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Deutsthnationale und Ms!anöer. Das Reichsarbeitsministerium gegen Genossen Hörsing.

Genosse H ö r s i n g hat in einem Artikel, der am 14. Juli imVorwärts" erschien, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt, daß hunderttausende von polnischen Landarbeitern in Deutschland arbeiten, während deutsche Landarbeiter ZU Hunderttausenden arbeitslos sind. Gegen seine Darstellung wendet sich nicht die Interessen- Vertretung der Großagrarier, sondern das Reichs- arbeitsministerium. Es erklärt: Im Jahre 1925 waren in ganz Deutschland insgesamt 278 800 ausländische Arbeiter zur Beschäftigung zugelassen oder im Besitz des Befreiungsscheins. Davon entfielen auf die Landwirtschaft 148 600, auf die Industrie 130 000. In diesen Zahlen sind ein- begriffen auch die Arbeiter in den Ländern, die das Legitimptions- verfahren nicht kennen, da die Einstellung und Beschäftigung aus- ländischer Arbeiter im ganzen Deutschen Reich der behördlichen Ge- nehmigung bedarf. Die in der Zusammenstellung unter Ziffer II angeführten 60 000 landwirtschaftlichen Arbeiter sind daher bereits in der Ziffer I enthalten. In der Zusammenstellung sind weiter unter Ziffer III 148000 Ausländer aufgeführt, die angeblich in Preußen ohne behördliche Genehmigung ar- b e i t e n. Es mag zutreffen, daß sich im Deutschen Reich aus- ländische Arbeiter befinden, die sich bisher der polizeilichen Kon- trolle entzogen haben. Ihre Zahl ist aber nur gering und wird dadurch aufgewogen, daß von der behördlichen Zulassung nicht in vollem Umfang Gebrauch gemacht wird. Die Zusammen- stellung erhöht weiter in Ziffer IV die Zahl der ausländischen Ar- beiter um 390 000 Kinder über 10 Jahre. Es widerspricht der Uebung, Kinder unter 14 Jahren als Boll- arbeiter zu rechnen. Die Zahl der Kinder beträgt im übrigen weit weniger. Eine in Preußen im Januar dieses Jahres vorgenommene landwirtschaftliche Bctricbskontrolle hat ergeben. daß auf etwa zwei Arbeiter über 14 Jahre ein Kind unter 14 Jahren kommt. Dabei hat diese Kontrolle gerade die kinderreichen aus- ländischen Landarbeitcrfamilien erfaßt, die über den Winter in Deutschland geblieben sind. Die landwirtschaftlichen Arbeiter, die im Frühjahr des Jahres als Wanderarbeiter nach Deutschland gekommen sind, höben keine Kinder mitgebracht. Das Verhältnis der land - wirtschaftlichen Wanderarbeiter über 14 Jahre zu den Kindern unter 14 Sohren ist infolgedessen zurzeit etwa so, daß auf drei bis vier Erwachsene ein Kind kommt. Hervorzuheben ist noch, daß die oben erwähnte Zahl von 130 000 ausländischen Industriearbeitern etwa zu 70 Proz. aus Deutschstämmigen besteht, die nur bedingt als Ausländer anzusehen sind und vornehmlich für die Erteilung von Befreiungsscheinen in Betracht kommen. Alles in allem ist somit festzustellen, daß die Zahl der beschäftigten ausländischen Arbeiter in Deutschland die Höhe von 278 600 tatsächlich nicht überschreitet, vielmehr kaum erreicht. Auch diese Ziffer ist allerdings höher als der gegenwärtigen Lage des Arbeits- Marktes entspricht. Aber Reich und Länder sind bemüht, eine wesentliche Senkung dieser Zahl herbeizuführen." Ob die beiden Schätzungszahlen Horsings, nämlich 148 000 Wanderarbeiter in Preußen ohne Legitimation und 390 000 Vollarbeitskräfte, die sich aus den Kindern der polnischen Wanderarbeiter rekrutieren, tatsächlich zu hoch sind, wie das Ministerium versichert, müssen wir doch sehr bezweifeln. Was die S ch w a r z a r b e i t.e r belrifjt« so hat Hörsing den Kreis O st e r b u r g als Grundlage für feine Berechnung herange- zogen, wo sich 352 ausländische Landarbeiter ohne Legitimation aufhielten. Wie wir vom Landarbeiterverband hören, gibt es eine ganze Reihe von Bezirken, wo selbst nach Auffassung bürger- licher Kreise eine ganze Menge Schwarzarbeiter be» schäftigt sind. Man schätzt sie auf 80 000 bis 100 000. Daß ferner die polnischen Landarbeiter auch jugendliche Arbeits- kräfte, die sie als ihre Kinder ausgeben, nach Deutschland hereinbringen, wird ebenfalls von den Sachkennern nicht be- stritten. Diese jugendlichen Landarbeiter sind sehr billig und deshalb den Gutsbesitzern besonders willkommen. Hörsings Schätzungen mögen zu hoch gegriffen sein. Allein, wie dem auch sein magj es bleibt von den Schätzungen Hörsings auf jeden Fall immer noch leider

viel zu viel übrig. Es kann ja auch gar nicht anders sein; denn an allen Ecken und Enden werden polnische Landarbeiter und Landarbeiterinnen beschäftigt, wo im gleichen Ort deutsche Landarbeiter arbeitslos sind und wo also die Wohnungsfrage keine Rolle spielt. Die Gründe dafür sind bekannt. Die Gutsherren wollen Arbeits- sklaven keine Arbeiter. Der Patriotismus üer LanÜwirte. Deutsche Landarbeiter hungern zugunsten der Aus- länder. Dem Reichstag lagen kürzlich Anträge vor, die von der Reichs- regierung ein f ch ä r f e re s Vorgehen gegen die Beschäftigung ausländischer Wanderarbeiter verlangen. In der den Anträgen beigegebenen Begründung wurde gesagt, daß es unver- antwortlich ist, ausländische Wanderarbeiter in einer Zeit zu be- schästigen, in der ein gewaltiges Heer von arbeitslosen deutschen Arbeitern vorhanden ist. Wie berechtigt dieses Vorgehen im Reichstag war, beweist das Material, das seitens der Gauleitung des Deutschen Landarbeiterver- bandes in Magdeburg gesammelt und kürzlich den zuständigen Re- gierungsstellen zugänglich gemacht wurde. Danach steht folgendes fest: Eine kürzlich in der Gemeinde Cochstedt , Kreis Liuedlin- bürg, vorgenommene Feststellung ergab die Beschäftigung von 60 männlichen und 107 weiblichen polnischen Ar- beitskräften. Zu derselben Zeit, als das festgestellt wurde, zählte die Gemeinde 46 arbeitslose deutsche Land- arbeiter und Landarbeiterinnen. Dazu kommt noch eine Anzahl erwerbsloser Industriearbeiter, die der Landarbeit kundig und auch gewillt sind, in der Landwirtschaft Beschäftigung anzunehmen. In der Gemeinde O t t l e b e n, Kreis Oschersleben , wurde festgestellt, daß17männlicheund67weiblichepolnische Arbeitskräfte beschäftigt werden und 17 deutsche Land- arbeiter erwerbslos sind. Auf dem Rittergut Kannenberg. Kreis Osterburg . wurden kürzlich 4 deutsche Landarbeiter entlassen, weil sie vor dem Schlichlungsausschuß die Zahlung der tariflichen Entlohnung durch- geseht hatten. Zu derselben Zeit, als die Entlassung erfolgte und die Landarbeiter in das Heer der Arbeitslosen gestoßen wurden, be- schästigte der Betrieb 36 polnische Arbeitskräfte. Die Nachforschungen in der Gemeinde Drakenstedt, Kreis Wolmirstedt , ergaben, daß die Arbeitgeber insgesamt 27 pol- nische Arbeitsträste beschäftigten, obwohl ihnen bekannt war, daß die Gemeinde 8 arbeitslose deutsche Land- arbeiter zählte. Mit solchen Feststellungen wird in der deutlichsten Weise ver- anschaulicht, was von den patriotischen Redensarten mancher land- wirtschaftlicher Unternehmer zu halten ist. Hier zeigt sich, daß erst der persönliche Borteil kommt und dann denkt man an die Pflege des Deutschtums und an das Mitempfinden mit der Notlage der Mitmenschen. Die Frage ist, wie sich die Fachausschüsse der zuständigen Arbeitsnachweise zu den Dingen stellen. Haben sie keine Kenntnis davon oder Wösten sie sich nicht den Zorn der Landwirte zuziehen? Beides wäre unverantwortlich und müßte die vorgesetzten Behörden zwingen, energisch Einspruch zu erheben. Der Deutsche Landarbeiterverband hat auf seiner letzten Generalversammlung salzenden Grundsatz zur Frage der Ausländerbeschäftigung beschlossen: Auf deutschem Boden sollen in erster Linie deutsche Arbeiter beschäftigt werden. Ausländer sollen erst dann in Frage kommen, wenn ein tatsächlicher Bedarf festgestellt ist. Bei der Beschästi- gung der ausländischen Wanderarbeiter ist scharf darauf zu achten, daß sie unter denselben Bedingungen erfolgt, die für die deutschen Landarbeiter in Geltung sind." Pflicht aller verantwortlichen Angestellten und gerecht denken- den Kreise ist es, dafür einzutreten, daß dieser Grundsatz ein solcher jeder Reichsregierung und jeder mit der Ausländerbeschäftigung in Berührung kommenden Behörde wird.

Zeugniszwong gegen Journalisten. Der Fall Lania und feine prinzipielle Bedeutung. Der Rechtsvertreter des Schriftstellers Lania , Genosse L e o i, hat an den preußischen Iustizminister die folgende Eingabe gerichtet: Ich nehme Bezug auf meine wiederholten mündlichen und telephonischen Borstellungen in der Angelegenheit des Journalisten Leo Lania und erlaube mir nunmehr weiter folgendes vorzu- tragen: Wie bekannt, ist nunmehr gegen diesen auf Grund des Be- schluffes des Amtsgerichts Eharlottenburg vom 8. Oktober 1926 der Aollzug einer Haftstrafe von 20 Tagen Haft ange- ordnet worden. Ich habe bereits in den früheren Verhandlungen darauf hingewiesen, daß und aus welchen Gründen die Anwendung des Zeugniszwangsverfahrens gegen einen Journalisten in einem Falle wie diesem unzulässig sei. Wenn ich auch zugeben muß, daß der Wortlaut der Strafprozeßordnung dem Journalisten ein Recht zur Zeugnisverweigerung nicht gibt, wie es beispielsweise der Anwalt oder der Arzt hat und wie auch der Journalist es zweifellos auf Grund der ZPO. hat, so glaube ich, dürfte doch nicht außer acht gelassen werden, daß der Strafprozeh letzten Endes und, jedenfalls in der Theorie, die Ausgabe hat, gewisse sittliche Begriffe zu' verwirk- l i ch e n, und daß daher der Strafprozeh da aushört, wo er beginnt, sich mit sittlichen Anschauungen weiter Boltskreise und bestimmter Berufsorganisationen in Widerspruch zu setzen. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß bei einer Neugestaltung der Strafprozeßordnung entsprechend der jetzigen sittlichen An- schauung aller in Betracht kommenden Kreise das Zeugnis- verweigerungsrecht des Journalisten geschriebe- nes Recht werden wird. Wenn die Gesetzgebung naturnot- wendigerweise der Herausbildung gewisser sittlicher Begriffe nach- eilt, nicht Schritt mit ihnen hält, so ist es Ausgabe einer ver- - nünftigen Rechtsanwendung, schon vor der Aenderung des ge- fchriebenen Rechtes diesen sittlichen Anschauungen Rechnung zu tragen. Dies um so mehr in einem Falle, wo die Anwendung der Zwangsmittel durchaus in das Belieben der Strafoer- folgungsbehörden gelegt ist. Halten die Strafver- solgungsbehördcn es nicht für opportun, einen Zeugen zu ver- nehmen, so können sie ohne weiteres und ohne irgend sich selbst in Widerspruch mit dem Gesetz zu setzen, auf dessen Vernehmung ver- zichten. Es ist also gerade in den Fällen des Zeugniszwanges durchaus nicht so, daß die Behörden sich auf eine ihnen etwa selbst unangenehme, aber starr vorgeschriebene Pflichterfüllung berufen können. Die Durchdrückung des Zeugniszwangsverfahrens in einem solchen Falle verrät vielmehr nichts anderes als bureaukrati- schen Starrsinn zum mindesten, wenn nicht schlimmere Mo- ti»e zugrunde liegen. Im vorliegenden Falle erlaube ich wir auf folgendes hinzuweisen. Ich glaube aus den früheren wiederholten Vor- stellungen im Justizministerium in dieser Angelegenheit entnommen zu haben, daß auch das Justizministerium die Anwendung des Zeugniszwangsverfahrens im gegenwärtigen Falle nicht eben als eine erfreuliche Erscheinung ansieht. Ich habe entsprechend der An- regung, die ich seinerzeit aus dem Justizministerium erhielt, mich mit Eingaben vom 17. August und vom 21. Ottober 1925 an die Staatsanwaltschaft in Halle gewendet. Ich tonnte auf Grund der Unterredungen, die ich im Justizministerium hatte, der Annahme sein, daß das Justizministerium feine Aus- sassung von der Anwendung des Zeugniszwangsverfahrens. gegen' einen Journalisten gegenüber der zuständigen Staatsanwaltschaft in Halle klarlegen würde, wozu dos Justizministerium ja bekanntlich gegenüber der Staatsanwaltschaft das volle Recht hat. Die Staats- anwaltfchaft selbst ist auf Grund des§ 196 der StrPO. durchaus in der Lage, beim Untersuchungsrichter auf die Abstellung des Zeugnis- zwange? hinzuwirken: erfahrungsgemäß finden solche Anträge der Staatsanwaltschaft bei dem Untersuchungsrichter volle Berücksichti- gung. Statt nun diesen, wie ich annehmen muß, ihm bekannten Intentionen des Justizministeriums Folge zu leisten, hat der Ober- staatsanwolt in Halle auf meine Eingabe vom 21. August 1925 mir mitgeteilt, daß er meine Eingabe an den Herrn Unter- suchungsrichter weitergereicht habe, einen Antrag dazu habe ich nicht gestellt, da Herrn Lania in seiner Eigenschaft als Journalist ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht zusteht". Auf meine wiederholte Eingabe hat mir der Ober- staatsanwolt in Halle mitgeteilt, daß sie ihm keinen Anlaß gäbe, von seinem Schreiben vom 21. August 1926 abzugehen. Im Gegensatz also zu den, wie ich annehme. In- tentionen des Justizministeriums hat der Oberstaats- anwalt in Halle eine Antragstellung aus Grund des K 196 StrPO. abgelehnt und jeder Kundige weiß, daß ein« solche Weitergabe in jener Lage des Verfahrens und unter Belllcksichtigung seiner be­sonderen Umstände nichts anderes ist als eine offene Billigung des angewandten Zeugniszwanges. Zu diesen allgemeinen Erwägungen kommt noch folgendes: Wie Herr Lania bereits mitgeteilt hat, ist er bereit, zu deschwören, daß er Kennini» von den in Frage stehenden Urkunden weder von dem Beschuldigten Domralh noch überhaupt von irgendeinem Beamten bekommen habe, daß ihm vielmehr die Nachricht aus völkischen Kreisen mitgeteilt worden sei. Die Preisgabe der Namen dieser Völkischen würde, wie bekannt ist, für die Betroffenen besondere Folgen haben. Ich verkenne den ernsten Willen der preußischen Justizverwaltung nicht, gegen gewisse Erscheinungen und Auswüchse der sogenannten illegalen Organisationen einzuschreiten. Ich kann mich aber nicht davon überzeugen, daß die preußische Justizverwaltung des einheitlichen Willens aller ihrer Organe in einem Maß« sicher sei, daß den einzelnen Staatsbürger gegen die Folgen solcher Auswüchse Sicherheit gewährt werden könne. Mit anderen Worten: Die Personen, die Herrn Lania insormiert haben. stehen bei ihrer Bekanntgabe in Gefahr, ernsten Schaden an Leib und Leben zu nehmen. Hiergegen kann ihnen vorläufig niemand Sicherheit gewähren, weder der Herr Oberstaatsanwalt in Halle noch der Herr Untersuchungsrichter. Unter diesen Umständen das Zeugniszwangsoerfahren durchzuführen, heißt nichts anderes, als Fememördern neue Opfer auf die Schlachtbant zu treiben. Ich weiß nicht, wie weit das preußische Justizministerium e» mit an- sehen kann, daß seine Organe dabei behilflich sind. Unter diesen Umständen bitte ich erneut und dringend, die Staatsanwaltschaft In Halle zu veranlassen, an den Herrn Unter- suchungsrichter mit den Anträgen ernstlich heranzu- treten, die geeignet sind, die weitere Fortführung des Zeugnis- Zwangsverfahrens zu unterbinden." Die Eingabe hat Bedeutung nicht nur für den Fall Lania. Es wird von Interesse sein, die Stellung d-s Justizministeriums zur Frage des Zeugniszwangs g-gen Journalisten kennen zu lernen. Zunächst freilich wäre es seine Aufgabe, die s t a n d a- löse Anwendung des Zeugniszwangs gegen Lania zu unter- binden,

Arbeitsgemeinschaft �itler-yelö! Enthüllungen des völkischen Abgeordneten Dörfler. Rlünchen, 15. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Anläßlich einer Versammlung der Völkischen Freiheitspartei München im Februar dieses Jahres mit Gras Reventlow als Redner schrieb das Organ Hitlers , derVölkische Beobachter" von der Fraktion des Völkischen Blocks im Bayerischen Landtag als von einer Gruppe der Stänkerer und Lcrrätergesindel. Das führte zu einer Beleidi- gungsklage von sieben völkischen Landtagsabgeordneten gegen Hitler und den verantwortlichen Redakteur seines Blattes, die am Donnerstag vor dem Amtsgericht in München verhandelt wurde. In einer einstündigen Rede gab Hitler selbst ein Bild der Zersplitterung innerhalb der völkischen Bewegung und betonte dabei, daß die heutigen völkischen Abgeordneten bei den Wahlen 1924 bindend auf seinen Namen gewählt worden seien und daß auch nur in seinem Namen Finanzierung der Wahl möglich gewesen sei. Für l>ie Kläger sprach der völkische Landtagsabgeordnete Dörfler, von Beruf Land- gerichtsrat. Dieser war in der Lage, mit Erlaubnis des gegen- wältigen Ministerpräsidenten Held folgende Sensation bekannt zu geben: Hitler war am Tage nach seiner Entlassung aus der Straf- anstalt Landsberg bei Held und bat um Begnadigung seiner Mit- gefangenen. Am anderen Tage sprach er noch einmal bei Held vor und erklärte sich bei dieser Gelegenheit bereit, seine Person der Bayerischen"V olkspar tei zur Verfügung zu stellen und dafür einzutreten, daß die auf der völkischen Liste ge- wäblten Abgeordneten sich an einer Regierung mit der Baye- rischen Volkspartei beteiligen würden. Bei der Wiedergab« dieser Begebenheit durch den Abgeordneten Dörfler wurde Hitler im Gerichtssaal außerordentlich aufgeregt und schlug wiederholt mit der Faust auf den Tisch, so daß er mehrmals vom Richter zur Ordnung aufgerufen wurde. In der weiteren Verhandlung wandte sich der Kläger Dörfler noch einmal persönlich an Hitler , wobei er erklärte:Die nächsten Wahlen werden sowohl für uns vom völkischen Block als auch für Sie, Herr Hitler , ein großes Debacle bringen. Wir gehen aber dann wenigstens mit gutem Gewissen aus dem Landtag hinaus!" Hitler versuchte zum Schluß die fatale Angelegenheit seines Be- suches beim Ministerpräsidenten Dr. Held und sein Angebot an diesen zu vertuschen. Es blieb aber bei einem jämmerlichen Versuch. Hitler hatte außerdem einen auherorodentlich umfangreichen Beweisontrag mit nicht weniger als 50 benannten Zeugen dem Gericht übergeben,

Es wurde deshalb die Verhandlung bis auf weiteres unter- brachen, um der Klägerpartei Gelegenheit zu geben, diesen Be- weisantrag zu studieren. Auch von.dieser Seite wurden dann rund 50 Zeugen benannt, darunter der Ministerpräsident Dr. H e l d.

Der Rakoft-Prozeß. Aussagen gegen die Sozialdemokratie. Wien , 15. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Am Dienstag Hot in Budapest der große Monstreprozeß gegen den ehemaligen unga - rischen Volkskommissar Matthias und Genossen begonnen. Unter den Angeklagten befindet sich auch Stefan Vagi und Alada W e i s h a u s. Dieser hatte im Januar 1925 an einer von der Internationale in Wien einberufenen Konferenz teil- genommen, die den ungarischen Parteistreit zu schlichten versucht. Der Prozeß wird auch über die politische Stellung dieser Männer wie über die Richtung der abgesplitterten Partei- gruppe, die sichUngarländische sozialistische Arbeiterpartei" nennt, Klarheit bringen. Nicht weniger als 54 Angeklagte füllen den Saal. Auf den Tribünen befinden sich eine Reihe aus- fändischer Zuhörer, darunter auch der deutsche Rcichstagsabgeordnete Dr. Kurt R o f e n f e l d. Die beiden ersten Sitzungen sind nach der Feststellung der Personalien, die sich über Stunden hinzieht, fast ganz mit der Vernehmung Rakosis ausgefüllt. Rakosi spielt sich als N a t i o n a l b o l sch e w i st auf und benutzt seine Vernehmung zu einer stundenlangen Beschimpfung der ungarischen Sozialdemo. kratie, die Ungarn und ihre Mission verraten habe. DieNepszava ". unser Budapester Parteiblatt, beschäftigt sich in einemVerschwörung gegen die Sozialdemo- kratie" überschriebenen Artikel mit dem Prozeß. Sie tritt mit großer Entschiedenheit dafür ein, daß den Kommunisten die legale Tätigkeit gestattet werde und nimmt scharf gegen die Regie- rung Stellung, die Verbreiter von Flugschriften und Verfechtex von Ideen, die in der ganzen Welt frei für ihre Anschauungen werben können, als Hochverräter anklagt. Gleichzeitig betont sie, daß es der Regierung offenbar gar nicht so unangenehm sei. wenn ihr stärkster Gegner, die Sozialdemokratie, im Gerichtssaal ver- l e u m d e t und in den Kot gezogen werde. Sie fordert die Ein- stellung des unsinnigen Prozesses und erklärt, daß sich die Sozialdemokratische Partei stark genug fühlt, aus eigener Kraft und vor den Arbeitern selbst den Kampf gegen die kommunistische Brunnenvergijtung zu führen,