Nr. 274 43.Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 13. Juni 1926
ftliche
Auch in den sogenannten Religionskriegen des Mittelalters handelte es fich vor allem um sehr positive materielle Klasseninteressen. Engels.
Geschichtskenntnisse sind eine schöne Sache und es ist wirklich schade, daß der übliche Geschichtsunterricht so gar nicht danach angetan ist, wirfliches Wissen in dieser nützlichen Wissenschaft zu verbreiten. Und wenn wir genau überlegen, dann haben selbst die bravsten Schüler unter uns aus all den Geschichtsstunden nur ein paar Namen, wenn es hoch kommt, wielleicht noch einige Zahlen behalten. Ueberlegen wir mal schnell, was uns auf das Stichwort Reformation" einfällt. Also: Martin Luther , Thesen, Wittenberg , Tezel, dreißigjähriger Krieg, Gustav Adolph . Und eine Menge fürstlicher Edelmut und Ueberzeugungstreue, die sich, je nach unseren verschiedenen Vaterländern, am reinsten immer in den eigenen damaligen Landesherren kristallisieren. Demjenigen freilich, dem der Geschichtsunterricht noch nicht ganz die Lust an dieser Disziplin genommen hat, bietet sich bei näherem Zusehen ein wesentlich anderes Bild.
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Die Kirche im Mittelalter.
Die Kirche war damals nicht eine rein geistige Macht, sondern auch außerhalb Italiens , besonders in Deutschland , repräsentierten ihre Vertreter eine große weltliche Gewalt. Von den sieben deutschen Kurfürsten waren drei( Trier , Köln und Mainz ) geistlich. Die Kirche nahm das Recht der Abgabenfreiheit und der eigenen Rechtsprechung in ihren Gebieten in Anspruch. Die Besetzung dieser Kurstellen war aber natürlich nur mit Zustimmung des Papstes möglich. All diesen geistlichen Machthabern ging es finanziell meist viel besser als ihren weltlichen Nachbarn, denn außer den Mitteln des üblichen Steuerdrucks standen ihnen ja auch noch alle die Mittel geistiger Einwirkung zur Verfügung, und alles, was die Kirche erbte, häufte fich zu nie geteilten Schäßen an, denn Erbteilungen und ähnliche Gelegenheiten zu Vermögenszertrümmerungen gab es ja bei der Kirche nicht. Nun boten die vielen geistlichen Pfründen zwar eine gute Gelegenheit zur Versorgung jüngerer Söhne der fürstlichen und abeligen Häuser; aber jede dieser Pfründen mußte
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Copyright by Buchmeister- Berlag, Berlin und Leipzig . Der gute Mann wußte nicht, worum es ging, vielleicht wollte er es nicht einmal wissen. Er sagte:„ Ich denke, das ist ein freies Land? Wo ist denn da die Freiheit, wenn man nicht arbeiten darf, wo man will?"
,, So wenig wie Sie da stehen können, wo ein anderer steht, ebensowenig fönnen Sie an dem Blaze arbeiten, wo ein anderer arbeitet. Denn die Leute haben ihren Plaz nicht verlassen, sie haben nur die Arbeit unterbrochen, und sie fehren zurück, sobald der Alte Vernunft annimmt."
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Ich finde so leicht nicht wieder Arbeit," sagte er nun. Ich bin froh, daß ich die hier habe. Ich bleibe hier und lasse mich auf der Straße nicht sehen."
,, Seien Sie nur ganz unbesorgt, die haben ein gutes Gedächtnis und fennen Sie auch nach Monaten wieder. Aber wir beide haben uns wohl von nun an nichts mehr zu er= zählen. Und wagen Sie ja nicht, sich in der Backstube sehen zu lassen. So gesund wie Sie reingefommen sind, fommen Sie nicht mehr raus, darauf fönnen Sie sich verlassen. Sie find für mich fein Deutscher, sondern ein Lump. Wenn Sie auch sonst nichts verstehen wollen, das werden Sie ja wohl noch verstehen."
Jeder Mensch, der in das Café gehen wollte, mußte sich an der Streitposten vorbeidrängen, und jedem wurde gesagt, daß gestreift wurde. Darauf kehrten die Leute regelmäßig um. Polizei war nicht zu sehen. Es war ja ganz ruhig. Niemandem geschah etwas.
Aber am Abend, es war vielleicht halb neun, da stand der Deutsche an der einen Tür. Die Türen sind ja alle offen, und man sieht von draußen alles, was drinnen vorgeht, so flar, als ob es mitten auf der Straße geschehe. Die Gäfte wollen raussehen und wollen gesehen werden, und die Nichtgäste wollen reinfehen und sich daran erfreuen, wie sich andere einen angenehmen Abend machen.
Er stand da an der Tür und mippte mit der Serviette. Er schien recht stolz zu sein, daß er es zum Kellner gebracht hatte. Unter normalen Umständen hätte er vielleicht Geschirr mascher werden können. Die Streitposten fümmerten sich garnicht um ihn. Sie schielten nur gelegentlich zu ihm rüber.
Da tam ein junger Bursche vorbei mit einem Stück Holz in der Hand. Der Streifbrecher ging ein wenig zurüd, aber der Bursche ging mit einem ruhigen Schritt die eine Stufe
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Kirchenräuber
für teures Geld von Rom gekauft werden und diese Kaufsumme verminderte auch wieder das Vermögen der weltlichen Stände zugunsten der Kirche. Viele der großen Herren waren den Klöstern und den hohen Geistlichen tief verschuldet, Güter und Einnahmen waren der Kirche verpfändet. Die Kirche schien aus einem unerschöpflichen Born gespeist zu werden, Priester und Mönche hatten ein gutes Leben, die weltlichen Fürsten wußten oft nicht, wo sie das Geld für ihren meist recht verschwenderischen Haushalt hernehmen sollten; auf die Idee, seinen Hofstaat einzuschränken, fam natürlich keiner von ihnen.
Die Reformation.
So war also das Verhältnis zwischen der weltlichen und der geistlichen Macht, als Luther 1517 seine Thesen veröffentlichte. Bauern und Bürger waren leicht für das neue Evangelium zu gewinnen; besonders die Bauern hatten seit langem die Erfahrung gemacht, daß das Joch der Kirche durchaus nicht etwa leichter zu tragen sei, als das eines weltlichen Herrn, sie faßten zu Luthers Entfeßen feine Lehre Bon der Freiheit des Christenmenschen" fogar wörtlich auf und erhoben sich sowohl gegen ihre weltlichen wie gegen ihre geistlichen Unterdrüder. Den Städten war namentlich die eigene Gerichtsbarkeit und die Steuerfreiheit der Geistlichkeit ein Dorn im Auge. Diese recht materiellen Gründe haben nun einen großen Teil der gerühmten Ueberzeugungstreue der einen wie auch der anderen Seite hervorgerufen, und besonders schön läßt sich das an einem Beispiel aus unserer geliebten Hohenzollerngeschichte nachweisen.
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„ Bekehrung" eines Landesfürsten.
Joachim I. war gestorben. Er war dem alten Glauben treu geblieben, aber er hatte wahrhaftig auch recht triftige Gründe dafür. Er hatte mit seinem um fünf Jahre jüngerem Bruder Albrecht zufammen die Regierung der Mart übernommen und dann, um den Mitregenten los zu sein, seinem Bruder ein Kirchenamt nach dem anderen, zuletzt die mit der Kurwürde verbundene Stelle des Erzbischofs von Mainz gekauft. Die letztere Stelle suchten die Brüder auf eine ganz originelle Weise zu bezahlen: Der Ablaßkrämer Tehel erhielt die Erlaubnis, mehrere Jahre lang mit seinem Ablaß in der Mart zu hausieren, die eine Hälfte der Einnahmen gehörte dem Papste, die andere ging sofort an das Haus Fugger in Augsburg , bei dem man zur Erwerbung des Erzbistums 30 000 Goldgulden aufgenommen hatte. Ein Angestellter der Fugger stand immer neben dem Ablaßfasten und paßte auf, daß es stets hübsch ehrlich zuging. Da war es leicht erklärlich, daß Joachim das größte Interesse an dem katholischen Glauben seiner Untertanen hatte. Nun tam sein Sohn, Joachim II. , zur Regierung. Er konnte seinen jüngeren Bruder, Hans von Küstrin , den der Vater zum Erben der Neumark eingesetzt hatte, nicht auf die gleiche bequeme Weise loswerden. Dabei foftete seine verschwenderische Hofhaltung, sein Verhältnis zu der schönen Gießerin" dem Lande Unsummen. 1535 fam er zur Regierung, 1540 mußte er feinen getreuen Ständen schon eine Million
hoch und hieb ihm zwei gesunde Hiebe über den Schädel. Dann warf er das Holz meg und ging ruhig seiner Wege.
Der Notfellner stürzte hin und blutete nach Kräften. Raum hatte Señor Dour das gesehen, da trat er vor die Tür und rief: Polizei!" Es kam gleich einer an, seinen Knüttel in der Hand schwingend.
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,, Den haben sie totgeschlagen," rief Señor Dour dem Polizisten entgegen.
,, Wer?" fragte der Beamte.
" Das weiß ich nicht," antwortete Señor Dour. scheinlich die streifenden Kellner."
WahrSofort sprangen zwei Streitposten hinzu und schrien: Wenn Du Hurensohn das noch mal sagst, schlagen wir Dir die Knochen entzwei.
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mehr.
Señor Dour verschwand sofort im Café und sagte nichts ,, Haben Sie gesehen, wer den Mann hier geschlagen hat?" fragte ein zweiter Polizist, der hinzugekommen war, die Posten.
Ja, so halb. Ein junger Bursche fam vorbei mit einem Stüd Holz- da liegt es noch da liegt es noch- und schlug auf den Mann los," sagte der eine Posten.
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| Gulden( heutiger Geldwert 12 bis 15 Millionen Mark) beichten. Die Stände waren wenig geneigt, so aus purer Untertanentreue das Geld herzugeben. Was aber hätte ihnen der Kurfürst bieten können? Er hatte schon alles Erdenkliche verpfändet. Aber da waren ja noch die Güter der Kirche! Zwar hatte der Adel sich schon zumeist auf eigene Faust damit auseinandergesetzt, hatte den Klöstern die Zinszahlung verweigert, die Klostergüter mit Beschlag belegt und aus den Nonnenklöstern Adelige Fräuleinftifte" gemacht. Aber solange der Landesfürst katholisch mar. fehlte dieser Regelung doch die letzte gefeßliche Sicherheit; auch gab es immer noch einige Bissen im Lande, die für die kleinen Raubtiere zu groß waren. Aber ein protestantischer Fürst der fonnte sie leicht einstecken! Diesen guten Gründen" fonnte denn Joachim II. auch nicht widerstehen. So trat er denn 1539, wenige Monate vor der Ständetagung, zur lutherischen Kirche über. Der Erfolg lohnte wahrhaftig der fleinen Mühe! Der Landesherr wurde zum Kirchenoberhaupt, er war der lachende Erbe der alten Kirche. Allein von Lehnin , dem berühmten Zisterzienserkloster, fonnte er 2 Marktflecken, 64 Dörfer, 54 Fischereien, 6 Waffer- und 9 Windmühlen, 14 große Forften, Aleder, Wiesen, Weinberge und reiche Herden seinem Vermögen einverleiben. Und es gab über zwanzig Klöster in der Mark! Einige waren wohl arm, wie das Kloster der grauen Brüder in Berlin , die Dann aber fonnte er auf die meisten aber waren gut gehalten. gleiche Weise auch noch das Bistum von Magdeburg und Halberstadt und zwei weitere märkische Bistümer für sein Haus erwerben. Es mar eine schöne, glatte, entschädigungslose Enteignung. Dabei konnte der Kurfürst sich noch die Gloriole eines milden Herrn, eines wahrhaften evangelischen Befreiers fchaffen, denn er öffnete die Klöster und stellte es den Mönchen frei, ob sie ,, wandern oder bleiben" wollten. Alles, was jung und gescheit war, wanderte selbstverſtändlich aus, nur wenige der älteren Brüder blieben in den Kiöstern. Für die versprach er, bis on ihr Lebensende gut zu sorgen. Azu gut hat er aber nicht Wort gehalten( das mor nie Hohenzollernart!), denn nach furzer Zeit schon richtete der Prior im Namen seiner fleinen Schar an ihn einen Bitt- und Speisezetter, es dabei den Räten ihres gnädigen Herrn Kurfürsten überlassend, an den obgemeldeten Artikeln zu reformieren nach ihrem Gefallen". Da bitten die alten Mönche um ,, vier Gerichte zum Mittagessen, zum Abendessen drei Gerichte, eine Tonne Bier wöchentlich, acht Tonnen Bein jährlich, außer diefem aber zu Neujahr und zu Mittfasten einen großen Thorner Pfefferkuchen. Auch in Chorin durfte ein Teil der Brüder bis zu seinem Lebensende verbleiben. Von Chorin eignete sich der Kurfürst 52 Güter, Mühlen und Dörfer, 24 Eeen und mächtige Forsten an. Das Volk aber halte von dem Glaubens. wechsel des Landesfürsten nur Nachteile. Eteuern und alle anderen Lasten blieben; aber hatten die Mönche, besonders die Zisterzienser in der Mark wirklich als Kulturträger gewirkt, hatten sie eine, wenn auch im Vergleich mit ihren reichen Mitteln recht bescheidene Schulund Krankenpflegetätigkeit entfaltet. so schlief das jetzt alles ein, s daß sogar Martin Luther darüber bitter flagte. Was brauchten die Fürsten noch gute Werfe! Das war ja das Bequeme an dem neuen
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,, Haben Sie den Kellner mit dem Tode bedroht?" fragte der Polizist.
,, Nein. Fällt mir auch garnicht ein. Dieser Bastard ist mir viel zu dreckig, als daß ich das Wort an ihn richten würde," sagte Morales.
,, Kann ich mir denken," erwiderte der Polizist. ,, Wer hat ihn denn mit dem Tode bedroht?" fragte der Polizist nun.
Ich habe gesagt, er möge nicht so dicht zur Tür kommen, es fönne ihm sonst vielleicht eine Eisenstange auf den Kopf fallen, da oben vom Balkon." Das sagte einer der Posten. Señor Dour stand noch in der Tür. Der Polizist drehte sich jetzt zu ihm herum und sagte:„ Nun hören Sie, Señor, wie fönnen Sie denn so etwas sagen? Es ist doch garnicht
wahr."
,, Sie haben doch den anderen auch schon halb erschlagen," verteidigte sich Dour.
,, Bertragen Sie sich lieber mit Ihren Leuten," riet jetzt der Polizist ,,, dann kommt so etwas nicht vor."
,, Das ist ja eine nette Geschichte hier, daß man nicht mal feinen Schutz bekommt," rief Doug wütend.
,, Ruhig!" sagte der Polizist laut, sonst nehme ich Sie zur Wache. Keine Beleidigung hier."
,, Ich zahle doch meine Steuern und da kann ich doch auch
,, Kennen Sie den Burschen?" " Nein. Zu unserem Syndikat gehört er nicht." ,, Dann hat er mit dem Streit garnichts zu tun. Wahr- verlangen scheinlich eine andere Geschichte," sagte der Polizist.
3weifellos," bestätigte der Bosten.
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Die beiden Polizisten führten den Notkellner zur Bache , wo er verbunden und für die Nacht da behalten wurde. ,, He, du dadrin, du Hurensohn," riefen die Posten jetzt hinein zu dem Ungarn . Wie lange bleibst du noch dadrin? Du friegst eins mit der Eisenstange, mir haben fein Holz mehr." Der Ungar verstand kein Wort. Jedoch er fühlte, was sie sagten. Er wurde blaß und ging zurück. Señor Dour aber hatte es verstanden. Er lief zur Tür und rief nach der Polizei. Aber es fam feine. Nach einer Biertelstunde aber sah er einen an der Ecke stehen. Er rief ihn heran.
,, Die Posten haben meinen Kellner mit dem Tode bedroht," sagte er, als der Polizist herangekommen war. Welcher hat ihn mit dem Tode bedroht?" fragte der Polizist.
,, Der da," antwortete Señor Dour und zeigte dabei auf Morales. Morales hatte garnichts gesagt, aber ihn haßte Doug am beften
Bas Steuern?" unterbrach ihn der Polizist. ,, Die Kellner zahlen auch Steuern, genau so gut wie Sie. Und nun laffen Sie uns in Ruhe. Machen Sie Ihre Geschäfte mit Ihren Leuten ab, aber stören Sie uns nicht immerwährend."
Der Ungar stand eine Weile im Café unschlüssig, während hier draußen die Verhandlungen waren. Es hatten sich Leute angesammelt, die alle auf seiten der Kellner waren. Und zum Teil waren es deren Ausbrüche der Sympathie, die dam Polizisten, der ja auch Prolet war, das Rückgrat fteiften. Er mußte ja nicht, ob nicht vielleicht Dour einen dicken Freund unter den Inspektoren hatte, der ihm sagen könnte, daß er seine Pflicht vernachlässigt habe.
Als der Polizist gegangen war, zog der Ungar seine weiße Jade aus und ging zur Kaffe, um sich seine zwei Tage Lohn geben zu lassen. Er stand jezt da in Hemdsärmeln. Diese Hemdsärmel waren nur Feßen und Dreck. 3wei Gäste waren im Café, und die sahen den Unglüdlichen. Ihnen verging der Geschmad am Kaffee und am Gebäd, als sie bemerkten, welchen Schmutz und welche Lumpen die weiße Jade ver deckt hatte. Sie standen auf, zahlten an der Kaffe und gingen. ( Fortsetzung folgt.)