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Die Ablehnung der Kürjlenvorlage. Die Berliner Funktionäre billigen die Haltung der Fraktion

Die Berliner Parteifunltionäre hielten gestern abend im Saalbau Friedrichshain eine Konferenz ab, in der Reichstagsabgeordnetcr Genosse Crispiea überReichstag und Fürstenabfindung" sprach. Bon Ansang an war unser Bestreben daraus gerichtet, die Frage der Fürstenabfindung als eine politische anzusehen, die durch Landesgesetz ohne die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Rechtsweges entschieden werden mutzt«. Jeder zivilrechtliche Weg sollte den Fürsten abgeschnitten sein, weil wir uns mit pro- minenten Völkerrechtslehrern darüber einig sind, daß Revolutionen neues Recht schaffen, demnach das alte keine Geltung mehr hat. Unsere diesbezüglichen Anträge, die wir im Reichstag stellten, fanden z u n ä ch st die Unterstützung der Demokraten und des linken Zentrums. Später jedoch mutzten wir allein den Volksentscheid durchführen. Gerade die Demokraten waren anfangs durchaus für das demokratische Mittel des Volksentscheides, zogen sich aber später auf die bekannte indifferente Stellung zurück. Genosse Crispien zeigte, daß der Vorwurf, unsere Partei hätte sich im Schlepptau der Kom­munisten befunden, falsch ist. Am besten wird das mit der Tatsache bewiesen, daß die Kommunisten ihren übereilt eingebrachten Cnteignungsgesetzentwurf zurückziehen mutzten, weil er den einfachsten Vorschriften nicht ent- sprach. Der Volksentscheid hat nicht die verfassungs- mäßige Mehrheit gebracht, aber die Regierung hat auch o u s die 15 Millionen Jasager keine Rücksicht genommen; sie wollte eben mit ihrem kurz vor dem Volksentscheid eingebrachten Gesetzentwurf dem Volksentscheid die Spitze abbiegen. Wie sollten wir uns zum Gesetzentwurf der Regierung im Reichstag stellen? Man tonnte zunächst der Ansicht sein, daß wir mit dem Volksentscheid unterlegen seien und datz durchaus die Möglichkeit bestand, daß sich eine bürgerliche Mehrheit finden würde. die das Gesetz annahm. Wir beobachteten daher zunächst die alte sozialdemokratische Taktik, an dem Gesetz soviel wie mög- lich zu verbessern, ohne uns aber damit auf die Schluß- abftimmung festzulegen. Eine Auflösung des Reichstags kam nur in Frage, wenn die D e u t s ch n a t i o n a l e n das Gesetz zu Fall brachten. Unter diesen Umständen hätten wir eine gute Wahl- parole gehabt. Aber die Deutschnationalen taten uns natürlich nicht den Gefallen. Es bestand ferner aber auch die Gefahr, datz die Bürgerlichen sich in der Fürstenabfindungssrage zurückzogen und datz dann die ganze Angelegenheit sich selbst resp. der Regierung überlassen blieb. Die von manchen geäußerten Bedenken, wir könnten uns zu sehr unter den Einfluß der Kommunisten begeben, bedürfen keiner Wider. legung. So war die Lage für die Fraktion nach dem Volksentscheid. Wir konnten uns mit dem geplanten Sondergericht unter keinen Umständen einverstanden erklären, nicht nur weil alle unsere Verbesierungs- anträge abgelehnt wurden, sondern auch weil es sich zu einer Instanz entwickelt haben würde, die berufen war, den Fürsten einstandes- gemäßes Leben ohne Arbeit" für ewige Zeiten zu sichern. Alle vorausgesagten Befürchtungen, die im Falle der Ablehnung des Gesetzentwurfes eintreten sollten, sind ausgeblieben: Da» Sperrgesetz ist verlängert worden, der angedrohte Eintritt der Deutschnationalen in die Regierung ist ausgeblieben und selbst die Auslösung ist nicht erfolgt.(Zuruf: Schade!) Wie ist jetzt die Lage? Es ist interessant zu beobachten, daß sich unmittelbar nach dem Zurückziehen des Gesetzentwurses im preutzi- schen Lchidtaa die Rechtsparteien, regen, um eine landes- staatlfcche-Abs�udurifl durchzusetzen. Wir haben nicht die g«- ringst? Veranlassung zur Sil c. Jetzt, nach dem Volksentscheid können wir unmöglich auf den vorgeschlagenen Weg eines Vergleich» zurück. greifen. Bis zum Zl. Dezember besteht das Sperrgeseh. bis dahin können die Fürsten nichts unternehmen. Wegen unserer Ablehnung beim Fürstengesetz sind wir von den Bürgerlichen scharf angegriffen worden. Man mochte uns sogar zum Vorwurf, wir hätten bei den neuen Zollgesetzen eine gemeinsame Front der republikanischen Parteien gegen die schutzzöllnerijchen Deutlchnativnalen verhindert, ja wir hätten Demo- traten und Teile des Zentrums sogar zu einem Kompromiß mit den Deutschnationalen getrieben. Dabei muß eines ein für allemal fest- gestellt werden: An dem entscheidenden Donnerstag schlössen am Vormittag die gesamten bürgerlichen Parteien ihr Zoll- kompromiß, aber erst am Abend faßte die sozialdemokratische Reichstagsfraktion ihren ablehnenden Beschluß.(Hört, hört!) Damit ist diese Behauptung, als Lüge entlarvt. Natürlich fehlen in der Angriffsfront gegen die Soziawemokraten auch die Kommunisten nicht. Ihr Geschrei nach Reichstagsauf-

lösung findet nirgends Widerhall, weder bei den Parteien noch bei Regierung oder Reichspräsident. Alle bürgerlichen Par- t e i e n haben von Neuwahlen nichts zu erwarten. Deshalb find sie für eine Reichs tagsauflöjung nicht zu haben. Mit dem geforderten Generalstreik ist schließlich unter vernünftigen Menschen auch nicht viel anzufangen.(Sehr richtig!) Was soll schließlich der herbeigeschrieneKongreß aller Werktätigen"? Ein solcher Kongreß kann möglicherweise sehr kleinbürgerlich uno reaktionär sein. Uns Sozialdemokraten kommt es nicht darauf an, eine allge» meine Arbeiterbewegung zu haben, sondern eine Bewegung der Werktätigen im s o z i a l i st i s ch e n Sinne. Immer wenn die Parolen der Kommunisten abgewlrlschastet haben, sucht man mit neuen Parolen neue Mitläufer zu gewinnen. Genosse Crispien betonte am Schluß seiner mit großem Beifall aufgenommenen Ausführungen, datz es nicht nur unsere Ausgabe sein kann, die unverschämten Fürstensorderungen zu verhindern. Ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger, ist der Kamps um wirtschaftliche und sozialpolitische Fragen. Unzweifelhaft stehen uns dabei große Kämpfe bevor, Kämpfe, die ein starkes Proletariat finden müssen. Diese Probleme werden eine bessere Parole sein als alles Geschrei der andern.(Lebhafter Beifall!) In der Diskussion bemängelte Genosse kubatschek. daß sich trotz des Eintretens unserer Partei für eine entschädigungslose Enteignung der Fürsten und trotz der 15 Millionen Jasager beim Volksentscheid in der Reichstagsfraktion immer noch eine starte Minderheit fand, die dem Fllrstenabfindungsgesetz zustimmen wollten. Genosse Fechenbach betonte, daß ein Aufatmen durch die Partei ging, als der ablehnende Beschluß der Fraktion bekannt wurde. Der Redner vermißte in den Ausführungen Crispien« einen Hinweis darauf, was beim Wiederzusammentritt des Reichstags im Herbst geschehen solle. Genosie Schiff erklärte, daß er den Standpunkt der Mehrheit der Fraktion durchaus billige. Bei der Entscheidung handelte es sich um eine sehr schwierige taktische Frage, wobei allerdings die Minderheit der Fraktion gewichtige sackliche Gründe für sich an- führen konnte. Es ist das Ziel der Sozialdemokratie, ein Gesetz zu- stände zu bringen, das den Fürsten möglichst wenig läßt. Genosse Künstler: Nach dem Volksentscheid muß das Wort von der Republik ohne Republikaner verstummen. Der Minderheit der Fraktion muß das Recht der freien Willensäuße- r u n g zugestanden werden, so wie es jeder für sich verlangt.(Beifall.) Im Schlußwort erklärte Genosse Erispien. daß es erfreulich sei, wenn sich heute die Partei sachlich über die Haltung der Fraktion ausspreche. Wenn wir solche Aussprachen in unserer demokratischen Partei nicht hätten, mühten wir sie direkt schaffen. Nachdem der Redner sich mit den einzelnen Diskussionsrednern auseinandergesetzt hatte, betonte er,' daß nach seiner persönlichen Meinung im Herbst unter keinen Um- ständen der Vergleich als eine Grundlage für Verhandlungen mit den Fürsten benutzt werden darf. Wir müßten vielmehr die Frag« der Fürstenabfindung zu einer politischen Frage zu machen suchen und sie durch eine reichsgesetzliche Regelung zur Entscheidung bringen lassen. Im übrigen betonte Crispien noch- mals, daß es neben der Fürstenabfindung bitter notwendig sei, eine Massenbewegung gegen die deutsche Klein st aate- r e i und für den Anschluß Oesterreichs herbeizuführen. Dar- über hinaus fei die wirtschaftliche Vereinigung der Länder Europas dringend notwendig ohne die es kem« Löiung der Arbeitslosenfsage in allen Ländern gäbe.----- Folgende Resolution wurde einstimmig ongenonstnen: .Di« von 2000 Funktionären besuchte Konferenz des Berliner Bezirksverbandes der SPD. billigt ein st immig die Hat- tung der sozialdemokratischen Reickstagsfrat- t i o n im Rechtsausschuß und im Plenum des Reichstags zum Fürstenkompromißgesetzentwurf der Reichsregierung Marx. Die Versammlung erwartet von der Reichstagsfrattion, daß sie auch im Herbst bei Wiederzusammentritt des Reichstags das zur Vorlage gelangende Gesetz für Fürstenabsindupg ablehnt, wenn die bei den letzten Reichstagsvcrhandlungen von der SPD. aus ge stell- ten Forderungen nicht berücksichtigt werden. Der Reichstag ist in seiner heutigen Zusammensetzung nicht mehr der Willensaus- druck der Mehrheit der deutschen Wähler. In einer Auslösung des Reichstags erblicken die Funktionäre die erste Voraussetzung dafür, die Füistenabsindungsfrage im Interesse des deutschen Volkes zu lösen." Eine weitere Resolution verlangt, daß Beamte, die sich bei der Volksabstimmung unkorrekt benommen haben, zur Verantwortung gezogen werden.

»Organisiertes verbrechen am Proletariat/ Stetter über diePolitik der Kommunistischen Partei. Stuttgart , 6. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Die Kommunistische Partei Württembergs hat vor einigen Tagen den früheren Reichs- tags- und Landtagsabgeordneten Stetter aus der Partei ausgeschlossen. Die kommunistische Presse fährt fort, den Gemaßregelten in der unflätigsten Weise zu beschimpfen. Stetter, der bis jetzt geschwiegen hatte, ersuchte nun dieS ch w ä- bische Tagwacht" in Stuttgart um Ausnahme einer ausführ- lichen Darstellung der Verhältnisse innerhalb der KPD., um damit seine Haltung zu rechtfertigen. Diesem überaus wichtigen Doku- ment, das großes Aussehen erregt, seien folgende Partien ent- nommen: Stetter stellt zunächst fest, daß die KPD. zur vollständigen Bedeutungslosigkeit herabgesunken sei. Er fährt fort: »politisch bedeutungslos, organisatorisch eine jesuitisch verseuchte Sekte, beherrscht von einigen hundert mit russischen Geldern bezahlten Scharlatanen und Demagogen(sogenannte Beruss- revolutionäre), die keine eigene, sondern nur eine bezahlte Meinung haben dürfen und sich bei diesem Verhältnis sauwohl fühlen. Zu diesen Zustand herabgesunken, ist heule die KPD. zum störenden Element innerhalb der um ihre nackte Existenz ringenden Arbeiterklasse geworden." Im Jahre 1923 hätten in den Bezirken nicht mehr die alten Funktionäre entscheidend bestimmt, sondern die militärischen Ober- und Unterleiter, die in der Parte! gar nicht bekannt waren und zum Teil aus allen möglichen zweifelha.ften Elementen bestanden. Diese Elemente ljaben sich dann gerade in den schwierigsten Tagen feige verkrochen. Stetter schreibt dann:Wenn Brandler, Thalheimer usw. sich im Jahre 1923 wirklich ein Verbrechen an der deutschen Arbeiterklasse haben zuschulden kommen lassen, so ist es nicht die Tatsache, daß sie das deutsche Proletariat vor einem furchtbaren aussichtslosen Blutbad verschont haben, sondern das Verbrechen besteht darin, daß sie ihre Macht nicht benutzt haben, um die V e r- brecherbande Ruth Fischer, Maslow, Schalem, einschließlich T h ä'lma nn und Konsorten aus der KPD. hinauszubefördern. Vieles Btttere wäre uns erspart geblieben. Wenn heute von der KPD. nur noch ein jammervoller Trümmerhaufen übriggeblieben ist, so kann die herrschende Klasse diesen Erfolg nicht sich zugute schreiben. Die herrschende Klasse Deutschlands oerdankt den Leuten um Ruth Fischer , Thälmann und Konsorten ungeheuer viel, denn alle Organe des heutigen Klassenftaates haben nicht vermocht, das Vertrauen der Arbeiter zur KPD . so zu erschüttern, wie es der derzeitigen Führung in der Partei im Zeitraum von Jahren möglich war. Man muß schon selbst Gelegenheit gehabt haben, diese Politiker vom Schlage der Ruth Fischer , Schalem, Thälmann usw. näher bei der Betätigung ihrer Politik kennen zu lernen, um die Unehrlichkeit und Hohlköpsigkeit ihrer De- m a g o g i e in ihrer ganzen Größe zu erfassen." Das schildert Stetter an praktischen Beispielen aus der Arbeit der kommunistischen Reichstagsfraktion im Som- mer 1924, der er selbst angehörte. Das Auftreten der 52 Mann sei ein Verbrechen gewesen...Zeder Spektakel, der jm Plenum gemacht wurde, wurde in einer Fraktionsbesprechung beschlossen. Dabei wurden immer die einzelnen Personen bestimmt, die den krach und Spektakel zu machen hatten. Wer sich an den einzelnen Spektakelszenen nicht lebhaft beteiligte, wurde gerügt und von ein- zelnen Mitgliedern der Fraktion als Sozialdemokrat bezeichnet.(I). Von« st e r politischer Zbrb ei t war garkeine Rede. Die paarGcnossen, die ehrlich gewillt waren, auch auf demZBöden des Parlaments durch Ausarbeitung von Anträgen usw. dem schwer leidenden Proletariat zu dienen, wurden als R e f o r m i st e n und Nurparlamentarier verachtet und geächtet. Die Anträge auf den verschiedensten Gebieten wurden mit Absicht so extrem gestellt, daß jeder Außenstehende sehen mußte, daß es der KPD . bei all diesen Anträgen gar nicht ernst war." Besonders interessant ist eine Aeußerung über Hermann Remmele :Dieser Mann, dessen ganze politische Tätigkeit ein einziger Spektakel ist. verursachte einmal von sich aus einen Spezialspektakel und trieb es so lange, bis er für 20 Sitzungen ausgeschlossen wurde. Nachher freute sich dieser Mensch kindisch über seinen Ausschluß, da er, wie er sich rühmte, die Geschichte absichtlich provozierte, weil er andern Tag» ohnehin für längere Zeit nach Schweden verreise. Den Paß habe er schon in der Tasche." Stetter bekennt endlich: »Ich spreche es offen aus: Ich bin nun über 20 Zahre in der Arbeiterbewegung tätig, habe viele Stürme in der Be­wegung miterlebt, aber geschämt habe ich mich vor der deutschen Arbeiterschaft für die kommunistische Partei in jenen wenigen Monaten meiner Tätigkeit als Mitglied de» Reichstages, denn was dort geleistet wurde, war das organisierte verbrechen einer politisch verwahrlosten Bande gegenüber dem Kommunismus und gegenüber dem Proletariat." Am Schluß erklärt Stetter, die KPD. habe nur scheinbar ihre Taktik umgestellt. Der alte Geist der Maslow und Ruth Fischer spuke weiter und könne jeden Tag wieder in akute Der- rücktheit umschlagen, da sich am Personalstand der führenden Berufs- revolutionäre verflucht wenig geändert habe. Die Zersplitterung . der Partei, die er angeblich betrieben haben soll, werde von den beutigen Führern der KPD . so gründlich besorgt, daß einem andern nichts mehr zu tun übrig bleibe. In einem zweiten Artikel will Stetter aus die ihv gemachten persönlichen Borwürse deutlich eingehen..*

Der Zoll öaur. Der Femeausschutz beendet die Beweisaufnahme. Seltsame Zeugen. Im Femeausschuß des Reichstages erfolgte gestern die Zeugenvernehmung über die Flucht des Mörders Zwengauer aus dem Krankenhaus in Straubing . Zuvor wurde gegen die Ansicht der sozialdemokratischen und demokratischen Ausschußmitglieder der Beschluß gefaßt, Anfang Oktober die Beweiserhebung über den Einwobnerwchrkomplex in München abzuhalten. Als erster Zeuge in Sachen Zwengauer erschien Dr. Michel. Arzt in Tegernsee , der ein halbes Jahr lang mit Zwengauer zu- sammen in derselben»Zelle des Spitals der Strafanstalt lag. Ihm hat Zwengauer erzählt, daß er den Baur nicht erschossen habe, sondern nur eine vorgeschobene Person sei. Aber er sei Milglied der Tscheka , deren Zweck wäre, mißliebige Personen und Vaterlandsverräter zu beseitigen. Als Arzt hat Michel den Zwengnauer auch unter- sucht und ein Nierenleiden bei ihm festgestellt, das einen Herzschlag befürchten ließ. Er sollte deswegen auch operiert werden. Die Operation ist aber nicht erfolgt. Es folgt dann die Vernehmung des Zucht ha usdirektors hopp, der mitteilt, daß Zwengauer sofort in die Krankenabteilung eingeliefert wurde, da er trank ankam. Er habe Ihn wenig besucht, da er auch nicht nach ihm verlangt habe. Seine Ablieferung in das Krankenhaus Straubing ersolgte aus Antrag des Arztes, Von seiner

Tat habe er den Eindruck, daß Zwengauer-. sie als Werkzeug anderer gemacht habe. Der Zeuge muß zugeben, daß von der Anstaltsdirektion ein Gesuch auf Strasunter- b r e ch u n g zwecks Unterbringung in eine bessere Heilanstall befürwortet sei. Abg. Dr.£eoi(So,.) beanstandet, daß das Gesuch gemocht wurde, ohne daß der Sträfling Reue zeigte. Zeuge antwortet: Bin ich hier Angeklagter? Er vermag aber aus die Frage Dr. Levis, ob nicht irgend jemand an ihn herangetreten sei, Zwengauer zu entlassen, erst nach längerem Schwanken ver- neinend zu antworten. Der Anstaltsarzt Medizinalrat Dr. Vlernslein schildert auf Grund seiner Aufzeichnungen eingehend den Krankheitsvcrlauf. Auch ihm habe Zwengauer gesagt, daß er die Tat nicht a u s g e- führt habe, daß er aber angesichts seiner schweren Krankheit sich als Opfer hingegeben habe. Die Frage, ob der Zeuge das geglaubt habe, beantwortet er: Für mich als Beamter kommt nur das Gerichtsurteil in Frage. Es sei zweifellos, daß Zwengauer schwer krank war. Es sei ihm, dem Zeugen, persönlich unerklärlich, daß Zwengauer allein oder aus die betonnte Weise aus der Anstalt ent- fliehen tonnte. Er hält es für ausgeschlossen, daß Zwengauer simu- liert hat und nach seiner Ueberzeugung könne Zwengauer auch heute nicht mehr leben. Die Aussage des Krankenhausarztes Dr. Angerer ist noch unergiebiger. Er beginnt mit einer Erklärung, daß er grund- sätzlich keine Beziehungen zu politischen Parteien unterhalte, die Polttit müsse vor der Tür des Krankenhauses bleiben. Er berichtet ebenfalls eingehend über den Krantheitszustand, und betont, daß die Sicherung im Krankenhaus gegen eventuelle Flucht für genügend angesehen wurde. Bon seiner Straftat habe Zwengauer ihm nicht» erzählt. Es wird ihm ergebnislos vorgehalten, daß in den ganzen Briefen Zwengauer» kein wort von der geplanten Operation steht. Auch Angerer kann sich nicht vorstellen, daß Zwengaue, die Flucht ohne Hilfestellung gemacht hat. Er mußte am Seil 8 Meter abwärts, dann über die 2}% Meter hohe Mauer und die zum Uebersteigen notwendige Bank konnte er auch nicht gut allein tragen. Der Zeuge schließt mit einer Erklärung, daß e» sein« Art wäre, dafür gerade zu stehen, wenn er bei einer solchen Tat mitgeholfen hätte. Da aber auch er den Zwengauer für tot hält, teilt der Vorsitzende mit, daß die eigenen Eltern noch vor einem Zahr mitgeteilt haben, daß er am Leben sei. Auch andere Gründe sprächen dasür. Der Hausmeister des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder, S t r a s s e r, erzählt schwer verständlich in gut bayerischem Diotekt von seinen Hilfsdiensten für Zwengauer, der ihm auch angesichts

seiner schlechten Entlohnung(der Zeuge bekam 4 M. im Monat!) einmal 15 M. gegeben habe. Er hat die Briefe de» Zwengauer besorgt und sich nichts weiter dabei gedacht, da Zwengauer nicht immer eingesperrt gewesen sei. Er habe sehr viel Freiheiten gehabt. Da Zwengauer ihm immer von seiner Entlassung sprach, habe er ihm schließlich auf seinen Wunsch auch den Anzug gebracht, als Zwengauer sagte, die Entlassung ist da. Er könne nicht glauben, daß Zwengauer ge- sährlich erkrankt war. denn er habe sehr viel Zigarren und Zigaretten gernuchl, die er ihm ebenso wie Bismarckherinqe. Rollmöpse, Brot und Semmel besorgt habe, was dann gemeinsam in Zwengauer» Zimmer verzehrt wurde. Schließlich erfolgt noch die Aussage eines gewissen weinzirl, der früher einmal im Krankenbaus Straubing war und von daher Beziehungen zu dem Pater Jordan(alias Drechsler) hatte. Drechsler elbst ist auf Vorladung vor den Ausschuß nicht erschienen. Drechsler ei zu ihm gekommen und habe ihm von einemfeinen Herrn mit Goldzähnen" erzählt, der einen Mord begannen hätte, aber jetzt sich krank stelle. Die weitere Vernehmung ergibt nichts von Belang. Der Aus- schuh schließt damit endgültig die Beweisaufnahnz» im Falle Baur . Er wird seine Arbeiten in der letzten Sezjtemberwoche mit der Berichterstattung über die Fälle der bayerischen Einwohnerwehr wieder aufnehmen._

Letzte Nachrichten. Erübeben in Steiermark . Graz , 6. Zuli.(WTB.) Nach den nunmehr vorliegenden Nachrichten au» Mürzzuschlag Hot da» heule vormittag ver­zeichnete Erdbeben beträchtlichen Schaden an den häu- fern angerichtet. Die Erdstöße waren ungemein heftig und von explosionsartigem Getöse begleitet. Saum ein Ge­bäude blieb verschont. In den meisten Häusern entstanden große Risse an den wänden und Decken. Arg beschädig« wurden da» Rathau», die Bürgerschule, das alte Brauhau» und da» Gebäud« de» Bezirksgerichts. Ein Schornstein stürzte ein und durchschlug da» Dach. Die ausgeregte Bevölkerung stürzte in» Freie und getraute sich erst nach Stunden wieder in die Wohnungen zurück­zukehren. Zu einer Eisenhandlung in Kindberg begannen die dort zum Verkauf ausgestellten Messingglocken während de» Beben» kräftig zu läuten. Da» Erdbeben wurde auch ia Oststeiermark, Hartberg und Riegersburg deutlich wahrgenommen.