Nr. 310 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 160
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Sonntag, den 4. Juli 1926
Frankreichs Sanierungsweg.
Die Sachverständigen für Auslandshilfe.
Paris , 3. Juli. ( Eigener Drahibericht.) Der Inhalt des Sa ch= berständigengutachtens zum Finanzproblem, das jetzt fertiggestellt ist und am Montag den Mitgliedern des Parlaments zugehen soll, hat keine große Ueberraschung hervorgerufen, weil es in großen Zügen bereits befannt war. Der Plan stimmt mit der Auffassung der Regierung völlig überein und betrachtet als hauptsächlichste Grundlage zur Sanierung des Franken die Eröffnung von Auslandskrediten. Die Regierung wird nunmehr vor allen Dingen von der Kammer die Ermächtigung verlangen, BeSprechungen zwischen den Emissionsinstituten Frankreichs , Englands und Ameritas einleiten zu können.
Die Vorschläge.
Paris , 3. Juli. ( TU.) Der Bericht des Sachverständigen tomitees stellt fest, daß es sich drei Ziele gesetzt habe: Ausgleich des Budgets, Entlastung des Schaamtes, Stabilisierung des Franken. Das Komitee schlägt folgende Maßnahmen vor:
1. Schaffung neuer sofortiger Einnahmequellen; 2. Neue Ersparnis maßnahmen im Staatshaushalt; 3. Berzicht auf weitere Borschüsse der Banque de France an den Staat( Ablehnung jeglicher Inflation);
5. Tilgung der schwebenden Schuld; 6. Konsolidierung der kurzfristigen Bonds für die nationale Berteidigung und Schazamtsanweisungen; 7. Stabiliserung der Währung mit Hilfe der Bank von Frankreich, Einziehung von Kapitalien; langfristiger auswärtiger Anleihen; 8. Aufhebung des Gesetzes über Kapitalflucht, Aufnahme
9. Auflegung wirtschaftlicher Beschränkungen. Das Komitee ist der Ansicht, daß dem Lande nicht länger die Wahrheit vorenthalten werden darf. Die Oeffentlichkeit muß sich auf schwere wirtschaftliche Entbehrungen gefaßt machen. Am Schluß spricht sich das Komitee für Ratifizierung des franco- amerikanischen Schuldenabkommens aus. Der Dollar notierte heute 37,35, das Pfund Sterling 181,75.
Neutralität als Ziel einer neuen Partei. Paris , 3. Juli. ( Eig. Drahtber.) Aus Straßburg wird gemeldet, daß sich zum Protest gegen die Maßnahmen der französischen Regierung gegen die autonomistische Bewegung in Elsaß- Lothringen eine radikale autonomistische Partei unter dem Namen
„ Elsässer- Bund" gebildet hat, der bereits mehrere hundert An4. Allmähliche Reduzierung des 3ins fuß es der Bank von hänger zählt. Der Bund verlangt die völlige Neutralität Elfaß- Lothringens .
Immer noch weiter!
Die Arbeitslosigkeit in Berlin wächst. Der Stand der Arbeitslosigkeit in Berlin hat sich gegen die Borwoche auf rund 4000 personen erhöht, so daß er gegen wärtig 270 731 beträgt. Berglichen mit dem Vorjahre bedeutet diese Zahl beinahe das Siebenfache. Die Zahl der Unterstügungsempfänger beläuft sich auf insgesamt 203 862 Personen.
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Bilanz der Wirtschaftspolitik.
Arbeit für die Reichstagsferien. Von Friz Naphtali.
Der Reichstag hat seine Arbeiten vor dem Ferienbeginn mit einem doppelten Mißklang beendet. Auf der einen Seite steht die Ergebnislosigkeit der Arbeiten um die Fürstenabfindung, auf der anderen Seite steht das Ergebnis der Erhöhung der Lebensmittelzölle ab 1. August auf Grund der Annahme des deutsch - schwedischen Handelsvertrages. Dieser deutsch - schwedische Handelsvertrag wäre an sich von allen Seiten als ein Fortschritt begrüßt worden, wenn die Regierung ihn nicht ohne sachliche Berbindung mit den besonderen deutsch - schwedischen Handelsbeziehungen als Instrument für die Herauffezung der Lebens= mittelzölle benugt hätte. Der sozialdemokratische Antrag auf Verlängerung der am 31. Juli ablaufenden Lebensmittelzollfäße zunächst bis zum 1. Dezember, der der Forderung der Gewerkschaftsverbände aller politischen Richtungen entsprach, wurde abgelehnt, wobei leider auch die Gewerkschaftsmitglieder der Zentrumsfraktion Hilfsdienste für die Ablehnung ihrer eigenen Forderungen leisteten. Trotz dieses Mißerfolges war der Kampf gegen die im deutsch - schwedischen Handelsvertrag vorgesehenen Zollerhöhungen nicht gang fruchtlos; denn immerhin haben auch die Regierungsparteien fich nicht entschließen können, die von ihrer Regierung vorgesehenen Zollerhöhungen unverändert zu schlucken, sondern nie sie haben wenigstens gewisse Ermäßigungen eintreten lassen, unter denen die wichtigste die Beibehaltung der bisherigen Säße für Schweineflisch, Speck und Schmalz und die Beibehaltung der Differenzierung von Futtergerſte unter Festsetzung des Zolles für diese Pofition auf 2 Mark gegenüber den vorgesehenen 5 Mart sind. Für den Mißklang, den diese letzte wirtschaftspolitische Handlung des Reichstags in den Ohren des arbeitenden Bolles hervorruft, ist vielleicht, noch wichtiger als die unmittelbare materielle Auswirkung dieser Beschlüsse die Tatsache, daß hier von neuem ein Bekenntnis abgelegt worden ist zu einer Richtung der Hochschu= ollpolitik, die der Notwendigkeit der Entfaltung der produktiven Kräfte der deutschen Wirtschaft weder in der Landwirtschaft, noch in der Industrie dient. Denn es muß immer wieder betont werden, daß unser Kampf gegen die Heraufsetzung der Agrarfölle nicht einer feindlichen Einstellung gegenüber der Landwirtschaft entspringt, sondern daß wir überzeugt sind, daß die Förderung der landwirtschaftlichen Produktion mit geringerem Aufwand für die Allgemeinheit mit anderen Mitteln viel wirksamer erreicht werden könnte als mit 3ollerhöhungen. Diese bringen nur bestimmten Sondergruppen der Landwirtschaft Gewinne, teilweise mit dem Erfolg, rückständigere Produktionen gegenüber dem Vordringen der intensiveren Arbeit aufrechtzuerhalten.
ein einheitlicher Geist und ein einheitlicher Wille vorher bestimmen müßte, wie die abzuschließenden Handelsverträge aussehen müssen, wird nachher erst, aus der Bielheit der Handelsverträge sich dieser einheitliche Geist ergeben. Und er wird der alte Geist des Schutzzolles, der engftirnigen Bevorzugung ganz spezieller Wirtschaftsinteressen sein, wie wir ihn vor dem Kriege erlebten. Die Wirtschaftspolitik der nächsten Zukunft wird die Fortsegung der faiserlichen 3ollpolitit mit anderem Wappen fein."
Eine Gegenüberstellung am Stichtag ergibt einen Anteil Berlins an der Gesamtzahl der Unterstühungsempfänger im Reich von zirka Gegenüber dieser scharf pointierten Feststellung wird die 11% Proz, während er am Beginn der diesjährigen Krise Anfang Berteidigung der Haltung der demokratischen Reichstags: Januar nur 7% Proz. betrug. Hingegen beträgt der Berliner Be- fraktion in der Zollfrage, wie fie eifrige Federn gestern abend völkerungsanteil an der Gesamtbevölkerung des Reiches 6,4 Pro3. im Berliner Tageblatt" und in der Bossischen Hierbei find Nofffandsarbeiter und durch Wohlfahrtseinrichtungen 3eitung" übten, haltlos. Unterstützte unberücksichtigt.
In fast allen Industrien sowie im Handel ist der Beschäftigungsgrad auf ein geringes Maß herabgefunken. Es waren 270 731 Perfonen bei den Arbeitsnachweisen eingetragen, gegen 266 208 der Borwoche. Darunter befanden sich 174 324( 172 042) männliche und 96 407( 94 166) weibliche Personen. Unterstützung bezogen 135 480 ( 136 686) männliche und 58 382( 66 524) weibliche, insgesamt 203 862 ( 203 210) Personen.
Der Weg zur kaiserlichen Zollpolitik.
Die Erhöhung der Zollsäte als Wegweiser. Der von allen bürgerlichen Parteien gemeinsam gefaßte Beschluß, ab 1. Auguft die bisher geltenden Zollfäße zu erhöhen, ist ein böser Auftakt für die Behandlung der Bolifrage im Herbst. Er bedeutet eine Proklamation hochschutzöllnerischer Absichten. Die großagrarischen Interessenten nehmen Davon Kenntnis. Die Deutsche Tageszeitung" Schreibt:
,, Die Zollregelung vom 17. August 1925 hat der Reichslandbund in einer offiziellen Erklärung als ersten schüchternen Verfuch auf dem Wege bezeichnet, der deutschen Landwirtschaft wieder einen Schutz zu verschaffen, wie sie ihn unbedingt braucht und wie er mit dem Bülow- Tarif im allgemeinen erreicht war. Das gestern angenommene neue Provisorium bedeutet eine zweite Etappe auf diesem Wege, über deren unbefriedigenden Charakter wohl die gesamte Landwirtschaft einig ist. Sie fannt sich damit nur abfinden in der bestimmten Hoffnung, daß unsere Handelsund Wirtschaftspolitit nach Ablauf der neuen Ueberganszeit ent schlossen in der Richtung auf das notwendige Ziel eines den Lebensinteressen unserer Landwirtschaft genügenden Zollschutes weitergeführt wird!"
Die Sätze der Bülowschen Handelsverträge genügen ihnen noch nicht. Sie wollen die Mittelparteien einschließlich der Demokraten weiter schleifen bis zu den Sägen des autonomen Tarifs.
Ueber die Bedeutung dieser Wendung schreibt Georg Bernhard in der Bossischen Zeitung" mit großer Schärfe gegen die Regierung:
"
,, Da man diese Entscheidung( einer handelspolitischen Orientierung) gefürchtet hat, so war die Regierung glücklich, den Schwebezustand der Handelsvertragsverhandlungen benußen zu fönnen, um nichts zu tun. Und sie wird die Muße, die ihr die Reichstagsferien lassen, wahrscheinlich dazu benußen, diese Untätigkeit fortzusehen. Und schon jetzt läßt sich daher fagen, wie der Erfolg sein wird. Während vernünftigerweise
Das Direktorium verhängt Geldstrafen.
Unabhängig vom Strafverfahren. Madrid , 3. Juli. ( WTB.) Das Amtsblatt der Regierung veröffentlicht einen Erla ß, durch den gewiffen einzeln aufgeführten genannten Personen, unabhängig davon, ob fie fich weiterhin noch straffällig gemacht haben und lediglich unter der Voraussetzung, daß der Polizeibericht ihr Eingreifen oder ihre mit wisserschaft, fei sie größeren oder geringeren Grades, bei der Vorbereitung von Dingen, die dem Lande großen Schaden häften zufügen können, festgestellt, besondere Geldstrafen auferlegt. Diese Geldstrafen werden auf dem gewöhnlichen Vollstredungsweg eingezogen werden, und folange sie nicht erledigt sind, fann feine davon betroffene Persönlichkeit über ihre Bankguthaben, beweglichen und unbeweglichen Güter Verfügungen treffen oder sonstige Handlungen in die Wege leiten, durch die die Einziehung der Geldbuße beeinträchtigt werden könne.
Die Liste der betroffenen Persönlichkeiten führt u. a. auf: General Weyler mit 100 000 Pejeten, Generalleutnant 2 guilera mit 200 000, Gtaf Romanones mit 500 000, Dr Maranon mit 100 000, Senator Manteca mit 100 000, Oberst Garcia mit 30 000, Marcelino Domingo 5000, Barriobero 15 000 Pejeten. Der Gesamtbetrag der verhängten Strafen ist mehr als eine Million Pejeten.
,, Vaterländischer Aufklärungsdienst" Moskau , 3. Juli. ( DE.) Die Kommunistische Partei der SowjetUnion betreibt in letzter Zeit eine lebhafte Propaganda in der Roten Armee. In dieser Beziehung sollen, wie die Sowjetblätter melden, bereits größere Erfolge erzielt worden sein. Die 3 ahl der Kommunisten und kommunistischen Jugendverbändler unter den Rotarmisten sei ständig im Steigen begriffen. Die Partei ist vor allem bestrebt, den Kommandoft ab der Armee mit Kommunisten zu besetzen. Gegenwärtig gehören über 20 Proz. der Offiziere noch immer zu den Parteilofen. Das militärische Zentralblatt Moskaus ,„ Krasnaja Swesda", schreibt, die Partei stehe auf diesem Gebiet vor sehr großen Aufgaben. Die Rotarmisten feien immer mehr gneigt, die im Kasernen leben zutage tretenden Mängel auf die allgemeine wirtschaftliche und politische Lage zurückzuführen. Infolgedeffen müffe die Aufklärungsarbeit unter den Soldaten noch mehr verstärkt werden,
Wenn auch der Reichstag nach diesem unerfreulichen Abschluß in die Ferien gegangen ist, so wird doch die wirtschaftspolitische Arbeit in den nächsten Monaten feineswegs ruhen. Wichtige Entscheidungen auf dem Gebiete der
Handelsvertragspolitik stehen bevor, und die Deffentlichkeit hat alles Interesse daran, die Richtung dieser Politik sorgfältig zu überwachen, zumal der Reichstag der Regierung die Vollmacht zur vorläufigen Inkraftsetzung von wirtschaftlichen Abkommen für die Dauer von drei Monaten mit auf den Weg gegeben hat. In der Begründung der Zollherauffehungen im deutsch - schwedischen Handelsvertrag ist immer darauf hingewiesen worden, daß es sich dabei um Maßnahmen handelt, die wichtig seien für den günstigen Abschluß anderer schwebender Handelsvertragsver handlungen, d. h. mit anderen Worten, daß man sich die Möglichkeit besonderer Zugeständnisse in den Handelsver tragsverhandlungen besonders mit Bolen und Rumänien offenhalten will. Man muß nun von der Regierung verlangen, daß fie die schwebenden Handelsvertragsverhandlungen zum Abschluß bringt mit der flaren Einstellung der Förderung der deutschen Arbeitsmöglichkeiten durch Erleichterungen des Eg ports. Dabei wird es notwendig sein, daß nicht wieder industrielle Exportinteressen geschädigt werden zugunsten der Aufrechterhaltung hoher Schutzollfäße für einzelne landwirtfchaftliche Gruppen. Ein wichtiges Feld für die Normalisierung der Außenhandelsbeziehungen für die Erweiterung des Absatzfeldes deutscher Arbeit wird auch bei dem Fortgang der deutsch - französischen Wirtschaftsverhandlungen liegen.
Bei aller Bedeutung, die wir der Zollpolitik und der Handelsvertragspolitik für die Entfaltung der deutschen Wirtschaft und damit für die Erweiterung der Arbeitsmöglichkeiten beimessen, darf aber nicht vergessen werden, daß hier nicht das einzige und vielleicht nicht einmal das für den Augenblick wichtigste Feld der deutschen Wirtschaftspolitik liegt. Das Zentralproblem der gegenwärtigen Krise ist die Arbeitslosigkeit. Der Reichstag hat in Der letzten Woche einen umfangreichen Bericht des Unteraus