worden war, schnitt ihm jedes Wort oK Auch gegen die auf Ihn zueilenden Polizisten hob er nur königlich die Hand: „Ich habe etwas zu sagen!" Ein Raunen ging durch die Zuschauenden. „Ah!" „Was haben Sic zu sagen?" fragte der Vorsitzende scharf. Der Unbekannte wies auf den Angeklagten: „Der Mann ist unschuldig." „Ah," ging es wieder bedeutsam durch die Reihen. Man glaubte zu ahnen, was nun kommen würde. Der wirkliche Mörder stellte sich. Jeder suhlte sein eigenes Herz pochen.„Er stellt sich selbst," raunte es im Publikum, und die Menge begann unbewußt jene Sympathie zu empfinden, die Verbrecher auslösen, wenn sie sich menschlich groß zeigen. Und als nun Herbert Steinmann, sich mit zittrnten Knien von der Anklagebank erhebend und mit dem Finger auf den Fremden deutend, mehr lallte als sprach:„Das ist er...!"— da war die Wirkung vollkommen, die' Spannung unerhört. Aber der Mann, der da vor der Schranke stand und nun sein graues Haupt gegen den Staatsanwalt hob. blickte mit seinen blauen Augen, die zu den grauen Haaren und dem bleichen Gesicht in einem seltsamen Kontrast standen, über diesen hinweg, und das Publikum erkannte jetzt erst die schmerzlich bittere Trauer, die dieses Gesicht umschattete. „Der Angeklagte ist unschuldig," sagte er mit fester Stimme. „Den richtigen Mörder, den roten Heinrich, wie mein Freund Rönnemann von Kollegen und Polizei so gern genannt wird, haben sie gestern geschnappt, da ihn zum zweitenmal das Fell juckte und ihm die Beute, die er bei dem Kommerzienrat fand, zu klein dünkte, um drüben ein neues Leben zu beginnen. Bei ihm werden die Herren vom Gericht genug finden, was ihn des Mordes an dem Kommerzienrat schuldig erklären wird, und da sein Schicksal nun sowieso besiegelt ist, wird er auch nicht daran denken, den Mord zu leugnen, wie ich ihn kenne,»nd keinen anderen belasten.— Dieser junge Mensch aber wollte dem Sterbenden helfen, und ich— ich! habe ihn aus den Händen der Polizei befreit, als er irrtümlich oer- haftet wurde." „Wie kamen Sie dazu?" fragte der Vorsitzende scharf,' und der Staatsanwalt rief ironisch:„Warum floh er denn, wenn er sich unschuldig wußte?" Da schrie der Unbekannte in den Saal hinein: „Er floh, um der Unzulänglichkeit menschlicher Gesetzgebung zu entgehen, und ich rettete ihn aus dem gleichen Grunde. Wohin seine Verhaftung führen mußte, haben Sie, meine ich, gezeigt,— zum Todesurteil." „Verhaften Sie den Mann," rief der Staatsanwalt den Poli» zisten zu, und diese traten vor. Aber der Fremdling hob gebietend die Hand: „Zurück! Verhaften? Ich stehe hier vor Gericht. Und ich habe nur noch eine Frage an den Herrn Staatsanwalt zu richten, dann mögen Sie mit mir tun, was Sie wollen." Auf einen Wink des Vorsitzenden traten die Schutzbcamten einen Schritt zurück, und der Unbekannte fragte seltsam ruhig, fast leise: „Herr Staatsanwalt, beantworten Sie mir ol» Beamter eine Frage. Wieviel Jahre hat einer zu gewärtigen, der Beihilfe zu einem Morde geleistet hat, ohne ober zu wissen, daß ein Mord daraus würde? Aber einer, der den gewaltsamen Raub mit vollem Bewußtsein gefördert hat?" Der Oberstaatsanwalt machte ein Gesicht, dem man anmerkte,
wie unangenehm ihm die ganze Situation war. Aber angesichts der Haltung"des Publikums antwortete er mit gemessener amtlicher Stimme: „Unter fünf bis sechs Iahren Zuchthaus dürste der Täter kaum wegkommen!" „Das ist zu wenig! Zu wenig! Mein Gott, mein Gott, so kann ich niemals wieder Mensch werden, wie es jeder gemeine Ver> brecher werden kann, der seine Strafe abgebüßt hat? Zwölf Jahre, hären Sie es? Zwölf Jahre habe ich gut, und ich bin nicht fähig, noch einmal mit einem Verbrecher gemeinsame Sache zu machen, um mit der menschlichen Gesellschaft quitt zu werden." Und mit gehobener Stimme, die erschütternd durch den weiten hohen Raum schallte:„Ich bin Karl Lodebrecht, den man zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilte und nach zwölf Jahren wieder herausließ, weil der richtige Mörder auf dem Sterbebette seine Tat bekannte.— Wer gibt mir mein verlorenes Leben zurück?" Und er wandte sich hohnlachend zu dem Staatsanwalt und dann zu den Polizisten: „Run verhaften Sie mich! Aber ich werde Ihnen diese Arbeit ersparen." Er grisf schnell in die Tasche, zog einen Revolver, richtete ihn gegen die eigene Brust und brach, während der Knall sich an den Wänden zerschlug, tot zusammen. Einig« Augenblicke bildeten Richter, Geschworene und Publikum eine Gruppe aus Stein. Caligula - oöer über Mmachtssthwinüel � Im Jahre 1894 hat Professor L. Q u i d d e, der bekannte domo- kratisch« Politiker und ursprünglich von Beruf Historiker, zuerst seine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn veröffentlicht. Er demonstriert« den„Cäsarenwahnsinn", der in der historischen Literatur auch den Namen„AUmachtsschwindsl" führt, an dem Kaiser Caligula mit vollem Namen Gaius Julius Caesar Caligula , der über das römische Weltreich von 37 bis 41 n. Chr. regiert hat. Caligula wurde ermordet noch einem Leben voll wüster Aus- schreitungen, voll Sinnlichkeit, voll grandioser' und nicht grandioser Albernheiten: ein zweifellos Wahnsinniger auf dem Throne des allgewalligen Rom, der dieses mächtige Staatsgebäuds nur darum nicht zu erschüttern vennochte, weil die Genialität seiner Borgänger das Reich auf so festen Grundlagen errichtet hatte, daß es noch für Jahrhunderte nicht zu vernichten war. Von diesem Caligula , gemischt aus perverser Sinnlichkeit, hämischer Furcht, phantastischem Größenwahn, hat das Altertum uns eindrucksvoll« Büsten überliefert: ein- fast kindlicher, überaus sinnlicher Mund: die Augen in düsteren Falten zusammengezogen und ein mächtiger runder Schädel, wie er in seinem Hause erblich war. Als im Jahr« 1894 der Caligula von Quidde erschienen war. hatte er einen fabelhaften Erfolg: in kurzer Zeit waren dreißig Auf» logen vergriffen. Worum? Aus welchem Grunde? In dem schmalen Heftchen befanden sich keine Pikanterien: natürlich keine Zoten: kein Bericht von Abnormitäten einer ausgearteten Zivilisation: es war die Darstellung eines römischen Kaiserlebeng streng nach den Quellen, und die Berichterstatter und Betrachter jener Epoche Tacitus , Sueton , Dio Eassius, Philo, Seneca waren in zahlreichen Anmerkungen als Be- lege und zur Erläuterung herangezogen. Woher dieses gewaltige Interesse plötzlich für«inen römischen Kaiser ohne weltgeschichtliche Bedeutung, der fast vor zweitaufend Jahren mit einigen Dolchstößen ins Jenseits durch einige beleidigte Offiziere befördert worden war? Damals, vor nunmehr einigen dreißig Jahren, stieß man sich auf der Straße an und fragte einander mit zwinkernden Augen: .Haben Sie schon den Caligula von Quidde gelesen? Und das taten Kreuzzeitungsleutc und Sozialdemokraten und brav« Bürger und •)„Caligula." L Quidde. 31. Auslage. Henscl u. Co., Berlin - Friedenau.
meistens solche, deren alltägliche Beschäftigung nicht die römische Kaisergeschichtc zu sein pflegt. Warum dieses Interesse für Caligula bei Parlamentariern der Linken, bei Reaktionären und bei Sozial- demokraten: bei Menschen, die seit ihrer Schul, zeit an römisch« Ge- schichte nicht mehr gedacht hatten und bei anderen, denen römische Ge- schichte ein Buch mit den bekannten sieben Siegeln stets gewesen war?, Woher das Interesse für Caligula ? Man zischelte sich zu: Caligula — das ist Wilhelm II. Heute bestätigt Quidde , was keiner Bestätigung bedarf, daß er in der Tot in Caligula andeutungsweise ein Porträt Wilhelms 11. habe entwerfen wollen: aber nicht durch grobe II m i ä l f ch u n g der Tatsachen, sondern dadurch, daß er die Tatsachen für sich selbst sprechen ließ. Und Wilhelm II. war es, der Quidde zu dieser Parallele un- mittelbar die Anregung gegeben hatte. Im Vorzimmer der deutschen Gesandschaft beim Vatikan , in den Räumen des geistvollen und lässig zynischen.Herrn von Schlözcr war eine Photographie des damaligen Prinzen Wichelm aufgestellt mit der eigenhändigen prinzlichcn Unterschrist:„oderim, dum metuant", mögen sie hassen, wenn sie nur fürchten: und dieser Ausspruch war nach Sueton , dein Historiographen jener Zeit, ein Lieblingsworl des Kaisers Caligula . Prinz Wilhelm, der deutsche Kaiser Wilhelm II. war es also selbst, der das Motto des wohn- sinnigen, sinnlich perversen, mordenden und plündernden römischen Cäsaren zur Charakteristik der eigenen Persönlichkeit, gewählt hatte: nicht die einzige und nicht einmal die horribelst« Entgleisung dieses letzten deutschen Monarchen, dem das Entgleisen mit Zunge und Feder alltägliche Sebensgewohnheit geworden war. Es ist freilich nötig. Wilhelm II. gegen sich selbst in Schutz zu nebmen. Wenn er, zur Selbstcharakteristik, den Wohlspruch des wohn- sinnigen Caligula sich aneignet, so ist ouch das nur eine seiner üblichen, unbesonnenen, von allen Folgen absehenden Entgleisun- gen, die bei ihm üblich, die gewohnheitsmäßig sind. Immer feste drufs— mit Worten: als ob nicht auch Worte im gegebenen Falle das Gewicht von Taten haben könnten und haben. . Seiner unfeinen, knalligen Sucht, eine Roll« zu spielen, genügt? es, die Luft mit Worten zu erschüttern. In der Zeit der Fern- und Lautsprecher war er die menschliche Verkörpening de« schnarrenden Fern- und Lautsprechers. Er ging unter als Kaiser, weil die Welt ihm den trogischen Gefallen tat, ihn weit ernster zu nehmen, als er es oerdiente: ihm waren Worte«in schnell verglimmendes Feuer- werk: die Welt betrachtete sie als Signole für ernste Taten. Es war seine Tragik, daß man ihn nicht als komische Figur nahm, und daß man daher international sich zur Bändigung Deutschlands entschloß. das nicht rechtzeitig die Kraft und Entschlossenheit ausgebracht hatte, einem Phrascur die öffentliche Phrasenfabritation unmöglich zu macben. Wilhelm II. war gewiß kein Caligula, weder wohnsinnig noch tigerhast: nur— albern und vorübergehend vom„Allmachts- schwinde!" ergriffen und somit ohne eine Spur ernsten Verant- wortlichkeitsgefuhls. Immerhin bleibt die Schrift von Prof. Quidde sehr anregend und kulturhistorisch höchst interessant. Paul Nathan .
Der bargeldlose verkehr im alten Aegypten. Daß der borgeld« lese Getreidcoerkehr ebenso wie auch in geringerem Umfange ein bargeldloser Verkehr mit Hartgeld im alten Aegypten in einer gorm, wie er der heutigen völlig ähnlich ist, bestanden hat, ist au» zahl- reichen Forschungen der letzten Zeit bekannt. Aus einem neuerdings oufgefundenen Brief aus der Zeit des 2. Jahrhunderts v. Ehr. geht überdies hervor, daß auch die Fristüberschreitungen eine erhebliche Rolle gespielt hoben. Alle Anweisungen waren an einen bestimmten Termin gebunden. Auch der Scheckverkehr war schon bekannt. Es sind auch Schecks erhallen, deren Unterschrist:„Ich habe ihn präsentiert", zeigt, daß der«check eingelöst worden ist.
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