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Mittwoch

2. Juni 1926

Unterhaltung und Wissen

Volksbücherei und Rundfunk.

Auf der Tagung des Verbandes Deutscher Volksbibliothekare hielt der Spandauer   Stadtbibliothefar Dr. Wieser einen Vortrag ,, Neuorientierung im Aufbau des Bücherbes standes", der in der Berliner   Preffe vielfach eine unzulängliche Wiedergabe fand. Der Vortrag ging unter anderem von den in der Nachkriegszeit fast allgemein in Deutschland   beobachteten Schwans fungen der Ausleihziffern aus, die in der Inflation den Höhepunkt, bei der Erfindung des Radios den Tiefpunti erreichten und deren mannigfaltige Ursachen nicht nur in den anormalen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen liegen, sondern auch in der ungenügenden Bereitstellung von Mitteln für die Bolks­büchereien wie in einer Neuorientierung zum Buche. In der Presse find nun die weiteren Ausführungen des Vortrages so verstanden morden, als sei den Geschmacksrichtungen des Publikums unter Ver­fennung der feststehenden Aufgaben der Volfsbücherei bedingungs­Ios entgegenzukommen. Dr. Wieser verirat aber nur eine lebendige Berufsauffassung, die vielfach gerade darin besteht, durch persönlich intime Arbeit( unter anderem auch durch besonders gegliederte Kata­loge) das weniger bekannte und überzeitlich- wertvolle Schrifttum bekannt zu machen.

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Die

Seit der Ausbreitung des Films, des Rundfunks und der nach amerikanischen Muster ständig dickleibiger merdenden Zei tungen hatten die Boltsbüchereien den größten Teil derjenigen Leser verloren, die an der Kultur des Buches feinen ernsthaften Anteil mehr nehmen, die das Buch lediglich als Mittel zu dem zwed be­nutzen, um die Seele ohne wesentliche Bertiefung von den unglüd­lichen wirtschaftlichen Verhältnissen zu entspannen. Bevor es Rund­funt und Film gab, schon in der zweiten Hälfte des vorigen Jahr­hunderts, hatte das Buch eine Aufgabe besorgen müssen, die ihm nicht autam, meil fie Film und Rundfunt heute besser ausführen. Rolle, die das Buch jahrzehntelang in den Bolfsbüchereien gespielt hat, mar deshalb seinem Befen und Charafter unangemessen. Erst heute wurde es dank der Ausbreitung von Rundfunk und Film aus dieser unglücklichen Lage befreit und findet seine Aufgabe als ernstes Bildungsmittel mieder, das zugleich die Seele wirklich vertieft und bereichert. Die Bolfsbüchereien fönnten nun ganz andere qualitative Arbeit leisten, als es ihnen früher unter dem Drud eines gemaltigen Mechanismus möglich mar. Der Rundfunkteilnehmer kann die Fülle von Eindrücken und Anregungen, die er empfängt, gar nicht ver arbeiten, wenn er sich nicht beschränkt und nicht selber den Entschluß zu ernster Arbeit an sich in der bewußten Pflege feiner Seele und feines Geistes faßt, mobei er zum Buch zurückkehren muß. Diese feelische und geistige Anspannung, die mit dem technischen Wesen des Buches verbunden ist, erschweren den meisten Menschen heute die wirtschaftlichen und soziologischen Verhältnisse und die Berufs afzese, welche das Leben heute erfordert. Die zunehmende Bean­spruchung des Rundfunks, die erst auf einem Drittel der Höhe ange­tommen ist( wenn man amerikanische Verhältnisse zugrunde legt), führt jedoch nur zu weiteren Ermüdungserscheinungen im Kultur­Ieben, bei denen die zahlreichen Fälle nicht einmal die schlimmsten find, wo der Radioapparat nicht dazu benutzt wird, um etwas zu hören, sondern um aus Freude am Technischen daran herumzubasteln. 28ir befinden uns eben heute in einer ungeheuren seelischen und geistigen Krisis der Kultur, in der die Menschen durch eine Kette von Enttäuschungen erst zu lernen haben, was die alten und die neuen Erfindungen auf diesem Gebiete, fie mögen Buchdruck oder Film und Radio heißen, wirklich zu leisten imftande sind für das Seelenleben der Menschen. Ein scharfer Unterschied besteht zwischen 3inili. fation, der es auf feelische Empfängnis ohne Befruchtung an­tommt, und Kultur, die Frucht ist und bemußte Pflege der Seele und des Geistes bedeutet; beide Arten des seelisch- geistigen Ber haltens, sowohl das dezentralisierte wie das tonzentrierte, gehören zum Dasein der Menschheit; aber nur der Kultur kann das Buch seiner fechnischen Begrenztheit nach dienen.

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Die Pfeife von Saloniki.

Bon Ilja Ehrenburg  .

Ais ein bescheidener und armer Hebräer, der Sohn des meijen Pelzhändler Elia, konnte ich keines der Cafés oder Badehäuser betreten, wo Griechen und Türfen für wenige Piaster alles er­stehen konnten; für die Augen: das Gefieder der Schwälbchen von jenseits des Meeres; für die Ohren: den filbernen Klang der Küffe; für die Nase: den Duft des Rosenöles und der schwarzen, von der Sonne getönten Haare; für die Finger: die Berührung der Haut, die zarter ist als die Teppiche aus Konstantinopel  ; für die Zunge: Speichel, süßer als Kreterwein. All das war nicht für mich. Aber der Herr hatte Nachficht mit dem armen Eleasar, und nach drei Jahren ermattender, füßester Erwartung fand ich endlich die Tochter Boruchs, eines Schneiders aus Adrianopel  . Rebeffa, deine Mutter. Allerdings, ihr Aeußeres glich dem eines mausernden Raben, ihre Haut war rauher als die Pflastersteine der Quais von Saloniki, ihre Küsse frachten wie das Trommeln eines Stodes auf einem Plechtopf, der Geruch, der von ihr ausging, erinnerte an Schweiß Scnföl und Schollen, und ihr Speichel an Fischgalle. Aber Re­betta war ein ehrliches, hebräisches Mädchen, das sich der Ehe mit dem armen Eleasar nicht widersetzte.

Mein Sohn, ich lasse fein böses Wort auf deine Mutter fommen, möge ihr die Erde leichter als Ramelhaar sein. Aber, sterbend sage ich dir: ich tannte die Liebe, bis zu der Stunde, wo ich endlich erkannte, was Liebe ist. Ich lasse dir als Erbe diesen zinnernen Ring, den ich einst an den schmuzigen Fingern Rebekkas ftedic trage du ihn selbst. An deiner Hand wird er ein Reif der Liebe sein, an der Hand eines Weibes zu der Kette eines Ga­Icerensträflings werden."

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,, Bater," antwortete Jehuda, dein Leben war besser als deine Lehre. Hättest du nur von türkischen Badehäusern oder griechischen Cafés geträumt, so hätten weder ich noch meine Brüder das Licht

der Welt erblickt."

Mit diesen Worten nahm er den zinnernen Ring und ging. Nach den Worten Jehudas hat das Geschenk des Vaters und seine Lehren Jehuda zu einem glücklichen Leben verholfen, denn er be­gann sofort und mit erstaunlicher Beharrlichkeit, sich eine Braut zu fuchen. lernte bald die schöne und dazu reiche Kaufmannstochter Channah kennen und streifte, gerührt, an ihren rosaroten Finger den bescheidenen väterlichen Ring.

Darauf begann Eleasar ben Elia seinen zweiten Sohn Leib zu

belehren:

Als ich eingesehen hatte, daß die Liebe nur ein Traum ist, wandte ich mich der Freude zu. Ich beneidete alle, die lachten, fangen und tanzten. Bon weitem sah ich die Tänze bei griechischen Hochzeiten, belauschte die Lieder der Araber, schlenderte durch die Bajare, und meny mir da eine Schar Betrunkener begegnete, Schmunzelte ich vor Begeisterung. Ich mar nicht luftiges ist sehr schwer luftig zu sein für einen armen Hebräer, noch dazu für einen init Beib und Kindern aber ich glaubte, menn man es heftig

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Hannover  .

Es lebe die akademische Lehrfreiheit!

Als Beweis für die Richtigkeit dieser Anschauungen führte Dr. Wieser in seinem Vortrag aus, daß sich gleichzeitig mit der Verminderung der Ausleihziffern in auffälliger Weise, wie fich selbst in schlecht ausgebauten Bolfsbüchereien gezeigt habe, der Geschmack des Publikums wie von selbst außerordentlich gebessert und der Sinn für ernsthaftes Lesen und wertvolle Bücher zuge nommen habe. Das zeigt sich auch in der intensiven Benutzung der sogenannten missenschaftlichen Bestände der Bolfsbüchereien gerade durch die ökonomisch schlecht gestellten Bevölkerungsschichten. Diesem qualitativen Lefebedürfnis des Publikums, in dem ohne Frage An­fäße zur Bildung einer neuen Kulturträgerschicht liegen, muß gerade in einem für das Buch so entscheidenden Zeitpunkte von den verant­wortlichen Persönlichkeiten Rechnung getragen werden.

wolle, so tonne man luftig werden. Ich begann also verstohlen im Fofe, damit deine Mutter Rebetta nichts merte, zu hüpfen, die Beine zu werfen und mit dem Stopfe zu madeln, wie es die ge schickten Griechen machten. Ich erlernte sogar die Kunst, eine Türkin nachzuahmen, die auf dem Basar tanzt und dabei ihren dürren, hängenden Bauch so bewegt, daß der übrige Körper völlig unbe­megt bleibt. Mit den Tänzen fertig, ging ich zu den Liedern über. Ich erlernte das Gezwitscher der Griechen, den weinerlichen Sing­fang der Türken, die Liebesfeufzer der Araber und selbst die sonder baren, an Schlucken erinnernden Laute der herbeigereiften Ma gnaren. Nachdem ich so in alle Geheimnisse der Luftigkeit einge drungen war, verkaufte ich meine letzten Hosen und taufte mir für den Erlös eine Flasche Wein, die ich bis auf den Grund leer trant, und begann mich zu belustigen, das heißt zur gleichen Zeit zu tanzen, zu singen und zu lachen. Aber die Lustigkeit, in der Nähe betrachtet, erwies fich als sehr langweilig. Mein Sohn, ich be schwöre dich, laß es dir genügen, wenn andere sich erluftigen, gehe du felbft stets mit gefenttem Kopf einher, und du wirst glücklich fein. Ich laffe dir als Erbstüd die leere Flasche. Wenn dich die Gier nach Fröhlichkeit ergreift, so hebe sie hoch in die Höhe und betrachte lange ihren leeren Boden."

Diese Lehre schien Aussicht zu haben, auf einen dankbaren Boden gefallen zu sein, denn Leib zeichnete fich von Geburt durch eine seltene Trübseligkeit aus Wenn zur Zeit des fröhlichen Feier. tages Simchasthora er in die Synagoge tam, so dachten die hin fälligen, schon fast kindisch gewordenen Frommen, wenn sie sein niedergeschlagenes Fastengesicht sahen, sie hätten sich im Tage des Ralenders geirrt, und begannen die Gebete zu sagen, die für den Tag der Zerstörung des Tempels bestimmt sind. Als Leib die Worte des Baters zu Ende gehört hatte, war er doch außerordentlich inter­essiert, die ihm bis dahin unbekannten vokalen und choreographischen Fähigkeiten Eleasar ben Elias kennenzulernen, und er sprach:

Bater, laß mich durch den Augenschein erfahren, wie du dich Bater, laß mich durch den Augenschein erfahren, wie du dich erlustigt hast, und ich werde für alle Zeiten die Nichtigkeit dieser Beschäftigung erkennen."

Eleasar liebte seine Kinder leidenschaftlich. Deshalb stand er, ungeachtet seiner fünfundfiebenzig Jahre und der ihn obendrein quälenden Magenverstimmung von seinem Lager auf und begann zu hüpfen, seinen faltigen, alten Leib vielfach zu verdrehen, Trab zu laufen, Galopp zu springen, zu schlucken wie hundert Magyaren auf einmal, und zu zwitschern wie ein kleines Kanarienvögelchen. Seine Bemühungen maren nicht vergeblich: Leib, der bis zu dieser Stunde niemals gelächelt hatte, brach in ein lautes Lachen aus, fonnte nicht einmal dem gadernden und mit den alten, tugendhaften Beinen zudenden Bater etwas ermidern, packie schließlich die leere Flasche und eilte hinaus.

Auch sein Leben ordnete sich unter dem lichten Eindruck der väterlichen Ratschläge zum besten. Da er der luftigste Mensch Sa­lonitis geworden war, wurde er Spaßmacher in der Schaubude des Hauptbajars und verdiente da nicht wenig. Beffer als er fonnte feiner Bauchtanzen, feiner tiefere Bauchtöne hervorbringen oder auf einer leeren Flasche Trauermärsche blasen, daß die fetten Griechen

Luftakrobatik.

Beilage des Vorwärts

In den Tagen, da Luftschiff und Flugzeug um die Bette starten, um die höchste aviatische Leistung, den Flug über den Nordpol   zu vollführen, hat sich auch die Afrobatit des Flugzeuges bemächtigt und hier eine Sensation geschaffen, wie man sie selbst bei den maghalsigsten Zirkusleuten faum noch einmal erleben dürfte.

Drei blutjunge Leute: Robert Toutain, Andre Botal und der Italiener Romaneschi, alle drei faum zwanzig Jahre alt, haben ein tollkühnes Spiel erfunden, das dem Zuschauer das Blut in den Adern gerinnen läßt. Der Verwegenste ist wohl Toutain. Bisher hat er schon den Sprung vom faufenden D- 3ug in den Fluß gewagt, ist um die zweite Plattform des Eifelturms herum­fpaziert natürlich außerhalb der Brustwehr.

Jett arbeitet" er im Jockeitostüm mit zwei leichten Doppel­deckern. Behende hüpft er auf das startende Flugzeug, dieses ist bald hundert Meter hoch gestiegen und schon folgt ihm das zweite. Da läßt Toutain eine Stridleiter nieder und springt die Sproffen herab, um zulegt mit einem Sag auf das unter ihm fliegende zweite Flugzeug zu landen. Dieses fommt für einen Augenblic durch den Aufsprung ins Wanten, doch schon läuft der Akrobat auf dem Flügel weiter, um irgendwo eine Leiter hervorzuziehen. Inzwischen hat sich das erste Flugzeug zur Höhe des zweiten niedergelassen, Toutain schiebt die Leiter hinüber und beginnt nun in aller Seelenruhe einen Spaziergang, geht, tommt wieder zurüd, fpringt, grüßt herab. Endlich ist er wieder drüben und zieht die Leiter nach sich.

Die beiden Flugzeuge fliegen noch immer in voller Ruhe neben­einander. Da, mit einem gellenden Schrei macht der tollkühne Junge einen Todessprung: vom äußersten Flügelende des einen Flugzeuges auf den Flügel des anderen. Der Aeroplan dreht sich unter dem Rud des Sprunges in beängstigender Weise. Toutain ist wohl aufs Knie gefallen, doch schon steht er wieder, mehr noch, auf einem Fuß stehend, vollführt er eine regelrechte Birouette. Und dann die anderen beiden. Die Flugzeuge steigen auf 200 Meter; unter jedem hängt ein Trapez; Romaneschi und Botal arbeiten darauf nach den klassischen Regeln der Luftgymnaftiter: Kniemelle, Sonnenrad, Hängen mit einer Hand, Hängen an beiden Füßen, an einem Fuß. Wie fie später erflären, ist das ganze Ding taum der Erwähnung wert, um nichts gefährlicher als das Arbeiten" im Zirkus, in der Höhe von 10 Metern. Fällt man herunter, so ift's der sichere Tod, ob von 10 oder 200 Metern Höhe. Und wie sie das in aller Ruhe erzählen, schwirrt etmas in der Luft über den Köpfen der Zuschauer, ein Schrei des Ent­fcgens entringt sich den Tausenden, die für ihr Geld das Grufeln erlernen wollen. Rasend fliegt ein Flugzeug im Kreise herum, barunter baumelt und freist mit unheimlicher Geschwindigkeit etwas, ein Körper, ein Mensch es ist Toutain, der sich aber diesmal nicht mit den Händen, sondern mit den Zähnen an das Flugzeug festgehängt hat.

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Hundeplage. Die Schafzüchter in den verschiedenen Teilen Australiens   sind überaus beunruhigt durch die wachsende Plage der wilden Hunde oder Dingos, die in ganzen Regimentern das Land durchstreifen und in die Schafhürden einfallen. Ein hervor­ragender Zoologe, Lanoe le Soeuf, der feit zwei Jahren die Dingo­frage studiert, hebt hervor, daß einzelne große Farmen in Weft und Südaustralien   in wenigen Jahren mehr als 10 000 Schafe und Lämmer durch diese Best verloren haben. In einem einzigen Gebiet, dem Westen des Darlingbezirks, ist die Zahl der Schafe pont 15 auf 4 Millionen zurückgegangen. Viele Schafzüchter verlassen das Land aus Verzweiflung über diese Plage, deren fie nicht Herr merden können. Alle Versuche der Regierung sind bisher erfolglos geblieben, und die einzige Rettung bleibt das Aufstellen dingo: fester Zäune", die aber sehr teuer sind und den Preis der Wolle sehr erhöht haben.

vor Lachen sich auf dem Boden wälzten. Etwas verwirrt von dem starten Eindrud, den seine Weisheit auf seinen Lohn Leib aus­geübt hatte. sprach Eleasar ben Elia zu seinem dritten Sohne Ihok:

Als ich die Nichtigkeit des Frohsinns erkannt hatte, öffnete ich die Bücher und ging zu den Wissenschaften über. Aber als armer Jude mußte ich mich mit nur drei Büchern begnügen: einem Gebet­buch, einem arabischen Traumbuch und einer Zinsberechnungsanlei tung. Ich las fie durch von Anfang bis zu Ende, wie Hebräer lesen, dann nochmal von Ende bis zum Anfang nach der Gewohnheit der Christen, und ich verstand alles nur zu leicht und schnell. Wissen ist nur dann verlockend, wenn es unerreichbar scheint. Ich erfuh:, daß, wenn ich wirklich fromm wäre und mich nicht mit Bauchtanz befaßte, Gott   mich, Eleasar und mein ganzes Geschlecht bis ins zwanzigfte Glied einschließlich, belohnen werde mit fetten Beide­plägen, ferner, daß, wenn ich von weißen Mäusen träumte, ich einen reichen Schwiegervater beerben würde, wenngleich ich gar feinen Schmiegervater hatte, weder einen armen noch einen reichen, und endlich, daß, wenn mir jemand etwas schuldig wäre, und wäre es auch nur ein Biaster, ich nach allen Regeln errechnen könnte, wie­viel Brozente auf diesen Biafter anwuchsen. Alles das erfüllte mich mit Langeweile. Ich war schen im Begriff, die Wissenschaften zu verachten, wie ich die Liebe und die Fröhlichkeit verachtete. Aber Deine Mutter Rebekka haßte neue Versuchungen erstanden mir. die Bücher, und als ich einmal beim Ausrechnen von Prozenten eingeschlummert mar, verwandelte sie alle drei Bände in Brenn material für das Kohlenbeden. Sie erbarmte sich nur der ledernen Einbände, die ihr unschädlich und sogar von einigem Wert erschienen. Den Berlust meiner Bücher, obwohl sie von mir ihrer Pseudo. weisheit entfleidet waren, beweinend, streichelte ich die Einbände gleich Kleidungsstücken geliebter Toter, als ich plöglich bemerkte, daß unter dem Leder, das noch vor furzem einem Gebetbuch als Einband gedient hatte, ein Blatt mit Briefen in einer unbekannten Sprache aufgeklebt war. Ich erriet sofort, daß gerade hier sich unergründliche Wissenschaft verberge. Ich trug das Blatt zu dem weisen Abraam ben Israel, und er sagte mir, daß die Worte in

der holländischen, auch ihm fremden Sprache geschrieben seien. Mein Sohn, zum zweiten Male im Leben verkaufte ich den notwendigsten Gegenstand, die Hosen, und erstand ein Lehrbuch der holländischen Sprache. Die Nächte hindurch, wenn Rebetta schlief, erlernte ich Tausende der schwersten Worte, die wie Wunderblumen die sonderbarsten Wurzeln hatten. Drei Jahre vergingen, bevor ich endlich feststellen konnte, was auf dem Blättchen stand, das unter das Leder des ehemals ein Gebetbuch umschließenden Einbandes geklebt war. Es waren Ratschläge für den besten Schliff großer Edelsteine. Aber niemals habe ich selbst auch nur den fleinsten Edelstein gesehen. Allerdings habe ich am Meeresufer manchmal schimmernde Steine gefunden. Aber diese wollten sich durchaus nicht schleifen lassen. Ich hinterlasse dir dieses Blatt als einen offen­hundigen Beweis für die Richtigkeit alles Bissens. Begnüge dich mit dem angenehmen Bewußtsein, daß es in der Welt eine Menge unverständlicher Sprachen und ungelesener Bücher gibt. Mögen andere studieren, sich die Augen verderben und zwedlos Del ver brennen." ( Schluß folgt.)