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Abendausgabe

Nr. 36943. Jahrgang

= Vorwärts

Ausgabe B Nr. 182

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Dolksblatt

10 Pfennig

Sonnabend

7. August 1926

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

Das deutsch - französische Provisorium.

Der endgültige Vertrag soll nunmehr beschleunigt zustandekommen.

Abbau von Volksrechten.

Sind die Reichsbahnbediensteten noch gleichberechtigt? Der Reichsbahndirektor Dr. Fromm veröffentlicht in dem amtlichen Nachrichtenblatt der Deutschen Reichsbahn­Zu dem deutsch - französischen Handelsprovisorium erfahren| ben Staaten das Feld der privaten Initiative, d. h. gesellschaft über das Petitionsrecht der im Reichsbahnbetriebe stehenden Bediensteten eine Arbeit, die keinesfalls unwider­wir, daß nunmehr die Berhandlungen über die Schaffung den privaten Abmachungen zwischen den Großindustriellen, übersprochen bleiben darf. Sie ist sicher die offizielle An­eines endgültigen Bertrages mit verstärktem Nachdruck lassen hat und sogar noch weiterhin überläßt, indem sicht der Reichsbahngesellschaft, die ja auch dem aufgenommen werden sollen. Die deutsche Regierung glaubt, da sie nämlich die chemische Großindustrie Deutschlands nunmehr dazu Reichsverkehrsminister mitgeteilt wurde, und verdient darum nunmehr eine Berständigung zwischen der deutschen aufgefordert hat, möglichst bald ihrerseits die Verhandlungen mit besondere Beachtung. und der französischen Schwerindustrie zustandege der chemischen Industrie Frankreichs fortzusetzen und einen Abschluß kommen ist, die weiteren strittigen Punkte mit größter Be zu erzielen! schleunigung flären zu sollen, um so mehr, als man mit einer Stabilisierung des französischen Franken in absehbarer Zeit wird rechnen fönnen und es damit die höchste Zeit geworden ist, bevor sich die Deflationsschwierigkeiten in der französischen Industrie geltend machen, eine Regelung der deutsch - franzöfifchen Handelsbeziehungen

herbeizuführen.

Auch wird der neue französische 3olltarif in ab­sehbarer Zeit dem Barlament vorgelegt werden und nach der An­nahme dieses Tarifes läßt sich dann genau übersehen, welche For­derungen auf 3ollermäßigungen Deutschland zu stellen haben wird| und welche Bedeutung die französischen Zugeständnisse auf längere Sicht gesehen haben werden. Es ist bemerkenswert genug, daß die deutsche Regierung vor einer endgültigen Regelung zwischen

Kölling plötzlich in Urlaub.

Die Sache interessiert ihn nicht mehr! Magdeburg . 7. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Am Toners. tag abend wurde amtlich mitgeteilt, daß der Schröder eingefianden hat den Buchhalter Helling aus eigenem Antriebe ermordet Su haben. Der Oberstaatsanwalt beantragte am Freitag die Saftentlaffung von Haas, Reuter und Fischer. Für den gieichen Tag wurde noch die Entlassung der fälschlich Beschuldigten erwartet, die bis zu vollen sieben Wochen im Gefäng nis sizzen. Diese Annahme erschien um so berechtigter, als der Unter­fuchungsrichter Kölling die Hildegard Göß, die mit dem Mord von Helling gewiß mehr zu tun hat als Haas, Fischer und Reuter, noch om Freitag abend auf freien Fuß seßen ließ.

Am Freitag hatte Rölling in bezug auf Haas, Fischer und Reuter noch zu feinem Entschluß tommen fönnen. Am Soun­abend ist Untersuchungsrichter Kölling gegen Mittag nur für furze Zeit im Gerichtsgebäude erschienen und war dann plöhlich ver. schwunden. Man hörte, daß er seinen Urlaub angetreten habe. Die Atten sind der Beschwerdekammer gegen 1 Uhr mittags zugegangen mit dem ablehnenden Botum. des Untersuchungs­richters Kölling. Landgerichtsdirektor Löwenthal gab auf Befragen, was mit der Haftbeschwerde werden würde, den Bescheid, daß heute ( Sonnabend) tein Beschluß der Beschwerdekammer mehr möglich sei, da die sehr umfangreichen Atten eines eingehenden Studiums bedürfen, das faum vor Sonntag abgeschlossen ist. Frühestens Sonntag abend könne ein Bescheid der Beschwerdefammer zustande tommen. Es ist aber faum damit zu rechnen, daß vor Montag über die Haftentlaffung von Haas, Fischer und Reuter entschieden wird. Durch sein Nein" in dieser Sache hat Kölling auch die letzte Mög­lichkeit beseitigt, sich in der Deffentlichkeit zu rehabilitieren.

Der Vorsitzende des Disziplinarsenats in Magdeburg . Magdeburg , 7. August. ( Eigener Drahtbericht.) Am Freitag weilte der Oberlandesgerichtspräsident Werner, als Vorsitzender des Disziplinarsenats von Naumburg in Magdeburg , um sich über den Stand des Untersuchungsverfahrens und die Berfehlungen Köllings zu unterrichten. Der Untersuchungs­richter selbst hat jetzt alle Hoffnung aufgegeben, daß es ihm noch ge lingen tönnte, eine Wendung in der Affäre künstlich herbeizuführen und der Deffentlichkeit den Beweis zu liefern, wie eng seine Neze bereits um Haas geschlungen sind". In Wirklichkeit ist er selbst das Opfer seiner Neze geworden,

Um einen internationalen Strafgerichtshof. Aussprache auf dem Wiener Juristenkongreß.- England dagegen, Frankreich dafür; Simons nicht abgeneigt. Wien , 7. Auguft.( TU.) Im Rahmen des Internationalen Juristentongreffes fanden in der Kommission zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes unter dem Borfiz des Richters am Internationalen Gericht in Rairo, Prof. Bolojani, die Beratungen statt. Es tam dabei zu lebhaften Ausein andersetzungen. Der Vorsitzende erörterte zunächst die Vorarbei. ten, die für den Antrag zur Errichtung eines Internationalen Ge­richtshofes gemacht worden waren. Der französische Delegierte, Dr. Bellot, legte der Kommission den Entwurf zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofes und dessen Statut vor. Hierauf ergriff der Engländer Sir Graham Bowell das Wort. Er sei gegen die Errichtung eines Internationalen Strafgerichts­hofes. Aus der Kriegsgeschichte aller Zeiten sei zu beweisen, daß Strafhandlungen mit dem Krieg fast regelmäßig verbunden waren. Auch in der englischen Geschichte gebe es Fälle, deren man sich heute schäme. Aber niemals hätte England darin eingewilligt, daß die Krieger, die Taten gegen Moral und Gesetz im Kriege unternommen hätten, vor ein fremdes Gerigt geftelt würden. Die deutige

Aus den Einzelheiten des Abkommens sei noch er­wähnt, daß die deutschen 3ugeständnisse für die Boll­behandlung französischer Exportwaren bei ein, bei Baum woll waren und Wollwaren tatsächlich gleich Null find, während bei Aepfein Frankreich schlechter gestellt wird, als z. B. die Schweiz und Italien sowie Amerika . Für Seide und Seiden­waren treten niedrigere Säße in Geltung, doch besteht hier die Meiftbegünstigung, so daß nach Inkrafttreten des deutsch - schweize rischen Handelsvertrages( etwa Anfang 1927) Frankreich im Bege der Meistbegünstigung auch diese niedrigeren Säge er halten wird. Für die Automobileinfuhr nach Deutsch land erhält Frankreich für die Dauer des Abkommens die Meist­begünstigung.

Armee habe eine Reihe nicht schöner Eigenschaften bewiesen, aber wenn Vorwürfe gegen sie erhoben würden, so müsse er erklären, daß er volles Vertrauen zu den deutschen Gerichten auch dann habe, wenn es sich um Verfahren gegen Ausländer handele. Die nationalen Gerichte feien geeignet, auch über Kriegshandlungen ein gerechtes nud korrektes Urteil zu fällen. Es gebe noch Richter in Berlin , und es gebe noch Richter in Leipzig . Unter lebhafter Bewegung der Anwesenden erhob sich Reichs. gerichtspräsidenten Dr. Simons, der f'ch bedankte für die Aeußerungen des Engländers. Er sei im Prinzip der Errichtung eines Internationalen Gerichtshofes nicht abgeneigt. Die Deutschen hätten feine Ursache, einem solchen Gericht entgegenzutreten, wenn dafür gesorgt werde, daß der Gerichtshof auch wirklich neu. tral sei. Der ungarische Delegierte, Prof. Dr. Paul von Auer, erklärte, daß er den Gerichtshof unter der Voraussetzung annehme, daß er über Straftaten im Kriege er st zwei Jahre nach Frie­densschluß urteile und die Richter neutral seien. Der italie. nische Strafrechtslehrer Prof. Ferri erklärte sich namens der italienischen Delegation für die Errichtung des Internatinalen Ge­richtshofes. Die Verhandlungen werden heute fortgesetzt.

Auch Poincaré ist nicht allmächtig. Er verzichtet darauf, die Ratifikation der Schulden­abkommen vom Parlament zu fordern. Paris , 7. August. ( Eigener Drahtbericht.) Alle Gruppen der Kammer, insbesondere aber die Rechte, haben sich noch am Freitag abend als unversöhnliche Gegner der Ratifitation des Schuldenabkommens gezeigt. Angesichts deffen blieb Poincaré nichts übrig, als den Rückzug anzutreten. Er ließ offiziös Tardieu und Briand als die Hauptpropagandisten für die sofortige Ratifizierung erklären und sagen, daß er seinen in der Regierungs­erklärung dargelegten Standpunkt über die Schuldenabkommen nicht geändert habe. Mit einer Ratifikation durch Kammer und Senat ist also vorläufig nicht zu rechnen.

Oberbefehlshaber Pilsudski .

Fromm zitiert den Artikel 126 der Reichsverfassung, nach dem jeder Deutsche das Recht hat, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die Bolksvertretung zu wenden. Er ge­steht dieses Recht natürlich auch den Reichsbahnbediensteten zu, meint dann aber, daß dieser Befugnis nicht den wesent­lichen staatsrechtlichen Inhalt des Petitionsrechts dar­stellt, denn sie ist an sich selbstverständlich und bedarf eigentlich Petitionsrechtes dahin, daß die Bolksvertretung die Petition feiner gesetzlichen Anerkennung". Er definiert das Wesen des in sachliche Behandlung nimmt, daß fie prüft, ob der Wunsch gerechtfertigt sei und ob und wie sie dem Betenten helfen fönnte". Dazu ist seiner Meinung nach notwendig, daß die Volfsvertretung von der Regierung über die Petition Aus­funft einziehen und durch lleberweisung der Petition an die Regierung auf diese einwirken fann". Er legt in seinen weiteren Darlegungen das Petitionsrecht so aus, daß der Reichsbahnbedienstete wohl wegen jeder allgemein­politischen oder wirtschaftlichen Frage petitionieren fönne, daß aber jede Petition wegen eines zu Unrecht er­folgten Abbaues eines Bediensteten unzulässig sei. Fromm vertennt hier vollkommen das Wesen des durch die Verfassung gewährleisteten Petitionsrechtes. Artikel 126 der Reichsverfassung befindet sich im zweiten Abschnitt der Weimarer Verfassung , der von dem Gemeinschafts­leben handelt. Daraus ergibt sich, daß das Petitionsrecht ein Recht der Volksgemeinschaft ist, aus der die Reichsbahn­bediensteten nicht einseitig herausgenommeen werden können; sie wären sonst die einzige Bevölkerungsschicht, für die ein Ar­tikel der Berfassung überhaupt nicht bestünde. Die Definition Fromms findet also in der Verfassung selbst keine Grundlage. Er zieht sich daher auf den Standpunkt zurück, daß der Reichs­tag von der Reichsregierung in dieser Frage feine Auskunft über den Sachverhalt verlangen könne und folgert dieses Un­vermögen der Reichsregierung aus der von ihm selbst erst kon­ftruierten angeblichen Tatsache. Er stellt sich auf den Stand­punkt, daß die Reichsregierung von der deutschen Reichsbahn­gesellschaft unmittelbar fein Recht habe, eine Auskunft in dieser Frage zu fordern, da sie keine Reichsverwaltung und fein Reichsbtrieb, sondern ein öffentlich- rechtlicher Betrieb mit eigener Rechts­persönlichkeit und dem Rechte der Selbstverwaltung ist. Auch folgert er aus dieser Auffassung, daß der Generaldirektor der Gesellschaft dem Reichstage nicht verantwortlich sei, als solcher weder selbst dem Reichstage Rede und Antwort stehen, noch Kommissare zu diesem Zwede entfenden könne; ebensowenig habe der Reichstag irgendeine rechtliche Hand­habe gegenüber der Gesellschaft, sie zu einer Wiedereinstellung aus dem Gesellschaftsdienste ausgeschiedener Bediensteter zu veranlassen." Er stüßt seine Meinung auf das auf dem Dawes- Gutachten hervorgegangene Reichsbahngesetz, das angeblich das Ziel verfolge, die Reichsbahnverwaltung von dem Zusammenhange mit den politischen Faktoren und damit auch mit dem Reichstage selbst zu lösen.

Diese Meinung muß als vollkommen a b megig be­zeichnet werden. Zweck des Reichseisenbahngesetzes ist es, die Reparationsverpflichtungen sicherzustellen. Wenn auch die Personalabbauverordnung, diese aber nur in der Frage des Abbaues selbst, die Rechte der Be­amten vorübergehend suspendierte, so muß festgestellt werden, daß es sich hierbei lediglich um Rechte aus Artikel 129 der Reichsverfassung, der die wohlerworbenen Rechte der Beamten garantiert, handelt, daß aber keinesfalls Artikel 126, der das Petitionsrecht allgemein gewährleistet, dadurch in irgendeiner Form berührt worden ist.

Warschau , 7. August. ( WTB.) Die Verordnung des Staats­präsidenten, die die Neuordnung der obersten Kom­mando stellen im polnischen Heer regelt, ist erschienen. Oberster Kriegsherr der polnischen Republik ist verfassungs­gemäß der Staatspräsident. Oberbefehlshaber der Armee im Kriege ist der neu zu ernennende Generalinspet. teur des Heeres. Im Frieden sind dem Generalinspet teur, der gleichzeitig stellvertretender Kriegsminister ist. unmittelbar unterstellt der Generalstab mit dem Chef des Generalstabs an der Spize, und die Armeeinspettoren mit den ihnen zugeteilten Offizieren. Dem Generalinspekteur des Heeres liegt die Ausarbeitung und Kontrolle aller Mobil machungs- und Operationsarbeiten sowie die Berbahnverwaltung nur der Treuhänder für die im Besize teidigungserweiterung im Falle eines friegerischen Zu­fammenstoßes ob.

Wie Kurier Warszawft erfährt, soll die Ernennung des Mar­Schalls Pilsudski zum Generalinipetteur des Heeres schon in den nächsten Tagen erfolgen.

Zweifellos hat der Reichstag nicht nur im Verfolg einer Betition, sondern ebenso aus eigener Initiative das Recht, bei einem Reichsunternehmen, selbst wenn es in der Form einer öffentlich- rechtlichen Körperschaft be= trieben wird, nach dem Rechten zu sehen, da die Reichs­des Reiches verbliebene Reichsbahn geworden ist. Der Stand­punkt, als wenn durch die Uebertragung des Betriebsrechtes an die Gesellschaft für die ganze Dauer des Vertragsverhält nisses im Wege der Interpretation verfassungsmäßig ge­währleistete Rechte beeinträchtigt oder ganz und gar voll­tommen aufgehoben werden sollten, ist vollkommen unhaltbar. Außerdem ist selbstverständlich auch der Wille des Gesetz­Diese Beschlüsse haben in erster Linie den 3wed, den tatsäch gebers bei der Verabschiedung des Reichseisenbahngesetzes maz­lichen obersten Heerführer die möglichste Unabhängigkeit von Re- gebend. Der damalige Reichsverkehrsminister Deser hat bei gierungs- und Parlamentekontrollen zu sichern. Die Befugnisse des der Beratung des Gesetzes im Reichstag ausdrücklich darauf Staatspräsidenten als Obersten Chef der Wehrmacht werden dadurch hingewiesen, daß ein vertrauensvolles Verhält= noch mehr als bisher zu beforatipen Vorrechten. Die Befugnis zwischen dem Personal und der Verwaltung erforderlich niffe über alle wichtigen Personalfragen und des Oberkommandos ist, wenn die neue Gesellschaft gedeihen soll; das sei seine in Krieg und Frieden liegen auf Grund dieser Beschlüsse in Zukunft Meinung und gleichzeitig auch die der Verwaltung. Er hat in den Händen des Generalinspekteurs der Armee. Pilsudski wird damit seiner Ansicht dahin Ausdruck gegeben, daß dieses ver­dieses Amt übernehmen. Zweifelhaft ist, ob er als Kriegsminister trauensvolle Berhältnis im wirtschaftlichen Interesse der Ver­zurücktritt- aber warum sollte er nicht zugleich Kriegsminister und waltung selber liegt. Wenn also nach§ 2 des Eisenbahn­gefeßes die Gesellschaft ihren Betrieb unter Wahrung der In fein eigener Stellvertreter Jein?