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wesentliche, für die Allgemeinheit notwendige Produktionsanlagen, zum Erliegen tommen würden. 2. Reichshilfe irgendwelcher Art soll nur dann gewährt werden, menn einwandfrei nachgewiesen wird, daß die unter I angegebenen Voraussetzungen erfüllt sind, und daß damit gerechnet werden kann, daß die Hilfe des Reiches einen nur vorübergehenden Not stand beseitigen wird.

3. Wird Reichshilfe gewährt, so hat das Reich sich das Recht zu sichern:

a) Eine Kontrolle über die Verwendung der Reichsgelder auszuüben. Die Reichsmittel sollen die Pro­duktion fördern und beleben, aber nicht dazu dienen, privaten Gläubigern ihr Kreditrisiko abzunehmen.

b) maßgeblich bei einer Reorganisation des sub. ventionierten Unternehmens mitzuwirken und in

seiner Verwaltung vertreten zu sein.

c) Je nach der Höhe der gewährten Unterstützung an= gemessene 3insen und Provision zu erhalten, und nach der Gesundung an dem Unternehmen beteiligt zu werden. Mehrt sich auf Grund von Nr. 3c der beantragten Richt­linien der Aktienbesiz des Reichs, so muß flar­gestellt werden, wie über diesen Besiz verfügt merden darf. Solche Bestimmungen fehlen. In der Reichshaushaltsordnung finden sich genauere Bestimmungen nur bezüglich der Veräußerung von Grundstücken oder Teilen von Grundstücken. An einen größeren Aktienbefiz des Reichs hat damals niemand gedacht. Um diese Lücke auszufüllen, haben die sozialdemokratischen Vertreter den folgenden weiteren Antrag gestellt:

Die Reichsregierung zu ersuchen:

a) baldmöglichst eine Erweiterung des§ 47 Absatz 2 Reichshaus haltsordnung nach der Richtung vorzuschlagen, daß jede Ver äußerung und Verpfändung von Attienbefiz des Reichs der Zustimmung des Reichsrats und des Reichstages bedarf, soweit nicht aus zwingenden wirtschaft. lichen Gründen eine Abweichung hiervon geboten ist. In letzterem

Falle ist dem Reichsrat und dem Reichstag von der Beräußerung

alsbald durch eine Nachweisung Kenntnis geben.,

b) dafür Sorge zu tragen, daß bis zum Erlaß einer solchen Bestimmung ohne Zustimmung des Haushaltsausschusses fein Aktienbesitz des Reiches veräußert oder ver­pfändet wird.

Je zahlreicher Stützungs- und Sanierungsaktionen des Reichs geworden sind, je meniger bei der gegenwärtigen Wirtschaftslage mit einem Abflauen dieser Bewegung zu rechnen ist, um so notwendiger erscheint es, daß wenigstens eine Stelle im Reich von allen Kreditmaßnahmen, die von Reichsstellen getroffen werden, Kenntnis erhält. Bis jetzt ist das nicht der Fall. Jede Reichsstelle gibt ihre Gelder nach den von ihr beschlossenen Grundsäßen und gänz­lich unabhängig von allen anderen Reichsstellen auch an die Wirtschaft ab. Daß das zu den größten Mißständen führen muß und schon oft geführt hat, ist flar. Die sozialdemokrati­schen Vertreter haben daher den folgenden dritten Antrag gestellt:

II. Die so vervollständigte Nachweisung nicht chronologisch auf. zuführen, sondern systematisch( Industrie, Landwirtschaft, fauf­männische Unternehmungen) zu gruppieren.

Laufen auf Grund dieses Antrages alle Nachweisungen der vom Reich übernommenen Bürgschaften und gewährten Kredite und Darlehen beim Reichsfinanzministerium und durch das Reichsfinanzministerium dann beim Haushaltsaus schuß des Reichstags zusammen, so ist damit allein schon eine Kontrolle gegeben, an der es bisher vollkommen gefehlt hat.

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In der Donnerstagfizung des Ausschusses für den In der Donnerstagsigung des Ausschusses für den Reichshaushalt wurden die sozialdemokratischen Anträge, be­treffend die Stüßungs- und Sanierungsaktionen des Reiches, beraten. Nachdem Genosse Heimann drei Anträge eingehend begründet hatte, glaubte Staatssekretär Fischer das Finanzministerium gegen tadelnde Bemerkungen Heimanns in Schutz nehmen zu müssen. Von den Rednern aus der Mitte des Ausschusses, insbesondere von Ab­geordneten ergt( Dnat.), wurden indes die sozialdemokratischen Anträge als interessant und sehr wichtig bezeichnet. Die behandelte Materie sei aber so weitsichtig und schwierig, daß zunächst eine Aussprache mit den Fraktionen und dann mit der Regierung in fleinerem Kreise notwendig sei. An dieser Aus­Sprache müsse nicht nur der Staatssekretär, sondern der Reichs. finanzminister selbst teilnehmen. Es wurde die Einsegung eines fleinen Ausschusses beschlossen, dem die An­träge überwiesen wurden.

Gerüffelte Drahtpuppen.

Die Kommunistenzentrale zensuriert die kommunistische Reichstagsfraktion.

Die tommunistische Reichstagsfraktion hat am Dienstag im Reichstag der Novelle zum knappschaftsgefeß zugestimmt. Sie hat ihre Zustimmung mit folgender Er­klärung begründet:

Infolge unseres scharfen Kampfes zum 3wede der Berbesserung des Reichsknappschaftsgefeßes ist es ge­lungen, einige wenige Berbesserungen durchzusetzen. 3war wurden unsere weitergehenden Anträge von allen Barteien mit Einschluß der Sozialdemokratie abgelehnt. Es wurden jedoch insbesondere in der Frage der Familienhilfe Berbesserungen erzielt, durch deren Berweigerung Tausende von Bergarbeiterfamilien zugrunde gegangen sind. In der Verwaltungsfrage wurde der Einfluß der Unternehmer, die infolge ihrer Sabotage alle Verbesserungen verhindert hatten, nun endlich zurückgedrängt. diesem Grunde wird die kommunistische Fraktion dem Gesetz in der Endabstimmung zuftimmen."

Aus

Für das Wagnis, aus eigenem Entschluß und eigener Abwägung der Arbeiterinteressen Ja zu sagen, hat die fom munistische Reichstagsfraktion sofort einen öffentlichen Rüffel von der Zentrale bezogen. Sie erhält in der Roten Fahne" von heute folgende Zensur vom Zentralfomitee:

"

In der Reichstagssigung vom 22. Juni hat die fommu­nistische Reichstagsfraktion im legten Moment auf Ber anlaffung der Mitglieder des Ausschusses der Novelle zur Abände anlaffung der Mitglieder des Ausschusses der Novelle zur Abände

I. Die im Mai überreichte Nachweisung der vom Reich übernommenen Bürgschaften und gewährten Kredite zu verrung des Reichsknappschaftsgefeßes zugestimmt. Die Zu vollständigen durch Hinzufügung

1. der von den Schuldnern zu zahlenden Zinssäte, 2. der öffentlichen und privaten Kreditinstitute, hinter denen das Reich mit seiner Bürgschaft steht,

3. aller Bürgschaften, die das Reich in Gemeinschaft mit einem Land übernommen hat,

4. der Subventionen an gewerbliche und kauf­männische Unternehmungen oder Körperschaften, die in den Haushaltsplänen 1924, 1925, 1926 bewilligt find,

5. der Unterſtügungen und Kredite, die von Reichsstellen an gewerbliche und kaufmännische Unternehmungen oder Körper­schaften gewährt werden,

6. der Unterstützungen und Kredite, die an gewerbliche und fauf­männische Unternehmungen oder Körperschaften auf Grund befon= derer Reichsgefeße bewilligt werden.

Der Völkergedanke.

Zur Wiedereröffnung des Museums für Völkerkunde. Bon Robert Breuer.

Am 26. Juni, dem hundertsten Geburtstage Adolf Bastians wird das Museum für Völkerkunde, von Grund auf neu geordnet, wieder geöffnet werden. Man erinnert sich, daß die un­geheure, ja unheimliche Häufung der ausgestellten Gegenstände dies Museum schließlich ungenießbar gemacht hatte. Der Besucher wurde von dem Chaos der aus aller Welt zusammengetragenen Stücke, die wahllos, wie in einem riesenhaften Magazin neben- und über einander standen, so verwirrt, daß er wohl die Bielgestaltigkeit der Welt empfand, ohne indes einen Weg zum Verständnis solchen brutalen Reichtums an Formen, an Aufgaben und Zwecken, an tech­nischen Lösungen und fulturellen Erfüllungen finden zu können. Der Besuch war darum unbefriedigend; man empfing Material, vermißte aber das einigende Prinzip, wonach all diese Waffen und Handwerkszeuge, diese Tanzmasken und Fetische ausgewählt worden waren. Der Eindruck war um so seltsamer, als man wußte, daß der Begründer dieses Museums Adolf Bastian   gewesen war, der fünfzig Jahre unerhörter Lebensarbeit daran gesezt hatte, um einen großen Gedanken zu versinnlichen und tausendfältig zu beweisen: den Ge­danken, daß wichtiger als die Persönlichkeit die Gemeinschaft ist, daß neben den bekannten, von der Geschichtsdarstellung immer wieder gezeichneten Kulturen der Erdball noch mannigfache, scheinbar völlig fremde, niedere, primitive Lebensfreise aufweist, Lebenseinheiten, die, wenn man sie richtig durchschaut und erkennt, innige und über­raschende Berwandtschaft zu jenen bisher allein gerühmten Kulturen zeigen. Die Forschung Bastians, der fünfundzwanzig Jahre lang Die fernsten Teile der Erde bereist hatte, wollte den Hochmut der weißen Rassen und ihrer Köpfe zerbrechen und die geistige Bedeut famkeit der sogenannten Wilden, der halb verachteten und halb be­mitleideten Asiaten, Afrikaner und sonstiger Eroten aufdecken. Bastian bewies die Einheit der Menschengeschlechter durch Zeit und Raum, die Verwandtschaft Samoas   mit dem alten Griechenland, er verwies auf die Einheitlichkeit des Völkergedankens, der durch die geo­graphischen und flimatischen Bedingungen die Buntheit seiner Ab­wandlungen bekam. In dem Museum für Völkerkunde, dessen Sammlungen überwiegend den Reisen Bastians entstammten, traf man aber nur die Buntheit, sah man nicht das Einigende, traf man tausend und abertausend Kuriositäten, sah man aber nicht, wie hinter einem Kopfschmud aus Federn die gleiche Idee lebendig war, die den Augsburger Goldschmied Kronen und Diademe gestalten ließ. Das Museum für Völkerkunde war wie die siebzig Bücher Bastians: eine Ueberfülle, eine Orgie des Stoffes, ohne Dekonomie, ohne die Kraft, die Schiffsladungen des Gefundenen und Entdeckungen so zu ordnen, daß das geahnte Gesetz aller Schöpfung und alles Schaffens wirklich zum Ausdruck fam.

Nun ist erfolgt, was notwendig war. Man hat alles Entbehrliche in die Magazine gebracht und hat nur das zur Schau gestellt, was fennzeichnend für die jeweilige Kultur und damit Einblick in die Beweglichkeit des Völlergedankens ist. Schon die Verminderung wirkt wohltuend, noch mehr die Ordnung. Nun fann man erleben, I

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Die fommunistische Reichstagsfraktion erflärt, sie wolle Tausende von Bergarbeiterfamilien vorm Untergang retten das von der Zentrale geforderte Neinstimmen hätte also zum Untergang von Tausenden von Arbeiterfamilien bei< getragen. Die Zentrale beschuldigt die Reichstagsfraktion, daß sie für die Kürzung der Renten von Tausenden von Bergarbeitern eingetreten sei. Man beschuldigt sich also gegenseitig( um im kommunistischen   Jargon zu reden) des Arbeiterverrats.

Die fommunistischen Reichstagsabgeordneten, in ihrem sklavischen und unwürdigen Untertanenverhältnis zur Zen So trale, beschlossen daraufhin, immer Nein zu sagen. ftimmten fie gestern gegen den deutsch   dänischen andelsvertrag, gemeinsam und allein mit Groß agrariern, im Interesse der Pferdezüchter gegen die Arbeiterinteressen. Ihre Politik ist nicht sachlich gerichtet, sondern auf die Erringung guter Schulzeugnisse ihrer Zentrale.

Radau ist keine Propaganda.

Zur Kritik der KPD.- Methoden. Genosse Franz Rünstler schreibt uns:

,, Im Namen von 15 Millionen Wählern" gab neulich der Koma munist Neubauer im Rechtsausschuß des Reichstages eine Erklärung ab. Diese Anmaßung steht zu der Arbeit, die die Kommunisten beim Bolfsentscheid geleistet haben, in einem geradezu grotesken Miß­verhältnis. Es muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß die rohen und ordinären Formen der kommunistischen  Straßenpropaganda der Sache des Bolfsentscheids eher geschadet als genutzt haben. Mit ihren 7000 eingeschriebenen Mitgliedern war die Kommunistische Partei   in Groß- Berlin zu einer intensiven Auf­flärungsarbeit von Haus zu Haus, wie sie von der Sozialdemokratie geleistet wurde, ganz unfähig. Darum legte sie den Schwerpunkt ihrer Agitation mit ungeheurem Geschrei auf die Straße. Anziehungs­fraft hat sie damit auf die breiten Maffen der Bevölkerung nicht aus­geübt. Das Herumtragen von Särgen und Galgen und der gleichen- Propagandamittel, die nicht einmal als humoristisch und originell zu bezeichnen sind stieß gerade die Wählerschichten, die Gegnern die Bolschewistenherrschaft in Aussicht geſtellt, wenn sie mit Ja" stimmten. Zugleich baten die Kommunisten mit ihrem Straßenradau alles, um die Kleinbürger und idifferenten Massen an die drohende Bolschewistenherrschaft glauben zu machen. In nicht wenigen Fällen mißlang es unseren Genossen, Männer und Frauen, die sich beim Volksbegehren in die Liste eingetragen hatten, zur Urne zu bringen. Die Ablehnung wurde immer damit begründet, daß man sich durch die rohe Agitation der Kommunisten abge­stoßen fühle. Wenn das Berliner   Ergebnis trotzdem so glänzend ge­worden ist, so ist das nur auf die intensive Arbeit der Sozialdemo fratischen Partei zurückzuführen.

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man gewinnen wollte, ab. Den fleinen Leuten wurde von den

Die fommunistische Zentrale lieferte den Organisationen ihr Berbematerial nur gegen sofortige Bezahlung. Wer nicht Bargeld auf den Tisch legen fonnte, bekam nichts. Und so geschah es, daß Rote Frontfämpfer beim Sozialdemokratischen Bezirksverband er­schienen, mit der Bitte, man mäge ihnen Flugblätter zum Berteilen geben. So wurden zum Beispiel am Freitag vor der Abstimmung auf dem Potsdamer Plaz sozialdemokratische Flugblätter auch von Kommunisten verbreitet.

stimmung wurde damit begründet, daß die Novelle einige Ver besserungen brächte, in bezug auf Einführung der Familien­hilfe und durch Zurüddrängen des Unternehmereinflusses in der Berwaltung der Knappschaftsvereine. Beide hier an­geführten Punkte, die Verbesserungen bedeuten follen, find eigentlich teine Berbesserungen..... fozialdemokratischen Berrat". Es gehört zu den erfreulichsten Er­Aber ungeachtet deffen enthält die Knappschaftsnovelle eine ganz große Reihe von Verschlechterungen. Durch sie werden Tausenden von Bergarbeitern die Renten ge­fürzt. Die Erwerbung der Pensionsrente ist außerordentlich er. fchwert, ja fast unmöglich gemacht. Die gleitende Rente ist beseitigt. Auch die Trennung der Krankenkasse von besonderen Ersatztassen bedeutet eine schwere Schädigung der Arbeiterschaft.

Bei beim Bolfsentscheid, so überlassen die Kommunisten auch jetzt wieder im Rechtsausschuß des Reichstages den Sozialdemokraten die wirkliche Arbeit. Sie selber versagen den sozialdemokratischen Berbesserungsanträgen ihre Unterstützung und schreien täglich über fahrungen aus der Arbeit für den Bolfsentscheid, daß auch fommu nistische Arbeiter uns gegenüber deutlich zum Ausdrud brachten, wie sie über solche Methoden denken. Die wirkliche Meinung der breiten Massen fam darin zum Ausdruck, daß alle sozialdemokratischen Beranstaltungen während des Kampfes um den Volksentscheid durch ihren Umfang die kommunistischen   Konkurrenzunternehmungen weit in den Schatten stellten. In diesem Kampfe war die ungeheure Die fommunistische Frattion durfte darum unter feinen Um- Mehrheit des arbeitenden Boites nicht mit den Kommunisten ,. fon­dern mit uns. Und so wird es auch in Zukunft bleiben! ständen der Knappschaftsnovelle ihre Zustimmung geben.

wie die alten Merikaner und, vielleicht noch vorgestern, die Infulaner der Südsee nach dem Gesez, das ihnen die Berge, die Bulfane, die Stürme und die Bogen diftierten, den gleichen Gott fuchten und fanden, den gleichen Leidenschaften des Fleisches seelischen und rhyth­mischen Ausdrud erstrebten, wie dies die Kulturvölter" zu ihren Zeiten und zu den ihnen gesezten Bedingungen getan haben. Mag es immerhin gewagt sein und mögen die klassischen Philologen darob in Ohnmacht fallen: das Museum für Völkerkunde, so wie es jetzt ist, die Entwicklungslinien herausarbeitend, die Höhepunkte der Willens­furven herausstellend, gewährt uns den gleichen Genuß, wie das vollkommenste Museum der schönsten Antiken. Gewiß, es bleibt dabei, daß den meisten Europäern der Parthenonfries näher steht als ein Negerfetisch; um was sich jedoch unsere Welterkenntnis vermehrt, ist der Tatbestand, daß diefer Negerfetisch uns nicht mehr eine fomische Verzerrung dünkt, daß wir vielmehr hinter ihm wie hinter dem Parthenonfries die große Gebärde menschlicher Sehnsucht und Bathetit erkennen. Wer das Museum für Bölkerkunde heute durch wandert, wird, wenn er nicht stumpf ist, und wenn ihm das Gym­nafium nicht die Sinne verfinstert hat, einigermaßen bescheiden zu gestehen, daß der Hellenen Unsterblichkeit von den Instinkten und Urwünschen der Barbaren lebt. Das Museum für Völkerkunde er­schließt uns den Einblick in die Einheit der Welt und des mensch lichen Geschlechts. Man darf sagen, daß wer heute nur Tizian   und Michelangelo  , Phidias   und Rembrandt   fennt, vom Wesen der Menschheit nichts weiß, wenn er nicht zugleich die dämonischen Explosionen indischer Plastik und die heroenhafte Ausgeglichenheit chinesischer Baukunft, wenn er nicht den Blutrausch der Kopf­er nicht den Blutrausch der Kopf abschneider und das taftende Formgebet der Höhlenbewohner in sich aufgenommen hat. Die Entkrönung Europas   und seiner isolierten Kultur wird durch das Museum für Völkerkunde radikal bestätigt; die Geschichte der zwei- oder dreitausend Jahre, die wir in uns tragen, erfährt durch das, was wir jetzt von den Völkern, die bisher außerhalb dieser Geschichte geblieben sind, kennen lernen, eine bis ins Innerste greifende Veränderung.

Zu den besonders interessanten Abteilungen des Museums ge­hören die Säle, in denen die Ergebnisse der vier deutschen Turfan­Expeditionen zu sehen sind. Auf den ersten Blick ist überraschend, wie diese Ausgrabungen aus Gandhara  , Kutscha und Turfan an griechische Grundinpen erinnern. Solch Antlang hat die geistigen Leiter der Grabungen, Grünmedel und Le Coq, veranlaßt, die ge­famte indische und chinesische   Kunst als Nachgeburt der Antike qu erklären. Eine Auffassung, die ohne Zweifel auf jene Ueberschägung der bisher bekannten Kulturen zurückgeht, auf jene Ueberschäßung, der das Museum für Völkerkunde ein Ende bereitet. Gewiß stedt in den Plastiken und Malereien, die in dem großen zwischen Gandhara   und Turfan sich ausspannenden Gebiet gefunden worden sind, Griechenland  ; indessen dies ganze Gebiet ist nicht China  , ist nur Borraum, gewissermaßen Entree zu den beiden gewaltigen Erd­teilen. Was China   und Indien   in vieltausendjähriger Geschichte hervorgebracht haben, hat feine Verwandtschaft zur Antike, findet sich aber gleichfalls in den Turfanfunden, die man darum mit Recht als eine Kunst zwischen zwei Polen  , als eine Mischkunst, entstanden unter dem Druck zmeier Giganten, ausdeuten darf. Die Monomanie des Europäers muß lernen, ehrfürchtig zu stehen vor der mannig faltigen 3eugungsfrajt des Bölfergedankens,

3m Staatlichen Schauspielhause am Gendarmenmarkt wurde aus Anlaß der in Berlin   tagenden Ersten Internationalen Hebbels ,, Herodes   und Schauspielerfonferenz Mariam ne" als Festvorstellung gegeben. Das an diesem Abend ganz besonders sachverständige Publikum folgte anfangs nur zögernd der schwerblütigen Problematik Hebbels, geriet dann aber immer mehr in den Bann der phänomenalen Leistung Kortners als Herodes und jubelte ihn nach dem dritten und legten Aft wiederholt vor den Vorhang, mit ihm Professor Jessner, Lina Loffen ( Mariamne), Irene Triesch  ( Alexandra), Antonie Straßmann  ( Salome  ) und Heinrich Witte( Joab  ).

tr.

Erdkunde für höhere Lehranstalten. Man schreibt uns: Meine zehnjährige Tochter, Schülerin des Städtischen Lyzeums, besorgte sich heute die von den Studienräten Dr. Bitterling und Dr. Otto im Verlag R. Oldenbourg- München   heraus­gegebene 3. Auflage der Erdkunde für höhere Lehranstalten", die den Untertitel trägt: Eiste Umschau auf der Erde. Auf Seite 26/27 tragen drei Bilder folgende Unterschriften: 1. Der Mittellauf eines Stromes( Rhein   bei dem besezten Bingen  ), 2. Der Flughafen des entriffenen Straßburg  . 3. Der Unterlauf eines Stromes ( die geraubte Weichsel   bei Thorn  ). Es wird Sie interessieren, wie sich die Herren Studienräte die Erste Umschau auf der Erde" vorstellen.

Das Optophon. Ein Dozent der Universität Birmingham   erfand einen Apparat, der den Blinden das Lesen von Druck- und Schreib­maschinenschrift ermöglichen soll. lleber die technischen Details wurde bei der Vorführung in der englischen Akademie für Kunſt und Technit nichts bekanntgegeben. Es handelt sich um eine Ueber­tragung der Bildwirkung in Töne, die eine eigene Art Sprache dar­stellen, die von den Blinden erst erlernt werden muß. Infolge ihres gesteigerten Gehörsinnes bringen die Schüler es aber schon nach zwei Monaten auf das Verständnis von 80 Worten in der Minute. Also eine neue Art von Weltsprache für die Blinden  ! Das Opto­phon sieht wie ein Radioröhrenapparat aus, und der Blinde hört mittels Kopfhörer oder Lautsprecher. Der hohe Preis von etwa 3000 Mart gestattet die Zinschaffung allerdings faft nur für Anstalten und Heime.

fobbie Des Als Db"( Borligender Prof. Dr. Baihinger in Halle) gab vor drei Jahren der Biener Atademie der Wissenschaften die Anregung, eine Preisaufgabe über" Fiftionen in der Mathemathit" auszuschreiben. Die Gesellschaft konnte damals im Mai des Inflationsjahres 1923 die Preisauf gabe mit einer Million Mart dotieren, aber schon im Herbst vorigen Jahres schrumpfte diefe Summe fait zu Null zusammen, und so hat jest die ge­nannte Gesellschaft den Preis wieder auf 600 Mart aufgewertet. Einstimmig wurde der Preis dem Studienrat Dr. Betsch in Cannstadt  - Stuttgart   zu­erkannt, und zugleich wurde dem Studiendirettor Dr. Draeger in Chemnit eine lobende Erwähnung zuteil.

Fiffionen in der Mathematit. Die Gesellschaft der Freunde der Philo­

Die Frühjahrsausstellung der Akademie der Künste, die den vielbeach teten Saal von deutschen und franzöfifchen Meisterwerken des 19. Jahr hunderts enthält, wird am Sonntag, den 27. Juni, nachmittags 5 Uhr gefchloffen