicht beendet. Der Generalkommissar im Ministerium für die besetzten Gebiets Dr. Schmid, ist zum Staatssekretär ernannt worden. Der Sozialdemokratische Pressedienst bemerkt dazu: Erst am Sonntag hat sich die rheinische Sozia ldemo- kratie aus ihrem Parteitag in Koblenz mit dem jetzigen Staats- fckretär Schmid befaßt und ihm ihr Mißtrauen ausgedrückt.. dem sich auch die sozialdemokratischen Organisationen der übrigen be- setzten Gebietsteile und des Saargebieies angeschlossen haben. Die Reichsregierung war darüber unterrichtet und trotzdem wurde Schmid zum Staatssekretär befördert. Es hat den Anschein, daß diese Beförderung weniger auf die Befähigung des Herrn Schmid als auf parteipolitische Umstände zu- rückzuführen ist. Innerhalb der Regierungsparteien wird bekannt- lich schon seit mehreren Tagen ein Streit über die Besetzung der noch freien Ministerien ausgefochten. Er dürste jetzt dadurch er- ledigt sein, daß der Dolksparteiler Schmid zum Staatssekretär des Ministeriums für die besetzten' Gebiete befördert wurde und offiziell die Leitung dieses Amtes übernimmt, während das Zentrum den Abgeordneten Bell als Reichsjustizminister stellt. «° Finanzminister Reinhold hat infolge einer starken Heu- siebererkrankung auf ärztlichen Rat Berlin für etwa drei Wochen verlassen müssen. Die Führung der Geschäfte be- hält er m dieser Zeit bei._ �Rücksichtslose Maßnahmen../ Oder olympische Ruhe? Die Polizeiaktion der preußischen Regierung gegen die Putsch- pläne rechtsradikaler Verbände ergab u. a., daß zwischen offi- ziellen Reichswehr st ellen und dem sogenannten Sport- vereinOlympia " enge Verbindungen bestanden. In der letzten Reichstagssitzung vor den Pfingstserien, also am 19. Mai, mußte der stellvertretende Reichswehrminister Dr. Külz diese Verbindungen bestätigen. Der stellvertretende Reichswehr - minister kündigte gegen die beschuldigten Offizier« eine strenge Un- tersuchung und rücksichtslose Maßnahmen an. Inzwischen sind14Tagevergangen. ohne daß die Oessent- lichkeit etwas von diesen rücksichtslosen Maßnahmen vernommen hätte, und es scheint, daß man auch in diesem Fall wieder solange untersucht, bis kein Mensch mehr an den Skandal denkt, um ihn dann stillschweigend zu begrabe». Im Fall»Olympia " wie im Fall Konstanz. _ Der blamierte Staatsanwalt. Rückzugsgefecht im Ttöltzel-Prozeh. Braunschweig . 1. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Der zweite Verhandlungstag des Stöltzel- Prozesse, brachte verschiedene Rückzugsgefechte des Staatsanwalts. Schon nach der Vernehmung des früheren sozialdemokratischen Ministers Dr Ja spar der Dr. Stöltzel ausdrücklich bestätigte, daß er sich niemals bei der Ausstellung der Reisekostenrechnung Vorteile habe v->rschaffen wollen, erklärte der Staatsanwalt, seine Anklage in diesem Punkte fallen lassen zu wollen. Ein Hilfsarbeiter im Ministerium, Studienrat Dr. Zepernick, versicherte, daß nicht nur Landesschulrat Stöltzel sondern auch jeder andere Schulmann Bücher aus der Bibliothek de, candesschulamt» entleihen durfte; auch erhalte jeder Studienrat aus Anfordern vom Verleger Schulbücher zugeschickt. Der Landesschulrat Böse, der das Landes- schulamt für das Voltsschulwesen oermaltet, stellte dem Haupt- belastungszeugen Köhler(der so eifrig spitzelte) ein schlechtes Zeugnis aus. Köhler hat sich, trotzdem er Verbandsbeamter des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes war, bei den sozialdemokratischen Ministem anzubiedem versucht und die wahren Gründe seiner Entlassung au, dem Schuldienst(s i t t l i ch e Ver- f e h l u n g e n) verschwiegen. M I n i st e r Steinbrecher be- kündete jogar, daß Köhler zu einem anderen Beamten geäußert

habe, Stöltzel breche sich das Genick. Nach diesen Aussagen zog der Staatsanwalt auch seine Anträge zurück, die darauf abzielten, Stöltzel» Unglaubwürdigkeit zu beweisen. Die Verhandlungen werden am Mittwoch fortgesetzt.

'......---:-***& Arbeitsplan des Landtags. 12.-21. Juni Volksentscheidspause. 10. Juli ve- gin« der Sommerserie». Der Aeltestenrat des Landtages legte am Dienstag vor Wieder» beginn der Plenarsitzungen nach der Pfingstpaufe den Geschäfts» plan für die weitere Sitzungszeit fest. Am Mittwoch soll die zweite Lesung des Haushalts des Finanzministeriums begonnen werden. Der Donnerstag bleibt wegen Fronleichnam sitzungssrei. Am Frei- tag soll die zweite Beratung der Steuernotverordnung vorgenommen werden, die voraussichtlich am Sonnabend noch fort- gesetzt werden wird. Nach Erledigung des Haushalts des Finanz- Ministeriums wird dann am kommenden Montag der Justiz- Haushalt in zweiter Lesung in Angriff genommen werden. Für die dritte Beratung und die Abstimmungen zur Steuernotverordnung ist der 9. Juni in Aussicht genommen. Die dritte Beratung der Vorlage über dieBestellungderReichsratsmrtglieder. bei der wiederholt die Beschlußunfähigkeit de» Hauses sich heraus- gestellt hatte, wird voraussichtlich Donnerstag, den 10. Juni, statt- finden. Nach Erledigung des Iustizhaushalts werden bis zum 11. Juni noch eine Reihe von kleineren Vorlagen erledigt werden. Die Zeit vom 12. bis einschl. 21. Juni soll wegen de» Volksentscheids sitzungsfrei bleiben. Der Landtag wird dann vom 22. Juni noch bis zum 10. Juli zur Erledigung der Rest« des Etat» und sonstiger Vorlagen zusammenbleiben. Dann tritt die große Sommerpause ein. Der Verfassungsausschuß des Landtags beschäftigte sich am Dienstag abend mit der Frage, ob der Stadtrat Marx- Bonn Mitgtted des Landtages ist. Wie bekannt ist, waren bei der Feststellung des Wahlergebnisses Versehen vorgekommen, so daß die Wahl des Abg. Dr. Badt(Soz.), die nach der Landesliste er- folgte, in Frage gestellt wurde. Der Ausschuß hat sich einmütig dahin ausgesprochen, daß auf Grund der Mitteilung de» Landes- wahlleiters der sozialdemokratische Kandidat Marx als Mitglied des Landtages zu betrachten sei. Weiter hat der Au«- fchuß beschlossen, den Präsidenten zu bitten, da» Wahlprührngs- gericht zu veranlassen, alsbald eine Entscheidung zu treffen, ob der Abg. Dr. Badt die Mitgliedschaft zum Preußischen Landtag ver- loren hat._ Die falsche Röresie. Zentrum, Sozialdemokratie» Sonntagsarbeit. Am IS. März haben einige Zentrumsabgeordnete des Reichstags beantragt, Konditoreien auch an Sonntagen die Herstellung von Eis und Creme zu gestatten. Damit ist«in neuer Vorstoß gegen die Sonntagsruhe gemacht worden, der auch für andere Arbeiter- und Angestelltengruppen die Gefahr der Au»- dehnung der Sonntagsarbeit mit sich bringt. E» ist begreislich. daß sich deshalb auch innerhalb der Anhängerschaft des Zentrums eine gewisse Erregung herausgebildet hat. Von der Zentrumspresse wird deshalb der Versuch unternommen, die Sozialdemokratie der Mitschuld an dieser Verschlechterung der sozialen Lage der Ar- beitertlasse zu bezichtigen. Man behauptet, die gesamte sozialdemo- kratische Reichstagssraktion habe für diesen Antrag gestimmt und es sei Heuchelei, wenn man nur die christlichen Arbeitervertreter wegen dieses Beschlusses angreife. Diese Darstellung ist falsch. Das Stenogramm über die Sitzung des Reichstages vom 23. März 1926, in der über diesen Zentrums- antrag abgestimmt wurde, weist das zweifelsfrei nach. Bei der Ab- stimmung über den Antrag hat der Präsident ausdrücklich ton- statiert, daß dieser Antrag nur»mit Mehrheit" angenommen worden

ist. Diese Mehrheit wurde gebildet von sämtlichen bür- ger lichen Parteien, während die Minderheit aus der sozialdemokratischen und der kommunistischen Frakion be- stand. Im übrigen sei festgestellt, daß der Zentrumsantrag von seinen Urhebern nicht begründet worden ist. Man hat auch keine Vor» beratung in einem Ausschuß zugelassen, wie das einer ständigen Uebung des Reichstages entspricht. Man hat also die Gelegenheit der Abstimmung über zahllose Anträge benutzt, um einen Antrag mit durchzuschmuggeln, von dem man wußte, daß er die heftigste Gegnerschaft der Sozialdemokratie finden würde. Deshalb bestehen die Vorwürfe gegen das Zentrum zu Recht, während der Versuch, die Sozialdemokratie für diese Durchbrechung der Sonntagsruhe mitverantwortlich zu machen, in jeder Beziehung mißglückt ist.

Moseistis Eidesleistung erst am Freitag. Warschau , I. lluni.(Eigener Drahlbericht.) Professor Alosciskl wird erst am Freitag mittag um 1? Uhr seinen Eid als Staatspräsident leisten. Er ist heute nach Ehorzow in Oberschlesien gefahren, wo er Direktor der Stickstosswerke ist. um seine persön- lichen Angelegenheiten zu ordnen, wahrscheinlich am Freitag wird auch das Kabinett Barle! vor den Sejm treten, um eine b e s o n- der« Bevollmächtigung für die Dauer von einigen wo- naten zu fordern. Damit werden erst die politischen Konsequenzen de» ganzen Umschwung» hervortreten. Am Parlament wird es liegen, ob die Regierung die nötige« vollmachten bekommt. 's- Der neue polnische Staatspräsident ist Im Jahre 1867 in Kongreß-Polen geboren. Er studierte Chemie in Riga und War- schau. 1892 wurde er wegen antirussischer und sozialistischer Agitation von der zaristischen Regierung aus Warschau au-gewiesen, siedelte dann nach London über und übernahm später an der Universität Freiburg (Schweiz ) die Leitung eines Laboratoriums. Inzwischen trat er aus der sozialistischen Partei aus und betätigt« sich nicht mehr politisch. 1913 erhielt er einen Ruf als Professor der Chemie an die Universität Lemberg. Als 1923 die Teilung Oberschlesien » erfolgte, übertrug ihm die polnische Regierung die Leitung des Stickstoffwerte» Chorzow , dessen Enteignung aus dem früher deutschen Besitz der Internationale Schiedsgerichtshof im Haag soeben als sriedensv ertragswidrig erklärt hat. Politisch ist der neue Staatspräsident heule als linksgerichteter De- mokrat zu betrachten. Warfchan. 1. Juni. (WTB.) Man spricht in bestimmtester Form von der Möglichkeit, daß nach dem Rücktritt de» provisorischen Mi- nisterpräsidenten Bartel P i l s u d s t i die Führung des neuen Kabi- netts übernehmen werde. Verhandlungen hierüber sollen bereits im Gange sein. Authentische Aeußerungen aus der Umgebung Pilfudskis sind allerdings bisher über die Version, daß Pilsudski auf all« Fäll« das Kriegsministerium behalten werde, nicht hinausge- gangen._ Portugal nach Polen . eissabon, 1. Zun«,(havas.) Der Präsident der Republik , Bernardino Machado . ist zurückg-lreten. Die aufständischen Vivifionea haben den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß die»e. gierung nur au, Mitgliedern gebildet werde, dieaußerhalbder politischen Parteien ständen. Der Arbeiterverband bereitet sich daraus vor. in Opposition zu treten, sali» eine Militär­diktatur errichtet werden solle. Di- Gruppen der Divisionen au » dem Borden und Süden unter dem Besehl de» General, Game, Costa marschieren aus Lissabon . Sie werden in der Umgebung der Haupt- stadt bi» zur Ankunft des Generals Feldlager beziehen. Die Revo- lutionäre haben den Senator Torr» Bova» und den Abgeordneten Tereira Oforio sowie den Führer derRepublikanischen Aktion" in der Kammer. Aloaro Castro, s e st g e n o m m e«.