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Nr. 180.

Erscheint täglich außer Montags. Prets pränumerando: Viertel fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret tn's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 8,30Mf.proQuartal. Unter Kreuzs band: Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.

Vorwärts

12. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 fg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uge Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochens tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 1hr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin !

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Sonntag, den 4. August 1895.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Bünftlernoth.

"

Solche Beschwichtigungsversuche klingen recht nett, I sollen. Die sind aber immer nur Stückwerk. Seine Mußc aber zu trauen ist der Eache nicht. Denn was stunden" muß der halbwüchsige Bursche darauf verwenden, Schon wieder einmal haben die Regierungsweisen und müßt denn schließlich dem Handwerksmeister der ganze wenn er von der Arbeit in der Werkstatt abgehetzt ist. Es die Zunstweisen die Köpfe zusammengesteckt, um zu be- Befähigungsnachweis, wenn ihm jeder Meister aus macht da praktisch wenig Unterschied, ob ihm für den rathen, wie der ewigen Zünftlernoth abzuhefen sei. Und wenn einem halbwegs verwandten Berufe in seiner Spezial Echulbesuch einige Tagesstunden freigegeben werden müssen. man den Mittheilungen trauen darf, die aus den Geheim- arbeit unlauteren Wettbewerb" machen darf? Ohne die Um diesen, allerdings nicht die Handwerker, wohl aber fonferenzen durchgefickert sind, so haben die Regierungsweisen Abgrenzung der Fabrikationsbefugnisse ist der Befähigungs- das Handwerk" schädigenden Zuständen abzuhelfen, giebt den Zünstlerwünschen ein offeneres Ohr geliehen als früher. nachweis ein Messer ohne Klinge. Mit jener chitanöjen es nur ein Mittel: die gesammte Lehrlingsausbildung den Jett soll denn auch die eine ihrer Hauptforderungen, Bestimmung indeß ist es ein Messer, mit dem sich zwar die Fachschulen zu übertragen. Mögen nachher oder auch die Zwangsinnung, ihnen bewilligt worden sein. Demnächst Handwerker gegenseitig die Hälse abschneiden können, aber zwischendurch für einzelne Jahre die ausgebildeten Lehr­wird also wohl eine neue Auflage des Berlepschischen Ge- Riemen können sie sich aus anderer Handwerker Haut linge als jugendliche Arbeiter" sich in dem, was sie in sehentwurfes mit dieser Forderung prangen. doch nicht schneiden. der Echule gelernt, beim Handwerksmeister befestigen. Ein ähnliches Eystem wird jetzt schon bei der Auss bildung der sogenannten höheren" technischen Berufe, bei Architekten, Ingenieuren aller Art und Maschinentechnikern angewandt. Es liegt gar kein Grund vor, jungen Hand­werkern, Echlossern, Tischlern, Schneidern, Schuhmachern, Bäckern u. s. w. dieses bewährte Ausbildungssystem vor zuenthalten, gar kein Grund, wenn nicht in dem Aus­beutungsinteresse der Handwerksmeister.

Würde wirklich in Deutschlend die sogenannte Sozial reform von Stufe zu Stufe soweit finken, um uns auch noch den Befähigungsnachweis zu bescheeren, so würden die ver blendeten Innungsschwärmer nach bitteren Enttäuschungen einsehen, daß das auch nichts ist.

Judeß predige man einmal Leuten, die am Ertrinken nach jedem Strohhalm greifen, daß ein Strohhalm kein Rettungsapparat! Sie greifen doch danach.

um 4

Politische Lebersicht.

Mit der Zwangsinnung wollen die Zünfter dann auch die Handwerkerkammer in den Kauf nehmen, die ihnen selbst herzlich wenig nach der Müze ist, da sie in ihnen so etwas wie eine entfernte Möglichkeit auch einer Berück­sichtigung der Arbeiterinteressen wittern, obgleich sie ganz ruhig sein könnten: der heutige Staat wird schon dafür sorgen, das die Unternehmer in den staatlichen Berufs­organisationen immer die Oberhand behalten. Doch zufrieden sind unsere Zunftschwärmer deshalb Doch da ist ja noch eine Reform", um die unsere Zünftler Damit kann man denn auch die wirkliche Liebe der noch lange nicht mit der Verheißung von Zwangsinnungen. sich sorgen. Eie sprechen aber nicht gern öffentlich darüber. Zunftschwärmer zum Handwerk auf die Probe stellen. Man Die sind für ihren Geschmack immer nur eine Schale ohne Das ist das Lehrlingswesen. Da muß man aber nicht frage sie einmal, wie sie über die Ausbildung der Lehr­Kern, so lange ihnen der Befähigungsnachweis fehlt, dieses glauben, daß ihnen die Lehrlinge am Herzen liegen. Es linge in Fachschulen denken, was sie dazu meinen, wenn ersehnte Heilmittel gegen den sogenannten unlauteren Wett- handelt sich auch da das eigenste persönliche ihnen die Lehrlingszüchterei abgenommen werden sollte. bewerb. Inter sse der Meister. Die Lehrlingsreform besteht Eine erfreuliche Antwort wird nur in den seltensten Fällen Und den Befähigungsnachweis zuzugeftchen sträuben darin, daß nur ein zünftiger Meister das Recht dem Gehege ihrer Zähne entfliegen. Denn wenn fich vorläufig noch die Geheimräthe; das bringen sie noch haben soll, Lehrlinge auszubeuten. das Wir Sozialdemokraten werden dagegen stets bereit nicht über ihr Gewissen. Noch nicht, aber vielleicht der Handwerk stellenweis noch dem Großbetrieb die Waage sein, für diese Reform des Handwerks einzutreten. Für einst, wenn der reaktionäre Wind, der anhaltend durch die halten kann, so liegt das zum großen Theil daran, daß es das, was die Foster und Genoffen fordern, sind wir nicht deutsche Kultur bläst, ihr Gewissen robuster gemacht hat. vermittelst der Lehrlingszüchterei und Lehrlingsausbentung zu haben. Wir bekämpfen es wie jede andere reaktionäre Eigentlich ist's ein Mißgeschick für die deutschen Junungs- weiter vegetirt. Deshalb find denn auch die Zunftmeister Bopfschwärmerci. schwärmer, daß Desterreich sich zum Versuchsobjekt für den die geschworenen Feinde einer wirklichen Reform des Hand­Befähigungsnachweis hergegeben hat. Da schaut doch gar werts, die damit einschen müßte, daß die Lehrlinge zu erbärmlich der Jammer krähwinkeliger Mißgunft durch eine beffere, umfassendere gründlichere Aus­die zerschliffenen Feßen des Befähigungsgewandes hindurch, bildung in ihrem Berufe gewährt wird, als sie ihnen Berlin , 3. August. das man dem fiechenden Handwerk über die schlotternden heute die Theilarbeiter züchtende Großindustrie und Die Anwendung des dolus eventualis, vers Glieder geworfen hat. Wohliger ist ihm unter der neuen die lehrlingsausbeutende Kleinindustrie angedeihen läßt. mittelst dessen man den Drucker und das gesammte Hilfs Hülle nicht geworden. Das alte Gestöhn wird auch in Zu dem Zweck müßte aber mit dem System der Lehrlings personal für den strafbaren Inhalt einer Druckschrift ver­Desterreich wieder laut, nur in neuen Tonarten. Wie soll ausbildung durch geschäftstreibende Meister gebrochen antwortlich machen kann, wäre viel naheliegender, wo es man nun uninteressirten Beobachtern in Deutschland werden, denn die haben nicht ein Interesse daran, daß der sich um die Unterlassung von Schutzmaßregeln glauben machen, daß mit diesem Heilmittel aus der Lehrling bei ihnen etwas lernt, sondern daran, daß seine seitens der Fabrikanten handelt, wie sie in den Be guten alten Zeit der Zöpfe und Perrücken dem Handwerk Arbeitskraft für ihr eigenes Geschäft möglichst ausgenutzt nichten der Fabrikinspektoren so häufig gerügt wird. Wenn fich helfen läẞt? wird. Sicher giebt es in allen Berufszweigen Handwerks - man den Trucker einer Schrift, die von einem namhaft ge= Zwar sie geben sich alle Mühe, die Zunftschwärmer, meister, die die Förderungen der Lehrlinge fich eifrig anmachten verantwortlichen Autor verfaßt ist, wegen Majestäts­auseinanderzusehen, daß sie gar nicht die Nachtheile des öster gelegen sein lassen, selbst gegen ihr eigenes Interesse. Aber beleidigung bestraft, weil derselbe sich hätte sagen müssen, reichischen Eystems nachahmen wollen. Es sollen nicht so das sind Ausnahmen. der Veifasser sci Sozialdemokrat und von Sozialdemokraten schroff, wie in Desterreich geschehen, die Befugnisse Soweit die Lehrinteressen des Lehrlings und die Ge- sei es bekannt, daß sie keine besondere Ehrfurcht vor der einzelnen Handwerke gegen einander abgegrenzt schäftsinteressen des Weisters sich mit einander decken, geht Monarchen hätten, ihnen also wohl eine Majestäts­werden, so daß die Bäcker mit den Konditoren c3 auch noch. Wo aber beide gegen einander stoßen, da beleidigung unterlaufen könnte eine Begründung, mittelst an zu rechten fangen, wenn's an's Kuchenbacken geht, oder geht meist das Lehrlingsinteresse in die Brücje, wie der deren man auch jeden Zeitungsausträger wegen des Juhalts der Zeitung strafbar machen könnte die Klempner mit den Schmieden eine blutige Fehde darüber irdene Topf bei der Kollision mit dem eisernen." - so ausfechten müssen, ob der eine oder der andere Nägel mit läge es doch viel näher, die Auflage wegen Mords Messingtöpfen machen darf. gegen Fabrikinhaber und Direktoren zu erheben in allen Fällen, Fräulein Schulze's Fahrzeug für immer verschlossen bleiben

Skizzen Hinterlande.

[ Nachdruck verboten.

aus dem füdamerikanischen

7

und

3

-

An demselben Tage, an dem die beiden Erwähnten ein glückliches Paar wurden, stand Herr Cesar Dtomar Schulze lief nachdenklich in dem Zimmer seiner Schwester. " Fredegunde ," sagte er, ich habe eine Idee..." Und die wäre?" fragte Fredegunde hastig. Es war wieder nichts.

Von Herrn Schulze, der bald darauf gänzlich nach San

Die Geschichte einer Indianerin.

Nun sind zwar Fachschulen für Lehrlinge eingerichtet, die den Mängeln der Ausbildung durch Meister nachhelfen gereicht ihm zur Ehre, daß er jetzt zum Märtyrer wurde. Der Belehrung der Judiauertribus, die in dem süd- sollte. amerikanischen Mesopotamien ihre leichten Belte hat, zum neuen Evangelium der spiritistisch buddhistischen Religion hatte er sein ganzes Tafein gewidmet; er, der selbst durch den Irrgang eines alltäglichen und profanen Denkens auf diese Genug, Herr Georg Kramer war wie ausgewechselt, seit- Geisleshöhe sich emporgearbeitet, fah jetzt, wie ihm die dem er Margarethe Sauermeier gesehen. Glich sein Herz Palme von anderer Seite aus der Hand gerungen wurde, früher einem Vesuv , so schien es jetzt, als ob sämmtliche und von wem? Von einem industriellen Kaufmann Bultane des Weltalls ihre glühende Lava in sein Herz ergossen der das Evangelium betrieb wie ein reiner Geschäftsmann, Bernardino übersiedelte, erzählt man sich, daß er dort mit hätten. Die Folgen tann sich auch ein in Liebesangelegen- und von einer Margarethe Cauermeier, die außer einer seiner Frau Amalia, geborenen Loethke Astronomie treibt. heiten weniger erfahrener Leser ausmalen. Fräulein Frede- mäßig hübschen Larve und einem etwa zwanzig Jahre Er hat beinahe einen Kometen entdeckt, und Frau Amalia gunde Echulze fiel in einer ihrer Vorstellungen, als alten Taufschein nichts weiter besaß, was sie zur berechnet die Sonn- und Mondfinsternisse auf mehrere fie ihren Anbeter nicht in ihrer Nähe gewahrte, statt in Prophetin und Vermittlerin höherer Ideen befähigte. Tief hundert Jahre voraus. einen spiritistischen in einen nervös hysterischen Krampf, mußte Herrn Schulze es schmerzen, daß schon in seiner der feinen der Zuschauer im mindesten befriedigte, und als jungen Gemeinde eine solche Herefie eingerissen war, fie gar zu Hause die ganze volle Wahrheit erfuhr, war ihr daß sie ihm seinen Lieblingsjünger zu rauben ver Nichts als Gras, Gras und wieder Gras, wohin das erstes, daß sie die ganzen Köpfe eines Gros Echachteln von mochte. Ja, es war zu befürchten, daß das niedrige und Ange sich auch wenden mag, und darüber der reine blaue Zündhölzchen verzehrte. Zu ihrem Glück hatte der Direktor brutale Genie des Herrn Enrique Jina den Propheten voll- Himmel ohne jede Wolfe. Ueber den Köpfen die strahlende der neuen Zündhölzchen- Fabrik" Die Sonne ", weil er noch ständig entthronen und spirituell aus Kreuz schlagen würde. Sonne, die unermüdlich und unerbittlich herniedersengt. Es nicht vollständig in die Geheimnisse der Zündhölzchen- Oder, cs war schon geschehen, wenn Echulze chrlich denken ist eine eintönige Farbe, in der der Boden und der Himmel Pyrotechnik eingeweiht war, vergessen, vergessen, Phosphor in wollte. gemalt ist. Als wenn ein riesiger Pinsel mit einem großen die Zündmasse zu thun, und so kam die Familie Wir wollen uns in diese traurigen Vorgänge nicht des Strich über eine unendliche Leinwand gefahren sei. Schulze diefes Mal mit dem bloßen bloßen Echrecken weiteren versenken. Herr Echulze wurde verlassen, ziemlich Den Himmel hat er hellblau gemalt, die Erde grau davor, und Fräulein Fredegunde mit einer mäßigen Judi- rasch sogar. Von Tag zu Tag schmolz die Schaar seiner grün ohne jede Echattirung in beiden Farben. Wie geftion. Jünger mehr und mehr zusammen. Jede ucue Vor weit man auch hinauslugen mag in die Ferne, sieht Was in Schulze's Innerem vorging, kann man nicht stellung Herrn Enrique Fina's brachte aus den Reihen man überall nur das ermüdende Graugrün; keine Ers wissen, sondern nur ahnen. Derartig finnige Gemüther, die des Herrn Echulze in die andere Renegaten hinüber und hebung im Boden, der dem Auge einen Ruhepunkt gewährt; neben ihrer reichen Herzensanlage noch ein durch mühsame das umsomehr, als Fräulein Fredegunde der Geift, der sie feinen Busch, keinen Baum, nichts. Bis auf hundert Schritt Studien erworbenes Wissen befizen, pflegen schwerer zu besessen hatte, wirklich zu verlassen beganu. Es kam die Zeit, fann man noch die einzelnen Grasbüschel unterscheiden auf leiden als der Mann der bloßen Routine, dem sein Wissen in der Schulze nicht mehr einen einzigen Anhänger hatte und dem fahlen Boden, auf dem sie gruppenweise emporwachsen, nur Mittel zum Zweck ist, und dem die wissenschaftliche noch schrecklicheres ereignete sich für Fräulein Fredegunde, von da ab verliert sich jede Unterscheidung und es bleibt Leuchte nur die Fackel für ein behäbiges Leben darstellt. als das geschah, was der gescheute Leser schon geahnt haben nur die Farbe. Wenn man am Horizont die Nebergangs­Schulze's Charakter war, wie die Leser sicherlich begriffen wird, als Fräulein Margarethe Sauermeier's Echifflein, stelle fixit, wo sich die beiden Farben vermischen, schmerzt haben werden, ein durchaus anderer und edlerer. In geleitet von der kräftigen Lootsenhand Herrn Georg das Ange unter dem durch die grelle Beleuchtung ers thm lag etwas von einem Propheten und Reformator. Es Kramer's, in dem Safen landete, der, wie es schien, für höhten Farbenkontrafte und kehrt unwillkürlich zurück, um auf