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Nr. 323 43. Jahrgang

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Ausgabe B Nr. 159

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Dolksblatt

12. Juli 1926

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Reichsgericht gegen Reichsregierung. Stand der Völkerbundskrise.

Ausschluß der Oeffentlichkeit im Pannierprozeß.- Aus außenpolitischen Gründen.

Die Revisionsverhandlung in der Fememordsache Bannier wurde heute um 10 Uhr von dem Borfizenden des zweiten Straf­senats, Arndt, eröffnet. Anwesend sind für den verurteilten Leut nant Benn, Rechtsanwalt Dr. Hahn, für Stein, Rechtsanwalt Dr. Löwenthal, für Aschenkamp, Rechtsanwalt Dr. Eyd, Schür­mann ist von niemandem vertreten.

Bor Eintritt in die Verhandlung warf der Borsigende die Frage

des Ausschlusses der Deffentlichkeit auf, da sie ja auch in der Gerichtsverhandlung ausgeschlossen worden sei. Der Reichs= anwalt Falfenberg

beantragte nun den Ausschluß der Deffentlichkeit und die Auf­erlegung des Schweigeverbots für die Anwälte. Rechtsanwalt Dr. Hahn schloß sich dem Antrag an, während Rechtsanwalt Dr. Eyt und Rechtsanwalt Löwenthal dem widersprachen. Es wurde dann angeregt, daß auch die Be­gründung des Antrags auf Ausschluß der Deffentlichkeit unter Ausschluß der Deffentlichkeit stattfände. Dr. Löwen. thal meinte, daß man sich verpflichten fönnte, bei der Begrün. dung nichts vorzubringen, was die Staatssicherheit zu gefährden ge­eignet wäre.

Das Reichsgericht beschließt, die Deffentlichkeit während der Be­gründung des Antrages auf Ausschluß der Oeffentlichkeit auszu­schließen. Der anwesende Rechtsanwalt Dr. Sad, der Verteidiger Steins und des Hauptmanns Gutknecht während der Gerichtsver­handlung, bittet der Verhandlung beiwohnen zu können, da er als Berteidiger bereits dem Schweigeverbot unterliege. Dr. Hahn be­fürwortet diese Bitte. Vorläufig muß aber auch Rechtsanwalt, Sad den Saal verlassen. Nach etwa 15 Minuten verkündet das Reichs­

gericht den Ausschluß der Oeffentlichkeit für die ganze Dauer der Gerichtsverhandlung. Es sei anzunehmen, daß die Angeklagten an der Deffentlichkeit der Verhandlungen ein Intereffe hätten. Aus außenpolitischen Gründen sei die Zulaffung der Deffentlich­feit nicht möglich, da die Staatssicherheit ihren Ausschluß ver­lange.

Auch für einen Teil der Revisionsverhandlungen sei die Zulassung der Deffentlichkeit nicht möglich, da einzelne Teile der Verhandlung miteinander in engster Verbindung stehen und daß selbst bei der Berlesung der Urteils begründung Dinge berührt wer. den müßten, die die Staatssicherheit gefährden könnten. Dem Rechts­anwalt Dr. Sad wird die Anwesenheit gestattet.

Das Reichsgericht hat sich somit, ähnlich dem Landgericht, über den Standpunkt der Reichsregierung über die 3u laffung der Deffentlichkeit hinweggefeßt. Die Richter haben sich auch in diesem Fall für befugt gehalten, selbst eine Entscheidung darüber zu treffen, ob außenpolitische Erwägungen den Ausschluß der Deffentlichkeit erfordern. Man hätte erwarten müssen, daß die Revisionsverhandlung dem Reichs­gericht Gelegenheit geben würde, den Schaden wieder gut zu machen, den der Ausschluß der Deffentlichkeit durch das Land. machen, den der Ausschluß der Deffentlichkeit durch das Land. gericht angerichtet hatte. Es hat jedoch das Gegenteil getan. Wenn etwas außenpolitisch von Schaden sein konnte, so war es gerade der Ausschluß der Oeffentlichkeit in diesem Fememordprozeß. Der Reichstag wird sich mit der Frage des Ausschlusses der Deffentlich teit in Fememordprozessen von neuem zu beschäftigen haben. Es ist hiermit wieder ein Präzedenzfall geschaffen für die Be­ist hiermit wieder ein Präzeden3 fall geschaffen für die Be. handlung der Fememordprozesse, die noch bevorstehen.

Explosionskatastrophe bei New York .

Zwei Munitionsdepots in die Luft geflogen.

ihres Besitzes in die bedrohte Zong zurückzukehren. Der Marinefefretär Wilbur hat eine eingehende Untersuchung der Ursache der Explosion angekündigt.

New York , 11. Juli. ( WTB.) Wie aus Morrung, zu einem großen Teil Slowaken, die in der Umgegend ristow( New Jersey ) gemeldet wird, schlug der Hühnerfarmen betreiben, den Bersuch machte, zur Bergung Blik in das am Denmark- See gelegene Munition 3. depot ein. Es erfolgte eine starke Explosion, durch die nicht nur das gesamte Depot, sondern auch dreißig in der Umgegend gelegene Häuser zerstört wurden. Wie das Marineamt mitteilt, werden zwei Drittel des 80 Mann starken Kommandos des Munitionsdepots ver­mißt. Nach anderen Nachrichten sind mehr als 100 Mann umgekommen. Die Bevölkerung in den Nachbarorten hat Weisung erhalten, ihre Wohnungen zu

räumen.

Flucht der Bevölkerung.

Dover ( New Jersey ), 12. Juli. ( WIB.) Die Bergung der bei der Munitionsexplosion Berunglückten ist infolge der andauern. den Geschoßexplosionen un möglich. Festgestellt wurde, daß

neun weitere Personen tödlich verunglückten. Die Zahl der verlegten 3ivilperfonen wird auf un­gefähr 200 geschätzt. Alle Candstraßen sind von Flüchtenden

zu Fuß und im Automobil bedeckt.

Bisher 12 Tote und 300 Verwundete. Dover ( New Jersey ), 12. Juli. ( WIB.) Nach den im Laufe der Nacht gemachten Feststellungen sind von der Befagung des explodierten Marinearsenals am Lafe Denmark

drei Leute getötet und zwischen 50 und 100 verwundet worden, während noch 20 vermißt werden. Die ersten Angaben über die Berlufte werden als zu hoch gegriffen bezeichnet, doch wird eine zuverlässige Feststellung der Zahl der Opfer erft nach völliger Durchführung der Aufräumungsarbeiten möglich sein. Der Staatssekretär für den Krieg Davis hat bereits gestern die Unglüdsstätte besichtigt, soweit dies angesichts des noch tobenden Brandes möglich war. An der Stelle, wo sich das Hauptgebäude des Munitionsmagazins befand, ist jetzt

ein Trichter von 100 Fuß Breite und 50 Fuß Tiefe. 200 von den Gebäuden innerhalb des Arsenals find zerstört, jedoch find 18 Marinemagazine den Wirkungen der Explosion entgangen. Die Zerstörungszone innerhalb der Gebäude und Straßen durch die Erschütterungen der Explosion und durch den unauf­hörlichen Hagel von Sprengstüden der für die Marinegeschütze von 12 3oll bestimmten Granaten beschädigt und stellenweise zerstört worden sind, bed edteinen kreis von 15 Meilen Radius.

Die erfien Schätzungen über den Sachschaden rechnen mit ungefähr 85 Millionen Dollar. Während der Stunden der größten Gefahr machte es noch besondere Schwierigkeiten, daß die Bevölke­

Die Wirkung der Explosion.

New York , 11. Juli. ( WTB.) Die bereits furz gemeldete Munitionsexplosion am Lafe Denmark bei Dower in New Jersey übertrifft nach den bisher vorliegenden Nachrichten an Furchtbarkeit die Explosion von Black Tom im Jahre 1916, bei der über 100 Bahn­die Explosion von Blad Tom im Jahre 1916, bei der über 100 Bahn. wagen Dynamit aufgeflogen find. Das explodierende Munitions. depot enthielt ein Zehntel der gesamten Munitionsvorräte der amerikanischen Marine.

Die in der Nähe des Unglücksortès gelegenen Ortschaften Mount Hope und Denmark , sowie zahlreiche von Touristen in der Nähe errichtete Zeltlager find zerstört worden. Die Erschütterung der Explosion hat in einem Umkreis von über 35 Meilen die Fenster zertrümmert. Die explodierenden Granaten überschütte Autofahrer auf den Landstraßen verlegt wurden. ten die Gegend meilenweit mit Sprengstüden, wodurch zahlreiche

Nach weiteren Nachrichten über das Explosionsunglüd am Late

Denmark wird erwartet, daß auch das von der Explosion betroffene Munitionslager der amerikanischen Armee im Werte von vierzig Millionen Dollar feiner völligen Zerstörung entgegengeht und daß die Explosion der noch lagernden Vorräte die ganze Woche über die Explosion der noch lagernden Borräte die ganze Woche über andauern würden. Polizeiautos durchfahren die Ortschaften der Umgebung und fordern die Bewohner auf, die Häuser zu berlaffen, da Einsturzgefahr bestehe. Selbst in dem durch eine Hügeltette geschüßten Dover herrscht Panit. Die durch die Explosion hervorgerufene enorme Hize und der Hagel explodierender Granaten erschwert die Annäherung an die riesige Brandstätte. Das Marine­depot allein erstreckt sich auf über 500 Acres und enthält etwa 200 Magazin- und Verwaltungsgebäude.

Der erste Eindruck, den die Wirkung der Explosion in ganz, New Jersey hervories, war der, daß ein Erdbeben ftattgefunden habe. Als der Bliz gestern in das Marinedepot einschlug, passierten zwei Automobilisten mit ihren Wagen gerade den Eingang. Sie wurden mit Berlegungen ins Hospital von Dower eingeliefert und erzählten, daß sofort nach dem Blitzschlag drei Riefenexplosionen stattfanden, durch die ihr Wagen in den Graben geschleudert wurde. Durch den herrschenden stürmischen Wind wurde das Feuer rasch weiterverbreitet. Die explodierenden Granaten der Marine vorräte schlugen auf dem Grundstück des Munitionsdepots der Armee in Kisten mit Schießbaumwolle, die im Freien lagerten, ein.

Infolge des Explosionsunglüds ist ein militärischer Kordon um ein Gebiet von 16 Quadratmeilen gezogen worden, das als Gefahren zone betrachtet wird.

demokratische Lösung.

- Die

Angesichts der währungspolitischen Bedrängnisse in Frankreich und Belgien , der mächtigen fozialen Auseinander­Bolen und des Ringens um die Fürstenabfindung und die fegungen in England, der Verfassungstämpfe in Spanien und Wirtschaftsgestaltung in Deutschland war es seit Wochen still geworden über das internationale Zentralproblem, die Krise des Völkerbundes. Die Ratsfrage, die im März für die Politik von Locarno gefährlich ausbrach, war aus dem öffentlichen Bewußtsein Europas geschwunden. Meldungen der legten Tage lenken die Aufmerksamkeit hierauf wieder zurück. Aus Genf wurde bekannt, der brasilianische Präsident habe die Aufhebung der brasilianischen Botschaft beim Bölkerbunde angeordnet; Mello Franco seit mit der Ver­tretung Brasiliens auf der panamerikanischen Juristenkonferenz im Frühjahr 1927 beauftragt. Die anderen Meldungen be­trafen Spanien . Der spanische König benutze seinen Auf­enthalt in London , um nach dem Sieg über Abd- el- Krim die Einbeziehung des bisher international verwalteten Tanger in die spanische Zone zu erlangen, dafür wolle Spanien sich bei der Umgestaltung des Völkerbundrates neutral verhalten. Der spanische Borstoß sei jedoch in dieser wie in jener Hinsicht erfolglos geblieben.

Die Abberufung Mello Francos fommt ein wenig über­raschend. Noch vor wenigen Tagen war er beim General­fekretär des Völkerbundes erschienen, nicht um sein Ab­berufungsschreiben, sondern um ein neues Mitglied der Bot fchaft mitzubringen, das er dem Wohlwollen Sir Eric Drum­monds empfahl. Jetzt hat der eigenwillige Präsident Brasi­ liens , Bernardes, nun doch die Konsequenz aus der Kündigung gezogen, die Anfang Juni erfolgte. Wie schon seit 1920 der zweitgrößte, beteiligt sich nun auch der größte südamerikanische Staat an den Arbeiten des Völkerbundees nicht mehr. obschon er vorläufig noch die Rechte und Pflichten eines Bundesmitglieds behält. Mit der Abreise Mello Francos entfällt jede Sorge, daß Brasilien im Herbst gegen Deutsch lands Aufnahme Schwierigkeiten erheben fönnte. Durch eine Verfassungsänderung, die im Juni Rechtskraft erlangte, wäre ein Einspruch diesmal zu überwinden gewesen, aber es wird den Ausgang der bevorstehenden Kämpfe auf jeden Fall erleichtern, menn Brafilien feinen Widerstand mehr leistet.

Brasilien hatte gezögert, aus seiner Kündigung die Konse­quenzen zu ziehen. Daß es das jetzt tut, hängt mit politischen Vorgängen auf dem amerikanischen Kontinent zusammen. In Banama tagte foeben der 37. panamerikanische Kongreß, jene seit 1889 jährlich unter dem Vorsiz des Staatssekretärs der Vereinigten Staaten zusammentretende Konferenz aller latein­amerikanischen, in Washington beglaubigten Gesandten. Die Vereinigten Staaten haben sich seit mehreren Jahren bemüht, als Gegenstück gegen den Genfer einen panamerikanis fchen Bölferbund zu schaffen. Aus Sorge vor der militärischen und wirtschaftlichen lebermacht der Großmacht im Norden hatten die südamerikanischen Staaten sich stets nur zu platonischen Resolutionen bekannt; nur eine Bostunion im Rahmen des Weltpoftvereins wurde unter Harding geschlossen. Jezt ist der Gedante eines feften und dauernden panamerika­nischen Völkerbundes einen wirklichen Schritt vorwärts ge­fommen. Alle panamerikanischen Staaten haben sich grund­fäßlich bereit erklärt, ihn zu schaffen. Im nächsten Frühjahr wird eine Konferenz stattfinden, eine Art panamerikanische Internationalversammlung, die feine Berfaffung ausarbeiten foll. Da Brafilien es als südamerikanische Bormacht erreichte, daß diese Konferenz in seiner Hauptstadt stattfindet, fühlt es fich nun start genug, um des Rückhaltes an dem europäischen Wölferbund nicht mehr zu bedürfen. Brasilien verläßt den Völkerbund durch die Tür, die sich für Deutschland auftut.

-

die

Je mehr die Beteiligung außereuropäischer Staaten an der Genfer Bundesorganisation sich vermindert, um so wich­Spaniens Haltung bleibt nach wie vor unklar. 3war tiger wird das Verhalten jedes europäischen Ratsmitgliedes. wird es gegen einen ständigen Ratssik für Deutschland feinen Einspruch erheben. Die Berfassungsänderung des Juni be wahrt es vor dieser Versuchung, und feinerlei Anzeichen find dafür vorhanden, daß es im September ein an Deutschland einmal gegebenes Wort nicht ebenso wie im März einlösen wird. Dennoch ist nicht zu erkennen, welche Folgerungen Spanien daraus zu ziehen gedenkt, wenn es mit seinem An­spruch auf Buteilung eines ständigen Ratssizes nicht durch­bringt. Immerhin hält es nicht mehr hartnäckig an ihm feſt. Es fucht ihn schon gegen reale Ronzessionen neuesten Meldungen sprechen von einer Ueberlassung des international verwalteten Tanger an Spanien zu ver­faufen. Aber England hat auf seinen Einfluß auf das Gibraltar gegenüberliegende Tanger nicht verzichten, Frank­ reich hat ebenfalls teine Konzeffionen machen wollen, außerdem anderen Mächte maßgebend beteiligt zu sein. War also der beansprucht Italien , an der Verwaltung Tangers wie die Borstoß Spaniens in dieser Hinsicht erfolglos, so wird die neueste diplomatische Wendung Panguas, des spanischen Außenministers, eines jüngeren Bölkerrechtsgelehrten, ver­ständlich. Er ließ durch Havas am Donnerstag erflären, Spanien liege an dem ständigen Ratsfiz nur, so lange ihn andere besitzen. Grundfäßlich fämpfe es für die Gleichheit aller Ratsmitglieder, feines folle ein Privileg haben, alle ven zwar noch nichts darüber, wie meit Spanien gehen wird, um der Völkerbundsversammlung gewählt werden. Das besagt diese zuerst von der sozialistischen Internationale vorge