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mr. 378 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 194

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Freitag, den 13. August 1926

Senkung der Arbeitslosenziffern?

bedingt.

Willkürliche Aenderung in der amtlichen Statistik der Erwerbslosenfürsorge. Amtlich wird mitgeteilt: Die Zahl der unterstühlen Erwerbslosen arbeit überwiesen wird, die einen Wechsel des Aufenthaltsorts In der zweiten Julihälfte zeigte einen stärkeren Rüdgang. Die Zahl der männlichen Hauptunterstützungsempfänger hat sich von 1 383 000 am 15. Juli auf 1 328 000 am 1. Auguft verringert. Die Zahl der weiblichen Hauptunterstüßungsempfänger, die bisher in geringem Maße gestiegen war, von 335 000 auf 324 000. Die Ge­samtzahl der Hauptunterstühungsempfänger ist demnach von 1718 000 auf 1 652 000 alfo um 66 000 oder 3,2 Proz die Zahl der unterstützten Familienangehörigen( Zuschlagsempfänger) von 1709 000 auf 1 645 000 gefallen.

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Während des ganzen Monats Juli ist die Zahl der männlichen Hauptunterstützungsempfänger von 1 408 000 auf 1 328 000 3urüdgegangen, die der weiblichen Hauptunterstützungs­empfänger von 333 000 auf 324 000, die Gesamtzahl von 1741 000 auf 1 652 000, aljo um 89 000 oder rund 5 Prozent.

Auf Grund dieser Konstruktion des Nofstandsarbeiterverhält niffes find die Nofstandsarbeiter Hauptunterstüßungsempfänger; die Notftandsarbeiter waren deshalb in den veröffentlichten Zahlen der Hauptunterstützungsempfänger mit enthalten. Seit Anfang diefes Jahres, also furz nach Beginn der gewaltigen Arbeitslosigkeit, ist das nicht mehr der Fall. Das ist eine Irreführung der Oeffentlichkeit. Wir stellen nachstehend die amtlichen Zahlen der Hauptunter stützungsempfänger mit den tatsächlichen seit Januar dieses Jahres gegenüber:

15. Januar 15. Februar

15. März 15. April

15. Mai 15. Juni 15. Juli

Die amtliche Veröffentlichung

1 762 305

Die wirkliche 8ahl

1 803 086

2 150 795

2058 853

2 145 867

2017 461

1 883 626

1 743 429

1749 111 1718 861

2046 845 1913 534

1 903 339

1862 556

Die Bestimmungen über öffentliche Notstandsarbeiten vom 30. April 1925 befagen in§ 9, daß die Beschäftigung der Erwerbs­lofen bei Rotstandsarbeiten eine Form der Erwerbslosen  = In der oben veröffentlichten amtlichen Bekanntmachung vom fürsorge ist. In seinem Kommentar zur Erwerbslofenfürsorge 12. Auguft wird über einen erheblichen Rückgang der unter fagt Dr. Bernhard Lehfeldt, Ministerialrat im Reichsarbeitsminist ützten Erwerbslosen berichtet. Soll das etwas Entschei­fterium, deshalb mit Recht, daß zu den Erwerbslofen auch die Notstandsarbeiter gehören.

Die Beschäftigung Erwerbslofer bei Rotstandsarbeiten begründet alfo tein freies Arbeitsverhältnis. Um die damit ver­bundenen Schädigungen zu mildern, bestimmt der vorerwähnte§ 9 ausdrücklich, daß dennoch eine Beschäftigung gegen Entgeld im Sinne der Reichsversicherung vorliegt, damit Pflicht­beiträge zur Sozialversicherung entrichtet werden. Ueber die Be­zahlung ist vorgesehen, daß die Notstandsarbeiter an Stelle der Erwerbslosenunterstüßung eine Vergütung erhalten, die der Leistung anzupaffen ist. Soweit die Art der Arbeit es irgend zuläßt, ist eine Affordvergütung oder die Gewährung von Leistungsprämien vorzu­sehen. Falls dies nicht möglich ist, muß mindestens ein bestimmtes Maß an Arbeitsleistung für den Arbeitstag festgesetzt werden. Mit dieser Maßgabe wird die Vergütung der Notstandsarbeiter in ihrer Höhe nach der tariflichen oder, mangels einer solchen, nach der orts üblichen Entlohnung bestimmt, die für Arbeiten gleicher Art am Orte. der Notstandsarbeit gezahlt wird. Nach§ 10 der eingangs erwähnten Bestimmungen tönnen den zurückbleibenden Familienangehörigen des Erwerbslosen für die Dauer der Beschäftigung bei der Notstands­arbeit die Familienzuschläge der Erwerbslosenunterstützung ganz oder teilweise gewährt werden, wenn der Erwerbslose zu einer Rotstands

Offener Brief.

bendes über den tatsächlichen Rückgang der Ar beitslosigkeit befagen? Das kann im Ernst nicht be­hauptet werden. Es mag sein, daß die Arbeitsmarktlage in der Landwirtschaft und im Bergbau sich etwas gebeffert hat. Es würde für die unterstützende Erwerbslosenfürsorge aber erst dann von Bedeutung sein, wenn in anderen Wirtschaftszweigen feine Ber fchlechterung der Arbeitsmarktlage eingetreten ist. Der Rüd­gang in der unterstützenden Erwerbslosenfürsorge ist sehr wahr scheinlich zum größten Teil auf das Ausscheiden von lang fristigen Unterstügungsempfängern aus der Er­werbslosenfürsorge zurückzuführen. Diese sind alsdann auf die Armenfürsorge angewiesen oder man überläßt sie ihrem Schicksal. Der Reichsarbeitsminister Dr. Braun hat im Sozialpolitischen  Ausschuß des Reichstages mitgeteilt, daß Anfang Mai allein in Preußen die Zahl der Ausgesteuerten 43 000 betrug. Das sind Erwerbslose, die seit Mai vorigen Jahres schon arbeitslos sind. Damals betrug die Gesamtzahl der Hauptunterſtüßungsempfänger nur 274 091; es ist also ein sehr erheblicher Anteil von Ausge­steuerten.

Angesichts dieser Sachlage nuß man immer wieder fragen: Wie lange will der Reichsarbeitsminister mit der Verlängerung der Unterstützungsdauer noch warten?

die gewichtigen Gründe, die für Aufhebung der Immunität in diefem anderen Falle sprechen, nicht zutreffen, und der nach den Gepflogen­An Herrn Dr. Gürtner, derzeit bayerischen Justiz| heiten des Reichstages der Strafverfolgung nicht würde ausgesetzt minister.

Herr Minister!

Bir haben vor vierzehn Tagen über Ihre Wirksamkeit in Sachen der Fememörder in der Deffentlichkeit Feststellungen gemacht, deren Gewicht uns voll bewußt gewesen ist. Die deutsche Deffentlichkeit hat ihnen teine geringere Bedeutung beigemessen und hat die ge= richtliche Klärung als eine Selbstverständlichkeit angesehen. Sie selbst, Herr Minister, desgleichen: Sie haben in der Deffentlichkeit die Nachricht verbreiten lassen, daß Sie den Schritt unternommen haben, der nach Lage der Sache der einzige ist, der

mit Ihrer Stellung an der Spize einer großen Justizverwaltung verträglich ist: Gegen uns die Offizialflage wegen Beleidigung ein­zuleiten. Herr Minister, es ist gegen Sie der Vorwurf erhoben und durch einen prima- facie- Beweis bestärft, unter Ihrer Mitwirkung seien überführte Mörder der gesetzlichen Strafe entzogen worden. Kann das ein deutscher Minister auf sich sitzen lassen?

Bis heute, Herr Minister, warten wir auf die uns angedrohten Bis heute, Herr Minister, warten wir auf die uns angedrohten

Schritte.

Es ist in diesen Tagen

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aber lediglich durch die Presse- die Nachricht gegangen, daß Sie beabsichtigen, den Reichstagsabge­

ordneten Buchmann, verantwortlichen Redakteur der Neuen Zeitung" in München  , unter Anflage zu stellen, und Buchmann hat im wesentlichen doch nichts anderes getan, als unsere Behauptungen zu wiederholen.

Wir, Herr Minister, find die Erstverantwortlichen. Es ist nicht mehr als publizistischer und politischer Anstand, daß mir von Ihnen fordern, daß Sie sich an uns halten.

Es kommt noch hinzu: einem der Unterzeichneten steht der Schutz der parlamentarischen Immunität zu. Er wird alles, was ihm mög­lich ist, tun, damit die Immunität aufgehoben wird und er vor Gericht seine Behauptungen unter Beweis stellen kann. Nach Lage Der Sache ist die Aufhebung der Immunität gegen ihn so gut wie ficher, nicht aber gegenüber dem Abgeordneten Buchmann, für den

werden.

Herr Minister, indem Sie den Abgeordneten Buchmann ver­folgen und uns nicht verfolgen, erweden Sie den Verdacht, sowohl daß Sie eine Klage erheben wollen, von der Ihnen bewußt ist, daß fie an der Immunität Buchmanns scheitern wird, als auch daß Sie es nicht wünschen, daß die von Ihnen zu erhebende Klage vor anderen als solchen Gerichten erhoben werde, die Ihrer Verwaltung unterstellt sind.

Herr Minister, Sie diskreditieren die Münchener   Gerichte, wenn Sie nach außen den Anschein erwecken, daß nur ein Münchener  

Bericht imftande fei, das von Ihnen gewünschte Urteil zu fällen. Wir aber meinen, daß die Sache eines deutschen   Justizninisters hieb- und stichfest vor jedem deutschen   Gericht sein müsse.

Herr Minister, wir, die kommenden Angeklagten, fordern Sie heraus, uns anzuflagen. Der Staatsanwalt in diesem Lande wird Ihnen, dem Justizminister des zweitgrößten Bundesstaates, allen

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Schule und Völkerversöhnung.

In Frankreich.  *)

Von Josef Diner Dénes( Paris  ).

Die alldeutschen Brunnenvergifter, voran die Hugenberg­Presse, behaupten, daß die französischen   Schulbücher nichts als Schmähungen gegen Deutschland   enthielten, und sie benutzen diese ihre Behauptung zu einer ausgiebigen Agitation gegen die Völkerversöhnung.

Allerdings, auch in Frankreich   gibt es in den klerikalen, sogenannten ,, freien" Schulen Lehrbücher, die alles weniger denn auf Völkerversöhnung gestimmt sind. Das aber sind nur Ausnahmen von der Regel.. Da in Frankreich   die Wahl der Lehrbücher nicht nur in den privaten fogenannten, freien" Schulen, sondern auch in den Staatsschulen fast gänzlich vom Lehrerpersonal abhängt, die Volksschullehrer und Lehre­rinnen aber in den Staatsschulen mit nur ganz wenigen Ausnahmen den Links organisationen angehören oder unter deren Einfluß stehen, ist es nur selbstverständlich, daß sie für ihre Schulen teine Lehrbücher mit chauvinisti­schen und völkerver hegenden Tendenzen wählen.

Wohl muß jedes Buch, das auf den Titel ,, Schulbuch" An­spruch haben will, dem Obersten Unterrichtsrat unterbreitet werden. Wenn aber ein Buch nicht gegen die Moral. ( worunter natürlich nur die sexuelle Moral verstanden wird), gegen die Verfassung oder die Geseze verstößt, kann man ihm den Titel Schulbuch" nicht verweigern. Von diesem Titel zum wirklichen Lehrbuch ist aber noch ein weiter Weg. Hierzu muß ein solches Schulbuch" auch noch in die Departements liste der Schulbücher eingetragen sein. Denn nur aus dieser Liste können die Lehrer und Lehrerinnen der Staatsschulen die Lehrbücher wählen.

Nun will man diese hezerischen Schulbücher boykottieren. Bisher wurden 26 Schulbücher auf die Boykottliste gestellt und gemäß dem Syndikatsbeschluß bei den pädagogischen Konferenzen aus den Departementslisten gestrichen. Sowohl Geschichts- wie Lesebücher befinden sich darunter. Mit Be­schluß vom Oktober 1925 wurden auch die Arbeiterorgani­fationen ersucht, den Lehrern behilflich zu sein, bei diesem Kreuzzuge gegen die friegerischen, gegen die Haß provozieren­den Schulbücher.

fation noch im Vorjahre die Boykottbewegung fräftig auf­Im Departement Finistére   z. B. hat die Lehrerorgani­gegriffen und sich sofort an mehr als 20 Berleger gewendet, ihnen die Liste der in ihrem Verlage erschienenen boykottierten Schulbücher mitgeteilt und sie gleichzeitig aufgefordert, den pazifistischen Bestrebungen der Lehrer Rechnung zu tragen. Bon nicht weniger als sechs Verlegern, darunter den größten Häusern, tamen sofort entgegenkommende Antworten. Heute find schon fast alle französischen   Schulbücher­verleger drum und daran, sich in ihren Ausgaben den Forderungen der Lehrerschaft anzupassen.

Die Prinzipien, von denen die im ,, Syndicat national" organisierten Lehrer und Lehrerinnen ausgehen, haben sie in folgende Leitsätze zusammengefaßt:

1. Wir wollen nicht mehr jene Geschichtsbücher und Lese­bücher, die die kleinen franzöfifchen Schüler Tag um Tag in das Museum der Kriegsgreuel" führen.

2. Wir wollen nicht mehr jene verfälschte Geschichte, die im Keime Mißtrauen, Berachtung, Haß und Krie g in sich trägt.

3. Wir stellen jene Autoren auf den Inder, die sich in ihren Werken an der Wahrheit vergangen und dem Hasse hinge­geben haben.

Neben dieser negativen Arbeit leistet aber das Syndicat national" auch eine positive Aufbauarbeit. Eine ganze Reihe der besten Mitglieder arbeiten jetzt an einem vollständig neuen Aufbau der französischen   Schulbücher. So wurden zum Ge­brauch an den Volksschulen einige wirklich mustergültige Schulbücher für Geschichte" geschaffen.

Die gleiche Aufmerksamkeit wird den sogenannten ,, Lese­Schuß gewähren. Wir, die künftigen Angeklagten, fühlen uns geben Krieg Bezügliche vermieden wird, sondern auch besonders drängt, Ihnen, Herr Minister, Mut zuzusprechen: Stellen Sie endlich darauf Gewicht gelegt wird, das Kind schon von frühester büchern" zugewendet, in denen nicht nur konsequent alles auf den Strafantrag, und verklagen Sie uns hier in Berlin  . Seien Sie Jugend an zu einer gefunden, freien Anschauung des prakti­überzeugt, es gibt noch Richter in Berlin  ! schen Lebens zu führen. Ebenso werden die Kinder schon in der Volksschule mit dem öffentlichen Leben des Staatsbürgers bekanntgemacht.

Berlin  , den 12. Auguft.

Paul Levi  .

Curt Gener.

Deutsch  - französische Verfassungsfeier.

Auf dem Weltfriedenskongres. Paris  , 12. August.  ( BTB.) Gestern abend haben mehrere Tausend junger Deutscher   und Franzosen   auf dem 6. Internationalen Demokratischen Friedenstongreß in Bierville den Jahrestag der Gründung der deutschen Republik festlich begangen. Ein Fadelzug, dem deutsche und französische   Fahnen vorangetragen wurden, begab sich unter dem Gesang von Friedensliedern vom Friedensfelde aus unter Führung des Theaterdirektors Firmin Gemier nach dem im Freien errichteten Theater, wo der Abg. Marc Sangnier  ( tathol. Dem.) eine Rede hielt.

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Da das Syndicat national" zu allererst den jugend­lichen Köpfen beibringen will, was allen Bölkern gemeinsames Eigentum ist, sie nicht trennt, sondern verbindet, war nahe= liegend der Gedanke, ein universales Geschichts= buch zu schaffen. Denn die nationalen Geschichtsbücher legen das Hauptgewicht doch auf die Geschichte der eigenen Nation und regen damit unwillkürlich im Kinde den Ge­danten wach, daß die eigene Nation die auserwählte sei. Das universale Geschichtsbuch müßte einfach zeigen, was im heuti­Ein solches Buch könnte dann in allen Ländern als Schul­gen Kulturbesige allen Völkern gemeinsames Gut geworden.

Siehe auch Nr. 359 d, Bl. vom 2. Auanit.