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Sonntag
4. Juli 1926
Aus der Film- Welt
Die Not der deutschen Filmkomparsen.
Rein Programm fündet ihre Namen, ihr Schicksal hält nicht die Welt in Atem, ihre Künste unterliegen einer fubalternen Wer tung, kein Beifall lockt sie zum Dant vor das Rampenlicht, namen
losen Soldaten gleich an stummen Gehorsam gewöhnt, harren sie im Hintergrunde einer lebenstrunkenen, im Rausch unserer Phantasie erblühenden Welt.
Ihr Los? Keiner fragt danach, teiner. Sie sind eben da, wir merfen es faum, und fönnten sie doch nicht missen. Durch die Tanzjäle fluten sie, hoden geschwözig an Tischen beisammen, drängen sich neugierig auf Straßen, Plägen, Bahnhöfen, in Bestibülen, furz überall dort, wo etwas passiert, ziehen dann wieder in historischen Trachten auf, sind Krieger, Publikum oder Boten. Ueberall begegnen wir ihnen, aber wir sehen sie faum, denn uns interessiert ja das Einzelschicksal, der Star, der motorische Erreger der Handlung, der Kämpfer und Haderer wider das Geschick. Von alledem meiß der Komparse nichts zu fünden. Paffiv bleibt er, selbst dort, wo er scheinbar die Handlung vorwärts treibt, und das ist sein tragischer Zug: daß er das Leben nicht meistern darf, nur dulden muß und über den toten Punkt der Schablone nicht hinauswächst. Dennoch: Seine Eristenz ist eine Notwendigkeit, heute wie morgen, solange es im Film um das Einzelschicksal geht.
Wie er zum Film überhaupt fam? Die Hoffnung war es, die es ihm angetan hat, die Hoffnung, fich eines Tages im Glanz der Prominentensonne zu spiegeln, diefe trügerische Hoffnung hat in vielen den Vorsatz gehärtet, von der Pike auf zu lernen, und so warten sie geduldig, Monate, Jahre, und feiner fommt, ihnen die Starfrone aufs Haupt zu drücken. Aelter werden sie, herbe not hält Einzug, denn an Beschäftigung mangelt es stets, und schließlich leiden fie Hunger.
Erschmert wird ihnen das Fortkommen dadurch, daß in letzter Zeit ein starker Zustrom vom Theater her einsetzt, und auch manch bekannter Bühnenfünstler auf der Komparsenbörse Umschau hälf und vermöge feiner guten Beziehungen eher zu einem Engagement tommt.
Ein Rüdblid auf die Geschichte der deutschen Komparserie enthüllt ein Bild, reidh an dramatischen Akzenten. Zunächst, in jenen Jahren, da die ersten Ansätze zu einer Filmindustrie gelegt wurden, lebte das ganze Filmvöltchen in trauter Gemeinschaft, und der Starfimmel ward noch von der Erde gebannt. Doch nur kurze Zeit währte diese Eintracht, denn bald separierten sich die Prominenten und bildeten eine Börse der ,, Elite"! Das zwang die Komparsen zur Solidarität, aber schon bedeutete eine neue Spaltung einen meiteren Schritt zur unheilvollen Klassifizierung der FilmschauSpieler.
Es ist ein Berdienst der Spigenorganisation, daß fie in Ge meinschaft mit der Stadt Berlin zur Gründung eines paritätisch befegten Stellennachmeises schritt, der 1500 eingeschriebenen Mitgliedern Brot und Arbeit verschaffen soll.
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Heute tagt die Filmbörse wie man den Stellennachweis der. Romparsen bezeichnet im Landesausstellungspark in Moabit . Traurig, bitter traurig ist das Los der Komparsen. Die Zeiten Der guten Konjunktur sind längst vorüber, und wenn ein Komparse in den Sommermonaten, die für die Fabrikation die Saison bedeuten, monatlich einige Male beschäftigt wird, kann er von Glüd reden. Tatsächlich ist ein Monatseinkommen von 100 m. eine Seltenheit, und die meisten Mitglieder der Börse" verdienen meit weniger.
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Hat die deutsche Komparserie unter der Ungunft der Birtschaftsverhältnisse schwer zu leiden, so befindet sich die ausländische, in erster Linie die amerikanische Komparferie in einer mefentlich günstigeren Lage. Amerifa allein vermag jährlich 24 Goldmillionen den Komparsen auszuschütten.
Dennoch gibt es auch heute noch viele, melche den Mut aufbringen, an der Komparsenbörse ein Weiterfommen zu erhoffen. Ihnen fann gar nicht ernst genug angeraten werden, von ihrem Borhaben abzulassen, wollen sie nicht blind dem sozialen Nieder. gang entgegensteuern.
Die Filme der Woche.
„ Der Mann mit den 1000 Bräuten." ( Gloria- Palast.)
Dieser Mann ist Buster Keaton . Ein jeder, der ihn fennt, lacht unwillkürlich schon im voraus und sieht im Geiste das tiefernste Gesicht, in dem sich nie eine Miene verzieht, obwohl all das Unglüd, das für gewöhnlich über den Jüngling hereinbricht, durch ganz groteste Körperverrenkungen veranschaulicht wird. Auch dies. mal wieder hat der gute Buster Pech. Im Sommer, im Herbst, im Winter und im Frühling möchte er seiner Mary seine Liebe gestehen. Das wird tertlich sehr lyrisch und bildlich sogar foloriert demonstriert. Natürlich fommt immer etwas dazwischen, wenn es auch nur die Schnauze eines eifersüchtigen Hundes ist. Ein guter Onfel, der Buster eine fabelhaft hohe Summe vererbt, falls er an einem bestimmten Tage um sieben Uhr verheiratet ist, bringt neues Ungemach über seinen Neffen. Der bekommt den Bescheid nämlich gerade an dem fraglichen Tage ein paar Stunden vor sieben Uhr. Sogleich stürzt Buster zu der Herzallerliebsten. Er macht eine mißverständliche Liebeserklärung, Mary schmollt und Buster meint, er habe sich einen Korb geholt. Nun muß der einst so Schüchterne die Liebeserklärungen gleich ferienweise machen. Das geht filmisch etwas langweilig vor sich, denn Buster Keaton , der sein eigener Regiffeur war, sparte die tollen Senfationen bis zum Schluß auf. Aufgeschoben mar aber wahrlich nicht aufgehoben, weil alle die vielen Unmöglichkeiten, auf die sich alle Amerikaner verstehen, und die dem Keaton besonders gut liegen, auf den Zuschauer herabprasseln, als Buster durch ein Inserat seines Rechtsanwalts 1000 Bräute befommt. Er flieht vor diesen Bräuten in einem Tempo, das Schwachnervigen Herzklopfen bereitet. Es geht über
belebte Straßen und über Wiesen, durch Berg und Tal, und erst eine Steinlamine schlägt die Bräute in die Flucht. Selbstredend landet Buster in den Armen feiner Mary. Die ganze Flucht ist so gespielt, daß sie rein artistisch zum Bravourſtüd wird. Das Bublifum schüttelte sich vor Lachen. Ernö Rapées musikalische lustrationen trugen zur Belebung der allgemeinen Luftigkeit viel
bei.
EMER
Achtung!
e. b.
Dienstag, den 6. Juli 1926
In der
ALHAMBRA
am Kurfürstendamm
URAUFFÜHRUNG
des großen Emelka- Südfilms
MENSCHEN HAENDLER MACISTE
ODER
IN
There
In der Hauptrolla:
Herkules
Maciste des Films!!!!
In 6 hochsensationellen Akten aus den brennend heißen Wüsten des schwarzen Kontinents im Kampf gegen Mädchenräuber und Menschenhändler.
LIDFILMACE
AG
HASIB
Beilage des Vorwärts
Wie sind vom K. und K. Infanterieregiment." ( Alhambra.)
Die Pest der Militärfilme setzt wieder ein.„ Fridericus Rer" soll neu aufgezogen werden, und ein großer Marinefilm ist im Anmarsch( die Marineverherrlichung ist bisher noch zu kurz gekommen).
Richard Oswald nimmt die Sache von der humorigen Seite. Er präsentiert uns einen Militärschwank mit alten und neuen Kafernenhofwizen, in denen Paul Morgan sein diesmal spärliches Licht leuchten läßt. Die Chose spielt in Wien , in dem gemütlichen Wien der Operettenkomponisten, in dem es nie Soldatenmißhandlungen und Offiziershochmut gegeben hat, in dem sich alles um die Liebe dreht, bei den Offizieren wie bei den Mannschaften. Wie charakteris siert der Regisseur Wien ? Indem er die Kapelle der Deutschordensmeister wiederholt aufmarschieren läßt und einige Denkmäler vor. führt. Das ist Wien . Im übrigen stroht die Handlung von den gröbsten Unwahrscheinlichkeiten und Unmöglichkeiten. Es ist halt Sommer, und da wird's nicht so genau genommen, und Oswald hat immer die saloppe Manier geliebt. Der Lebemann- Oberst hat ein Dreimäderlhaus. Drei Töchter suchen einen Mann, aber alle die flirtenden Offiziere können die Kaution nicht leisten. Schließlich beißt ein Zivilist mit einer reichen Erbtante an. Aber er findet nur Zutritt, indem er sich als Husarenleutnant mastiert, was natürlich zu allerlei grotesten Szenen führt. Unglücklicherweise wird er dann als Erfahreservist eingezogen und muß nun eine Doppelrolle spielen, bald als Leutnant, bald als Gemeiner. Er verdoppelt sich selbst, indem er sich einen etwas blöd geratenen Zwillingsbruder zulegt, der sogar zum Burschen beim Obersten avanciert. Aus dem ewigen Wechsel ergeben sich natürlich allerlei luftige Situationen. Schließlich fommt der Schwindel doch auf, aber der Herr Oberst sieht über die mangelnden militärischen Qualitäten hinweg. Die in Aussicht stehende Erbschaft gleicht alles aus. Für den Rest sorgent Militärmusik und alle die herzerquickenden Weisen, die das gemütsdackelige Spießbürgertum nun einmal so gern hat. Die Militärperfonen sind größtenteils mit Preußen besetzt. Ob die den richtigen KR.- Offizierschneid und das spezifisch Desterreichische richtig treffen, entzieht sich unserem Sachverständnis. Jedenfalls ist Baul Heidemann in seiner Doppelrolle ein toller Junge, der seinen Spaß mit der Uniform treibt. Frig Spira ist ein richtiger Operettenoberst. Gar ulfig wirft Bendo w mit seinem Babygesicht in der Leutnantsuniform. Die süßen drei Mäderl find Mary Kid , Colette Brettl und Grit Haid . Sie haben nur hübsch zu sein und liebenswürdig zu lächeln. Im bunten Rock präsentieren fich weiter Braufewetter und Albers. 3wei sehr nette Chargen steuern die Erbtante Botechina und die urweanerische Köchin Camilla Spira bei. D.
Die Schlange von Paris."
( U.-T. Friedrichstraße.)
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Der Regisseur Rex Ingram schuf hiermit einen Film aus pielen Stilgemischen, ohne dabei zu einer eigenen persönlichen Note zu kommen oder sie auch nur anzudeuten. Mem an einer Inalligen Handlung gelegen ift, fommt bei diesem Werk auf seine Rosten, mer mehr innere Werte verlangt, dem fann es keine volle Befriedigung bringen. Der Vater lieft seiner flatterhaften Tochter, die einen eifersüchtigen Liebhaber hat, seinen Roman Schwarze Orchideen" voc. In ihm spielen ein Menschenaffe, ein 3merg, schwarze Orchideen und eine Hellseherin, die durch ihre wechselnden Liebesbedürfnisse drei Männern den Tod bringt, bedeutungsvolle Rollen. Die Tochter hat sich start in diesen Roman hineingedacht, als Schlußfolgerung sieht man sie zur Beständigkeit bekehrt und fich mit ihrem glücklichen Bräutigam versöhnen. Die ganze Handlung ließ der Regisseur nur als Romanillustrationen spielen. Er deutet sogar einschneidende Greignisie allein durch den Text an, räumt ihm also eine ganz unfilmische Vormachtstellung ein. Gespielt wird wirklich gut, obwohl gar manche Szene zu eigenem Nugen in das Gebiet der Phantastit hätte hineinspielen fönnen. Die schöne Barbara La Marr , die freiwillig von der Bühne des Lebens abtrat, meil die Künstlerin Selbstmord beging, spielte die Hauptrolle. Wie stets, so trieb auch diesmal wieder ihr Ehrgeiz sie zu einer pollendeten Leistung. In ihrer Doppelrolle zeigte fic fic, int Kleidungen von höchst eigenartiger Eleganz und persönlichem Geschmad. Ramon Novarro und Lewis Stone waren zwei aus. drucksvolle Bartrer.
Die Ufa Wochenschau bringt Bilderstreifen aus aller Welt, So sieht man aus Deutschland die Ueberschwemmungen, die Oder und Elbe angerichtet haben. 9:
„ Der Mensch und die Liebe." ( Primuspalaft.)
Ach, waren das noch glückliche Zeiten, als so und soviele Jahre vor dem Kriege in Rußland Argibatschen seinen Roman Sianin" schrieb und ein Teil der russischen bürgerlichen Jugend mit offenen Fahnen zum Sjaninismus überging. Es war so etwas mie Freigeisterei der Lebensanschauung und vor allem Freigeisterei dec Liebe, vor allem der törperlichen Liebe. Der Roman ist längst vergessen. Die Epoche, die er machte, ist längst vorbei. Trozdem hat Lothar Dredrick den Roman, der schon als solcher breit und fahrig war, für den Film ebenso breit und locker verarbeitet. Der geistige Gehalt, der immerhin in Argibatschews Werk steckie, st darüber völlig zu furz gekommen; geblieben sind allerlei lose Szenen aus dem Leben der russischen Intelligenz und der Offizierskreise in einer Wolgastadt. Der Regisseur Friz Fehérs hat aber immerhin das Verdienst, sehr charakteristische Wolgalandschaften und sehr echte Szenen aus dem russischen Volksleben ins Bild gebracht zu haben. Den Ssanin, den Verkünder der neuen Heilslehre, verförperte Alfred Beregi. Er gab der Figur immerhin Kraft und geistige Bedeutung. Die jungen Mädchenrollen waren nicht ganz so glücklich besetzt. Magda Sonja als Sfanins Schwester und Ines Allegri als Lehrerin bemühlen sich, dem russischen Kolorit gerecht zu werden. Der echt russische Typ des Privatgelehrten Solmeit gelang Victor Franz einprägfam. Es wird der Verfilmung des Romans schwerlich gelingen, das Interesse für die Vorlage neu zu erwecken. Boran gingen drei fleine Mar Lindner Stücke aus seiner früheren Zeit, die sicherlich technisch überholt sind, aber die quedfilberne Beweglichieit und den Charme dieses im vorigen Jahr qus dem Leben geschiedenen einst so populären Filmdarstellers auss neue lebendig werden lassen.
r.
die neue Bosnia
köstlich milde 33 Cigarette