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Sonnabend

19. Juni 1926

Unterhaltung und Wissen

Fürstliche Enteignungsmethoden

Von Lucian.

Hindenburg   schreibt an Loebell: Die Reichsregierung hat vor dem deutschen   Volk flar und deutlich erklärt, daß die entschädi­gungslose Enteignung der Fürstenvermögen den Grundsätzen, die in einem Rechtsstaat die Grundlage für jeden Gesetzgebungsaft zu bilden haben, widerspricht." Wie haben die Fürsten   diese Grund­fäge geachtet? Einige Beispiele werden dies erläutern.

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,, Kurfürst Friedrich II.   benüßte einen Zwist zwischen den Geschlechtern und den Zünften von Berlin  - Kölln  , um sich zum Schiedsrichter aufzuwerfen und eine 3wingburg am Saume der Stadt anzulegen." Die Berliner leisteten Widerstand. Aber ehe dieser Widerstand organisiert werden konnte, fielen Kurfürst und Junker mit gewaffneter Hand über Berlin  - Kölln   her und warfen die Städte vollständig nieder. Der Kurfürst machte seinen Hofrichter zum Bürgermeister, und die Stellen der Ratmannen besetzte er zum Hohn für die Bürgerschaft mit seinen reisigen Knechten. Die Ge­richte, Mühlen, Zölle wurden dem Küchenmeister des Kurfürsten als Lehen übergeben; das heißt: sie dienten fortan dazu, den gesamten furfürstlichen Hofhalt zu unterhalten. Die Patrizier der Stadt mußten ihre Lehen, selbst das Leibgedinge ihrer, Frauen an den Kurfürsten übergeben und von ihrem fahrenden Gut" hatten sie ungeheure Strafgelder zu zahlen."

,, Der sittenlose und verschwenderische Joachim II.   gab, als ihm das nötige Metall zur Ausprägung neuer Münze fehlte, seinem Hofjuden Lippold eine Vollmacht, bei achtzehn reichen Bürgern einen ,, Einfall" zu tun und ihnen das vorgefundene Gold und Silber ab­zunehmen."( Mehring: Die Leffinglegende").

Bediente sich im letzten Fall der Landesvater eines Juden, um seine Untertanen zu berauben, so waren andererseits die Juden das beliebteste Ausbeutungsobjekt der Hohenzollern  . Namentlich Friedrich Wilhelm  , der Vater des Fridericus, fc; ikanierte die Juden in der grausamsten Weise. Jede ihnen bewilligte Gunst, felbst wenn sie für den Staat eine wirkliche Natwendigkeit mar, mußte von den Juden gegen willkürliche Besteuerungen erkauft werden. Anstatt ihres früheren Schußgeldes wurden sie gezwungen, seit dem Jahre 1728 jährlich 20 000 Taler zu zahlen. Sie durften nicht mehr im Land umherziehen und auch keine Häuser besitzen. Die auf den töniglichen Jagden erlegten wilden Schweine mußten sie für schweres Geld ankaufen..."( Stredfuß:, 500 Jahre Berliner  Geschichte".)

Dieselbe Roheit in der Behandlung der Juden zum eigenen Vorteil zeigte der König Friedrich  . So berichtet Hensel( ,, Die Familie Mendelssohn  "): Unter Friedrich dem Großen mußte jeder Jude bei seiner Verheiratung für eine bestimmte Summe Porzellan aus der neugegründeten Königlichen Porzellanmanufaktur in Berlin  entnehmen, und zwar nicht nach eigener Wahl, sondern nach dem Belieben der Manufaktur, die sich auf diese Weise natürlich ihre Ladenhüter vom Halse schaffte. So bekam Moses Mendelssohn  , der damals schon allgemein bekannte und geachtete Mann, 20 lebens­große, massin porzellanene Affen..." Die Strupellosigkeit, in der Art Geld zu beschaffen, setzt sich in diesem Fürstenhaus über jedes Anstandsgefühl hinweg. So scheute sich Dorothea, die Gemahlin des Großen Kurfürsten, nicht, aus der Bewirtschaftung einer Kneipe ungerechten Vorteil zu ziehen. Auf dem Vorwerk vor dem Span­dauer Tor errichtete sie ein Wein- und Bierhaus, in welchem die fremden Fuhrleute abstiegen und wo jeder Säufer willkommen war, wenn er nur viel verzehrte. Bergeblich flagten Rat und Bürger­schaft, daß die Errichtung einer solchen Wirtschaft den Privilegien der Stadt entgegen sei, daß sie unmöglich die schwere Bierafzise er­legen könnten, wenn die Kurfürstin selbst, die keine Steuer zu zahlen habe, ihnen Konkurrenz mache; vergeblich wiesen sie darauf hin, daß der Betrieb eines solchen Gewerbes doch wohl der Gemahlin des Herrschers nicht würdig sei. Friedrich Wilhelm half den gerechten

Klagen nicht ab.

Die Rekrutenpressungen Friedrich Wilhelms I. und die damit verbundenen Gelderpressungen trieben die Berliner   Bürger zur Verzweiflung, und viele versuchten auszuwandern. Aber auch das wurde ihnen unmöglich gemacht. Ein leuchtendes Beispiel in der Geschichte für den gemeinsten Untertanenschacher war der Erb­prinz Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig  , ein Nesse Friedrichs II. Von ihm berichtet Mehring: Im Jahre 1776 verkaufte er 4300 Mann an England für den Krieg mit den amerikanischen   Kolonien, im Jahre 1788 3000 Mann an die nieder­ländischen Generalstaaten, im Jahre 1795 wieder an England 1900 Mann." Der Verlust betrug 3015 Mann. Indessen würde man Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig   allzu hoch tagieren, wenn man annehmen wollte, daß diese 3015 Mann von ihm ge. mordeten Landeskinder alle auf dem Schlachtfelde geblieben seien. Der elende Bube befahl vielmehr, die Krüppel und Verwundeten hilflos in Amerika   zurückzulassen. Er schlug also für seine Wollüste einen dreifachen Profit aus diesen unglücklichen Menschen; erst ver­faufte er ihren gefunden Leib, dann ließ er sich für ihren verletzten Leib entschädigen und endlich sparte er Invalidensold, indem er die Erwerbsunfähigen in der Fremde verkommen ließ. Was Wunder, daß er bei dieser glorreichen Finanzreform" über fünf Millionen Taler Bargewinn einstrich."

So sahen die gerechten Grundsäße der Fürsten   aus. Wer einer Wiederholung dieser gerechten Grundsäge" begegnen will, der weiß, was er am 20. Juni zu tun hat.

Die Fabel vom 20. Juni.

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Von Hans Otto Henel  .

Was soll werden?

KÖNIGL. SCHLOSS

Soll es so werden? KINDER- HEIM

oder so?

Darüber hast Du Sonntag zu entscheiden.

desten ihnen den Raub abnehmen und sie zum Fenster hinauswerfen würde. Denn sie waren feige und ausgemergelte Burschen, er aber ein baumstarker Kerl.

Zu ihrer Verblüffung erfuhren die Diebe, daß sie hier einen Fall erlebten, der ihnen in ihrer langjährigen Einbrecherpraxis noch nicht vorgekommen war. Der Erwachte stand nämlich ganz gemüt­lich auf, verbeugte sich höflich vor den Dieben und sagte: Erlauben Sie gütigst, daß ich Ihnen beim Aufhucken behilflich bin." Dann griff er fest mit zu, lud ihnen sein eigenes Gut auf den Rücken, und als das bei der Schwere der Beute doch nicht so leicht ging, rief er noch seinen Hausknecht, einen erprobten Juristen, zu Hilfe. Dann leuchtete er ihnen die etwas dunkle Treppe hinab, machte sie auf ge= fährliche Stellen aufmerksam, damit sie famt ihrer schweren Fracht nicht Schaden nähmen. Vor der Haustür rief er noch eine Droschfe herbei und wünschte den Davonfahrenden glückliche Heimkehr und baldiges Wiederkommen.

Als er wieder in seiner leeren, vollkommen ausgeplünderten Wohnung ftand, schien es ihm da doch ungemütlich. Er ging zu seinen Nachbarn und bat sie, ihm einige Einrichtungsstücke für seine fahlen Zimmer abzugeben. Da sie ihm verwundert entgegenhielten, daß er doch eine auskömmlich eingerichtete Wohnung habe, erzählte er ihnen sein Geschick mit den Dieben. Und da er nichts verschwieg, erfuhren sie die unbegreifliche Wahrheit, daß er selbst beim Diebstahl feines Eigentums behilflich gewesen war und einzig und allein des­halb sich in Not befand. Da lachten sie ihn aus, nannten ihn einen Idioten und wiesen ihn ohne Hilfe von ihrer Tür.

Nun sitzt der unvernünftige Mensch in seiner leeren Wohnung. Erst wollte er sich damit trösten, daß er sich wenigstens als guter, hilfsbereiter Mensch gezeigt habe. Aber da ihm doch allmählich vor Hunger der Magen fnurrt, beschließt er wieder einzuschlafen, und glaubt, daß er bei einem neuen Erwachen sein lebensnotwendiges Eigentum wieder vorfindet.

In Einbrecher- und Diebeskreisen soll man noch nie so gelacht haben wie über die schlafmütige Dummheit dieses Menschen.

Hygiene der Taschenuhr. Die Taschenuhr ist sicherlich die ver Ein Mensch erwachte aus dem tiefen Schlafe, den einem das breitetste, kleinste Präzisionsmaschine und dabei in ihrem Wesen wohl gute Gewissen und angeborene Gutmütigkeit verleihen. Er recte fich den meisten der alltäglichen Benuger völlig unbekannt. Weist doch und streckte sich, so daß die lästigen und beengenden Decken zur Erde Prof. H. Bock in einem Aufsatz in den VNJ.- Nachrichten" darauf hin, wie wenig die Präzisionsmechanik an den Technischen Hoch fielen, schob sich die Schlafmüße aus dem Gesicht, wischte sich die schulen beachtet wird, ja die Zeitmeßkunde ist an den Technischen Augen und - sah sich einer Diebesbande gegenüber. Während der Hochschulen Deutschlands   überhaupt nicht vertreten. Auf Grund Wohnungsinhaber im ersten leichten Schlummer lag, waren sie ein feiner Darlegungen gibt Prof Bock auch Ratschläge zur richtigen Bes gebrochen, hatten die ganze Nacht erräubert, was nur irgend ab- handlung einer guten Taschenuhr, die man niemals als Armband­fchleppbar war, und hatten auch die Lebensmittel des Schlafenden uhr tragen soll. Man ziehe die Uhr stets morgens, nicht abends auf, verzehrt. Vieles von dem Geraubten hatten sie durch die Fenster damit sie am Tage zur Zeit der größten Bewegungen auch ihre ihren draußen wartenden Helfershelfern zugeworfen, die es abtrans- größte Schmungweite hat. Man laffe die Uhr zur Schonung der Lager nie längere Seit magerecht liegen. Schließlich soll man portierten. Den Rest ihrer Beute hatten sie in großen Baden ver. größere Temperaturschwankungen, magnetische Einmirfungen und schnürt, mit denen sie gerade verschwinden wollten. gar starte Erschütterungen von seiner Taschenuhr fernhalten. Auch ist es nicht zuviel verlangt, wenn eine gute Uhr mindestens alle vier Jahre ein genaues Nachsehen und Delen verlangt; steht doch bei jeder Großmaschine ständig der Pfleger mit der Deltanne bereit.

Als der Schlafende erwachte, erschraten die Diebe so heftig, daß sie ihn wie gelähmt anstarrten. Sie waren überzeugt, daß er jegt Lärm schlagen, sie verjagen, verprügeln, vielleicht töten, zum min

Drachenbäume.

Beilage des Vorwärts

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In dem Garten des Herrn Franqui in dem Städtchen Orotava  auf Teneriffa  , einem der anmutigsten Orte der Welt", staunte Alexander von Humboldt   über den riefenförmigen Drachen­baum, der 16 Schuh( über 5 Meter) im Durchmesser hatte und von dem die Sage ging, daß ihn schon die französischen   Abenteurer, die zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts die glücklichen Inseln er oberten, in eben der folossalen Stärke gesehen hätten. Humboldt  widmet in seinen Ansichten der Natur" den Drachenbäumen und ihrem Alter mehrere Druckseiten, was darauf schließen läßt, daß er das fagenhafte Alter dieses Riesenbaumes im Innern doch etwas anzweifelte. Er selbst enthält sich denn auch jeden Urteils über das annehmen, daß das Alter mehrerer noch lebender Individuen bis Alter und zitiert nur die Ansichten anderer namhafter Forscher, die zu den frühesten historischen Zeiten, wenn auch nicht des Nillandes, doch von Griechenland   und Italien   hinaufreicht".

Gewaltige Baumriesen haben den Menschen von jeher in Staunen versetzt, wie denn alle Organismen, die älter als der Mensch selbst werden, der sich doch für die Krone der Schöpfung hält, Don uns mit Unbehagen, Furcht, Verehrung, Grauen oder Humor, je eine Schildkröte mehrere hundert Jahre ihren tostbaren Panzer nach Temperament, Zeit oder Umständen, betrachtet werden. Daß spazierentragen kann, erscheint den meisten Menschen unglaub würdig; dem Elefanten gesteht man seiner Größe wegen allerlei Jahre zu, und ein bemooster Karpfen wirkt komisch würdig wie ein alter Student. Ein alter Baum hat immer etwas Monumentales, und wir empfinden ihn wie ein lebendig gewordenes Kunstbaumert, das zu erhalten uns ganz selbstverständlich vorkommt. Gibt es doch felbft Holzfäller von Beruf, die sich wie halbe Mörder fühlen, wenn ein Baumriefe ächzend und stöhnend unter ihrer Art zusammenbricht. Die Holzknechte fürchten aber auch die Rache der Bäume; gar mancher hat im Wald beim Baumfällen schon sein Leben lassen müssen, besonders im Gebirge, wovon die zahlreichen Totentafeln Marterl nennt man sie im bayerischen Hochland an den lin­glücksstätten Zeugnis ablegen.

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Bäume knüpfen und wenn man sie älter macht, als sie wirklich sind. Es ist also kein Wunder, wenn Märchen und Sagen sich an alte Die Altersbestimmung ist nämlich nicht so einfach, wenn man den Baumstamm nicht durchsägt. Bekanntlich kann man an unseren Nadel- und Laubbäumen durch Zählen der Jahresringe das Alter bestimmen, aber das geht zum Beispiel bei den Drachenbäumen auch nicht, weil sie zu den Liliengewächsen gehören und die foge­nannten Monokotyledonen, deren Samen nur ein Keimblatt hervor bringen, feine Jahresringe bilden.

Nun hat fürzlich ein Forscher, A. Pütter, in den Sizungs. berichten der Heidelberger Akademie der Wissenschaften   eine Arbeit veröffentlicht, die sich speziell mit der Altersbestimmung der Drachen­bäume auf Teneriffa   beschäftigt. Zunächst hat er selbst Messungen des Umfanges alter Bäume vorgenommen und seine Zahlen mit denen früherer Forscher verglichen, dann hat er junge Bäume ge messen, deren Alter bekannt war, und schließlich stellte er die Anzahl der Verzweigungen eines jeden Baumes feft. Diese Verzweigungen treten zwischen je 8 bis 25 Jahren auf und entsprechen den Blüh. perioden, was man meiß. Auf Grund dieser Untersuchungen fommt Bütter zu dem Resultat, daß die jezt größten Bäume der Insel nicht älter als 200 Jahre sein können, und er glaubt, daß auch der be. rühmte von Humboldt erwähnte Drachenbaum fein höheres Alter erreicht haben kann. Damit wäre also wieder einmal ein altes Märchen der Untersuchung zum Opfer gefallen, Dr. M. M.