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Nr. 332 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 171

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Sonnabend, den 17. Juli 1926

Neue Frankenpanik in Paris .

Bevorstehendes Devisenankaufsverbot- Caillany verlangt diktatorische Befugnisse

Paris , 16. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Caillaug hat am Freitag von neuem die Bertreter der Großbanken zu sich berufen und ihnen in Erinnerung gebracht, daß jeglicher Ankauf von ausländischen Devisen zu anderen als Handelszweden verboten iff. Strenge Strafen stehen für Zuwiderhandlungen in Aussicht. Der Franken ist am Freitag in den Vormittagsstunden und während der Börsensitzung abermals start zurüdgegangen. In den Bormittagsstunden notierte der Franken 199,75 und stieg in den ersten Nachmittagsstunden auf 208,50. nachbörslich besserte fich aber der Franken erheblich auf, und in den Abendstunden notierte das Pfund nur noch 202. In der Börse dauert der Ansturm auf die franzöfifchen Papiere an. Ueber eine halbe Stunde lang fonnten am Freitag nach Eröffnung der Börse zahlreiche Wertpapiere nicht notiert werden, jo start war die Nachfrage. Im Innern der Börse selbst herrschte ein derartiges Gedränge, daß beinahe kein Durch­fommen mehr möglich war.

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Die französischen Börsenpapiere sind durchweg außer ordentlich unterbewertet. Das französische Börsen­publikum hat nämlich im Gegensatz zum deutschen bisher nicht erfannt, daß die Aktien ,, Sachwerte" darstellen, deren Papier­furs sich in der Inflationszeit entsprechend der Berschlechte­rung der Währung erhöhen sollte. Erstklassige Bank­aftien haben einen Papierfranfenfurs, der zum Teil niedriger ist als der Friedenskurs. Diese elementarische börsentechnische Ertenninis scheint erst in den letzten Tagen dem Publitum eingeleuchtet zu haben. Seit Beginn dieser Woche hat eine gewaltige Attienhausse eingesetzt, die in nächster Zeit noch anhalten dürfte.

Caillaux ' Ermächtigungsgesetze. Diktatorische Befugnisse.- Widerstände in Ser Kommission.

Paris , 16. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Der Tert der Finanzermächtigungsgefege Caillaug ist am Freitag veröffentlicht worden. Der Artikel 1 ermächtigt die Regierung, bis zum 30. November 1926 auf dem Wege von Dekreten alle Maß nahmen vorzunehmen, die die Finanzgefundung und Stabilisierung der Währung erfordert. Artikel 2 verpflichtet die Regierung, bei

Genosse Severing wieder im Amte.

Der Amtliche Preußische Pressedienst schreibt:

Der preußische Minister des Innern, Severing, ist in Berlin eingetroffen und hat seine Amtstätigkeit in vollem Umfang wieder aufgenommen. Dadurch erledigen fich alle Kombinationen über den angeblich bevorstehenden Rücktritt des Ministers.

Dr. Bell Reichsjustizminister.

Die Ernennung vollzogen. Amtlich wird mitgeteilt: Reichspräsident von Hindenburg hat auf Vorschlag des Herrn Reichskanzlers den Reichsminister a. D. Dr. Bell zum Reichsminister der Justiz ernannt und ihn gleichzeitig mit der Wahrung der Geschäfte des Reichsministers für die besetzten Gebiete beauftragt.

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Die Ernennung Bells bedeutet den Abschluß langwieriger Berhandlungen zwischen den Koalitionsparteien, vor allen Dingen zwischen dem Zentrum und der Deutschen Volks­ partei . Die Volkspartei hatte dagegen Einspruch erhaben, daß das Zentrum einen weiteren Ministersiz im Kabinett erhielt, weil das Zentrum angeblich bereits zu stark vertreten sei. Man kann als sicher annehmen, daß die Ernennung Bells nicht ohne Zugeständnisse an die Volkspartei erfolgt ist. Das Zugeständnis wird darin zu er­blicken sein, daß der Herr Dr. Schmidt, der Staatssekretär für die besetzten Gebiete, in seinem Amte bleibt. Dr. Schmidt hat sich bekanntlich durch seine provozierenden Reden im Rheinland nicht nur bei der Sozialdemokratie, sondern auch beim 3ent rum vollständig unmöglich gemacht. Seine Ernennung zum Staatssekretär stieß außerdem auf heftigen Widerstand bei fast allen Parteien im Haushaltsaus= schuß des Reichstags, wo festgestellt wurde, daß diese Er­nennung unter Verlegung des Etatsrechts des Reichstags erfolgt sei. Das Verbleiben des Dr. Schmidt, dem das Kabinett auf Grund der gegen ihn eingereichten sozial­demokratischen Beschwerden eine Rüge erteilte, wird zweifel­los noch zu lebhaften Auseinandersegungen sowohl im Haus haltsausschuß wie auch im Plenum des Reichstags führen. Einstweilen scheinen aber die Regierungsparteien der Mei­nung zu sein, daß die Ferien ihnen das Recht geben, alles beim alten zu lassen.

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Eröffnung der normalen Legislaturperiode von 1927 die vorgenom­menen Dekrete dem Parlament zur Ratifizierung vor zulegen. Die oft angekündigten Anlagen, die dem Entwurf zulegen. Die oft angekündigten Anlagen, die dem Entwurf beigegeben werden sollten und in welchen die Regierung den Rahmen geng festlegen wollte, innerhalb dessen sie die Bollmachtdekrete spielen lassen will, hat

Caillaug im letzten Augenblick einfach wegfallen laffen. Durch seine Blätter läßt er diese seine autokratische Hand. lungsweise dadurch entschuldigen, daß bei der stets wachsenden Frankenbaisse keinerlei Zeit mit längeren Redensarten verloren gehen dürfe".(!) An Stelle der Anlagen ist dem Entwurf eine lange Begründung beigefügt, und die darin als unbedingt notwendig be­zeichneten Bollmachten gehen so weit, daß das Ermächtigungsgesetz Caillaug' so in der Tat einen

diftatorischen Charakter

gewinnt. Unter anderem verlangt Caillaug das Recht, nach Belieben die Zolltarife. Frankreichs umzuändern.

Vor der Finanztommiffion hat Caillaur am Freitag nachmittag in einem mündlichen Vortrag seine Absichten des näheren erläutert. Er betonte besonders die

Notwendigkeit der Ratifizierung des Londoner und Washingloner

Abkommens

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Gefahren für die Verständigung.

Vor der Völkerbundstagung.

marr die Schuld daran, daß es heute in Deutschland noch

In einer Rede am Niederrhein hat der Reichskanzler Leute gebe, die nicht an eine Versöhnung der Völker glauben wollten, in der Hauptsache den französischen Generalen zu­geschoben. Sicher würde sich der Hinweis empfehlen, daß die französischen Generale in Deutschland ganz vor treffliche Partner haben, die bewußt oder unbewußt ihr Spiel unterstützen, aber die Charakterisierung, die der Reichkanzler von der Politik maßgebender militärischer Kreise in Frankreich gegeben hat, bleibt deshalb doch auf jeden Fall richtig. Sie tragen ihr gutes Teil dazu bei, die Verständi­gungsbemühungen der Regierungen, wenn nicht zu durch­freuzen, so doch zu erschweren und zu hemmen.

Man braucht dabei nicht in erster Linie an die noch immer etwas mysteriösen und in ihrer Bedeutung noch nicht flar erkennbaren Noten oder Schreiben des Generals Walch zu denken. Weit ernster zu nehmen sind die Schwierigkeiten, die von dem französischen Generalstab einer Berringerung der Zahl der Besatzungstruppen in den Rheinlanden gemacht werden. Daß hier die berechtigten Erwartungen Deutschlands nicht erfüllt werden, trägt in der Tat wesentlich dazu bei, die Zweifel an dem ernsthaften Friedenswillen der Gegen­feite zu rechtfertigen.

Die Verminderung der Besatzungsziffer gehörte bekannt­Aussicht gestellten ,, Rückwirkungen", und selbst wenn man sich lich zu den während der Verhandlungen. von Locarno in auf den Standpunkt stellt, daß die Verträge ja noch nicht in Kraft getreten feien, weil Deutschland noch nicht dem Völker­bund angehöre, so weiß man doch auch in Paris sehr genau, daß es nicht unsere Schuld ist, wenn wir noch vor der Türe

als Vorausjebung jeglicher Währungsstabilisie rung. Mit 15 gegen 10 Stimmen bei 13 Enthaltungen ist dann die Rommission zur Diskussion der Artikel übergegangen. Es scheint sich also innerhalb der Finanzkommission ein gewisser Widerstehen. Außerdem aber ist uns in den letzten Monaten des st and insbesondere gegen das Ermächtigungsgesetz geltend zu machen. Der Widerstand der Kommission wird aber einen anderen aís rein platonischen Charakter nicht annehmen können, da Briand wie Caillaug entschlossen sind, im schlimmsten Falle über den Kopf der Kommission hinweg an das Barlament zu appel lieren. Die Regierung ist, unterstüßt durch eine infolge der starten Frankenbaisse der letzten Tage festzustellende Panitstimmung, überzeugt, eine Majorität für ihren Entwurf zu finden. Die Regie rung wünscht die Prozedur so zu beschleunigen, daß bereits am Sonnabend die Diskussion des Entwurfs vor der Kammer beginnen fann.

Schützer von Zechprellern.

vergangenen Jahres immer wieder zum mindesten der Be­ginn der Rückwirkungen schon vor dem formellen Inkraft­treten der Abmachungen in Aussicht gestellt worden. Das französische Außenministerium hat dann weiter nichts dagegen einzuwenden gehabt, daß die deutsche Regierung den ihr ge­machten 3usagen eine Auslegung gab, nach der eine Redu zierung der fremden Truppenkontingente auf das Maß der vor dem Kriege in den jetzt besetzten Gebieten unterhaltenen deutschen Garnisonen in Betracht käme. Herr Briand hat sich auch stets zu den Anregungen, die ihm der deutsche Bot­schafter in Paris bei zahlreichen Gelegenheiten unterbreitete, grundsätzlich mohlwollend geäußert, aber geschehen ist bis zum heutigen Tage so gut wie nichts. Nur ein paar Forma­tionen, deren Größe gegenüber der Zahl der verbleibenden Truppen nicht ins Gewicht fällt, sind zurückgezogen worden. Die Besagungslast ruht in fast unverminderter Schwere auf den Schultern der Bevölkerung der zweiten und der dritten Zone.

Der franzöfifche Ministerpräsident hat bei den diploma­tischen Unterhaltungen selbst auf die Hindernisse hingewiesen, die seinen Absichten durch die verantwortlichen militärischen Stellen bereitet würden, und wir wissen ja aus eigenster Er­

Die Thüringer Regierung in Verlegenheit. Weimar , 16. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Bei Beratung des Theateretats im Thüringer Landtag fragten heute die Redner der Opposition mehrfach nach der Miete des Nationaltheaters für den nationalsozialistischen Parteitag am 3. und 4. Juli dieses für den nationalsozialistischen Parteitag am 3. und 4. Juli dieses Jahres. Der für die Antwort zuständige Bildungsminister, der Volksparteiler Leutheußer, schwieg zu dieser Frage. Er schwieg auch, beharrlich weiter, als die Linke nach Schluß der Ausfahrung, wie solche Organe geneigt und imftande sind, unter sprache über den Etat in einer Geschäftsordnungsdebatte stürmisch Antwort auf ihre Fragen verlangte. Darauf setzte bei den Kommu­nisten heftiger Tumult ein. nisten heftiger Tumult ein. Sie schrien dem Minister das Wor! Korruption" und" Schieber" dugendfach ins Geficht und riefen, mit den Fäusten auf den Pultdeckeln trommelnd: Antwort! Antwort!" Soweit man den Präsidenten im Lärm verstehen konnte, schloß er zwei Kommunisten von der Sitzung aus. Während einer sofort den Saal verließ, weigerte sich der andere, nach der Antwort des Ministers rufend. das Parlament zu verlassen. Darauf hob der Präsident unter dem wütenden Lärm der Kommunisten die Sigung auf.

Nach Wiedereröffnung der Sigung, eine Stunde später, blieb die Regierung abermals ohne Antwort. Der Landtag stimmte dann darüber ab, ob die Regierung Antwort zu erteilen habe und erklärte sich in seiner Rechtsmehrheit mit dem Schweigen einverstanden. Dagegen erhoben sich nunmehr die Nationalsozialisten und erklärten, daß sie bereits gezahlt hätten.

Vor der Pause waren weder Nationalsozialisten noch Minister dazu imstande. In der einstündigen Pause, wird be­hauptet, haben Besprechungen zwischen dem Minister und den Nationalsozialisten und auch die Zahlung der 1500 Mart Miete stattgefunden. Hätte die Opposition des Landtags nicht auf Zahlung der 1500 Mark Miete gedrängt, so wäre es dem Land so gegangen wie den zahlreichen Gastwirten in Weimar , die um ihre Zeche von den Nationalsozialisten geprellt worden find.

Bela Kun alias Schwarz.

Aus dem Budapester Kommunistenprozeß. Budapest . 16. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die Verhandlungen im Kommunistenprozeß wurden am Freitag vormittag nach ein tägiger Unterbrechung wieder aufgenommen. Der Angeklagte Nemec erklärte, er habe erst bei der Polizei erfahren, daß der vor­tragende Schwarz" der Wiener Bildungsschule mit Bela Run identisch gewesen sei.

Hervorkehrung technischer Bedenfen einer Politik, die ihnen nicht in den Kram paßt, Steine in den Weg zu rollen. Es ist auch zuzugeben, daß Briand in den letzten Monaten durch andere Sorgen sehr stark in Anspruch genommen war und es ihm deshalb an Zeit und an Kraft fehlte, den Militärs feinen Willen aufzuzwingen. Aber es wäre jetzt unter allen Umständen hohe Zeit, den Quertreibereien der Generale ein Ende zu machen, wenn nicht der ganze Erfolg von Locarno aufs Spiel gesetzt werden soll.

In anderthalb Monaten tritt die Vollversammlung des Völkerbundes zusammen. Bis dahin muß Frankreich in der Besatzungsfrage seinen guten Willen bewiesen haben, da im andern Falle viele von denen, die im letzten Jahre bei uns für die Bölferbundsidee gewonnen worden sind, aufs neue sehr mißtrauisch und bedenklich werden könnten. Mit un­sicheren Versprechungen fann sich Deutschland nicht mehr ab­finden laffen. Es hat das Recht, Taten zu beanspruchen. Der gute Wille des französischen Ministerpräsidenten in Ehren, aber er muß zeigen, daß er stärker ist als die gegen seine politischen Absichten frondierende Marschallclique.

An das Berliner Rabinett sind jedoch auch einige Fragen zu richten. Hat das Auswärtige Amt die französische Regierung mit allem wünschenswerten Nachdruck auf die Gefahren hinweisen lassen, die aus ihrer zögernden Haltung erwachsen? Soviel wir wissen, ist es willens, aus der Befagungsverminderung eine Art von Bedingung für den Eintritt in den Bölkerbund zu machen. Wird man rechtzeitig die Deffentlichkeit über den Stand der Dinge aufklären und es nicht darauf ankommen lassen, daß die nach Genf ent­fandten Bertreter das Thema anschneiden? Anderthalb Mo­nate sind teine lange Frist, und es empfiehlt sich wahrhaftig nicht, die Auseinandersehungen über Bedingungen und Mög­lichkeiten bis zum letzten Moment zu vertagen und dann wieder eine Aufregung zu entfachen, die, wie es auch kommen mag, der Sache nicht dienlich sein kann.