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Nr. 256 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 131

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Telegramm- Abrene: Sozialdemokrat Berlin

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Donnerstag, den 3. Juni 1926

Vorwärts- Verlag G.m.b.H. , Berlin SW. 68, Lindenstr.3 Bostichedtonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Ballftr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depofitenkaffe Lindenstr. 3.

Volksentscheid- Debatte im Landtag.

Die bürgerlichen Parteien gegen Enteignung, aber ihre Wähler dafür!

Die Deutschnationalen waren nicht gut beraten, als sie| habfüchtigen Forderungen der ehemaligen Dynastie verbessert gestern im Landtag eine Debatte über die Enteignung der Fürstenvermögen entfesselten. Für sie erhob Herr v. Rohr Angriffe auf den demokratischen Finanzminister Dr. Höpfer Afchoff, weil dieser angeblich Partei gegen die Fürsten nehme und sie zugunsten des Staates berauben

wolle.

Dabei ist Herr Dr. Höpfer- Aschoff, wie er nachher selbst erklärte, nicht einmal ein Anhänger der entschädigungslosen Enteignung. Die folgende Debatte zeigte, wie schwach die Stellung der ganzen und halben Gegner des Volksent scheids ist, und sie brachte zwei ausgezeichnete Reden der Ge­nossen Dr. Waentig und Otto Meier .

Auch für diese Debatte war es kennzeichnend, daß sie nicht im Zeichen des Kampfes um die Staatsform geführt wurde. Bon der konservativen Richtung in der deutschnationalen Bar­tei war vor Wochen verkündet worden, man werde im Kampfe gegen die Enteignung das Banner der Monarchie erheben. Davon ist nicht mehr die Rede. Man weiß, daß man mit diesem Banner feinen Hund mehr vom Ofen lodt. Es ist nicht mehr die Rede von den angeblichen Berdiensten der Fürsten , die eine Milliardenbelohnung rechtfertigen sollen. Man weiß, daß Achselzucken und Kopfschütteln die Antwort darauf ist. Man versucht auch nicht mehr die Tränendrüsen zu reizen mit einer rührseligen Beschreibung des Schicksals, dem die Fürsten durch den Berluft ihres Bermögens verfallen würden. Man weiß, daß dann Millionen ihre Taschen um­drehen und sagen werden: Wir haben ja auch nichts!"

Und so bleibt auch hier wieder nicht anderes als der Appell an die Solidarität der Besitzenden. Zwar bilden die Besitzenden im Volfe nur eine fleine Minderheit, aber diese Minderheit hat Macht. Sie beherrscht Partei­apparate und Zeitungen. Sie hat Geld, um Broschüren und Flugblätter zu bezahlen. Sie hat, solange nicht die Sozial demokratie die Mehrheit gewonnen hat, letzten Endes doch immer noch die Mehrheit hinter sich.

Und so alarmiert man die Besitzenden mit dem Schreckensruf, der schon in Heines Gedicht Die Wander­ratten" zu lesen ist:

Gefährdet ist das Palladium

Des sittlichen Staates, das Eigentum.

Die Besitzenden im deutschen Volke sind zum großen Teil politische Dummtöpfe. Wären sie es nicht, so würden fie bald merken, daß man sie hier für eine Sache einzufpannen versucht, mit der sie gar nichts zu tun haben. Mit Recht hat Gen. Dr. Waentig hervorgehoben, daß es sich bei dem Plan der Fürstenenteignung um einen Spezialfall von poli­tischer Bedeutung handelt. Sonst wäre ja der nationale Heros Bismard ein Sozialdemokrat oder gar ein wüster Boischemist gewesen, da er die Welfen zugunsten des preußi­schen Staat ,, beraubte".

Zu dem wertvollsten Ertrag der Debatte gehört die Er­flärung des Demokraten Falt, er sei zwar ebenso wie die meisten seiner Freunde ein Gegner der entschädigungslosen Enteignung, doch würden seine Anhänger im Lande ihm die Gefolgschaft verweigern, wenn er fie auf diesen ablehnenden Standpunkt feftnageln wollte. Und als sich darob auf der Rechten Gelächter erhob, versicherte der Demokrat, daß es ja mit den Anhängern der Rechten nicht anders bestellt sei, eine Bemerkung, die Genoffe Meier in seiner späteren Rede noch einmal unter­strich.

Damit ist zugegeben, daß die Bewegung für die Ent eignung der Fürstenvermögen die bisherigen Grenzen der sozialistischen Arbeiterbewegung weit überschritten und tief in die Wählerschaft der bürgerlichen Parteien hineingegriffen hat eine Tatsache, die ja schon in den Ziffern des Volks­begehrens deutlich genug hervortrat.

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Erstaunlich war das Verhalten des früheren volkspartei­lichen Finanzministers Dr. v. Richter, der seinem Amts­nachfolger vorwarf, nicht fest genug zu dem Vertrag ge­standen zu haben, den er mit der Bermögensverwaltung der Hohenzollern abgeschlossen hatte. Dieser Vertrag war doch noch gar nicht rechtskräftig geworden, er brauchte dazu die Billigung durch den Landtag, die durchaus zweifelhaft war, und er war abgeschlossen worden unter dem Druck der Tat­sache, daß die Reichsgesetzgebung versagt hatte. Jegt hat sich durch die Initiative derer, die den Volksentscheid in die Wege Teiteten, die Lage des preußischen Staates gegenüber den

-und der Sachwalter der finanziellen Staatsinteressen hätte an dieser Besserung achtlos vorübergehen sollen? Das ver­langt von ihm ein Mann, der selber zuvor preußischer Finanz­minister gewesen ist!

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Auch die Rede des Vertreters der Wirtschaftlichen Ver­einigung, Müller Franken, des anderen, war nur ein Beweis für die an Berzweiflung grenzende Verlegenheit, in der sich die Gegner des Boltsentscheids befinden. Seine falo­monische Entscheidung, die Fürsten sollten feinen Pfennig weniger, aber auch keinen Pfennig mehr erhalten, als ihnen zustehe, rief begreiflicherweise stürmisches Gelächter der Linken hervor: denn was den Fürsten zusteht" und was ihnen nicht zusteht", das ist ja eben die große Frage, und die will dieser Müller- Franken lösen, bis auf den Pfennig genau!

Seine Anhänger, die zum großen Teil Angehörige des verarmten Mittelstandes sind, werden schon die richtige Ant­wort finden: ,, Reinen Pfennig den Fürsten !"

Es ist schade, daß nicht das ganze deutsche Volk die Reden, die gestern gehalten wurden, gehört hat. Denn wer noch gestern etwa als Bessimist für den Boltsentscheid in den Landtag ging, der ist gewiß als Optimist wieder heraus­gegangen.

Gründlicher konnten die Gegner die Schwäche ihrer Po­fition nicht enthüllen, als es geschehen ist. Das Bewußtsein, für eine schlechte Sache zu kämpfen, steht ihnen an die Stin geschrieben. Mit neuer Schwungkraft geht der Ruf ins

Land hinaus:

Reinen Pfennig den Fürsten !

Im weiteren Berlauf der gestrigen Haushaltsberatung im andtag hielt Abg. Rohr( Dnat.) eine maßlofe Hezrede zu der Frage der Fürsten abfindung. Das veranlaßte Finanzminister Höpker- Aschoff

zu einer Ermiderung, in der er ausführte: In einer Monarchie ist die Krone bei einer Auseinandersetzung mit dem Staat Partei. Der König fann fraft seiner staatsrechtlichen Stellung entscheidend Der König von Preußen hat das wiederholt getan!( 3uruf links: 3u seinen Gumsten!) Der Streit um entschieden worden gegen das Botum der Staatsminister, gegen das Wusterhausen ist durch Kabinettsorder Friedrich Wilhelms IV. Botum des Justizministers von Savigny.( Hört! hört! links.) Der Streit um Flatow- Krojanke ist durch ein Kodizill zugunsten der Krone entschieden worden, das von den Ministern als unverbindlich hingestellt, aber dann von der Krone als verbindlich bestätigt wurde. Der Streit um Schwedt - Bierraden ist dadurch zugunsten der Krone entschieden worden, daß die Krone den Justizminister beauftragte, die Krone vor dem Geheimen Justizrat, dem zuständigen Gericht der Krone, zu verklagen. So hat in drei entscheidenden Fällen es handelt sich um drei wesentliche Güterkomplexe, die vielleicht den größten Be­standteil des Vermögens überhaupt ausmachen die Krone in eigener Sache traff ihrer staatsrechtlichen Stellung entschieden. Krojanke, Vierraden- Wildenbruch und Wusterhausen . Dadurch find der Krone zunächst einmal vorläufig zugefallen Flatow­3wischenzeit waren Wusterhausen und Bierraden- ich führe nur In der einige besonders fennzeichnende Beispiele an von der Domänen­verwaltung des Staates verwaltet worden. Von diesen Güter­tompleren waren Güter verkauft worden, um die Schulden des preußischen Staates aus den Befreiungs­triegen zu bezahlen.( hört! hört! links.) Man war davon aus­gegangen, daß diese Güter Eigentum des Staates feien. Nachdem entschieden war, daß sie nicht als Eigentum des Staates, fondern als Eigentum der Krone zu betrachten seien, wurden nun­

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Die Genfer Arbeitsorganisation.

Albert Thomas über internationale Sozialpolitik.

Genf , 2. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) In der Mittwochvor| Wege zur Ratifizierung getan worden. In Frankreich liege der mittagssigung de: Arbeitskonferenz sprachen zunächst Vertreter des Fernen Ostens. Als lezter Redner des Vormittags sprach der italie­nische faschistische Arbeitervertreter, bei dessen Erscheinen auf der Tribüne sämtliche Arbeitnehmervertreter demonstrativ den Saal verließen.

Am Nachmittag folgten noch eine Reihe von amerikanischen Rednern, in der Mehrzahl Regierungsvertreter( Ranada, Brasilien , Chile , Uruguay ), die sämtlich dem Internationalen Arbeitsamt warme Anerkennung aussprachen. Dann folgte die mit Spannung erwartete Antwort des Direktors Albert Thomas

auf die 46 Redner zu seinem Geschäftsbericht. In seiner gewohnten Wärme und Lebhaftigkeit hatte er bald seine Zuhörer gewonnen und fonnte sie leicht eine Stunde lang durch die Erfolge und Ent­täuschungen der internationalen Arbeifsorganisa­tion führen, wobei er in erfrischender Aufrichtigkeit nach allen Seiten allerlei Wahrheiten, Ermahnungen und Anfeuerungen aus­ftreute. So gab er unumwunden zu, daß die wirtschaftliche Lage eine grundlegende Voraussetzung für den Fortschritt der Sozial­gesetzgebung sei, wies gegen die Kritik der Regierungsvertreter dar­auf hin, daß dort, wo sie allein alles zu sagen haben, im Bölker­bund nämlich, die internationalen Konventionen auch nicht schneller ratifiziert werden, und den Arbeitervertretern führte er vor Augen, daß seit 1922 und 1923, als man nicht wenig mit dem Preisgeben­müssen der Arbeitszeitkonvention rechnete, für ihre allmähliche all­gemeine Anerkennung doch vieles gewonnen worden sei. Den Schluß der packenden Rede bildete ein glühendes Glaubensbekennt­nis zum menschlichen und ethischen Gehalt der Sozialpolitik. Im einzelnen führte Albert Thomas aus: Die Arbeits­losen konvention wurde von 15 Ländern, darunter von den großen Industrieländern Deutschland , Frankreich , England, ratifiziert, die Konvention gegen die Nachtarbeit von Kindern von die Konvention gegen die Nachtarbeit von Kindern von 16 Staaten, darunter alle wichtigen Industrieländer, wodurch eine ganze Reihe von Reformen für die Arbeiter in den industriellen ganze Reihe von Reformen für die Arbeiter in den industriellen Betrieben durch die internationale Gesetzgebung gewährleistet werde.

Die Washingtoner

Konvention über den Achtffundentag sei freilich erst von neun Staaten ratifiziert worden, darunter ohne vorbehalt nur von der Tschechoslowakei und Chile . Mit den Ber­einbarungen, die die fünf großen Industrieländer im März in London beschlossen haben, sei aber ein wichtiger Schritt auf dem

entsprechende Entwurf nach Zustimmung der Kammer bereits dem Senat vor. Das englische Parlament befasse sich in dieser Woche mit der Ratifikation und in Deutschland werde, wie er über­zeugt sei, der gleiche Weg beschritten. Die Ratifikation der Washing­toner Konvention durch diese wichtigen Industrieländer werde die Ratifikation durch die anderen, die ebenfalls die parlamentarische Behandlung bereits eingeleitet hätten, mit sich bringen.

Die Washingtoner Konvention habe aber auch, ohne bereits ratifiziert zu sein, einen gewaltigen Einfluß auf die Einführung und Aufrechterhaltung des Achtstundentages ausgeübt, und ohne sic hätte vielleicht angesichts der wirtschaftlichen Nöte und Schwierig

keiten, die auf allen Seiten auftauchen, ein Teil der Arbeiterschaft in verschiedenen Ländern die Errungenschaft des Achtstundentages wieder verloren. Wenn man ferner auf der jezigen Tagung von der Notwendigkeit einer Reform der Verfassung der internationalen Arbeitsorganisation gesprochen habe, so sei vielleicht eines Tages Die Ratifikation dieser Reformen könne aber zweifelhaft erscheinen die Einsehung eines Sonderausschusses für diese Reform angezeigt. und werde auf jeden Fall lange Zeit beanspruchen.

Entschließung zur Arbeitszeitkonvention.

zeitkonvention, der der Konferenz vorgelegt werden wird, hat fol­Der Entschließungsantrag der Arbeitergruppe für die Arbeits­

genden Wortlaut:

,, Die Konferenz, die jede Bemühung billigt, die auf die Rati­fikation der von den verschiedenen Konferenzen beschlossenen Ab­kommen abzielt und von dem auf der Londoner Konferenz der Re­gierungen erzielten Einverständnis betreffend die Ratifikation des dieses Einverständnis als einen Fortschritt. Abkommens über den Achtstundentag Kenntnis nimmt, betrachtet dieses Einverständnis als einen Fortschritt.

Mit dieser Erflärung gibt die Konferenz tein Urteil über die in London am Washingtoner Abkommen vorgenommene Interpre­Erklärungen der an der Londoner Konferenz beteiligten Regierungen tation ab. Sie wünscht nur festzustellen, daß in Anbetracht früherer für diese nunmehr feine Biderstände gegen die Ratifizierung mehr

bestehen.

Deshalb wird der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes ersucht, bei den am Londoner Abkommen beteiligten Regierungen seine Bemühungen fortzusehen, um die Ratifikation des Washingtoner Abkommens über den Achtstundentag so bald als möglich herbeizu­führen."