Nr. 296 � 43. Jahrgang SottkabenS, 2ö.�oni1H2H
Ein trüber Morgen in Pnerosbrück. Am Himmel hängen dicke Wolken und die Bäum« neigen sich unter der Last des Windes. Der„Pilot", unser gutes Faltboot, ruht wohlverwahrt im Bootsschuppen des nördlich der schönen alten Zugbrücke stehenden Tasthauses, in dem jugendfrohe Rudersleute und anderes vergnügungsfreudiges Volk die halbe Nacht beim Schall der Geigen vertanzt hatten. Früh wollten wir aufbrechen, allein die Türen, des gastlichen Hauses waren verschlossen Man mußte Geduld haben. Endlich, endlich regt« sich Leben in dem von schwerem Schlaf erfüllten Heim und bald log der„Pilot " dem ungemütlichen Wetter zum Trotz im Wasser. Alles war wohloerstaut, die Spritzwasierdecke wehrte den Regen ab, langsam drehte der Bug nach Norden, die Fahrt zum„märtischen Meer", dem Scharmützelse« hatte begonnen. ver wolziger See. Der Wettergott wird doch gemütlich: er hat das Bentil seiner Regenmaschine gedrosselt. Schon als wir das Seezeichen an der Einfahrt zum Langen See erreichen, gibt es zwischen Himmel und Erde kein Wasser mehr. Wir gleiten an Wäldern vorüber, aus denen sich Nebelschwaden wunderbar erheben. Sie hüllen ihn mit zartem wallenden Schleier«in. Krähen schwingen sich schwer über uns dahin. Schlinggewächse fangen sich an den Paddelblättern, schmiegen sich an den weißen glatten Bootskörper und hemmen die Fahrt. Wieder ein Seezeichen und nun öffnet sich die Breite des Langen Sees. Wir halten scharf nordösttich. Dort ragen,«rwo zwei Kilo» meter Entfernung, neu« Latten zeichen auf. die langsam herankriechen. Schwarze und rote Tonnen in der Fahrstraße. Leichter Wind wird aus Nordnordwest fühlbar. Die Sonn« kämpft mit Wolken und Nebel. Di« Lust wird wärmer. Wir lausen in ein hübsches Flieh ein, an dessen Anfang eine kleiner« Ausbuchtung mtt dem niedlichen Namen„Sauwinkel" liegt. Hier treffen wir auf ein Anglertrio, das mit großem Behagen den ersten Fisch bedachtet, der sich an irgend- einen, der tückischen Angelhaken verirrt hatte. Im Schilf des Nord- ufers machen wir Frühstücksrast, denn vor uns liegt der übelbe- leumdete wolziger See. Hier, unter dem Schutz der hohen Fichten ist Friede, aber im Süden beugen sich die Sträucher: draußen auf dem fast kreisrunden, von flachen Stellen durchzogenen Wolziger See dürste es recht ungemütlich werden. Die Blosjiner Brücke wird passiert, noch wenige Paddelschläg« und dann zeigt, sich ein herrliches Bild. Links und vor uns weitgestreckter Wald, rechts prächtig« Höhen in dunkelblau-violetten Tönen. Der Wind geht gut, die Wellen springen. Mit einem Mal« sind alle guten Warnungen vergessen, die uns rieten, im weiten Bogen am Nordufer nach Wolzig zu fahren, um dort den Eingang zum Storkower Sanol zu erreichen. Der Mast "wird gesetzt, das Segel geht hoch, die Seitenschwerter fallen ins Wasser und nun kreuzt der„Pilot " über die breit« Fläche. Di« Wellen kommen über, aber die Spritzwasierdecke tut ihre Pflicht. Hart geht es an den Wind heran und nun zieht unser Schifslein seinen Weg. Die Windstärke nimmt noch zu. Zum Teufel, es wird ungemütlich. Aber wir hatten nun einmal A gesagt und nun mußten wir auch mit dem B einverstanden sein. Wir gehen einfach nicht aus dem Kurs und das Boot springt auf und nieder. Wir können in einem ein- zigen Schlag« über den breiten See kreuzen. Im Norden sehen wir zwei Achter, die sich hübsch brav im Windschutz halten, während wir mitten über den See auf die oft schwer crkenntllchen Wegzeichen an den Molen von Wolzig zuhalten. Die Wellen wechseln in der Stärk«. Sie haben einen oft wilden und harten Anprall. Aber es geht:«s geht sogar gut. Wir nähern uns dem östlichen Ufer. Kurz vor der
Mole nehmen wir das Segel weg, paddeln scharf nach Norden, wenden und laufen dann mit vollem Segel vor dem Winde in den Storkower Kanal. Eine schöne Fahrt, wenn sie überstanden ist. Eine Zille liegt am Ufer, ein eifriger Wachthund bellt uns an, ein Motor- boot faucht uns entgegen und über die Straßenbrücke von Wolzig donnert ein Auto. 3m Storkower Kanal. Echt« märkische Flußlandschaft nimmt uns auf. Wiesen zu beiden Seiten, hängendes Strauchwerk, Wold im Hintergrunde und wunder- volle Einsamkeit. Der Kanal windet sich durch das Gelände. Bald muß man etwas paddeln, bald fängt sich der Wind im Segel. So gleiten wir geruhsam weiter. Und in der Höh« fetzt der Wind die Wolken, so daß hier und da Sonnenstrahlen auf die taugetränkte Erde fallen. Eine Biegung, und dann ist plötzlich das kleine Kummersdorf vor uns. Seine Häuser sind in dichtem Grün ver- steckt. Eine Brücke schwingt sich von Ufer zu Ufer. Links ein Wasier- arm, ein Gasthaus und vor uns die erste der drei Schleusen des Storkower Kanals. Es ist bereits 2 Uhr nachmsttags. Der gute, liebenswürdige Schleusenmeister erklärt uns, daß wir 200 Prozent Zuschlag zum normalen Schleüsengeld bezahlen müßten, denn erst von 5 Uhr nachmittags sei am Sonntag wieder Schleusenzeit. Ein weiter Weg liegt noch vor uns, ich zahle. Das Schleusentor öffnet sich. Mein Fahrtgenosse steuert langsam hinein und noch ein anderes Boot folgt. Ach, mein Freund kannte die Tücken dieser Schleuse nicht. Er fuhr zu weit in die Kammer hinein. Ein vorwitziger Jüngling von der Besatzung des anderen Bootes öffnet die Schützen, die Wasier stürzen und sprudeln und der„Pilot " tanzt Polka in der Kammer.„Nun is er flöten." sagt der naseweise Jüngling fröhlich. Unserm Boot geschieht zwar trotz des wilden Tanzes nicht viel, nur das Steuerruder ist leicht beschädigt. Aber der Jüngling muß sich vom Schleusenmeister und allen übrigen einige derbe Grobheiten sagen lassen und in Zukunft wird unser Boot bei diesen Schleusen hübsch im Hintergrunde bleiben, damit die strömenden Wasser mit sich selber spielen können. Der kleine Schaden ist schnell behoben' und weiter geht die Fahrt zwischen Wald und Wiesen. Da zeigt sich dann links ein hohes Haus, wie eine Kaserne oder ein Gefängnis. Di« Baulichkeiten des Gutes Stuttgarten. Eine Straßenbrücke führt hinüber zu dem Dörfchen Philadelphia. eine der künstlichen Gründungen Friedrich II. Nun folgen glatte Kanalstrecken. In der Ferne steigt die Kirche von Storkow empor, das trotz seiner langen Vergangenheit(bereits 1209 wird es in einer Urkunde genannt) immer noch ein großes Dorf ge- blieben ist. Und rollte nicht ein Zug über die Eisenbahnbrücke, die sich kalt und selbstbewußt über den Kanal legt, so könnte man glauben, daß heute noch Nachkommen der Familie Sturk, die dem Städtchen den Namen gab, hier herrschten. In Storkow passieren wir die zweite Schleuse ohne jedes Hindernis und fahren unter der niedrigen Straßenbrücke zwischen gemauerten Usern dahin, vorüber an Werften und Benzinstattonen, hinein in den fast 5% Kilometer langen großen Storkower See. Der Nordwestwind ist schwächer geworden, aber er treibt unser Boot in gemütlicher Fahrt über die bewegte Fläche. Zwei Seezeichen in der Ferne locken: jedoch sie kennzeichnen nur die engste Stelle des Sees. Hinter ihnen liegt der größere Teil seines Wassers, die von dichtem Wald umgeben sind, aus dem nur auf dem rechten Ufer die Dächer einiger Häuser hervorragen. Die Sonne hat sich wieder, ljinter Wolken versteckt, grau in grau malt sich der Himmel auf trübem Wasser. Hinter uns rauscht eine Segeljacht heran und überholt uns in schneidiger Fahrt. Im Wendisch-Rietzer Fließ liegt sie steif und still, als wir vorübergleiten. Vor der
letzten Schleuse in Wendisch-Rietz ist reges Leben, Boote warten auf die Durchfahrt, l�ud gerade, als wir heran sind, wird das Tor geöffnet. Hinter der Schleuse ist eine Straßenbrücke, so niedrig, daß wir uns gehörig ducken müssen, wenn wir mit unserem slachgehenden Schiff hindurchwollen. Der Gasthos hinter der Brücke ist das Ziel der übrigen Boote. Wir aber schwimmen auf kristallklarem Wasser zum Ziel unserer Fahrt, zum Scharmützelsee. Kurz vor der Ein- fahrt gehen wir ans Ufer. Ein freundlicher Landmann gibt gute Auskunft, als er hört, daß wir noch bis Saarow wollten, ist er entsetzt:„Dat is aber teuer," sagt er, dat is kaum zu bezahlen." Was hilft's, wir haben es uns nun einmal in den Kopf gesetzt. M dem Scharmützelsee. Und nun gleiten wir hinaus auf die herrliche Fläche. Kein Windhauch trübt den Wasserspiegel am Ostufer. Von fernher hallt froher Wandergesang:„Wem Gott will rechte Gunst erweisen". Lerchen fallen ein, die zahllosen Taucher schwatzen aufgeregt. Das Westufer liegt so weit, und scheint doch greifbar nahe. Wundervoller Wald stößt hinter Schwarzhorn auf den See, dessen Grund hier ein dichtes Pflanzengewirr ist, ein wahres Sargasiomeer. Zehn Kilo- meter sind auf diesem See zurückzulegen, ehe wir sein Nordende er- reichen. Hinter der Ablage von Silberberg gehen wir geradenwegs aus die Ostecke der Halbinsel von Saarow zu, mitten aus den See hinaus. Da erst begreifen wir ihn in seiner ganzen Größe: das Kurhaus von Pieskow liegt unendlich lange rechts voraus und die Bäume von Saarow wollen nicht größer werden. Rauschte nicht das Kielwasser, so könnte man glauben, daß das Boot ein fester Punkt sei auf der weiten Fläche. Wir legen uns ins Zeug und paddeln, was die Muskeln hergeben. Die Sonne ist verschwunden, letzter Abendhauch liegt auf dem Wasser. Im Norden leuchten seit Beginn der Fahrt auf dem märkischen Meer die Rauenec Berge. Gewitterwolken umziehen den ganzen See, im Süden und im Osten, im Norden und im Westen. Ihn selber aber meiden sie. Endlich liegt das Kurhaus von Pieskow hinter uns und auch Saarow, aus dem dunkle Lichter grüßen, versinkt im Süden. Wir laufen auf ein märchenhast beleuchtetes Haus am Südufer zu: Kurhaus Pechhütte. Ein großer, hoher Dampfersteg ragt hier ungastlich in den See. Dieses Haus ist nicht für uns. Wir gehen westwärts und finden in der Dunkel- heit flache Anlegestellen.' Unter dem Sternenhimmel bauen wir däs Faltboot ab, verladen es auf seinen Wagen, schleppen die Last über die Terrassen hinter der Landungsbrücke zur Straße empor. Um Mitternacht haben wir im Bahnhofshotel von Bad Saarow die wohlverdiente Ruhe gesunden. Eine Friedensinzcl. Die ehemalige Militärbadeanstalt Ruhleben, die seit etwa drei Jahren der Allgemeinheit übergeben wurde, ist in diesem Jahre ein kleines Idyll zarter Naturschönheit und Ruhe geworden. Man fährt mit der Straßenbahn, die nach Spandau führt, bis zum Chausseehäuschen, biegt ein paar Schritte in den Wald und meint nun, weiß Gott wie weit von all dem Grohstadttrubel mit seinem Lärm, seinem Stank und seiner ungeheuren Unrast zu sein. Hier ist es still, friedlich und rein. Ein kleiner, lieblicher See mit eisenhaltigem Wasser, umrahmt von frischem, saftigem Waldesgrlln. Ein prächtiger Laub- und Nadelwald mit hohen Bäumen atmet Ruhe. Hier kann man baden, im� Walde lagern und Körper und Nerven— wenigstens für einige Stunden— richtig auf Erholung schicken. Gottlob ist es kein allzu stark besuchter Badeplatz und für solche Menschen, die ein Beisammensein mit der Natur ersehnen, wie geschaffen.
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Es folgte«in kurzes Schweigen, dann donnerte der Beifall aufs neue los, und die Musik setzte mit einem Schmettern ein, das einige Takte dauerte, während die Negerin, ihr dünnes Kleid zupfend und sich das Haar zurückstreichend, zu ihrem Platze ging, wo sie eine Flasche Bier und ein Glas stehen.hatte. Alle Herren betrachteten sie mit einer scheuen Bewunderung, ohne sich ihr zu nähern und sie zu dem einsetzenden Foxtrott aufzufordern. Sie gingen zu den anderen Seüoritas, die sich bescheidener benahmen und nicht Orkane erwarten ließen» die den gewandtesten Mann mit einer Fingerbewegung aus dem Sattel zu heben drohten. Die Seüoritas betrachteten die Negerin nicht als eine Nebenbuhlerin, die sich eines unlauteren Wettbewerbes bediente. Durchaus, nicht. Sie gab dem Ge- schüft einen ganz ungeheuerlichen Schwung, der zehn Minuten vorher zu spüren war. Di« Herren hatten Feuer in den Augen, während sie bisher ziemlich gleichgültig und interesselos drein- geschuut hatten. Und die Seüoritas versuchten jetzt beim Tanzen einige der Bewegungen, die sie soeben gesehen hatten. nachzuahmen. Aber es sah häßlich aus und widerlich. Sie preßten sich hart an die Männer und spielten mit ihren hinteren Partien. Aber die Herren reagierten nur sehr "schwach darauf und hielten sich auffallend steif zurück, bis die Seüoritas anfingen, die Gesten, die bei ihnen so aussahen, als ob ein kleiner Gemüsekrämer plötzlich die Reklame eines großen Warenhauses nachmachen möchte, ganz und gar und immer mehr vergaßen und in immer normaler Weise tanzten. Das gefiel den Herren viel besser und erinnerte sie sicher an ihre Bräute oder Frauen oder an begehrte Mädchen und brachte sie in die Stimmung, die allein für das Geschäft nutz- bringend war. Sie luden ihre Tänzerinnen ein, sich mit ihnen zu einer Flasche Bier oder einem Whisky an einen Tisch zu setzen. Sekt trinkt man nur, wo den Kleinen alles verboten und den Großen mehr erlaubt ist, als sie in normaler Weise leisten und genießen können. Wo Sekt getrunken werden muß, um lachen zu dürfen und sich der Schönheiten des Lebens zu erfreuen, artet die Unterhaltung häufig zur Schweinerei aus. Und aus diesen Ausartungen mißt der Zensor seine Normal- meterstäbe ab, mit denen er den Kleinen die Länge des Ber- gnügens zumißt, die er ihnen zubilligt. Immer nur da. wo die Röcke nicht hochgehoben werden dürfen, begeht man Der-
brechen und tut den törichten Unsinn, nachzusehen, was unter den Röcken ist. 10. Die Straßen waren voll von Händlern. Da waren Tische, wo es heiße Enchiladas gab. An anderen gab es Kaffee. Wieder an anderen kalles Huhn oder gebratenen Fisch oder Roastbeef mit Brötchen oder mit Tortillas. Man konnte Salat kaufen, oder Bananen, Papayas, Aepfel, Weintrauben, Apfel- sinen. Kleine Buden verkauften Zigaretten, Zigarren und Tabak. Andere Zeitungen und Zeitschriften. An vielen Tischen gab es Eiswasser in fünf oder sechs verschiedenen Sorten, Lemones, Hochata, Jamaika , Tamarindo, Piüa, Na- ranja, Papaya und was nicht noch. Dazwischen liefen Jungen und Frauen herum mit Körben oder Zigarrenkistchen. Sie vertauften Kaugummi, Süßigkeiten, getrocknete Kalavasas- kerne, Peanuts, Obst und Blumen. Andere liefen herum mit Eimern mit Eiswasser, das sie glasweise abgaben. Hundert Menschen, wenn nicht mehr, fanden hier ihren Lebensunter- halt. Frauen trugen ihre Säuglinge auf den Armen oder führten kleine Kinder an der Hand, während sie ihrem Handel nachgingen. Weder die Sitllichteit der halbwüchsigen Jungen, die ihre Zeitungen oder Zigaretten ausriefen, noch die der ehrbaren Handelsfrauen oder deren Kinder wurde vernichtet in dieser Umgebung. Wer Sittlichkeit hat, der verliert sie nicht, wenn er etwas sieht, das als Unsittlichkeit anzusehen ihn niemand gelehrt hat. Hunderte von ehrbaren Frauen und Mädchen und Kin- dcrn und ganzen Familien hatten den ganzen Tag hindurch das Quartier der Seüoritas zu passieren, um zu ihren Woh- nungen zu gelangen. Sie fühlten sich nicht gefährdet. Sie konnten einen anderen Weg wählen, wenn sie wollten: aber der Weg durch das Quartier war kürzer. Und wenn man mit einer Frau, die etwas vom Leben verstand, darüber sprach, so sagte sie:„Einen Mann zu gewinnen und zu be- halten ist nicht so schwer: aber jeden Tag ein halbes Dutzend Männer zu gewinnen, ist eine Kunst. Worum soll ich mit Entrüstung auf die Seüoritas sehen? Ich glaube, die Ent- rüstung und das Aergernis bei vielen ehrbaren Frauen kommt nur daher, weil es ihnen nicht gelänge, sich auf diese Art ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Herren wollen für ihr Geld etwas hoben, und die Mehrzahl der ehrbaren Frauen ist zu langweilig, zu dumm, zu häßlich, um den Herren das geben zu können, wofür die Herren zahlen. Um ihre Nachteile zu verschleiern, nennen sie sich anständig, und sie haben große Mühe, ihrem eigenen Manne zu gefallen." Und die Dame, die das sagte, war die ehrbar angetraute
Frau eines wohlsituierten Kaufmannes in der Stadt, der einem vornehn-en Klub als Mitglied angehörte. Und sie war eine schöne Frau, die sich gut und geschmackvoll zu kleiden verstand und sicher nie einem anderen Manne als dem ihrigen auch nur die kleinste Gunstbezeigung erwiesen hatte. Aber sie war ja auch keine Puritanerin, sondern eine Tochter aus alter jpanisch-mexikanischer Familie. In puritanischer Um- gcbuno können solche Anschauungen nicht wachsen, und wenn sie auftauchen, sind sie widerwärtig. Es kam ein junger Amerikaner eines Tages hierher. Er hatte eine sehr hübsche junge Frau und drei niedliche Kinder- jchen. Ich wurde bei ihm zum Diner eingeladen. Vor Tisch und nach Tisch betete er, und Sonntags vergaß er nicht, mit seiner Frau die amerikanische Kirche zu besuchen. Als er mich bat, ihm die Stadt zu zeigen, sagte er:„Ich habe gehört, hier in diesen Ländern gibt es das und das. Wo ist denn das�" Ich zeigte es ihm, und er besuchte mehr als eine der Seüoritas. Als er dann wieder zurückreiste, sagte er mir: „Das ist doch ein schrecklich unsittliches Land. Dem Himmel sei Dank, daß so etwas bei uns nicht gestattet ist." Da log er zum zweitenmal. Es war gestattet. Wie alles gestattet ist, was gegen die natürlichen Triebe des Menschen gerichtet ist. Es wurde gestattet durch Vergewaltigung von Frauen und Kindern, durch Berheiratung elfjähriger Mädchen an fünfzigjährige reiche Männer, die sich nach acht Wochen wieder scheiden ließen. Es wurde gestattet durch das Herum- schleichen von Frauen und Mädchen in den Seitengassen zur Abend- und Nachtzeit. Es wurde gestattet dadurch, daß von hundert Männern wenigstens fünfzehn und von hundert Frauen und Mädchen achtzehn an üblen Krankheiten litten, die in den dunklen Seitengassen wucherten und wuchsen. Dann werden Millionen und aber Millionen von Dollar aus- gegeben, um diesen Krankheiten, von denen zu sprechen schäm- los ist, Einholt zu gebieten, während hunderttausend Dollar genügten, sie auf das kleinste Maß zu beschränken, dadurch daß man den Leptchen Gelegenheit gibt, sich innerhalb be- leuchteter vier Wände guten Abend zu sagen, Wasser und Seife zur Hand zu haben und die ganze Sache ebenso als Geschäft zu betrachten wie die bezahlte Krankenpflege, das Dampfbad oder das Massieren. Aber wenn das von diesem natürlichen und gesunden Standpunkt aus betrachtet würde, hätten ja die alten Betschwestern, die kastrierten Traktätchen- schreiber und die sabbernden Verkünder goldener Regeln nichts mehr zu tun. Wohin mit ihnen so schnell? Man kann sie doch nicht eingraben. Sie würden ja nicht einmal JDung machen, weil sie zu trocken, zu ledern und zu saftlos sind. (Fortsetzung folgt.)