Die Zeme. Antisemitischer Wahnsinn vor Sem Ausschuß. Der Femeausschuß des Reichstags brachte gestern die Zeugenvernehmung im Falle Baur zum Abschluß. Es wurde zuerst der Zeuge S t r ö b e l, Landwirtschaflspraktikant, ver- nommen, der im Bureau des Blücher-Bundes beschäftigt war. Er war in der Mordnacht nicht zugegen und befand sich zur Zeit des Prozesses in französischer Gefangenschaft. Baur forderte ihn zu der Reise nach Norddeutschland aus, zu der das Reisegeld bei Machaus abgeholt werden sollte, wobei Ströbel den fran» zö fischen Major Richert sah. Der Zeug« erzählt dann von den Zwistigkeiten zwischen Baur und Zwengauer in Regensburg . Bon seinen Aussagen ist nur bemerkenswert die Mitteilung, daß Berger bei telephonischem Anruf nach Baur erklärt habe, Baur sei verreist, seine Rückkehr sei unbestimmt. In Wahrheit war er bereits ermordet. Dann wird es interessanter. Es erscheint Dr. Adolf Rüge. ehedem ein Haupt der antisemitischen Bewegung, der zunächst unter Aussetzung der Vereidigung vernommen wird. Er ist 45 Jahre alt, bezeichnet sich noch immer als Prioatdozent, ist aber, wie er sagt, durch Verbrecher an der Ausübung seiner Tätigkeit verhindert. Auf Antrag eines jüdischen Konsortiums sei er um seine Stelle im lschilosophischen Institut in Heidelberg gebracht worden. Ein ehr» licher deutscher Arzt hat dann aber festgestellt, daß er nicht geistes- krank fei. 1S23 ging er nach München , das infolge der Tätigkeit Poehners und der damals noch stark nationalen Reichswehr das Eldorado der vaterländischen Verbände war. Von Oberschlesien zurückgekehrt, brachte ihn der Regierunosbaumeister Schäfer in den Blücher -Bund. Er sollte die Leute durch Vorträge begeistern. Wovon er gelebt hat, weiß er angeblich selbst nicht. Poehner habe ihn vor Schäfer gewarnt, wegen dessen Beziehungen zu den Franzosen. Schäfer wollt« angeblich die vaterländischen Verbände reinigen, er ließ ober die anderen Leute für sich arbeiten und st eckte selb st das Geld ein. Rüg« hielt ihn für einen Ehrenmann. Der Zeuge ergeht sich dann in weitschweifigen Darlegungen über die Ver- Hältnisse in Bayern und muß von dem Vorsitzenden immer wieder daran erinnert werden, sich nur über Verrat und Feme zu äußern. Dabei ergeht sich Rüge in absurden Feststellungen. Eine Feme sei notwendig, sagt er z. D.. weil ein Volk, das keinen Lern in Gestalt einos Zusammenschlusses seiner besten Leute hat. kein Volk sei. sondern ein Dreckhaufen. Diesen Stand- punkt vertrete er heute noch. Auch die Juden hätten bekanntlich em« Feme . Sie Feme sti entsprechend dem altgermanischen Recht eine Organisation, welche Ge- richtsurteile fällt und ausführt. Es habe ein« solch« aber nie existirt. Der Verdacht, daß eine solche existiere, beruh« auf der Ermordung verschiedener, meist jüdischer Perjönlichteiten. In Wahrheit feien diese Morde aber nur das Aufflammen eines hochgesteigerten nationa» len Ehrgefühls.(!) Rüge besteht darauf, daß der Fall Schäfer ein- gehend erörtert wird. Im anderen Falle sei bewiesen, daß der Aus- schuß die Wahrheit verschleiern wolle. Schäfer hatte nach Rüge/ Schilderung in Schleißheim eine Organisation aus rein militärischer Grundlage und vertrat das Prinzip, daß jeder Verräter umgebracht werden müsse. Es sei ein Lager von Soldaten. Panzerautos, Maschinengewehren, usw. gewesen. Junge Leute habe man aus dem Berufe heraus- geholt, sie hätten sich dort mit Abschießen von Rehen und kriegerischen Scharmützeln beschäftigt, der Geist des Altioismus und Fanatismus habe unter ihnen geherrscht. Zwengauer, über den Rüge gegenüber neuerdings Richter ge- äußert hätten, daß er gornicht der Mörder fei, war nach Rüge ein zarter, sensibler, vornehmer, anständiger Mensch. Er habe unter dämonischem Einfluß gehandelt: der Dämon war Schäfer, der die Leute in geradezu blödsinniger Weise aufgeputscht habe. Er schildert dann, wie Baur als Ordonanz von Schäfer zu ihm geschickt wurde, wie er ihm die Wohnung„verpestete" und sich im Restaurant- wie ein Schwein benommen, habe. Auch die telephonische Mystifikation durch Baur -erwähnt er. Bei dem Hinweis des Vorsitzenden auf die Akten erklärt Buge mit erhobener Stimme: Die Akten sind alle gefälscht. Staats- anwalt Stumpf habe mit vollem Bewußtsein eine Fälschung vollzogen. Er erhält dafür eine Rüge des Vorsitzenden. Nach Baur sei Zwengauer von Schäfer zu ihm geschickt worden, angeblich erst nach der Mordtat, und gestand Rüge nach einigen Tagen das Verbrechen. Danach sei Zwengauer von dem Schäfer aus den Baur „abgestellt" worden, weil er ein Verräter sei. Damals spielte die Fuchs- Machaus-Affäre und Zwengauer wußte, daß Schäfer schwarze Liste führte über Leute, die zu beseitigen waren. Zu Ruges großer Freude fei Zwengauer aus dem Zuchthaus entkommen. Er habe zweifellos eine Femelat ausgeführt, denn im Bund Blücher Hobe es eine Femeorganisation gegeben, deren Haupt Schäfer war. Aus Fragen an Rüge wird verzichtet. Damit schließt Sie Vernehmung dieses seltsamen Zeugen, die den Eindruck bestätigt, daß es sich bei Rüge um einen Menschen handelt, besten Nervosstät und Einbildringsvermögen die Grenzen des Krank- haften streifen.— Rächst« Sitzung Dienstag vormittag.
primo kommt nach Paris . Als Ehrengast der grostc« Truppenparade. Paris . 5. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Di« diesjährige Truppen- schau am 14. Juli, dem Nationalfest Frankreichs , in Longchamp soll besonder»„glänzend" ausfallen. Madrider Meldungen zufolge hat der Diktator Primo de Rioera seinen sehr wahrscheinlichen Besuch in Paris zu diesem Tage zugesagt. Der König Alfons wird durch feine Reise nach London zurückgehalten sein und der Truppenschau nicht beiwohnen. Dagegen werden der Sultan von Marokko und der Bey von Tunis in Pari» an- wesend sein.
Um �lbesjmien. Englisch -italicnisch-französische Verständigung. Varls. S. Juli.(Eigener Drahtbericht.) Der italienische Bot- schaster In Paris hat am Sonntag eine offizielle Demarche beim Quai d'Orsay unternommen und mitgeteilt, daß das neue i a t i e- nisch-englischc Abessinienabkommen weder in poli- tischer noch in wirtschaftlicher Hinsicht gegen den Bertrag von 1906, der die Souveränität Abefsiniens schützt, verstoße. Der Quai d'Orsay hat im Anschluß daran in einem öfsentlichen Ecmmuniquä betont, eine Fortsetzung der P r e s s e p o l e m i k in Frankreich über die Abesiinienfrage sei nach dem Besuch des Botschafters gegen- st a n d s l o s geworden. Die Linksblätter greifen heute morgen den Quai d'Orsay scharf an und äußern den offiziellen Stellen gegenüber den L e r d o ch t, gegen Kompensationen bisher unbekannter Art die italienischen Expansionsbestrebungen in Abestinien zu begünstigen. Der„Quotidien" erklärt, daß Frank- reich in diesem Falle gegen den Quai d'Orsay Stellung nehmen und sich unker keinen Umständen dazu hergeben werde, an der U n t e r- jochung de» letzten freien Staate« in Afrika mitzu- Helsen .._
Roch keine Bestätigung der Wohl Dorpmüller». Die Minister- besprechung über die Frage des Reichsbahndirektors dauerte gestern bis 8 Uhr' abends. Endgültige Beschlüsse zu der Wahl Dorpmüllers zum Generaldirektor der Rcichsbahngejellschast sind noch nicht ge- faßt worden.
Ein Antrag der Volkspartei. — D Der Landtag verabschiedete gestern, nachdem er einem An- trog auf eine Hilfsaktion für die Hochwasserschäden in Niederschlesien ohne Aussprach« zugestimmt hat, in allen drei Lesungen ein« Novelle zum Stempel st euergesetz, wonach der Tarif für Bollmachten zur Vornahme von Geschäften rechtlicher Natur 1» Proz. des Wertes des Gegenstandes, höchstens aber 1000 Mark betragen soll. Es folgt die zweite Beratung der Vorlage über die Einbringung staatlichen Bergwerks besitzes in die Preußag: hiermit verbunden ist die Beratung des Gesetzentwurfs über die Bereitstellung weiterer Geldmittel für die Ausgestaltung des staatlichen Besitzes an Bergwerksunternehmungen. Abg. Oslerrolh(Soz.) weist als Berichterstatter darauf hin, daß die Neugestaltung besonders mit Rücksicht aus die Ermöglichung einer richtigen Bilanzierung geboten erscheint. Im Ausschuß seien die Meinungen über die Vorlage auseinandergegangen Der mit zur Beratung gestellte zweite Gesetzentwurf fordert 30 Millionen, die verteilt werden sollen auf die Preußag, auf die Hibernia und auf die Bergwerksaktiengesellschaft Recklinghausen. Der Finanz- m i n i st e r wird ermächtigt, dieKreditmittelzubeschaffen, die einen Teilbetrag der bereits bewilligten 1S0-Millionenanleihe darstellen. Nach längerer Debatte findet ein Antrag der Sozialdemo- traten, des Zentrums und der Demokraten Annahme, wonach Aktienverpfändungen bei der Preußischen Staatsbank über 10 Millionen, bei sonstigen Geldgebern in jedem Falle der Zu- stimmung des Landtags bedürfen. Auch einer E n t- s ch l i e ß» n g Dr. v. T a m p e(D. Dp.) wurde zugestimmt, die in prioatwirtschaftiiche Gesellschaftsform übergeführten staatlichen Be- triebe anzuhalten, ihren Bedarf an langfristtgen Krediten durch Ber- mittlung des Staates zu decken. Mit diesen Aenderungen und unter Ablehnung aller anderen Abänderungsanträge verabschiedete das Haus mit großer Mehrheit beide Dorlagen. Der Gesetzentwurf, der weitere rund 32,8 Millionen für die Vollendung des ZNittellandkanals bereitstellt wurde nach ausführlicher Debatte einsti-mmlg in zweiter Lesung angenommen und anschließend in dritter Lesung verabschiedet. Annahme fanden auch die Entschließungen mit der von den Deutschnationalen beantragten Aenderung daß der Passus der die Errichtung eines Kanalbauomtes in Merseburg fest- legen wollte, gestrichen wird. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfes, der die Stadt Biebrich , sowie die Landgemeinden Schierstein und Sonnenberg vom Landkreise Wiesbaden abtrennen und mit der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Wiesbaden verbinden will. Nach kurzer Besprechung erfolgt namentliche Abstimmung über einen Antrag der Koalitionsparteien, wonach die von der Regierung in ihrer Begründung für die Vorlage aufgestellten Be- dinqungen, unter denen die Eingemeindung erfolgen soll, direkt als Anlage des Gesetzes beigefügt werden sollen,.�nr Abstimmung geben nur 118 Abgeordnete der Antragssteller ihre Karte ab. Das Haus ist also wieder einmal beschlußunfähig. In einer auf sofort einberufenen neuen Sitzung setzt das Haus die dritte Etatsberatung mit der Aussprache zum Haushalt des Ministerpräsidenten und des Staats- Ministeriums fort. Abg. Dallmer(Dnat.) erklärt: Wenn man sehe, wie heute der Kampf gegen die nationalen Verbände geführt werde und auf der anderen Seit« die Behandlung des Reichsbanners beobachte, könne man nur von einem unleidlichen Terror sprechen, gegen den die Regierung nichts unternehm«.(!) In der heutigen Zeit der großen Arbeitslosigkeit ging« die stnduldsomkeit sogar so wett.'doß dem nicht lwks eingestellten Arbeiter sedes Recht verfagt werde.(!) Zu einem Ministerpräsidenten, unter dem solche Zustände möglich sind, könnten die Deutschnationalen kein Vertrauen haben.(Beisoll rechts.) Abg. Dr. v. Eampe(D. Vp.) betont, daß sein« Fraktion nicht beabsichtige, sich an einer politischen Diskussion beim Etat des Ministerpräsidenten zu beteiligen. Er wolle nur sprechen zu dem Antrage, den seine Fraktion in der Frag« der Auseinander. f e tz u n g über das Vermögen der früheren Fürsten eingebracht habe. Dieser Antrag solle lediglich den Zweck haben, Preußen zu veranlassen, die Initiative in dieser Frage zu ergreifen. Es fei höchst« Zeit, das öffentliche Leben von dieser Frag« zu befreien. Es kommt uns darauf an, daß tatsächlich von Preußen die Initiative ergnsfen wird, zunächst vom Standpunkt aus, daß Preußen ein Rechtsstaat ist, dann aber auch getragen von dem Ge- danken, daß das Recht von gestern nicht ohne weiteres das Recht von heute ist. Es gibt eine höhere Gerechtigkeit, die nicht vor den Parapgraphcn Halt macht, wenn sich die Verhältnisse so geändert hoben, wie dies geschehen ist. Aus Rücksicht auf die groß« Rot, die besteht, müssen wir auf der einen Seite dem Recht, auf der anderen Seit« aber auch anderen Gesichtspunkten Rechnung tragen, die Ich eben kurz skijzziert habe. Der Ministerpräsident würde sich ein Verdienst um den Staat erwerben, wenn er endlich dafür Sorg« trüge, daß diese Frage ge- regelt wird. Ministerpräsident vraun:. Auch die Staatsregierung hat ein Interesse daran, daß die von dem Herrn Abg. v. Campe soeben besprochene An- gelegenheit der Fürstenabfindung mit aller Beschleuniqung so ge- regelt wird, wie sie im Interesse des Staates liegt. Da» Staats- Ministerium wird sich daher demnächst mit der durch die Ablehnung de» Gesetzes über die Fürstenabfindung im Reichstage geschossenen neuen Lage beschästigen. Zu den Ausführungen des Herrn Redners der Deutschnationalen Volkspartei , der einige Worte über meine Stellung zur Land- Wirtschaft gesprochen hat, erkläre ich: Meine Stellung zur Landwirtschaft habe ich des öfteren hier dargelegt. Wenn ich indis- kret sein wollte, könnte ich Ihnen Briefe und Aeuße�ungen von Vertretern der Landwirtschaft, die der Deutsch - nationalen Volkspartel sehr nah« stehen, über mein Interesse für die Landwirtschast hier vorlesen, die doch etwas anders lauten als die Ausführungen von Rednern ihrer Partei von der Tribüne dieses Hauses.(Sehr gut! links.) Ich kann auch feststellen, wenn in der Tat hier und da Rot am Mann ist, daß eben gerade auch Herren aus Ihrer(nach rechte) Partei sich am ehesten an mich wenden und zwar stets mit der Einleitung, weil sie wüßten, daß ich Verständnis undInteress« für d i e Landwirtschaft habe.(Hört! hört! links.) Soweit es möglich war, ju helfen, habe Ich auch stets tatkräftig eingegriffen und geholfen. Was nun meine Vertretung auf landwirtschaftlichen Tagungen anlangt, so muß ich offen zugeben, daß bei der Art, wie auf vielen land- wirtschaftlichen Tagungen die Interessen der Landwirtschaft be- handelt werden, e» einem Vertreter der Regierung nicht sehr leicht ist, dort hinzugehen und teilzunehmen. Ich erinner« Sie daran daß selbst bei der letzten Tagung des Landwirtschastsrats. wo der frühere Reichskanzler Dr. Luther hinging, mit dem lebhaften Znteresse für die Sachen, die dort erörtert wurden, um die SIellung der Reichsregierung darzu- legen, der Reichskanzler schon in den Elnleilunqsreden sich derartig verletzt und angegriffen fühlte, daß er Abstand nehmen wollte, überhaupt zu reden, und er die Tagung verlosen wollte. Wenn das sogar Herrn Dr. Luther passierte, bitte ich Sie, sich vor- zustellen, wie es mir nach dieser Vorbereitung auf solch einer
im Landtag. e Antwort des Ministerpräsidenten. Tagung gehen würde.(Heiterkeit links.) Daß ich da nicht sehr viel Neigung habe, bei meiner über aus stark in Anspruch ge- nommenen Zeit auch noch zu derartigen landwirtschaftlichen Tassün- gen zu gehen, können Sie verstehen. Aber ich glaube auch, daß man mich dort nicht gar zu sehr vermißt. Wenn die Herren sich daran gewöhnen, auf diesen landwirtschaftlichen Tagungen wirklich sachlich die Interessen der Landwirtschaft zu besprechen, bin ich jederzeit bereit, an solchen Versammlungen teilzunehmen. Es würde mir ein ganz besonderes Vergnügen sein, ein- mal auf solch einer landwirtschaftlichen Tagung meinen Stand- punkt zur Landwirtschast eingehend darzulegen. Ich glaube, daß viele der Herren dann endlich über meine Stellung ein anderes Bild bekämen, als das Zerrbild, das jetzt in der rechtsgerichteten Presse ihnen stets übermittelt wird.(Sehr gut! links.) was die ganz konkrete Frage der Vertretung aus der Tagung der Landwirtschasts- kammer der Rheinprovin; anlangt, so erkläre ich Ihnen ganz ofsen. daß ich nach den Angriffen, die der Präsident dieser Landwirt- schastskammer unberechtigt gegen Bertreler der Staatsregierung in letzter Zeit in der Oessenlltchkett gerichtet hat. es für ganz unmöglich hielt. Vertreter der Slaatsregierung zu Tagungen zu schicken, die unker Leitung dieses Herrn flehen.(Sehr richtig! links. Zurufe bei den Deutschnationalen.) Was meine Stellung zu den nationalen Verbänden anbelangt, so kann ich Ihnen erklären, wenn die Herren mich einmal einladen und mir auch die Gewähr geben wollen, daß ich dort so behandelt werde, wie man es als verständ- lich ansehen muh, und mir auch volle Redefreiheit geben wollen, bin ich gern bereit, auch zur Tagung der nationalen Verbände zu kommen und dort den Standpunkt der Staatsregierung darzulegen. (Sehr gut! links.) Mit dem Redner der Deutschiiattonalen verurteile ich jeden Terror im wirtschaftlichen und polttischen Leben. Ich verurteile— um einen Fall herauszugreifen—, daß in Braunschweig zwei Arbeiter durch den Terror ihrer Klassengenossen von der Arbeitsstelle verjagt worden sind. Ebenso verurteile ich den Terror, daß Hunderte von Arbeitern, nur weil sie ihr Staatsbürgerrecht beim Volksentscheid ausgeübt haben, von ihren Arbeitgebern brutal auf die Straße gesetzt worden sind.(Sehr gut! links.) Ich werde immer daran arbeiten, jeden Terror im öffentlichen Leben zu bekämpfen, mag er von rechts oder von links kommen. Erst wenn wir uns daran gewöhnt haben werden, jede politische Meinung, sei sie noch so abwegig, bei dem anderen zu achten, und uns darauf zu verlassen, daß mit geistigen Waffen die Argumente des Gegners bekämpft werden müssen, werden wir zu einer Gesundung des politischen Lebens kommen.(Beifall links und in �der Mitte.) Im Namen der sozialdev okratischen Fraktion gab alsdann Abg. Meier-Berlin folgende Erklärung ab:„Die sozialdemokratische Fraktion sieht keine Möglichkeit, auf den Boden des Antrags o. C a m p e zu treten. Wenn auch die Bemühungen um eine Regelung der Fürstenabfindungsfrage im Reiche bisher zu keinem Ergebnis geführt haben, so lassen doch die Erklärungen der Reichs- regierung und maßgebender Parteien wie auch die Verlängerung des Sperrgesetzes bis zum Ablauf des Jahres keinen Zweisel daran. daß beabsichtigt ist, die Frage der Auseinandersetzung zwischen den Ländern und den ehemals regierenden Häusern durch einen Ätt der Reichsgesetzgebung endgültig zu erledigen. Diese Absichten durch landesrechtliches Vorgehen zu durchkreuzen, liegt u. E. kein genügender Anlaß vor. Der seinerzeit zwischen dem preußischen Slaatsministerium und den hohenzollern In Aussicht genommene Vergleich wäre von der Sozialdemokratie abgelehnt worden. Heute hat dieser Höpter» Aschoffsche Vergleichsentwurf ebenso wie der Südekumsche Ver« gleichsentwurf von 1919 nur noch historisches Interesse. Beide Verglcichsentwürfe waren für ihren Urheber und das prxu- bische Slaatsministerium osfenbar nur deshalb überhaupt chistu- tabel, weil die Rechtslage bei der Entscheidung durch die Gerichte für den Staat überaus ungünstig gestaltet war. Nachdem feststeht, daß 13 Millionen deutsche Wähler und Wählerinnen die entschädigungslos« Enteignung der ehemaligen Fürsten fordern, daß aber darüber hinaus bei allen Parteien mit Ausnahm« der äußersten Rechten die Uebcrzeugung Gemeingut geworden ist, daß die Auseinandersetzung des Staates mit dem ehemaligen Fürstenhaus nicht nach rein zivil rechtlichen Gesichtspunkten be- urteilt werden kann, sondern ein eminent politischer und staatsrechtlicher Akt ist, können die früheren Vergleichs- entwürfe überhaupt nicht in Betracht gezogen werden. Die von großen volksparteilichen Organen geforderte„königliche Geste des Verzichts' ist von den Hohenzollern und ihren Rechts- Vertretern bisher auch nicht imEntferntesten angedeutet worden. Aus allen diesen Gründen scheinen uns die Voraussetzungen für einen Vergleich zwischen der Republik Preußen und den Hohen- zollcrn gegenwärtig völlig zu fehlen. Wir werden uns aber nicht dagegen sträuben, wenn die Antragsteller es wünschen, ihren Antrag einem Ausschuß zu überweisen und sind bereit, dort näheres von ihnen darüber zu hören, wie sie sich einen solchen Vergleich als möglich vorstellen. Die sozialdemokrattsche Politik in der Frage der Fürsten - absindung ist vollkommen klar und einheitlich: Nachdem der Volts- entscheid nicht zum Erfolg der enlschädiqungslosen Enteignung ge- führt ha», hat die Sozialdemokratie die Vilich», einen möglichst großen Teil des strittigen Gutes für die Allgemeinheit zu retten und einen möglichst geringen Teil den ehemaligen Fürsten onhetm- fallen zu lassen. 3n diesem Sinne wird die gesamte Sozialdemokra- tische Partei wie bisher tätig sein." Abg. Bartels(Komm.) spricht der Regierung das schärfste Miß- trauen aus. Abg. Greßler(Dem). Erstaunlich ist der Antrag der Deutschen Volkspartei , der Preußen aufsordert, von sich aus einen Ausgleich in der Fürstenabfindung herbeizusühren. Es sei doch jeder Versuch bisher gescheitert.(Sehr richtig! rechts.) Wenn das Recht von jetzt nicht das Recht von heute ist, wie Herr v. Campe meint, so müßte jetzt eine reichsgesetzliche Rege- l u n g gefunden werden, die den Ländern es zuweist, die Ausein- andersetzung vorzunehmen. Die„Kölnische Zeitung " gibt im wcsent- lichen die Aufassnng der Voltspartei wieder. Auch sie hat in dieser Frage eine k'önigliche Tat vermißt!(Zurufe bei der D. Vpt.). Wir sind für Ueberrveisung des Antrages an den Hauptausschuß.) Nach Ausführungen des Abg. Bachem(Dnat.) und Ladendorff (W. Vg.) schließt die Besprechung. Um 7 Uhr oertagt das Haus die Weiterberatuna auf Dienstag 11 Uhr.
Ein �lrbeiterjuflenüheim. Breslau , 5. Juli. (Eigener Drahtbericht.)»In Striegau , im Re- gierungsbezirk Breslau , wurde am Sonntag ein neues großes Arbeiter. Jugendheim eröffnet. Das neue nach modernen Grundsätzen erbaut« Gebäude, das zum Teil mit öffentlicher Unter- stützung errichtet wurde, bietet für den deutschen Osten einen ähnlichen Stützpunkt für die Wanderungen und das Bildungswesen der Arbeiterjugend, wie da» Heim Tännich der Arbeiterfugend in Thüringen . Die Eröffnung wurde durch den schlesischen Bezirks- leiter der Arbeiterjugend, den Genossen HeinrichZimmer.und durch den Leiter des neuen Verbandes der Freunde der schlesischen Arbeiter, Polizeipräsident a. D..Gen. Voigt, vorgenommen.