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Nr. 328 43. Jahrg.

sig udad De

Ausgabe A nr. 169. sales.

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutfchlands

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Donnerstag, den 15. Juli 1926

Frankreich   und Amerika  .

Berechtigte Entrüstung in Paris  .

Wie wir in unserer gestrigen Abendausgabe bereits mel-| Elysee bis zum Triumphbogen, wo die Parade stattfand, zu passieren deten, hat Genosse Vincent Auriol   im Auftrage der hatte, aufgestellt und überschütteten ihn bei der Durchfahrt mit Ge­fozialistischen Kammerfraktion einen Antrag eingebracht, durch johle und schrillen Pfiffen. Es kam zu zahlreichen zu den die französische   Regierung aufgefordert wird, ne ue Ber jammenstoßen zwischen den Manifestanten, den Zuschauern handlungen mit der amerikanischen   Regierung aufzu- und der Polizei. Zahlreiche Kommunisten wurden mißhandelt. nehmen, damit dem bereits abgeschlossenen Schuldenab- Ueber hundert Berhaftungen wurden vorgenommen. fommen eine Transfertlaufel beigefügt werde, durch unter den Berhafteten befinden sich mehrere Spanier, die für die die stabilisierte französische Währung vor Erschütterun- Primo de Rivera beleidigende Flugzettel verteilten. Anschließend gen infolge der Jahreszahlungen ähnlich bewahrt bleibe mie an die Parade fand im Elysee unter dem Borfih des Präsidenten die Mark durch eine ähnliche Bestimmung des Dames- Plans. der Republik   ein großes diplomatisches Frühstück statt. Es ist in der Tat geradezu un verständlich, daß die ame=

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Diktatur in Sicht?

Von Hermann Müller- Franken.

Ein überzeugter bürgerlicher Demokrat, der Leipziger  Reichsanwalt Hermann Martin, hat vor kurzem unter dem Titel: Demokratie oder Diktatur?" im ,, Berlag für Politik und Wirtschaft" ein Buch erscheinen lassen, das schon deshalb die Lektüre lohnt, weil in ihm viel Material über die Diktaturperioden und Diktaturbestrebungen seit Cäsars Zeiten zusammengetragen ist. Martin ist stellver­tretendes Mitglied des Staatsgerichtshofes zum Schuße der Republik  . Die zum Schutze der Republik   berufenen Richter nicht nur die am Staatsgerichtshofe- würden dieses Buch nicht ohne Nutzen lesen, wenn sie es lesen würden.

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Hingegen darf das Buch als Informationsquelle über die deutsche Sozialdemokratie nicht benutzt werden. In diesem Punkte ist das Buch außerordentlich oberflächlich. Martin

ritanische Regierung dem im Kriege verbündeten Frankreich   Belgiens   Sozialisten und die Vollmachten. ist auch darin ein Fortschrittler von altem Schrot, daß er wie

die gleiche Schußbestimmung nicht freiwillig gewährt hat, die dem besiegten Deutschland   zugestanden wurde. Ueberhaupt ist die Behandlung, die Frankreich   von seinen ehemaligen Bundesgenoffen im Weltkriege bei der Regelung der Kriegs­schulden erfährt, alles andere als nobel. Relativ an= ständig verhält sich England, das selbst eine ungeheure Schuldenlast an Amerifa abzutragen hat und daher bis zu einem gewissen Grade berechtigt ist, sich an seine Gläubiger zu halten. Aber auch England hat es jetzt abgelehnt, Frank­ reich   eine Transfertlaufel zu gewähren, sondern es hat sich nur dazu herbeigelaffen, in Privatbriefen von Churchill   an Caillaux  , die dem Schuldenabkommen beigefügt werden, zu versprechen, daß es Frankreich   entgegenkommen werde, falls Deutschland   mit seinen Reparationszahlungen in Verzug ge­raten sollte.

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Zustimmung des Generalrats.

Brüffel, 14. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Die Kammer beriet am Mittwoch den Gefeßzentwurf zur Erteilung außerordent licher Vollmachten an die Regierung und nahm ihn in erster Lesung an. Die endgültige Verabschiedung kann erst am Donners­tag erfolgen; die Zustimmung der Kammer ist jedoch nicht zweifelhaft.

Gleichzeitig beriet der

fozialistische Generalrat

Der amerikanische   Staatssekretär Mellon hingegen hat bisher ein solches Entgegenkommen ftrift abgelehnt. Die Forderung unserer französischen Genossen deckt sich voll- schränkung der Preffefreiheit benutzt werden könnten. fommen mit den Wünschen der Gesamtheit des französischen  Boltes. Die Er bitterung, die in Frankreich   über das Shylockartige Verhalten Ameritas herrscht, ist nicht nur er­klärlich, sondern das muß gerade von deutscher   Seite in aller Offenheit betont werden durchaus berech tigt. Die Art, wie das amerikanische   Rapital unter Aus­nuzung der finanziellen Vormachtstellung, die der Krieg und das blindwütige Verhalten der europäischen   Mächte unterein ander ihm gesichert hat, nach einander alle europäischen   Länder in seine wirtschaftliche Abhängigkeit zu bringen bestrebt ist, muß notwendigerweise unter den Bölfern des alten Kon tinents eine Stimmung erzeugen, die das amerikanische   Bolk einst sehr bereuen wird, wenn erst die europäischen   Völker sich auf ihre gemeinsamen Interessen befinnen.

Für europäische Solidarität!

Paris  , 14. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Auf Anregung aus verschiedenen Ländern, besonders Skandinavien  , Desterreich und Deutschland   hin, hat am Dienstag zwischen einer Reihe namhafter Persönlichkeiten von internationaler Bedeutung, wie Painlevé, Lichtenberger, Rudolf Wissell  , Thugutt und anderen, eine erste Aussprache im Carnegie- Institut stattgefunden zu dem Zwecke, innerhalb des Völkerbundes eine engere Gemeinschaft zur schärferen Betonung der europäischen   Solidarität zu gründen. Es wurde beschlossen, ein Komitee zu ernennen, das eine Bersammlung für Ende August in Genf   vorbereiten soll, in welcher diese europäische Föderation" endgültig fenftituiert und der Wortlaut eines Manifeftes an die Völker Europas   ausgear beitet werden soll.

der selige Eugen Richter   bei der Sozialdemokratie überall Beichen der Mauserung sieht. Die Mauserung soll soweit vollendet sein, daß die Sozialdemokratie die rote Fahne zu­fammenrollt und das schwarzrotgoldene Banner entfaltet habe: Wer seine Farben wechselt, hat auch seine Gesinnung ge­wechselt."( Seite 254.) Martin sieht richtig, daß die Sozial­demokratie zum heutigen Volksstaat, den sie für die breiten Massen des Volkes auf friedlichem Wege erobern fann, an ders steht als zu dem Obrigkeitsstaat der Vergangenheit und infolgedeffen auch anders zu den Farben der Republit als zu der Fahne der Rathenau- Mörder. Aber Staatsfähne und Parteifahne sind doch zweierlei. Die Sozialdemokratie denkt nicht daran, ihre rote Fahne aufzugeben. Nach der November revolution weniger denn ie, denn die Sozialdemokratie ist durchaus nicht Martins Meinung, daß auch ohne Kriegs­verlust und Revolution Deutschland   so ganz allmählich sich zu einer Monarchie nach englischem Muster entwickelt haben würde. Ein furzer, siegreicher Krieg hätte in Deutschland  sicher nicht die Demokratie, sondern. die Reaktion gestärkt. In diesem Falle hätte das Wort des liberalen Abgeordneten

mest en aus den Tagen vor dem 70er Krieg ficher zuge troffen: Wenn dieser Krieg siegreich endet, wird man einem Mann meiner Denfungsart nicht mehr gestatten, auf dem Bürgersteig zu gehen."

am Mittwoch ausführlich die politische Lage. Von verschiedenen Rednern wurden schwerwiegende Zweifel an der Richtig feit der eingeschlagenen Bolitit erhoben, sowohl vom allgemeinen Standpunkt der Frankensanierung aus, wie insbesondere vom Ge­fichtspunkt der Arbeiterpartei. Bandervelde beruhigte die vorge brachten Befürchtungen, indem er ausführte, daß die Bollmachten meber zur Erhöhung der Lohnsteuer noch zur Ein Weitere Garantien besinden darin, daß jeder fönigliche Erlaß die Unterschriften, aller Minister, also auch der vier sozialistischen, tragen müsje, daß ferner. obschon da's Parlament in die Ferien gege, die Seffion nicht als gefchloffen gelte, sondern das Parlament jederzeit vom Präsidenten wieder einberufen werden tönne, und daß licßlid der sozialistische Generalrat jederzeit von den sozialistischen   Ministern Rechenschaft über die Handhabung der Bollmachten fordern könne. De Broudère hielt eine einliche Leser geschrieben. Er sucht deshalb reichlich mit Zitaten de udsvolle Kassandra Rede, warnte vor dem bisher ein­geschlagenen Weg, weil er vom Standpunkt der Verfassung bedenk­lich sei und das parlamentarische System schwäche. Insbesondere dürften die Sozialisten nicht die Verantwortung mit übernehmen für eine Politik, in die sie stufenweise widerwillig hineingedrängt werden. Andere Redner bezweifelten, daß von den Vollmachten ein richtiger Gebrauch gemacht werden würde, zumal die Regierung von den Rechten, die sie bereits besize, um gegen die Valutagewinnler vor­zugehen, feinen Gebrauch gemacht habe. Arbeitsminister Wauters zu handeln. Der Austritt der Sozialisten aus der Regierung würde 3 handelnn. Der Austritt der Sozialisten aus der Regierung würde die Lage sowohl für die Finanzen wie namentlich für die Arbeiter flaffe unbedingt wesentlich verschlimmern.

Schließlich wurde die Parlamentsfraktion

mit 38 gegen 10 Stimmen bei vier Enthaltungen ermächtigt, dem Ermächtigungsgesetz zuzustimmen. Der Generalrat stimmte außerdem dem Gefeßzentwurf über die Eisenbahnregie zu, nachdem er entsprechend den Forderungen des Generalrats von der Regierung abgeändert worden war. Das energische Auftreten von Regie­rung und Parlament hat in der Deffentlichkeit unzweifelhaft einen starken Eindrud gemacht, und die Erwartung ist allgemein, daß nunmehr energische Maßnahmen zur Abwehr der Valuta fatastrophe getroffen werden, über deren Natur aber vorläufig noch nicht viel Positives zu sagen ist.

Caillaux und die Banken. Einsetzung eines Börsenüberwachungskomitees. Die Aushänge der Valutaschwankungen an den Paris  , 14. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) In der Be Bankgeschäften, durch die Aufläufe verursacht und viel zur panit. sprechung, die am Dienstag abend nach der Rückkehr Cailartigen Stimmung unter der Bevölkerung beigetragen wurde, laug aus London   zwischen ihm und den hauptsächlichsten Ver- find am Mittwoch verboten worden. Der Pfundkurs fant von tretern der Großbanten stattfand, soll, wie die Blätter am 217 am Dienstag auf 202% am Mittwoch. An der Börse fanden Mittwoch zu melden wissen, beschlossen worden sein, ein aus den starke Aktienkursstürze statt. Vertretern der Großbanken und Börsenmakler zusammengesetztes permanentes Komitee zu bilden, das den Pariser   Markt zu über­machen haben wird. Den Vorsitz des Komitees führt der Gouver neur der Bank von Frankreich.

Der 14. Juli in Paris  . Kommunistische Kundgebung gegen Primo. Paris  , 14. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Das französische  Jationalfest ist am Mittwoch morgen bei prächtigem Wetter durch die übliche Truppenschau in Gegenwart des Präsidenten Doumergue  , des Ministerpräsidenten Briand.   sämtlicher Mitglieder der Regierung, des Sultans von Marokko  , des spa­ nischen   Diktators Primo de Rivera   und zahlreicher offizieller Bersönlichkeiten der politischen und diplomatischen Welt gefeiert worden. Die kommunisten hatten eine umfassende Manifesta­tion gegen Primo de Rivera   ins Werk gesetzt. Sie hatten sich auf dem ganzen Weg, den der Zug der offiziellen Persönlichkeiten vom

Furchtbare Justiz in Smyrna.

12 Todesurteile- sofort vollstreckt. Smyrna, 14. Juli.  ( WTB.) Das Unabhängigkeitsgericht fällte heute das Urteil im Attentatsprozeß. Es verurteilte 3 um Tode die Abgeordneten Rusch di Pascha, Schüfri, Arif, Abidin, halisi, Dichanbulatt, 3ia hurchid und Hafiz Mehmed, ferner Edib, Rassim, Ismail, Bus­fuf, Abdul kadir und kara kemal. Der Prozeß gegen Rauf, Adnan und Rahmi wird in Angora fortgesetzt werden. Die übrigen Angeklagten wurden freigesprochen. Konstantinopel  , 14. Juli.  ( WTB.) Die wegen des Die wegen des komplotts gegen Mustapha Kemal Pascha z um Tode verurteilten Personen sind heute bei Tagesanbruch gehängt worden.

Die Ernennung des Grafen Lerchenfeld zum deutschen   Gesandten in Wien   steht unmittelbar bevor.

Doch Martin hat sein Buch in erster Linie für bürger­aus den Schriften Heinrich von Treitschkes zu wirken. An­regung zur Leftüre von Treitschke fann der bürgerlichen Jugend von heute nur dienlich sein. Sie fann aus ihm lernen, wie es in der sogenannten guten, alten Zeit in Deutschland  wirklich aussah, in der die Patrioten eingeferfert wurden, und die Vorläufer der Grafen Weftarp und von der Golg die Einheit sabotierten und die Freiheit malträtierten. Als umgekehrt die Sozial­demokraten nach dem militärischen Zusammenbruch von 1918 von der deutschen   Einheit und der deutschen   Freiheit alles retteten, was überhaupt noch zu retten war, taten sie nur das schlechthin Selbstverständliche und begingen feine Sünde gegen den heiligen Geist des Margismus, wie Martin meint, für den Marrismus und Bolschemismus der gleiche Braten mit der gleichen Sauce sind.

Aber lassen wir Treitschke  , Julius Cäsar  , Cromwell, Na­ poleon I.   und III. und sogar das Direktorium Gayl- Minoug das trotz der Blütezeit der Inflation 1923 nicht zur Welt kam und aus dem schon deshalb nicht analog 1799 der erste Konsul erstehen konnte, ganz auf sich beruhen, und wenden wir uns den Fragen zu, um derentwillen Martin das Buch geschrieben hat, den Fragen:

Gehen wir einem Staatsstreich entgegen?

Wird 1926 der angekündigte Stahlhelmaufruhr fommen? Steht Hannibal   wirklich vor den Toren?

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Wir stimmen mit dem Verfasser darin überein, daß Vogel- Strauß Politit die schlechteste Politik ift. Wir halten es auch für möglich, daß sogenannte entschlossene Männer eines Tages, verlockt durch das italienische Bei­spiel, den Verfuch eines Staatsstreiches wagen fönnten. Welche politische Dummheit wäre in Deutschland   unmöglich? Man denke an den Kapp- Putsch   und an den verunglückten Münchener   Bürgerbräu- Putsch vom November 1923. Doch Bersuch und Erfolg würden im Deutschland   der Nachkriegs­zeit zmeierlei sei, vor allem für die Phantasten, die nicht nur den Staatsstreich, sondern auch die Befreiung vom Joche des Versailler Vertrages mollen.

Martin überschätzt das Können entschlossener Männer unter den heute gegebenen Verhältnissen überhaupt. Es ist zum Beispiel völlig irrig, wenn Martin annimmt, daß die Revolution nicht triumphiert hätte, wenn die Regierenden 1918 der Gefahr ins Auge gesehen, oder wenn die in Kiel  am 5. November 1918 vorhandenen 3000 Offiziere sich recht­zeitig zusammengeschlossen hätten. Was wäre da geschehen? Es wäre mehr Blut gefloffen, aber der Lauf der Geschichte wäre legten Endes nicht anders geworden. Als der Hohen­zollernprinz Friedrich Leopold   am 9. November 1918 auf seinem Glienicker Schloß die rote Fahne aufzog, wußte er