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Mittwoch

21. Juli 1926

Unterhaltung und Wissen

Ein ungleiches Gespann.

Autorisierte Uebersetzung aus dem Tschechischen von A. Berchtold. Seit diesem Augenblick gehorchte er ihr willig aufs Wort, als wenn es sich so von selbst verstände. Er fand in ihr Mutter und Schwester und vor allem ein ordentliches Frauenzimmer, welches sich seiner nicht schämte. Solange er mit dem Ringelspiel herum­zog, wollte kein Mädchen mit ihm Freundschaft schließen, er durfte sie nur von weiten anschwärmen, auch andere Menschen ließen ihn fühlen, daß sie mit solchem Zigeunerpac feinen vertrauten Um­gang pflegen wollen. Agnes aber, seit dem Tage, als sie ihm ver­sprach, für ihn zu sorgen, verkehrte zutraulich mit ihm und war augenscheinlich stolz darauf, daß es ihr gelungen war, etwas aus ihm zu machen. Er wurde vorerst Feldarbeiter um billigen Lohn, schließlich brachte er es auf mühseliges Betreiben der Agnes zum Fuhrmann, der mit einem Pferde für den Wirt die Bierfäffer vom und zum Brauhause beförderte.

Aber diese schöne Stellung dauerte nur die drei Wintermontate hindurch. Einmal fügte der Franzi dem Wirt durch seine einge­borene Unbedachtsamkeit einen Schaden zu, worauf ihn der Wirt auf der Stelle entließ und ihm schreiend vorwarf, daß er sich von den Zigeunern nur durch seinen strohgelben Kopf und die aufge­legte Dummheit unterscheide.

So stand also der Franzi wieder erniedrigt und flagend im Winkel bei der Stalltür und Agnes half ihm diesmal auf wunderlich entschlossene Art,

Weine nicht," sagte sie in beinahe befehlendem Tone, ihn fest bei der Hand packend. Du gehst nicht allein von hier, ich gehe mit dir."

Er fonnte nicht gleich begreifen. Ihr gegenseitiges Berhältnis mar fo eigentümlich, er wußte wohl, daß fie ihn immer beschützt hatte, aber von irgendeiner möglichen Vereinigung hatte fie nie­mals gesprochen und ihm war sie nie in den Sinn gefommen.

Wohin denn?" flüsterte er verwirrt, sie so ergeben anblickend wie ein Kind seine treue Mutter.

Wir gehen zu meiner Mutter in unser Häuschen," sagte sie mit etwas befangener Stimme ,,, wir werden schnell alles erledigen, da­mit wir baldigst verkündet und getraut werden und denn so Gott will werden wir uns schon auf irgendeine Weise ernähren. Der Mensch muß einen Mut haben und darf sich nicht von jedermann unter die Füße treten lassen!"

Bird mich deine Mutter nicht schlecht aufnehmen?" stammelte Franzi, in diesem ernsten Augenblick ängstlich.

Warum sollte sie uns schlecht aufnehmen?" fragte Agnes ruhig. Ich habe mich zu ihr immer wie eine brave Tochter benommen, jede verdiente Krone, die mir übrig blieb, ihr überlaffen und jetzt, menn ich im Tagelohn arbeiten werde, will ich sie auch nicht im Stiche laffen und du wirst ihr auch in feiner Weise nahetreten, nicht wahr?"

,, Gott behüte," versprach der Franzi und beiden schien es, als Job sie von diesem Augenblide an miteinander vereint der Welt Trotz bieten könnten. Es bedrückte sie nur die einzige Sorge, von wo ranzi seinen Taufschein und die anderen nötigen Papiere herbei chaffen solle, aber es gelang ihm mit Hilfe der Agnes, auch diese Schwierigkeit zu überwinden.

Die weiten fürstlichen Felder ernährten die Eheleute Tobias samt der Mutter, solange diese am Leben war. Im Sommer suchten alle drei Schwämme und Waldbeeren, im Frühling kauften sie vom Heger trocken gewordene Bäume, fällten sic, und arbeiteten daran das ganze Jahr. Manchmal vor Morgendämmerung oder zur Mittagszeit, wenn sie fast sicher waren, feinem Heger zu begegnen, jällten fie auch leichten Gewissens einen im Didicht verborgenen ganz gesunden Baum, in der Meinung, dem Fürsten dadurch nicht viel Unrecht zu tun. Das Holz führte Franzi immer auf einem Karren in eines der nächsten Städtchen, um es dort zu verkaufen. Außer der einen guten Meltziege hielt sich das Ehepaar Kaninchen, Hühner und Tauben zu ihrem Vergnügen", wie Frau Tobias sagte, da ihr das Schicksal Kindersegen versagt hatte, denn etwas Lustiges müsse im Hause sein. Ueber ihren Franzi, mit dem sie die Leute manchmal in der ersten Zeit etwas nedten, weil er mit seinem bartlosen Kinne eher den Eindruck ihres Sohnes machte, hatte sich die Frau kaum zu beklagen. Sie erkannte wohl einige seiner Fehler, bemühte sich jedoch, diese möglichst zu verheimlichen. Tobias liebte es nämlich gar zu gern, sich im Walde wie ein Schulfnabe unter einen Baum zu legen und hinaufblickend den Böglein auf den Aeften nachzuahmen. Er verstand es auch trefflich, die Stimmen anderer Tiere wieder­zugeben. Er miaute wie eine Raze, pfiff wie eine Maus, ahmte ein Froschkonzert nach und zwitscherte wie irgendein Vogel. Kaum er sich auf die Bank in der Stube setzte, ergriff er auch schon die Harmonika, welche ihm seine Frau bald nach der Hochzeit von ihren Ersparnissen gekauft hatte. Auch verschiedene Märchen und Anet­doten konnte Tobias zum Vergnügen seiner Zuhörer erzählen.

Auf diese Art mußte Frau Tobias fast die ganze Last der Arbeit auf ihre eigenen Schultern nehmen, sie stand jahraus jahrein vor Tagesanbruch auf, ihre Hände waren schwielig und rauh geworden durch das Holzhacken, denn ihr Mann liebte es nicht, die Art in die Hand zu nehmen, höchstens daß er ein bißchen mit der Säge hantierte!

Die Agnes ermahnte ihn fast immer vergeblich, schroff fonnte fie ihm wohl nie begegnen, wenn er seine blauen treuherzigen Augen auf sie richtete. Schließlich war auch Frau Tobias fest überzeugt, daß ihr Mann gegen die anderen bartstoppeligen und runzeligen Männer geradezu eine Schönheit sei, trotzdem es andere Menschen

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Das Franken- Problem.

Dem Franken geht es von Tag zu Tag besser und

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Die erste Sitzung des Kabinetts Herriot war eine spirififtifche. Man bemühte fich, für die Rettung des Franken den Geist des vor kurzem abgeschiedenen Coué zu zifieren.

nicht anerkennen wollten. Er war ihr auch treu, tein Kartenspieier und Wirtshausgänger, im Traume wäre es ihm nicht eingefallen, fie zu schlagen, warum hätte sie ihn also nicht schäzen sollen? Und dann hatte Frau Tobias beim Altar schon als alternde Braut den ernsten heiligen Vorsatz gefaßt, alles Gute und auch alles Böse mit ihrem Manne geduldig zu tragen. Sie hätte es verstanden, gegen jedes andere unzufriedene Weib diesen Grundsatz zu verteidigen!

Wenn der Frau Tobias etwas Schönes träumte, war in diesem Traume stets ihr glattwangiger gelockter Mann und deshalb fing es an sie zu fränten, wenn er ihr manchmal mit glücklichem Gefichte erzählte, daß es ihm vom Ringelspiel und den Holzpferdchen ge­träumt hätte, denn sie fühlte in dieser seiner Erinnerung etwas Er­niedrigendes im Vergleiche zu seinem jezigen besseren Lose!

anerkannte, war in Franzis Seele doch ein gutes Stück Liebe für Trotz der Besserung in seinen Verhältnissen, die er dankbar feine frühere Tätigkeit hängen geblieben.

Die erste Arbeit, zu welcher ihn sein Onkel angehalten hatte, war das Antreiben des Ringelspieles, wenn man mit den Heller passagieren nach Paris reiten sollte. Sobald der Onkel in dem tonernen Topfe am Leierkasten mehr als zwanzig Heller einge sammelt hatte, spuckte er sich in die Hände, tätschelte dem nächsten Pferdchen auf den Hals, dann stieß es von rückwärts mit aller Kraft auf den Ballen und lief eine Weile mit. Franzi machte es ihm tapfer nach und seine Brust erfüllte das Bewußtsein einer freudigen männlichen Tat. Die Pferde hatten nicht nur ihre eigenen Namen wie zum Beispiel: Hansi, Schimmel, Mohr, Lutas, sondern sie hatten auch nach Franzis Meinung Seelen. In manchen seiner Träume sprachen sie gleich Menschen und erzählten viele interessante, unvergeßliche Dinge.

Eines Morgens wußte Tobias seiner Frau zu erzählen, wie es ihm geträumt habe, daß sein Pferdchen Ferda" ihm geholfen hätte, seine Holzbündel mit dem Karren in die Stadt zu ziehen. Auf dem Wege dahin hatten sie sich verschiedenes erzählt. Es tat mir leid als ich aufwachte, daß es nur ein Traum war," endete Tobias mit einem Seufzer seine Erzählung.

Aber geh, alter Träumer! Besser wär's freilich, wenn wir ein wirkliches Pferd hätten, um uns das Holz bis nach Prag zu ziehen, wo man mehr Geld dafür bekäme," meinte Frau Tobias, während fie den Frühstücstaffee in zwei Töpfchen goß. In einer solchen Morgenstunde, wo das duftende Frühstück auf dem Tische stand, fühlte Franzi am besten die wohltuende bürgerliche Ordnung, an welche ihn seine Frau se gern gewöhnt hatte. Die letzten Worte der Frau hatten ihn freudig überrascht, seine Wangen wurden flammig rot und er sprang schnell wie ein Hirsch von seinem Lager auf, ohne der gewohnten süßen Trägheit und ohne vorläufig den

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Beilage

des Vorwärts

Kaffee zu tosten. Die freudige Erkenntnis, daß seine Frau etwas aussprach, was er längst ersehnt hatte, ohne seinen Wunsch in Worte fleiden zu können, erweckte in ihm ungewöhnliche Begeisterung.

" Ja, ja, ein Pferd haben, so einen lebendigen Ferda," rief er aus, das wär ein anderes Leben! Dein Bürgermeister fäme mir dann gleich!"

Durch seine große Freude riß er auch sein Weib mit. Sie begann nachzudenken, daß sie die fünfhundert Kronen, welche fie zur Mästung eines Schweines aufgespart hatte, zum Ankauf eines Pferdes verwenden könnte. Der Frühling stand vor der Tür, er wies dem Menschen den Weg zu fühnen Taten!

( Fortsetzung folgt.)

Bismarck und die Republik .

Bon Dr. Karl Walter.

Es entbehrt nicht eines gewiffen Humors, wenn mir sehen, mie nicht nur der alte Friz, sondern auch Bismard von den monarchisti­schen Rechtsparteien zu Propagandazweden auf den Schild gehoben wird. Am legten Geburtstage des Altreichstanzlers" zogen die raterländischen Wehrverbände in Hamburg mit Fockeln zum Bismarddentmal auf die Elbhöhe, der Stahlhelm", der Wehr­wolf", die Dinmpia", ferner der Kyffhäuserbund", der Deutsche Offizierbund", die Deutschvölkischen, die Deutschnationalen und auch die Deutsche Volkspartei .

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Hat sich Friedrich II. als geborener König oft verächtlich gegen die Fürsten und sympathisch für die Republik ausgesprochen, jo tat das auch Bismard, jedoch als Diener" vorsichtiger. Aber er mar der glänzende Opportunist", wie er oft genannt wurde, der rücksichtslose Realpolitiker, der es verstanden haben würde, fich auf die neue Herrschaft" umzustellen. Sehen wir uns in diesem Sinne in seinen Schriften um!

In den letzten Jahren seit der Veröffentlichung des drition Bandes von Bismards Erinnerungen"( 1919) ist über seine im Grunde republikanische Gesinnung sehr viel durchgefickert. An der Spize des ersten Bandes der Erinnerungen" steht das Geständnis, daß er die Schule verließ, wenn nicht als Republikaner, so doch mit der Ueberzeugung, daß die Republik die vernünftigste Staats­form sei und mit Nachdenken über die Ursachen, welche Millionen von Menschen dazu bestimmen fönnten, Einem dauernd zu ge horchen, während ich von Erwachsenen manche bittere oder gering­schäßige Kritik über die Herrscher hören konnte."

Dann machte Bismarck bei drei Kaisern, besonders bei dem letzten seine Erfahrungen, und er bereute fast, wie er im legten Bande seiner Erinnerungen" sagt, daß er die Monarchie( ob von Gottes Gnaden oder nicht) in den Sattel gesetzt habe. Schon den Kaisern Wilhelm I. und Friedrich III. , deren Thron er gezimmert hatte, sagte er gelegentliche Abweichungen von der landläufigen Salbung" nach. Weiter heißt er: Boltsvertretungen habe ich seit Einschätzung der praktischen Wirkung föniglicher Geburt und vierzig Jahren viele kommen und gehen sehen und hielt sie für meniger schädlich für unsere Gesamtentwicklung, als monarchische Irrtümer es werden konnten". Auch sonst bringt der dritte Band noch viele vernichtende Anklagen gegen den Grundsaz der erblichen Monarchie.

Monarchie stand, erfuhren wir ein Jahr nach der Herausgabe der Wie hoch Bismard mit verächtlichem Achselzucken über der Erinnerungen" auch aus einem englischen Buch. Danach hat fich Bismard am 17. Juni 1878, zwei Wochen nach Nobilings Attentat auf Wilhelm I. , um deffentwillen er den Reichstag auflöſte und das Sozialistengesez durchdrückte, sehr abfällig über seinen geliebten Kaiser geäußert und zwar zu dem Ministerpräsidenten einer fremden auf dem Berliner Kongreß( 1878). Wir lesen das in der Biographie Großmacht, zu Lord Beaconsfield ( Disraeli ) als Vertreter Englands des großen englischen Staatsmannes Disraeli von Monypenny und Buckle, deren letzter Band im Jahre 1920 erschienen ist. Beaconsfield , ein getaufter, als Staatsmann von Bismard sehr bewunderter Jude, der zugleich als Romandichter glänzte, nahm an einem offiziellen Diner bei Bismard teil und schrieb darüber seiner Dinge, die er nicht erwähnen sollte. Er warnte mich eindringlich, Königin: Ich saß zur Rechten Bismards und konnte seinen Rabelais'schen Monologen lauschen. Endlose Enthüllungen über nicht, wie das Bolt glaubt, auf den franzöfifchen Krieg zurückzu­niemals Fürsten oder Höflingen zu trauen, seine Krankheit märe führen, sondern auf das entsetzliche Betragen seines Souveräns usw. die föniglichen Briefe, die ihn nach all den Diensten die er geleistet, In den Archiven seiner Familie lägen die Dokumente, anklagten, ein Verräter zu sein

Wer diesen Angaben nicht traut, der höre, was der bekannte russische Staatsmann Schumalom dem Erzherzog Albrecht , dem Sieger von Cuftozza, im Jahre 1873 im Gespräche mitgeteilt hat. ichen Kaiser Franz Joseph schlummerte bisher im Archiv und wurde am 1. März 1925 von der Voss. 3tg." veröffentlicht. Schumalom war Bismarcks Tischgast gewesen. Da heißt es u. a.: Bismard schimpfte über den König, sagte, daß mit dem alten Preußen nichts anzufangen, daß er deshalb nicht habe bleiben wollen usw. Endlich tat er die Aeußerung: J'ai conduit un bâtiment avec trop de voiles et trop peu de lest, il faut diminuer les voiles et augmenter le lest. Schumalom bat um Aufklärung und erhielt sie; die voiles waren die Fürsten , le lest die liberalen Institutionen. Schumalow glaubte, daß Bismard am Größenwahnsinn laboriere. und де schmeichelt von radikalen Speichelleckern bis zur Republit

Der Geheimbericht darüber, an seinen Better, den letzten österreiάi­

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ich noch. Schumalom glaubte, daß er den Nachfolger für ganz zu bringen wäre. Er machte ihm die Aeußerung: Dem Alten diene andere 3wede- Erhebung der deutschen Nation und Zerstörung Breußens ausnügen werde. Darüber seien alle Altpreußen, alle tortigen Konservativen einig. In Ems sprach die Umgebung Kaiser Wilhelms mit größter Besorgnis von dessen Tode und dem, was nachfolgen würde. Unter ihnen herrschte eine wahre Panit

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Zu Alexander Meyer, dem fortschrittlichen Führer, äußerte sich Bismard im Jahre 1889 in Kissingen sehr abfällig über den jungen feiner republikanischen Tendenzen immer bekämpft, stehe aber jetzt Kaiser Wilhelm II. und fuhr dann fort, er habe den Freifinn wegen zur Republik anders wie früher. Ein deutscher Monarch, der auf

FRITZI MASSARY

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kommt und siegt!