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Nr. 32443. Jahcy. Ausgabe A nr. 167

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Dienstag, den 13. Juli 1926

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Das bayerische Fememordsystem.

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Bayerische   Regierungspresse gegen Reichstagsausschuß.- Politische Morde mit Behördenhilfe.

Passiert infolge dieser neuen, unter der Mitwirkung des Herrn Ministerpräsidenten neu inszenierten Heze etwas, dann werden die Mutigen im Wasser des Pilatus untertauchen.

Der Artikel 8 der Verfassungsurkunde des hohenzollern  -| mußte, und sie selbst als die blamierten Europäer abtraten. schen Kaiserreiches bestimmte, daß im Bundesrat aus den Bevollmächtigten der Königreiche Bayern  , Sachsen   und Württemberg   und zwei vom Bundesrat alljährlich zu wählenden Bevollmächtigten anderer Bundesstaaten ein Aus­schuß für die auswärtigen Angelegenheiten gebildet wird, in welchem Bayern   den Vorsiz führt. Dieser Auswärtige Ausschuß" verfiel unter bajuvarischer Führung dem ewigen Schlaf. Sozialdemokraten erinnerten, die Unterwürfigkeit des bayerischen Löwen vor dem preußischen Aar tadelnd, im bayerischen Landtag von Zeit zu Zeit daran, wie willig diese politische Machtstellung Bayerns   im Reiche von den föde- Seine durch Tatzeugen bewiesene Weigerung, sich in der ralistischen Gralswächtern preisgegeben wurde.

Ludwig trumpfte im Erschauen später möglicher Würden eines weißblauen Stammherzogs bei der Krönungsfeier in Moskau   mächtig auf, als ein faiserlicher Bureaukrat die um den Firstern Wilhelm II.   freisenden fürstlichen Planeten des deutschen   Weltalls als Vasallen titulierte. Aber der gräßlich furchtbare Leu machte alsbald wieder brav Männchen oben in Kiel  .

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Dies alles und noch einiges dazu geschah ein, 3 mei Menschenaltervor Schaffung der Verfassung von Weimar  , der immer wieder muß es den schwägen den Föderalisten vorgehalten werden die Herren der föderalistischen Bayerischen Volkspartei   ausdrücklich zuge­ftimmt haben; so stimmten einst die Patrioten zu München  der Bismarckschen Verfassung zu, um dann jahrzehntelang das Reich zu beschimpfen. Jezt preist der fatenfrohe, ehrliche Mannesstolz der Diplomaten des Landes Bayern   jene erste Verfassung als ein Werk höchster politischer Vernunft.

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Heute nun stellen die eingeborenen Gazetten der Ord­nungszelle, in Tempo und Ton sich täglich steigernd, einen neuen schmählichen Einbruch in die friedlichen Gefilde der bayerischen Staatsmacht fest: der Femeausschuß der deutschen   Boltsvertretung tommt nach München  . Daß die Einvernahme von 40 bis 50 Zeugen am Orte ihres Wohnsizes regelmäßig und bei jeder Unter­fuchung aus einfachsten Zweckmäßigkeitsgründen erfolgt, wer­den die Aufgeregten wohl nicht bestreiten können. Jedoch ist in dem Lande, das einst demokratisch zur Inkarnation weltgeschichtlicher Lächerlichkeit durch die brutale Unfähigkeit feiner ministeriellen und diktatorischen Größen wurde, die Ueberlegung wie immer schnell entlaufen und der Schrei des Protestes" bläft bereits zum jahrelang geübten Angriff wider Reich und Recht. Daß der Schrei des Protestes" ein offizieller der Herren der Bayerischen Volkspartei   ist, geniert nicht allzu sehr. Der kochenden Volksseele muß in Lunten­hausen oder sonstwo und irgendwie von Zeit zu Zeit ein Spettafelstück geboten werden; geschrien haben die Herren im Laufe der Zeit zudem oft und viel, auch gegen die hoch würdigen Herren Bischöfe der bayerischen Diözesen, als die Seelenhirten vor dem Kriege nicht mehr die Wahlbündnisse mit uns Sozialdemokraten dulden wollten. Auch halbe Bos­heiten, daß der Ausschuß in Bayerns   Hauptstadt nicht er wünscht sei, weil der Kredit der Politit des Reichstags und der Reichsregierung fein größerer geworden sei", wirken in der Erinnerung an bayerische Staatskunst nur lächerlich. Daß ausgerechnet die Koalitionsbrüder der Bayerischen Volks­ partei   im Reiche die Attacke gegen Bayerns Selbständigkeit" in der Front, reiten, gehört auch in die heitere Rubrik. Offen­bar sind auch nach offiziöser Münchener   Regierungsmeinung die Herren Deutschnationalen zu dumm gewesen, um die finsteren Pläne der Sozialisten gegen die weißblau­schwarzweißrote Republik   zu begreifen.

Bedenklich und ernster stimmt etwas anderes. Man Pönnte die partikularistischen Föderalisten ruhig gewähren und sich ausschimpfen lassen, bis sie sich aufs neue genug blamiert haben. Der Standal liegt darin, daß der verantwortliche Staatsmann, der bayerische   Herr Ministerpräsident, selbst wieder einmal die Schleusen geöffnet hat. Er hat den entscheidenden Anteil daran, daß wieder einmal gegen die Ausübung eines einfachen Verfassungsrechts eine Hege in Szene gesetzt wird, die gewiffenlos ist. Schon erscheint in den frommen Christen blättern der fällige Leitartikel mit dem Stichwort in fetter Ueberschrift: Dr. Levi in München  ". Die Frommen höhnen über die Bedenken, die über persönliche Sicherheit für die Ausschußmitglieder in des Herrn Ministerpräsidenten Dr. Helds Unordnungszelle ersten Ranges" geäußert murden. Die Waderen haben ja auch mehr aus Einfalt wie aus lleberlegung die flaren Möglichkeiten von Butschen und Gewalttaten dreist geleugnet, bis alles fam, wie es fommen

Man hört bereits, daß Herr Dr. Held sich ,, die Sache so nicht gedacht habe" und daß er nie mehr die ,, ver­lässige" Presse allein unter Ausschluß der demokratischen und fozalistischen informieren" wolle, wie er es dieses Mal tat. Kann man dem bayerischen Ministerpräsidenten glauben? Gewiß ist ihm schon manches sehr unbedachte Wort ent­kommen, das er nachträglich herzlich gern forrigiert hätte. Stunde höchster gemeinsamer Not des Vaterlandes auf die Treue zum Reich( Oktober 1918) zu verpflichten, gehört hier­her. Herr Dr. Held ist gewandt; er mußte wissen und wußte auch, wie seine Parole gegen den neuesten Einbruch in das bayerische staatliche Eigenleben" sich in diesem Lande und in dieser Presse auswirken werde.

Wirklich, die bayerische Staatskunst hat eine fleine, gerade Linie. Reichsgesetze wurden unter bewußtem Ber­fassungsbruch in dem bayerischen Imperium außer Kraft ge: fegt, Gesetze wurden von Richtern unter Beugung des Rechts nicht angewandt, Beamte, die wegen Hochverrats rechtskräftig verurteilt sind, werden in ihre Rechte als aftive Staats­beamte wieder eingesetzt, oberste Polizeistellen sind nach jahre langer, frecher Ableugnung der friminellen Paßfälschung überführt, nahezu fein politisches Mordverbrechen wird dank einer vollkommen unzureichenden Justiz und Verwaltung auf geflärt und für Bayern   ist es ein unerträglicher Gedanke, eine Art Reichs- Inquisitionsausschuß beherbergen zu müssen". Wie erbärmlich! Hättet Ihr, die es zunächst anging, aufge­lärt, brauchte der Ausschuß der deutschen   Volksvertretung nicht mehr aufzuffären. Und jetzt will es die Schicht der ewig gleich Versagenden verhindern, und die gewohnte Miß­achtung des Rechtes versteigt sich nach der Information" des Ministerpräsidenten zu der unerhörten Butschistensprache:

,, Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß das Ver legen des Untersuchungsausschusses mitsamt dem Herrn Dr. Levi nach München   einfach eine politische Unmöglichkeit ist, die schon um des Ansehens des Reichstages in Bayern   willen nicht versucht werden darf."( Offizielle Baye­rische Volksparteiforrespondenz.)

Nicht einmal die kleine Dosis vernünftiger Ueberlegung bringen die Schimpfenden auf, aus Klugheit ruhig gewähren zu laffen. So lenten sie die Aufmerksamkeit der ganzen Deffentlichkeit darauf, daß andere tun, was längst hätte ge­fchehen müssen. Warum sigt heute der des Mordesan Gareis Verdächtige? Herr Dr. Held möge sich die Frage beantworten. Er möge sich noch an etwas erinnern. Der augenblickliche Herr bayerische Mi­nisterpräsident war es, der als Abgeordneter den später feige ermordeten Genossen Gareis im bayerischen Landtag lächerlich machte und in sehr unschöner Weise erhöhnte, weil dieser zum erstenmal von politischen Morden unterbehördlicher Hilfe sprach. Fast hat es den unter behördlicher Hilfe sprach. Fast hat es den Anschein, als ob die billige politische Manier sich nicht viel geändert hat. Sicher hat sich die Verantwortung geändert. Für den Ministerpräsidenten sollte sie größer wie für den einstigen Parteipolitiker sein. Wir beneiden Herrn Dr. Held weder um diese Verantwortung noch um das, was er infolge ihrer neuerdings zu verantworten haben wird.

did no the end Alwin Saenger  .

Das Mordsystem.

met Die Mörder und ihre Beschützer. Der Wutschrei der bayyerischen Presse gegen die Abhaltung einer Sigung des Femeuntersuchungsausschusses des Reichstags in München   wäre nicht verständlich, wenn man nicht wüßte, daß der Femeuntersuchungsausschuß mit seiner Arbeit zum ersten mal in das System der Fememorde hineingeleuchtet hat. Die Untersuchungen des Ausschusses haben nicht zuletzt dank der unermüdlichen Arbeit des Genossen Dr. Paul Levi Klarheit über die Zusammenhänge der bayerischen Fememorde gebracht.

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Was bisher in polizeilichen und gerichtlichen Untersuchungen nicht flargestellt werden konnte, weil in Bayern   eine gewisse Di­reftion von oben herunter die Entdeckung der Zusammenhänge den behördlichen Organen unmöglich machte, scheint jetzt offenkundig zu werden.

Gegenüber dem erschütternden Material, das bereits befannt ist, sollte sich eine Einheitsfront aller anständigen Menschen gegen das verruchte System der Fememorde bilden.

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Um die Wut der bayerischen Presse zu verstehen, ist es nötig, die wichtigsten Daten über die bayerischen Fememorde zusammen­zustellen:

Der Mord an der Sandmeher.

Die

In der Nacht vom 5. zum 6. Oftober 1920 ist das Dienstmädchen Marie Sandmeyer in München   ermordet worden. Leiche wurde am 6. Oktober morgens an einer Fichte im Forsten­rieder Bark hängend aufgefunden. Die Spuren ergaben mit Deut­lichkeit, daß sie in einem Automobil schon als Leiche hinbefördert worden war. Es besteht die Gewißheit, daß sie in diesem Auto mit einem Strid erdrosselt worden ist. Ueber ihrem Kopf an der Fichte fand sich ein Plakat:" Du Schandweib haft ver­raten dein Vaterland, dich hat gerichtet die Schwarze Hand  ."

Bei der Nachforschung nach dem Täter ergab sich folgendes: Die Sandmeyer war Dienstmädchen auf einem Schlosse Holzen gewesen und hatte dort ein Waffenlager enideckt. Sie ist von der Herrschaft in Unfrieden geschieden und wollte das Waffenlager verraten. Nicht etwa den Franzosen. Als he in München   die Blafate, die zu Waffenablieferungen aufforderten, angeschlagen sah, wollte sie die Waffen dem zuständigen Entwaffnungskommissar über­deffen an die Druckerei, die das Plakat gedruckt hatte. In antworten. Sie wußte die Adresse nicht und wandte sich infolge­der Druckerei traf sie einen Angestellten, der Einwohner­wehrmann war. Als dieser von Waffenablieferung hörte, führte Er verstand den Namen falsch und notierte sich Sandmann  . er sie zu einem Kaufmann Zeller. Beller fragte fie nach dem Namen.

Am 5. Oktober erschien in der Ortschaft Odelshausen  , dem Wohn­Sandmann. Es wurde ihm gesagt, es gebe im Ort keine Sand­ort der Sandmeyer, ein Mann und erkundigte sich nach einer Marie mit vier Personen gesprochen hatte, mitgeteilt, die Sandmeyer sei mann, sondern nur Sandmeyer. Es wurde ihm, nachdem er inzwischen bei einem Konsul Kemmerich in der Tengstraße in München   als Dienstmädchen eingetreten. Abends um 9 Uhr erschien in der Wohnung von Kemmerich ein Mann, der die Sand­meyer zu sprechen verlangte. Nach dem Gespräch kam die Sand­meyer erregt in die Küche und sagte, es sei ein Entwaff nungsfommissar dagewesen, fie müsse gleich fort. Sie ging dann in ihre ein paar Häuser weiter gelegene Wohnung und wurde noch gesehen, wie sie, zum Ausgehen ange­kleidet, die Wohnung verließ. Am nächsten Tage wurde sie tot aufgefunden.

Die Spuren.

Das

Ein paar Tage nach der Auffindung der Leiche wurde das Auto ermittelt, in dem die Sandmeyer gefahren worden war. Auto gehörte der Einwohnerwehr. Der Chauffeur dieses Automobils hat eingehend dargestellt, wie ihn an diesem Tage das Automobil genommen und auf Anordnung des Oberleutnants Braun, des Leiters der Waffenabteilung der Einwohnerwehr, anderen Bersonen zur Verfügung gestellt worden war. Am nächsten Morgen wurde ihm das Auto in start beschädigtem 3u= st and wieder zur Verfügung gestellt. Auf dem Boden des Autos fand sich ein Fleck, der, wie der Chauffeur sagt, nach Urin roch, Aus der Kleidung der Sandmeyer fonnte bei der Obduktion festgestellt werden, daß fie im Todeskampf Urin gelassen hatte.

Dieses Auto ist von der Münchener   Polizei nie beschlag= nahmt worden, obgleich es von der Einwohnerwehr sofort an die Reparaturanſtalt gegeben worden war und die Karosserie noch vor­handen war, als die Polizei das Auto besichtigte".

Die Rolle Schweikarts.

Unter sich fühlten sich die Mörder sicher. Gefährlich konnte ihnen nur diese Person werden, die bei ihren Nachfragen in Odels= hausen und in der Tengstraße mit Außenstehenden zusammen­gekommen war. Diese Person war fein anderer als Schweikart. Er mußte also verschwinden. In der Tat erhielt er am 9. Oktober ohne die sonst bei der Paßerteilung notwendigen Unterlagen einen Auslandspaß ausgestellt auf seinen Namen. Dieser Paß ist ihm auf Veranlassung des Poli­8eitommissars Glaser, ausgestellt worden. Schweikart floh erst nach Münster   und wurde dann im Dezember 1920 geheimnisvollem Wege, an München   vorbei, an die österreichische Grenze gebracht und ging nach Desterreich.

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Um 9. Juni wurde Genoffe Gareis ermordet.

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auf

Am 12. Oftober 1921 wurde Schweifart auf Grund des Haft­befehls wegen Verdachts der Ermordung der Sandmeyer in Jenbach  in der Pertisau   verhaftet. Bei sich trug er einen Baß, auf den Namen Schmidt ausgestellt vom Ungarischen   Generalkonsulat in München  , am 19. April 1921. In diesem Paß befindet sich ein ge= fälschtes Ausreise visum des Berliner   Polizeipräsidiums, datiert vom 13. Mai 1921, ein echtes österreichisches Ein. reife vifum, ausgestellt vom Defterreichischen Generalfonsulat in München   vom 8. Juni, dahinter ein gefälschter österreichi scher Grenzstempel von Kufstein, gleichfalls vom 8. Juni.