Nr. 312 43. Jahrg. Ausgabe A r. 161
Bezugspreis.
Wöchentlich 70 Pfennig, monatlich B, Reichsmark voraus zahlbar. Unter Kreuzband für Deutschland , Danzig , Saar- und Memelgebiet, Desterreich, Litauen , Luxemburg 4,50 Reichsmart, für das übrige Ausland 5,50 Reichsmark pro Monat.
Der„ Vorwärts" mit der Sonntags. beilage Bolt und Zeit" mit„ Sied Jung und Kleingarten" sowie der Beilage Unterhaltung und Wissen" und Frauenbeilage Frauenftimme" erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.
Morgenausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Anzeigenpreise:
Die einfpaltige Nonpareille. zeile 80 Pfennig. Reilamezeile 5, Reichsmark. Kleine Anzeig:" das fettgedruckte Wort 25 Pfennig ( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. serite Wort Stellengesuche das
15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buc staben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Reile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnentes Beile 40 Pfennig.
Anzeigen für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags im Hauptgeschäft, Berlin SW 68, Lindenftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 8½ Uhr früh bis 5 Uhr nachm.
Dienstag, den 6. Juli 1926
-=
-
--
=
-
-
Die preußische Regierung wird sich wie Minister| nen Wege der Volfsentscheid wie auch die reichsder Volksentscheid wie auch die reichs präsident Braun im Landtag erklärte in den näch gesetzliche Regelung zu einem Ergebnis nicht sten Tagen mit dem Antrag der Deutschen Volks geführt haben, ist es mir Pflicht, nunmehr erneut die partei, schleunigst eine Vermögensauseinandersetzung Initiative zu ergreifen, um den Gegenstand der Bezwischen dem preußischen Staat und den Hohenzollern herbei unruhigung unseres öffentlichen Lebens endlich aus der Welt zu zuführen, befassen. Die allgemeine Auffassung aller schaffen, und ich erkläre mich daher hiermit bereit, Kabinettsmitglieder geht dahin, daß derartige Verhandlungen die Vergleichsverhandlungen auf der Grundlage nur durch die Initiative des Hohenzollern des Vertrages vom 12 Oktober 1925 möglichst bald hauses eingeleitet werden können und für den wieder aufzunehmen. In der Erwartung, daß die Preu Fall, daß ein Vergleichsvorschlag gemacht wird, Bische Staatsregierung auch ihrerseits von dem Wunsche geleitet ist, die preußische Regierung sofort zur Prüfung und einer Stel- zur Entspannung der politischen Lage und zum Wohle der Aulungnahme bereit ist. gemeinheit diese Angelegenheit tunlichst rasch zu einem für beide Teile zufriedenstellenden Abschluß zu bringen, darf ich wohl einer baldgefälligen Rücäußerung ergebenst entgegensehen und habe dieses Schreiben, um die Beruhigung anzubahnen, gleichzeitig der Bresse mitgeteilt, Der Generalbevollmächtigte gez. von Berg ."
Ein derartiger Vergleichsvorschlag muß natürlich disfutabel sein. Nun hat der Generalbevollmächtigte der Hohenzollern , Herr von Berg, das folgende Schreiben an die preußische Regierung gerichtet:
Die neue Initiative der Hohenzollern , die von der Kölnischen Zeitung " geforderte Königliche Ta t" be: steht also im Beharren auf dem Vergleich vom 12. Oftober 1925, der die große Erregung des Volkes hervorgerufen hat. Sie entspricht, um mit der Kölnischen Zeitung " zu reden, den Anschauungen eines fleinen, feilschenden Krämers.
,, Die Preußische Staatsregierung wird mir bestätigen können, daß ich mich seit llebernahme der Vertretung des Königlichen Hauses unablässig, zuletzt durch den am 12. Oktober 1925 beider feits unterzeichneten Vergleich, bestrebt gezeigt habe, die Vermögensauseinandersetzung auch unter weitgehenden Ver: zichten, die bis zur Preisgabe von 83 Proz. der Vermögensmasse durch das Königliche Haus gegangen find, im Wege einer Ber ständigung durchzuführen. Die Preußische Staatsregierung wird Ein Vergleichs vorschlag ist das nicht. Auch in den mir weiter darin zustimmen, daß es sich angesichts der beklagens Kreisen der preußischen Regierungsparteien merten, aus anderen Gründen in unser schwer leidendes Bolt hin- betrachtet man es übereinstimmend als selbstverständ eingetragenen Erregungen in den legten Monaten für die Berlich, daß als Verhandlungsgrundlage nur ein Vorschlag in tretung des Königlichen Hauses, verbot, durch heraus treten mit neuen Vorschlägen absichtlichen Miz deutungen ausgefegt zu werden. Nachdem, aber die zur Abänderung des Bertrages vom 12. Oftober 1925 eingeschlage
Die Sozialisten gegen die reaktionären Regierungs vorschläge.
Warschau , 5. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) In der Sejmdebatte über die von der Regierung Bartel eingebrachten verfaffungändernden Gefehentwürfe hielt Genoffe Dai3nniti, der als ein persönlicher Freund Pilsudffis gilf, eine scharf ablehnende Rede, die großes Auffehen erregte. Daszynski stellte im Namen der polnischen sozialistischen Fraktion den Antrag, auf die erste Lesung der Gesetzentwürfe zu verzichten. Er erklärte unter anderem: Der große Mann, der die Mairevolution gemacht hat, schweigt jetzt. Allerlei kleine Sperlinge, die dabei seinen Mantel berührt haben, fprechen so laut, als ob sie alle Gedanken ihres Meisters kennen. So entstehen die größten Mißverständnisse. Die Boltsmasse versteht nicht, was mit der Mairevolution gefchehen ist. Polen ist voll der größten Hoffnungen und Aengste. Man hat den Eindruck, als ob die Rechtsparteien die Revolution gemacht haben. So reaffionär find die Vorschläge der Regierung und so revolutionär die Vorschläge der Rechtsparteien, welche die Verfaffung ändern
wollen.
Die Rede Daszynffis hat fiefen Eindrud gemacht, um jo mehr, als auch der Redner der Nationaldemokraten die Borschläge der Regierung fritifierte, wenn er auch gegen die erste Lesung feinen Einspruch erhob. Nach Beendigung der ersten Lefung wird der Kampf um die Verfaffungsreform im Ausschuß weitergeführt.
Vor der Sanierungsdebatte. Keine Ausschaltung des Parlaments. – Wachsende
Opposition links.
-
Paris , 5. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Bom franzöfifchen Finanzministerium wird erklärt, daß die offiziellen Stellen von der angeblichen Anwesenheit Dr. Schachts in Paris feine Kenntnis hätten. Ebensowenig ist von dessen Absichten inbezug auf eine Aussprache über die Frankenstabilisierung etwas befannt. Für die am Dienstag beginnende große Finanzaussprache in der Kammer liegen bis jetzt 7 Interpellationen vor; vier von der Radikalsozialistischen Partei, eine von den Kommunisten, eine von den Sozialisten und der Rest von den übrigen Parteien. Im Namen der Sozialistischen Partei wird der Finanzspezialist Vincent Auriol die Entwürfe des Finanzministers bekämpfen. Außer dem Interpellanten haben sich noch 17 Redner eintragen lassen. Der Kabinettsrat hat am Montag morgen das Sanierungsprogramm endgültig fertiggestellt.
Caillaur wird von der Kammer feine Bollmachten im Sinne der Poincaréschen Ermächtigungsgefeße verlangen, die das Barla ment vorübergehend ausschalten sollten. Er mird lediglich die Rammer bitten, ihm die Ausführung des Finanzjanierungsplanes in seinen Einzelheiten zu überlassen, die nach der einen Seite durch den Expertenbericht, nach der andern Seite durch die im Ver
Frage fommt, der über das Kompromiß der, ReFrage fommt, der über das kompromiß der Regierungsparteien des Reichstages. hinaus weiteres Entgegentommen im Intereffe des des Staates zeigt.
lauf der Finanzaussprache in der Kammer zutage tretenden Wünsche begrenzt sein würden. Borgang aber dem Parlament in feinem Augenblick entzogen Die Kontrolle darüber würde bei diesem
werden..
In den bürgerlichen Linkstreifen ist die Oppositions stimmung, die in den letzten Tagen etwas abgeflaut war, angesichts der Schamlosigkeit, mit der das Erpertenfomitee sich die Wünsche und Forderungen der Rechten zu eigen gemacht hat, wieder stärker aufgeflammt. Falls Caillaur fich nicht noch im legten Augenblick zu mesentlichen Aenderungen der Expertenvorschläge ent. schließen sollte, dürfte die Regierung vor der Kammer einen starten Widerstand finden.
Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3
Bostichedkonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstr. 3.
Mussolinis Wunderkur.
Trucksystem und Mehrarbeit gegen die Wirtschaftskrise. Lugano , den 2. Juli. Rauh und kraftvoll" nennt ein römisches Faschistenblatf die Methode, mit der Mussolini dem staunenden Volk zu wissen tut, daß man ihm fünftighin sein Brot und sein Benzin mit Surrogaten, strecken" wird, seine Arbeitszeit um eine Stunde zu verlängern, und seine wichtigsten Lebensmittel durch den Arbeitgeber verkaufen wird. Die Taktik der Ueberrumpelung die typisch mussolinisch ist- die der Heerführer anwendet, um die Nation einem nicht nur strengeren, sondern vor allem besser organisierten Leben s= rhythmus in technischer und produktiver Beziehung zuzuführen, zeigt sich bei näherer Ueberlegung als die beste." In der Tat sind die Maßnahmen derart, daß es gut ist, so wenig wie möglich über sie zu sprechen; die Oppositionsblätter, die sich diese melancholische Genugtuung eines Kommentars gönnen wollten, find am 30. Juni alle beschlagnahmt worden.
-
Bei der Betrachtung der Regierungsmaßnahmen, die die Italiener zwingen sollen, mehr zu produzieren und weniger zu fonsumieren, muß man die, die wirklich Folgen für das wirtschaftliche Leben des Landes haben können, von den anderen trennen, die nur als Garnitur dienen. Zu diesen Schmuckstücken rechnen wir die verschiedenen Kommissionen für die rationelle. Kohlenverwertung, das Verbot, neue Luxuslokale und Schenken zu eröffnen und Luxusbauten ausguführen, sowie die Maßnahmen zur Bestrafung der Fälschung landwirtschaftlicher Produkte. Die Kommissionen hatten wir allezeit und die Bestrafungen auch. Die Luxuslokale sind in Ueberzahl vorhanden, wie die Schenken, so daß das Bublifum die Verweigerung neuer Konzessionen gar nicht, die Lokalbefizer sie als sehr angenehm empfinden werden. Jeder, der einen Lurusbau im Gange hat, wird ihn fortsetzen, feiner wird den geplanten Lurusbau aufgeben, um Arbeiterhäuſer zu bauen.
Aber neben diesem Firlefanz, zu dem es leicht gewesen wäre, etwas Rationelles und Konfiftentes zu gesellen ( wie etwa das Einfuhrverbot von Edelsteinen und Lurustariat treffen, deren Durchführung den italienischen pelzen), haben wir Bestimmungen, die das Prole lianischen Faziendas zu beneiden. Zunächst die Berechtigung Arbeiter dahin bringen würde, seine Landsleute in den brajider Unternehmer, die Arbeitszeit um eine Stunde zu verlängern. Was soll das bedeuten, heute, wo die Baumwollspinner beschlossen haben, der Absazkrise durch Einstellung des Betriebs an einem Tage jeder Woche zu begeg nen? Heute, wo Betriebseinschränkungen und Entlassungen sich fühlbar machen? Die Bestimmung spricht nicht von Erhöhung auf neun Stunden, denn in vielen Betrieben wird heute schon neun oder auch zehn Stunden gearbeitet. Sie erhöht den normalen" Arbeitstag um eine Stunde, die daher nicht weiter als Ueberstunde bezahlt zu werden braucht. Wer an den normalen Arbeitstag noch eine oder zwei leberstunden anhängen will, soll das in Gottes Namen tun: von heute an fängt der Begriff der Ueberstunde fann bedeuten: 1. daß nicht länger gearbeitet wird, als bisher, jenseits der neun Stunden an. Die Bestimmung nur daß die neunte Stunde nicht mehr den Aufschlag der Ueberstunde einbringt, also Prellung der Arbeiter um die paar Centisimi; 2. daß viele Betriebe die Arbeitszeit ausdehnen, ohne höhere Produktion zu erzielen, also Ber teuerung der Produktionskosten und gesundheitliche Schädigung der Arbeiter; 3. daß die zugelegte neunte, zehnte oder elfte Stunde die Produktion steigert, bei gleichbleiben dem Absatz, also Entlassung jedes neunten oder zehnten Arbeiters. Im Falle 1 und 3 wird tatsäch lich die Produktion verbilligt, aber gleichzeitig wird die Kraft der inländischen Konsumenten, als welche die Arbeiter nun einmal in Rechnung gesetzt werden müſſen, vermindert. Diese Erwägung beeinflußt die faschistische Regierung nicht, weil sie bei ihrem Berufspatriotismus nur den auswärtigen Markt im Auge hat.
-
Coolidge zitiert Pufendorf .. Philadelphia , 5. Juli. ( WTB.) In einer Ansprache zur Feier des 150. Jahrestages der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung fagte Präsident Coolidge , zum Ablauf dieser 150 Jahre seien aus allen Teilen der Welt Leute nach Philadelphia wie zu einer hei ligen Stätte gepilgert, in dankbarer Anerkennung der Dienste, die wenige begnadete Männer hier der Menschheit erwiesen haben, Dienste, die so groß seien, daß sie noch immer eine hervorragende Unterstützung für die freien Regierungen in der Welt bilden. Mit Bezug auf die Ursachen der Revolution in Amerika erflärte Coolidge, man könne sich der Ueberzeugung nicht entziehen, daß der Geist der neuen 3ivilisation feinen Ursprung in Amerita habe. Was die Rechte der Persönlichkeit betreffe, sei Amerika fortgeschrittener gewesen als der Geist, der die Alte Welt beherrschte. Allgemein werde angnommen, daß französische Ideen einen Einfluß auf die politische Gedankenwelt Amerikas während der Revolutionstage gehabt hätten. Dies könne richtig sein, aber die wesentlichsten Gedanken der Unabhängigkeitserklärung fcien in den Kolonien schon nahezu zwei Menschenalter, vor der Entstehung der die Mitte des 18. Jahrhunderts charakterifierenden französischen politischen Philosophie Gegenstand öffentlicher Erörterung gewesen. Coolidge erinnerte weiter an die Rede des Geistlichen Thomas Hooker in Connecticut im Jahre 1638, in der dieser erklärte, das Fundament der Autorität liege in der freien Zustimmung des Bolkes. Weiter wies Präsident Coolidge auf die Beröffentlichungen des Geistlichen John Wise in Massachufetts aus den Jahren 1710 bis 1717 hin, die sich mit den Grundfäßen der bürgerlichen Regierugn befassen. Dieser Geistliche fei an fcheinend ein nenauer Renner der, politischen Schriften des 1632 in Sachsen geborenen Gelehrten Samuel Pufendorf gewesen. Die Unabhängigkeitserklärung sei das Ergebnis des im Bolte woh nenden Gefühls dafür, daß den geistigen Dingen der Vorzugrunde gelegt." Vom grünen Tische aus sieht sich das rang zufomme. Wenn mir, so erklärte Coolidge , nicht daran feft. halten, so wird alle unsere materielle Wohlfahrt, so über wältigend sie auch scheinen mag, in unseren Händen nur ein Sym. bol der Ohnmacht fein.
system. Da hat der Faschismus in seiner Manie, die Welt Biel schwerer wiegt die Bestimmung über das Truckvom grünen Tisch aus umzugestalten, einen Punkt zu entdecken geglaubt, in dem Arbeiter- und Unternehmerinteressen folidarisch wären. Nämlich in dem niedrigen Stand der Lebensmittelpreise. Daher werden die Unternehmer aufgefordert, ihren Arbeitern die notwendigen Lebensmittel zu billigen Preisen zu liefern. Es wird dieser Tage eine Kommission gebildet werden, um schnell die Ausdehnung der Eröffnung von Berkaufsstellen von Seiten der Arbeitgeber zu erwägen, die die notwendigen Lebensmittel in guter Qualität und zu billige Preisen den eigenen Arbeitern und Angestellten liefern. Die von diesen Verkaufsstellen angewandten Preise werden für die Berechnung der Indernummern der Teuerungszulage fo an, als ob die Unternehmer für den Lebensmittelhandel den Zwischenhandel und seine Kosten ausschalten würden, die Arbeiter billig versorgen und daher billig produzieren, ohne die Lebenshaltung der Arbeiterschaft herabzudrücken. In der