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zurückgelegt sind, darüber befagen sie nichts. Darauf kommt| es aber schließlich an, wenn man errechnen will, wann der Zeitpunkt des Ausgesteuertseins eintritt. Es muß angenom­men werden, daß von den 856 131 Erwerbslosen mit längerer Unterstützungsdauer als 13 Wochen die meisten am 15. Juni als Stichtag bereits an 26 Wochen herantamen und von den 276 470 Erwerbslofen mit längerer Unterstügungsdauer als 26 Wochen die meisten furz vor dem Ausgesteuertwerden stehen. Das geht aus der Gesamtentwicklung der unter­stüßenden Erwerbslosenfürsorge hervor. Wir hatten am 15. September 1925 insgesamt 251 271 Unterstützungs­empfänger; für diese ist also spätestens am 15. September d. J. die Unterstügungsdauer von 52 Wochen abgelaufen. Im Dezember 1925 hatten wir bereits 1% Millionen unterstützte Erwerbslose; diese furchtbare Ziffer zeigt, mit welchen ungeheuren Massen von Ausgesteuerten wir bis Ende des Jahres zu rechnen haben. Es geht nicht an, vor diesen furchtbaren Tatsachen noch länger die Augen zu verschließen. Das Reichsarbeitsministe rium muß handeln; es muß bald dem Berwaltungsrat des Reichsamts für Arbeitsvermittlung Gelegenheit zur Stellung nahme geben.

Wechsel in der Reichskanzlei. Staatssekretär Kempner durch einen Beamten ersetzt. Wie das Berliner Tageblatt" meldet, hat das Reichskabinett am Montag nachmittag, dem Borschlage des Reichskanzlers ent sprechend, beschlossen, einen Wechsel im Staatssekretariat der Reichs­fanzlei eintreten zu lassen. Danach wird Dr. Kempner von seinem Urlaub nicht wieder in das Amt zurückkehren. Als Nach folger foll ein Beamter in Aussicht genommen fein.

Der Springer von Polkwith.

Ein deutscher Musterrichter.

Das Musterexemplar eines deutschen   Richters aus der Nach friegszeit schien uns der Amtsgerichtsrat Springer in Boltwig zu sein, der neben seiner beruflichen auch noch der Tätigkeit eines " Großmeisters" des Jungdeutschen Ordens obliegt.

Einige der hervorragendsten Leistungen dieses Rechtsprechers haben wir wiederholt öffentlich angenagelt, fo 3. B. jenes wahrhaft salomonische Urteil, das einen Rechtsradikalen von der Anklage des Hausfriedensbruchs freisprach mit der Begründung, die Besucher Don Wählerversammlungen wollten sich gar nicht ernsthaft informieren, und deshalb hätte der Angeklagte das Recht gehabt, durch Klavierspiel und Veranstaltung eines Helbengesangs der Baterländischen" eine fozialdemokratische Wählerversammlung zu sprengen.

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Wegen dieser und ähnlicher Urteilssprüche ist bem Herrn bisher

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fein Haar gekrümmt worden. Jedoch erfahren wir neuerdings, baß der Springer von Bolfwig am 1. Juni dieses Jahres mit halbem Gehalt vom Amt suspenbiert wurde, well gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist. Der Bruder. Großmeister" hatte eines Tages im Bollgefühl seiner Macht auch einen Bolf wiger Anwalt samt deffen Gattin in haft nehmen lassen. Db wegen dieses ungewöhnlichen Vorgangs auch ein Disziplinarverfahren schwebt, fonnten wir nicht ermitteln. Dagegen ist endlich ein Strafverfahren eingeleitet wegen der ungeheuerlichen Eigenmächtigkeiten Springers, die wir in Nummer 137 des Vorwärts" verzeichneten. Springer   hatte über frühere Mitglieder des Jungdo die Sperre angedroht und sich in Briefen an sie einer Tonart bedient, die bei anderen Sterblichen ficher als nötigung, wenn nicht als mehr, ausgelegt werden würde.

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Wenn gegen einen Richter folcher Qualität jetzt endlich ein Ber fahren eröffnet worden ist, so wollen wir das gern anerkennen als einen Verfuch, Ordnung zu schaffen. Indessen tommt dieser Versuch reichlich spät, und es ist noch nicht aller Tage Abend. Man weiß nicht, wie die Disziplinarbehörden urteilen werden. Sie zu beeinflussen, werden jetzt schon alle Mittel angewandt So zirkuliert seit Anfang Juni in Polfwiz und Umgegend schon ein

Die Reise nach dem Mond.

Bon May Barthel.

Die Herberge in der fleinen Stadt war überfüllt. An den runden und viereckigen Tischen saßen die alten Tippelbrüder und erzählten große Geschichten. Ein junger Metallarbeiter namens Wagner fam sehr spät in diese Herberge, hörte nun die wüften Gespräche um den Biffen Brot, und als der Wirt fam und sagte, es sei fein Bett mehr frei, auch die Tische und Bänke feien alle belegt, da atmete der junge Mensch auf, nahm sein Bündel und verließ die Gaststube. Er war zum erstenmal auf der Wanderschaft.

Die kleine Stadt fchlief schon. Warm und weich lag fie am Fuße eines fanft aufsteigenden Berges, von dessen dunkler, gewölbter Ruppe die vielen Lichter eines Schloffes blijten. Die Stadt felbst war schon verdunkelt. Nur die Gasthöfe waren noch erhellt. Licht war auch noch in den Fenstern diefes oder jenes Zimmers. Manchmal fonnte der junge Mensch an den leuchtenden Scheiben das Schatten spiel sich bewegender Menschen sehen, das füße Spiel der Liebenden, die versunkene Ruhe vor dem Schlaf, die leidenschaftlichen Gebärden eines Streites, die Unruhe der Kinder, wie Flügelschlagen der Bögel

vor der Nacht.

Bis vor drei Tagen noch hatte Wagner in einer großen Fabrit gearbeitet. Jetzt war er arbeitslos, und mit fühnem Entschluß hatte er sich in die Freiheit der Landschaft gerettet. Wohl liebte er die Stadt und war mit ihrem donnernden Alarm verwachsen, aber er liebte auch die Felder und die Wälder und entsann sich einiger Nächte, die er bis zum Morgengrauen durchwandert war. Er fannte schon die trunkene Süßigkeit des Morgens, der den Schlaf wie Honig brachte. Und nun war wieder eine Nacht da, eine große, weiche und fternenvolle. Ueber die Wälder fam der Mond, machte sie gläsern und schickte sie wie schwimmende Inseln durch das weiße, strömende

Land.

Schöne Nacht über den Feldern und Wäldern! Schöne Nacht, in der das weite Band spielt und träumt, tausendmal stärfer und herrlicher als ein Mensch mit seinen Gefichten. Großes Atemholen aller Dinge zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang! Solche Gedanken bestürmten sein Herz. Dann entfann er sich des Mondes, der in den Frühlingsnächten in feine Rammer geschienen hatte. Das war ein unfagbar schöner Mond am hellen Saume der Tage gewesen, ein herrlicher Pfirsichmond über den Kammern der armen Leute. Hoch und erhaben schwebte er vorbei. Wie ein Ziel. Wie eine Licht anfage. Und einmal war er auch aufgewacht, ehe die Mutter rief und ehe die Fabriffirene schrie, und da hatte er jenen Mond zum erftenmal gesehen. Er sah den Mond seiner Kindheit, den gelben, weißen, roten, schmalen, wilden, milden, fatten, hungrigen und immer wechselnden Mond, der nun seine vollkommene Gestalt gefunden hatte, der über die Vorstadt rollte, im Niedergang noch blütenpoll war und in den Herzen die Sehnsucht weckte, einmal eine ganze Nacht seine Lichtbahn zu verfolgen.

Aufruf zur Unterschrift, der augenscheinlich dem Disziplinar gericht eingereicht werden soll. Jungdo- Leute haben ihn verfaßt und honoratioren" des Ortes betteln um Unterschriften.

So will man der Justizverwaltung in den Arm fallen, nachdem sie sich endlich aufgerafft hat, einmal einem der politischen Richter ein bißchen auf die Finger zu flopfen.

Der Skandal von Magdeburg  .

Eine Erklärung der Polizei. Magdeburg  , 20. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Die Magdeburger  Polizeibehörde hat es heute endlich für nötig gehalten, der Presse eine Erklärung über die Mordangelegenheit Helling abzugeben. Diese Erklärung lautet:

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fraten Budwig Haas verfuchen werbe, eine gemeinsame Basis für die Republikaner zur Vertiefung der Probleme der Deutschen Republik und für die politische Auswirkung der republi­fanischen Bewegung in Deutschland   zu schaffen.... Die Reichs­bannerleute und alle entschiedenen Republikaner von Konstanz   bis Königsberg   werden uns hören und ihre Scharen bereitwillig erneut dem Dienste an der Deutschen Republik zuführen."

Notstandsarbeiten.

Mitwirkung der Reichsarbeitsverwaltung. Förderung der Ausfuhr und des Wohnungsbaues sieht die Reichs­Neben der Erteilung von Aufträgen an die Industrie und der regierung, wie amtlich mitgeteilt wird, in ihrem Arbeitsbeschaf in der Bevölkerung hervorgerufen. Im Hinblick auf die Tat und die führung von Notstandsarbeiten hinzuwirken, die sich Tiefgehende Erregung hat die Mordangelegenheit Selling fungsprogramm vor, auch fünftig auf die verstärkte Durch Begleitumstände des Falles erscheint dies verständlich. Immer hin ist es notwendig, Ruhe und Besonnenheit zu bewahren und die Arbeitern eignen. Die Besoldung dieser Arbeiten ergibt ſich in besonderem Maße für die Beschäftigung von ungelernten Dinge so anzusehen, wie sie in Wirklichkeit liegen. Das Berfahren daraus, daß allein die Reichsarbeitsverwaltung in den Monaten dem nicht über schuldig oder unschuldig irgendeiner Person genehmungen mit einem Gesamtaufwand von 28 Millionen Mark, befindet sich zurzeit im Stadium der gerichtlichen Untersuchung, in April, Mai und Juni der Ausführung oder Fortführung von Unter­urteilt, sondern lediglich das Beweismaterial ermittelt wird, auf von denen 22 Millionen auf die Mittel der Erwerbslosenfürsorge Grund dessen die Entscheidung zu erheben hat, ob gegen eine be- entfallen, zugestimmt hat. Von diesen Arbeiten verdienen beson­stimmte Person die Anklage zu erheben ist oder nicht. deres Interesse: in Preußen umfangreiche Straßenbauten, Hafen­erweiterungsbauten und Regulierungsarbeiten, sowie Fortsetzung des Kanalbaues Rampe- Dörpen  ; in Bayern   der Bau einer Bahn Biehpach- Gleibach, großzügige Graberschließungsarbeiten an der mittleren 3far und die Regulierung des Inn   zwischen Ampfing  und Ehrharting, in Sachsen   Regulierung der Elster und Bau einer Talsperre bei Welterswiese, in Thüringen   und Hildburg­ hausen   größere Meliorationsarbeiten, in Hessen   die Fortführung der Riebentwässerung, in Oldenburg   die Fortsetzung des Ka­

Der Schwerpunkt des Untersuchungsverfahrens liegt bei dem Gericht, d. h. derjenigen Instanz, die von dem Gesetz mit allen Garantien umgeben ist, um eine unparteiische und rein fachliche Wahrheitsfindung zu ermöglichen. Insbesondere ent scheidet das Gericht über die Festnahme von Personen auf Grund der vorliegenden Verdachtsmomente. Die Polizeibehörde ist im wesentlichen nur insofern beteiligt, als sie den Gerichtsorganen zur Durchführung der Ermittlungen zur Seite steht. Im Interesse der Sache ist es aus begreiflichen Gründen unmögnalbaues Rampe- Webelsberg. lich, die Deffentlichkeit über die vorliegenden Berdachtsmomente zu unterrichten. Unter diesen Um ständen kann an den besonnenen Teil der Bevölkerung nur die dringende Bitte gerichtet werden, das Ergebnis der Untersuchung abzuwarten. Politische Momente sind in der Angelegenheit, soweit sich dies bis jeßt übersehen läßt, nicht hervorgetreten."

Diese Unternehmungen stellen nur einen fleinen Ausschnitt aus dem Gesamtprogramm der Notstandsarbeiten dar, denn die Mit­wirkung der Reichsarbeitsverwaltung bei der Anerkennung von Notstandsarbeiten ist, wie es in der amtlichen Verlautbarung weiter heißt, auf die Projekte beschränkt, bei denen die Beihilfe aus den Mitteln der Erwerbslosenfürsorge den Betrag von 200 000 m. über­Die Erklärung der Magdeburger   Polizei ist vollkommen steigt. Die Anerkennung der weitaus zahlreicheren fleineren Unters nichts jagend. Sie geht weder auf die schweren Anschuldigunnehmungen ift, auch soweit Reichsmittel in Anspruch genommen gen ein, die in der Deffentlichkeit gegen sie erhoben worden sind, werden sollen, den obersten Landesbehörden oder nachgeordneten noch hält sie es für nötig, die Deffentlichkeit über den wahren Stellen überlassen. Der Umfang dieser Arbeiten ist zurzeit nicht au Stand der Mordangelegenheit Helling zu unterrichten. In dieser übersehen.. Stellungnahme der Magdeburger   Polizeibehörde liegt eine Ueber­heblichkeit und eine Brüskierung der Oeffentlichkeit, die manches verständlich macht. Es wird höchste Zeit, daß das preußische Innenministerium in Magdeburg   gründlich nach dem Rechten sieht.

Ein Sammelruf von Wirth. Größere republikanische Aktivität.

Schwarz- Rot- Gold errichtet auf dem Hohenstein, dem schönsten Ehrenmal Ebert, Rathenau  , Erzberger  . Das Reichsbanner Naturpart des rheinisch- westfälischen Industriegebiets, ben drei großen Republikanern Ebert, Rathenau und Erzberget ein Ehrenmal. Die Einweihung findet am 8. August statt.

Die Studentenwahlen in Heidelberg   brachten den Lints gruppen einen großen Erfolg. Bei etwa 30 Proz. Wahl beteiligung erhielten sie 12 Sige, während sie bei den letzten Der ehemalige Reichskanzler Wirth erläßt im Berliner   Tage- Wahlen nur 8 von 22 erhalten haben. Besonders start sind die blatt" einen Aufruf an alle entschiedenen deutschen   pöltischen Stimmen zurückgegangen. Auf der gemeinsamen re Republifaner" zur Schaffung einer fe ft en republi- publikanischen Liste kandidierten u. a. ein Sohn des badischen Finanz ta nischen Union". Fünfzehn bis achtzehn Millionen deutsche ministers Köhler und eine Tochter des Reichsbankpräsidenten Wähler und Wählerinnen, erklärt Dr. Wirth, find für die Fragen Schacht. des Voltsstaates und des Volkswohls in Bewegung zu bringen, wenn führende Republikaner   einigermaßen miteinander die Lage besprechen, Ziele und Wege festlegen. Die Voraussetzung dafür, daß eine solche Fühlungnahme möglich ist, liegt ausschließlich bei der Linken. Die Sozialdemokratie steht also wieder, wie in vergangenen Jahrzehnten, vor der Frage unbeweglicher Oppofition zu Klaffen staat und Klaffengesellschaft oder Einsetzung des Staatsbewußtseins der Arbeiter und Ermedung ihres Ginnes für die realen Zeit aufgaben und die zu ihrer Durchführung erforderliche Taftit."

Unter Berufung auf Ludwig Frant verlangt Dr. Wirth von der Sozialdemokratie die lettere Lösung. Zum Schluß verkündet er, daß er im tommenden Spätjahr mit einigen Freunden- er nennt den Genoffen Paul Löbe   und den Führer der Demo­

Dem fowjetruffischen Finanzkommiffar Sofolnikow hat der amerikanische   Staatsjefretär des Innern das Betreten der Bereinig ten Staaten verboten. Sokolnikow   wollte nach New York   kommen, um Kreditverhandlungen für Rußland   zu eröffnen.

Das Urteil gegen den Ungarn   Bijnn. Der wegen provokatori­scher Tätigkeit angeflagte Ungar Karl Bijnn würde nach einer Mel­bung der Telegraphenagentur der Sowjetunion   vom Obersten Ge­ richtshof   in Mestau zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Außerdem wurde die Konfistation seines Eigentums verfügt.

Für einen neuen polnischen Zolltarif haben in Warschau   die Borarbeiten begonnen.

Der neue italienische Gesandte in Wien  , Auriti, hat dem öster reichischen Gesandten sein Beglaubigungsschreiben überreicht.

Durch das lichte Feuer eines schönen Morgens wanderte er weiter, und mit den singenden Vögeln stieg auch fein Lobgesang it. den Himmel und suchte den unsichtbaren Mond, den großen Meister, aller nächtlichen Dinge.

Und diese Nacht verfolgte er die Lichtbahn des Mondes. Weit zurüd lag die kleine Stadt mit der Herberge am Fuße des Berges, den das Schloß betrönte. Ausgelöscht und vergessen waren die blizenden Fenster der kleinen Häufer, sehr weit zurüd lag auch und verfunten im Ueberfluß des weißen Lichts der große rauschende Part am Rande der Stadt. Aber die Felder, Wiesen und Wälder ver fanten nicht. Sie schleiften, als seien fie unlösbar mit dem Monde verknüpft, läffig über der Erbe und waren wie der einfame Wan  - internationaler Hochschulfurfus in Wien   abgehalten, zu dem als Vor­derer auf der Wanderschaft.

In diesen Sommernächten beginnt oft über die schweigenden Felder und Wiesen Musik zu tönen, die jenseits der irdischen Ton leiter flingt und fingt. Die leichten Winde berühren die Gräfer und Blumen, und der Rhythmus ihrer Bewegung und der Duft ihrer Art vereinigt sich zu einem sanften Schleifen. Dunkle und schwermütige Stimmen fommen aus der Erde, aus den Quellen, aus dem ewigen Zusammenfließen des Wassers, aus dem faftfeufzenden Gewirr der Wurzeln. Heller Silberschrei springt ganz tief empor, wo sich die Kristalle bauen. Der machtvollste Ton aber der Sommernachts­fymphonie bricht aus dem Atemholen aller Dinge, aus den Feldern, den Wiesen, den Wäldern, aus der Nachtkühle und dem Flüftergange fern treifende: Sterne. Der Sommermond ist ganz fühl und tonlos, und doch ist es, als fei er der Meister allein, der in dieser verzauberten Nacht alle Stimmen, Schrete, Rufe, Seufzer und Geständnisse weckt und fühl und klar zusammenfügt und ordnet. Auch Wagner, der Mann von den eisernen Maschinen, hörte diese nächtliche Musif. Auch sein Herz füllten diese ungeheuerlichen Stim men aus. Am Rande einer großen Stadt war er aufgewachsen. Die Fabriken umlärmten schon seine frühesten Jahre. Die Maschinen und die Not der armen Leute hatten die filberhellen Märchen von den Elfen und von den Waldgeistern überschrien und zu Tode gespottet. In der großen Stadt müssen alle Kindermärchen sterben, und das andere Märchen vom elektrischen Singfang der Technik und von der Berzauberung der Materie durch die Arbeit fennen die wenigsten Menschen. Auch Wagner fannte dieses Märchen noch nicht.

Aber in jener Nacht, als er dem Monde nachlief und seine Ber­zauberung erlebte und die trunkenen Wälder und die unendlichen, lichterfüllten Felder sah und in den Duftwollen weiter Wiesen stand, da sah und erlebte er, der als Kind kein Märchen glauben fonnte, doch mit innerlichen Augen das geisterhafte Bolt uralter Träume. Und so wanderte er weiter durch die Nacht, erfüllt von der Musik der Landschaften. Das wußte er ganz genau: die großen Städte ver­ändern das Angesicht der Welt, aber daß auch das Herz der Welt glücklicher schlage und nicht nur in hellen Mondnächten wundervoll pulfiere, darum also müssen sich auch die großen Städte verändern. Solche Dinge dachte der junge Wanderer unter dem weißen, vollen Mond. Und als er alles zu Ende gedacht hatte, da tam die Müdigkeit und füllte sein Herz aus. Immer noch rollte der weiße Mond, immer noch gludsten felige Gewässer, immer noch schleiften die Winde, aber Wagner hörte nichts mehr von jener Mufit. Traum­los verfchlief er die letzten Stunden zum hellen Tag.

Internationale Hochschulfurse. Unter dem Protettorat des öster­ reichischen   Bundespräsidenten wird vom 6. bis 25. September cin tragende neben hervorragenden österreichischen Gelehrten und Staats­männern wie Staatsfanzler Dr. Karl Renner  , Prof. Dr. Mises, Minister Prof. Dr. von Wieser, Sektionschef Dr. Schüller eine Reihe deutscher, englischer und franzöfifcher Vortragender ersten Ranges Geheimrat Lujo Brentano  ( Arbeitsleiftung); Prof. Dr. Göß Briefs, gewonnen worden sind. Bon deutschen Bortragenden feien genannt: Berlin  ( Modernes Proletariat); Prof. Dr. Edert, Köln  ( Handels politik); Prof. Dr. Alfred Manes  , Alfred Manes  , Berlin  ( Sozialversiche rung); Reichsbantpräsident Dr. Schacht( Währungsstabilisierung); Prof. Dr. Oppenheim, Frankfurt   a. M.( Der Staat); Prof. Dr. Weber, Heidelberg  ( Produktionspolitif). Aus England tommen die Professoren Wallas, Gregory und Mc. Gregor, aus Frankreich  Caillaug, der über französische   Finanzen sowie über französische  Wirtschaft und europäische Wirtschaft sprechen wird.

Monologe als Kunstformen. Einen der größten Erfolge der englischen Theatersaison sicherte sich Ruth Draper   mit einer nicht ganz gewöhnlichen Form der Vortragsfunft, nämlich mit fleinen, als Monologe gespielten Szenen. Ruth Draper   schreibt sich selbst ihre Stizzen, mit denen sie das breite Bublifum begeistert. Sie sellschaft in Amerika  , bei der sich die Zuschauer zuerst mit einem gewissen Erschreden bewußt werden, wie albern sich die Erwachsenen in Gegenwart von Kindern benehmen. Sie spielt auch drei Frauen, drei Emigrantinnen von Ellis Island  ; eine ihrer erfolgreichsten Stiz­zen find Sechs Personen in einer Kirche in Florenz  ", in der die Charakteristik der Typen so großartig durchgeführt ist, daß die Zu­schauer meinen, die dargestellte Szene vor sich zu sehen. Ruth Draper   geht in ihrer Kunst von der Behauptung aus, daß die Jede Kunstbarbietung wird dem Menschen in einer fo fertigen Form Phantasie in dem heutigen Leben eine viel zu fleine Rolle spielt. gebracht, daß wenig Spielraum für die Phantafie übrig bleibt. Gie will gegen die Ueberfütterung der Phantasie, die jetzt schon in frühe­fter Kindheit einsett, anfämpfen und glaubt, daß der große Erfolg ihres Auftretens in England auf den Wunsch des Zuschauers nach Beteiligung seiner eigenen Phantasie zurückzuführen ist.

Eine außerordentliche Profeffur für Luftfahrwefen wird jekt an der Technischen Hochschule   in Berlin- Charlottenburg   errichtet. Vom 1. Oftober Professor. ab übernimmt fie Dr. ing. Madelung als planmäßiger außerordentlicher

Ein Ausschreiben der van't Hoff- Stiftung. Die von dem großen holländischen Chemiter van't Hoff gegründete Etiftung, die ihren Sit in Amsterdam   hat und deren Verwaltung bei der dortiger Alademie der Bissenschaften ruht, stellt für das nächste Jahr etwa 1200 houändische Gulden Berfügung. Bewerbungen find an das Büro der Alademie bis aunt für Forscher auf dem Gebiete der reinen oder angewandten Chemie zur

1. November 1926 einzureichen.